Samstag, 23. Juni 2012

Nieder mit Goethe, lang lebe Murnau! Ein (un)typischer Stummfilm-Abend in Weimar

FAUST: EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE
D 1926
Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Darsteller: Emil Jannings (Mephisto), Gösta Ekman (Faust), Camilla Horn (Gretchen), Hanna Ralph (Herzogin von Parma) u.a.
„Murnau hat Goethe aber ganz schön gefickt!“ lautete das Fazit einer meiner Kompagnons zu Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Interpretation des Faust-Stoffes. Solch bildhafte Worte würde ich selbst natürlich niemals verwenden. Jedoch stimme ich dem dahinterstehenden Gedanken im Grunde zu, wenngleich aus anderen Gründen als mein höchst Faust-affiner Kollege. Dieser verstand diese Worte als negative Kritik an einer seiner Meinung nach zwar bildgewaltigen, aber doch etwas zu „freien“ Adaptation von Goethes Werk. Ich hingegen sehe ich sie als Ausdruck der absoluten Genialität von Murnaus letztem deutschen Film und als Bestätigung meiner persönlichen Meinung, dass das Kino als Kunstform dem Theater bei weitem überlegen ist, und dass Murnau in meinem Kulturkanon immer eine größere Rolle spielen wird als der Wahlweimarer aus Frankfurt.

Aber erst einmal alles der Reihe nach. Mein Verhältnis zu „Faust“ kann man als grundsätzlich konflikthaft bezeichnen. Wie Abertausende Schüler in Deutschland wurde selbstverständlich auch ich in meinem – zumal Weimarer! – Deutschkurs mit Goethes „Faust“ gequält und regelrecht geprügelt. Der Besuch einer Vorstellung im Deutschen Nationaltheater Weimar hat meine Abneigung gegen „Faust“ nicht nur nicht zerstreut, sondern sogleich auch noch meine Grundskepsis gegenüber Theater überhaupt noch erhöht. Dies erklärt auch, warum „künstlerische Freiheiten“ bei der Anpassung des Stoffes für das Kino nicht unbedingt meine Empörung hervorrufen werden...
Interessanterweise hat meine Annäherung an Murnau fast ebenso schlecht begonnen, nämlich mit „Nosferatu“. Die erste Sichtung im Fernsehen hat mich abgeschreckt, was vielleicht nicht zuletzt am dämlichen und fürchterlichen Elektrolärm lag, der als „musikalische“ Begleitung diente. Das mittlerweile vierte „Nosferatu“-Erlebnis vor wenigen Wochen hat meine Meinung lediglich weiter verstärkt: der ultimative Stummfilm, um Stummfilm-Anfänger zu verscheuchen! Die große Freude, Murnaus Meisterwerke „Der letzte Mann“ und „Sunrise“ zu sehen, hat mir erlaubt, „Nosferatu“ besser einzuordnen. So kann man in diesem Horror-Film im Lichte der späteren Werke die amateurhafte Fingerübung eines Regisseurs auf der Suche nach visuellen Gestaltungsmöglichkeiten erkennen.
Dies sind also die groben Voraussetzungen für den titelgebenden Stummfilm-Abend im Weimarer Lichthaus-Kino. Eine andere ist eher nicht-kultureller Art. Wenn das tonlose Zelluloid zur Begleitung von Richard Siedhoffs Klavier ins Rollen gebracht wird, dann platzt üblicherweise Kinosaal 1 aus allen Nähten. Da zur gleichen Zeit aber in der Hauptstadt Galiziens 22 geistig minderbemittelte Männer einem ins Rollen gebrachten Ball hinterherrannten, um drauf zu treten und 11 dieser Männer – oder besser gesagt die Bildschirme, die sie zeigten – bei dieser irgendwie ziemlich sinnlosen Beschäftigung mit atavistischem „Schland“-Gebrülle angefeuert wurden, war an diesem Abend die Zuschauerzahl ausnahmsweise übersichtlich.

Und der Film begann. Überraschend und sehr untypisch war, dass er dies ohne die üblichen einleitenden Worte des Pianisten Richard Siedhoff tat, der ansonsten über die historische Bedeutung des jeweiligen Films oder über die Erhaltung, Länge und Qualität der Filmkopie kurz referiert. Vielleicht gar nicht so unpassend. Wenngleich Murnau nach „Der letzte Mann“ nun doch wieder Zwischentitel nutzte, so sind Worte doch gewissermaßen überflüssig bei einem Werk, das solch pures Kino, reines Bild und schlichte visuelle Poesie ist.
Beginnen wir zunächst mit dem, wofür „Faust: Eine deutsche Volkssage“ am berühmtesten wurde: seine Spezialeffekte. Diese bilden noch bis heute den offensichtlichsten Schauwert des Films. Durch Doppel- und Mehrfachbelichtungen, gekoppelt mit stilisierten Setdesigns und raffinierten Attrappen-Arrangements lässt Murnau den Zuschauer in eine komplexe, surreale und (alp)traumhafte Parallel-Welt eintauchen. So breitet zu Beginn des Films Mephisto seine riesigen Flügel über die Stadt und bringt ihren Bewohnern die Pest. Eines der ikonischsten Bilder des Films, und trotz der offensichtlichen Nutzung einer Miniatur-Attrappe noch heutzutage ein ergreifender Filmmoment. Die Anrufung Mephistos erinnert selbstverständlich an einen anderen großen „Kassenschlager“ der Ufa. Die über Fausts Körper schwebenden Feuer-Ringe konnten ein Jahr später in Fritz Langs „Metropolis“ als Licht-Ringe bewundert werden, namentlich in der Szene, in welcher der Maschinenmensch geschaffen wird. Auch Emil Jannings Mephisto verschwindet und taucht dank Mehrfachbelichtungen überall und an den unmöglichsten Stellen auf, um seine teuflischen Spiele zu treiben.
Metropolis
Remineszenz an die Anrufung Mephistos
Solcherlei Spezialeffekte setzt Murnau auch ein, um die inneren Gemütszustände der Figuren zu externalisieren – wie könnte es in einem expressionistischen Film auch anders sein. Fausts Sehnsüchte und Ängste, die aus seinem Pakt mit Mephisto heraus gezwungenermaßen entstehen, breiten sich im wörtlichen Sinne vor seinen Augen aus. Mephisto verführt Faust letztlich mit Sex! Mit fliegendem Mantel führt er ihn zur Hochzeit der Herzogin von Parma, bringt dort gleich ihren Bräutigam um und sorgt für ein deutsch-italienisches Techtelmechtel. Bevor es richtig zur Sache geht, zerrt Mephisto Faust aus dem Bett und verkündet das Ende des Pakt-Probetages. Dem „jungen“ Faust wird durch diesen „coitus interruptus“ das Schreckensbild seiner eigenen Impotenz bzw. seines wahren Alters vorgeführt, und er ist für seine Jugend nun bereit, Mephisto für ewig verfallen zu sein. Eine ziemlich einfache, aber sehr effiziente Szene.
Doch Faust merkt, dass adelige Damen zu besteigen nicht automatisch selig macht und sehr schnell hockt er dann trübsinnig auf einem kargen Felsbrocken und schwärmt seinem düsteren Kumpanen von der Idylle der Heimat vor. Hier verwandelt sich der rauchig-düstere Hintergrund in Fausts Phantasie eben jener Idylle von Haus, Hof und Familie. Die Projizierung der Gemütszustände auf den Hintergrund würde Murnau in „Sunrise“ noch auf die Spitze treiben.
Die „entfesselte Kamera“, die Murnau in „Der letzte Mann“ bereits sehr eindrucksvoll von der ersten Minute an demonstriert hatte, nutzte er in „Faust“ seltener wenngleich nicht weniger eindrucksvoll. Einige Kamera-Schwenks über etwas, das man mühelos als Miniatur-Modell von Städten, Wiesen, Wäldern, Gebirgen und Meeresküste ausmachen kann, werden zum phantastisch-teuflischen Flug auf Mephistos Mantel: Der Atem stockte, die Augen waren weit aufgerissen und der restliche Körper war angespannt angesichts dieses atemberaubenden Kinoaugenblicks, und hier hat tatsächlich niemand aus der Versammlung hämisch gelacht. Der phantastische Flug endet damit, dass man sich einem Gebäude aus anscheinend hunderten Metern Entfernung fliegend annähert und in die offene Terrasse hineinstürzt – solche Kamerafahrten von extremen Exterieur-Totalen ins Innere eines Gebäudes werden heute immer noch gerne gemacht, jedoch meist mit CGI. Danach folgt noch ein direktes Zitat aus „Der letzte Mann“, wenn wir aus der Turmspitze des Gebäudes in die prunkvolle Hochzeitsgesellschaft der Herzogin von Parma wie in einem Fahrstuhl „herunterfahren“.
Die Spezialeffekte sind bewundernswert. Einigen merkt man sicherlich an, dass sie 85 Jahre auf dem Buckel haben und gewissermaßen den alten bärtigen Faust als Jungspund vormachen mussten. Dies mag das immer wieder auftauchende latent höhnische Gelächter während der Filmvorführung erklären – wenngleich selbstverständlich nicht entschuldigen. Denn die Spezialeffekte sind nur ein (und vielleicht gar nicht unbedingt das wichtigste) von mehreren Elementen, die „Faust“ zu einem zutiefst modernen Film machen; und zwar damals wie auch heute.

Da wir gerade so schön da sind, bleiben wir gleich bei dieser Hochzeitsgesellschaft: im Vordergrund der innere Kreis der Gesellschaft, eine Treppe tiefer weiter hinten eine Tänzerinnen-Gruppe, und ganz weit hinten die Gebäude der Stadt. Alle drei Elemente sind, zumindest auf großer Leinwand, gestochen scharf zu sehen. Durch kleinere Wechsel der Kameraposition und der Beleuchtung wird in den folgenden Momenten ihr Anteil am und ihr Gewicht im Gesamtbild immer wieder leicht geändert. Worauf ich eigentlich hinauskommen will: vielleicht noch beeindruckender als die Spezialeffekte ist die fast permanente extrem plastische Räumlichkeit der Bilder! Durch scheinbar einfache Elemente wie Bildkomposition und Tiefenschärfe taumeln die Figuren nicht vor zufälligen Kulissen, sondern bewegen sich durch einen fühlbaren Raum.
     
Gerade der zweite Teil des Films, wo es um die Annäherungen Faustens und Gretchens geht, wird in Foren gerne mal als schwach, ja gar langweilig im Vergleich zur vorangehenden tour de force belächelt. Das stimmt nicht! Denn gerade die Szenen in Gretchens Haus sind Mini-Kunstwerke plastischer Rauminszenierung. Hier wird deutlich, dass Orson Welles‘ „Citizen Kane“ nicht aus dem Himmel fiel, sondern im Grunde Techniken des expressionistischen Stummfilms für den Tonfilm adaptierte, modernisierte, zuspitzte und radikalisierte. 15 Jahre, bevor Charles Kane und seinen Redaktionskollegen die Zimmerdecke regelrecht auf den Kopf knallte, tat sie das schon bei Gretchen, ihrer Mutter, ihrem Bruder und Mephisto. Mit Tiefenschärfe, einem geeigneten Setdesign und vor allen Dingen auch einer relativ niedrigen Kameraposition ist die Decke fast permanent zu sehen. Das erzeugt nicht nur eine bedrückende und klaustrophobische Stimmung. Wenn die drei Ebenen Wand 1, Wand 2 und Zimmerdecke in einer Ecke sichtbar zusammentreffen, dann entstehen besonders bei handlungsarmen Momenten aus potentiell relativ drögen flächigen Bildern ein Reigen dreidimensionaler kleiner Kunstwerke.
Citizen Kane
Ähnliche Mittel der Räumlichkeits-Inszenierung
Es scheint gar so, dass – ACHTUNG: KULTURPESSIMISMUS-MODUS AN – die heutige 3-D-Technik nicht nur die Geldbeutel von Verleihen, Produzenten, und Studios noch weiter auffüllen soll, sondern auch die Unfähigkeit manch eines Regisseurs, Räume und Räumlichkeit zu inszenieren, ausgleichen soll – ACHTUNG: KULTURPESSIMISMUS-MODUS AUS. Die kommende erste deutsche DVD-Edition hat also bestimmt keine 3-D-Digitalisierung gebraucht, denn „Faust“ wurde schon in der Originalversion in 3D gedreht. Wer meine Ausführungen zur Gestaltung von Räumlichkeit in Murnaus letzten deutschen Film für Quatsch hält und/oder mehr dazu wissen möchte und über erweiterte Französisch-Kenntnisse verfügt, kann die Darlegungen Eric Rohmers zum selben Thema lesen.
Was bleibt noch zur Machart des Films zu sagen? Augen und Gegenstände werden stellenweise zu blendendem Glitzern gebracht. Murnau beweist Mut zur völligen Bildabstraktion in Momenten, wo Feuer und Rauch eine gewisse Rolle spielen. Der Emil Jannings als pfiffiger Mephisto. Das irgendwie latent kitschige Ende...
Die Weimarer Aufführung vom 17. Juni 2012 war also ein voller Erfolg und Murnaus Meisterwerks durchaus würdig. Die Klavierbegleitung war typischer Siedhoff, nämlich individuell, ausdrucksstark, mit Mut zur Pause und einfach großartig. „Klavierbegleitung“ ist wortwörtlich zu nehmen: die Bilder werden tatsächlich „begleitet“, ihre visuelle Sprache unterstützt, aber sie werden niemals von der Musik ertränkt oder stranguliert! Gerade schlechte Musikbegleitungen haben die Tendenz, sich selbst wichtiger zu nehmen als der eigentliche Film und entwickeln sich – egal ob live, oder auf DVD oder im Fernsehen – zu „Konzerten mit Filmrollen-Begleitung“.
Der Film wurde anschließend in einer etwas kleineren Gruppe besprochen und gewürdigt bzw. kritisiert – in einer fast menschenleeren (da „public-muh-ing“-freie Kneipe). In der Hauptstadt Galiziens haben 11 der 22 Schwachköpfe das hirnrissige Tritt-auf-den-Ball-Spiel gewonnen. In der ehemaligen Kulturhauptstadt Europas hat an diesem Abend Murnau Goethe eine eklatante Niederlage beigefügt – je nach Standpunkt im guten (ich) oder im schlechten Sinne (mein Kollege). Sicher folgt Murnaus Faust nicht besonders treu der Goetheschen Version, zumal er explizit auch andere Faust-Quellen aufgenommen hat. Und ganz sicher fehlt seinem „Faust“ die narrative Tiefe und die grundlegende emotionale Involvierung, die vorher „Der letzte Mann“ und später „Sunrise“ ausmachten. Wer mit Goethes „Faust“ auf gutem Fusse steht, wird mit „Murnaus“ Faust nicht unbedingt sehr glücklich werden. Wer eine Geschichte erzählt bekommen will, wird hier wohl auch nicht auf seine Kosten kommen (gerade Menschen mit diesem Anspruch könnten andere Murnau-Filme dahingehend besser ertragen). Wer pures Kino erleben will, wird hier seine volle Dröhnung bekommen. Denn wie sagte Martin Scorsese: das einzige Mittel, um Filmsucht zu kurieren, ist noch mehr Film!

20 Kommentare:

  1. Die Bemerkungen über die im Fußball versammelte Intelligenz können natürlich nicht unwidersprochen bleiben (aber ich fürchte, ich vertrete damit in Whoknows Presents eine Minderheitenposition), und zu NOSFERATU habe ich auch eine andere Meinung, aber sonst ein toller Artikel.

    Dass Rohmer ein ganzes Buch darüber geschrieben hat, war mir neu. Wird Zeit, dass ich den Film, den ich nur einmal gesehen habe, wieder mal begutachte. Ich vermute mal, dass die kommende DVD von der SZ gegen die englische von MoC nicht wird anstinken können, also besteht eigentlich kein Grund zum Warten.

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    1. Ich selbst habe auch nur durch Zufall Rohmers Buch entdeckt (Google-Bild-Suche sei dank), als ich den Text schon fast fertig hatte. Zu meiner großen Schande muss ich übrigens gestehen, dass ich noch keinen einzigen Rohmer-Film gesehen habe...
      Die UK-DVD von „Faust“ ist auch nicht gerade billig, das Geld dürfte da aber tatsächlich besser angelegt sein als in der SZ-Edition (die ich sowieso lieblos und dafür überteuert finde, davon abgesehen, dass das Format für einen normalen DVD-Schrank zu groß ist!). Ich fand es aber so bemerkenswert wie befremdlich, dass die SZ-DVD die erste Veröffentlichung dieses Meisterwerks in Deutschland sein wird.

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    2. Das lese ich erst jetzt! Wenn du wiedermal an einem Donnerstag meine Regal leerräumst, dann nimmst du gefälligst DIE SAMMLERIN und MEIN NACHT BEI MAUD mit. Danach kann ich mit Rohmer auch nur noch bedingt etwas anfangen (zumindest CLAIRES KNIE mochte ich noch), aber diese beiden sind superduper.

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    3. @vannorden: Details! Wir wollen widerliche Details! Schliesslich stecken wir mitten im Sommerloch und haben die Nase voll von dem Typen, der bei uns ständig nach "Schamhaare" googelt.

      Sag: Was hat unser Autor mit Pauline am Strand gemacht? :D

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    4. Dieser Verzichter! Sie schmiss sich ihm quasi an den Hals und er verzichtete! Ich kann jetzt kaum noch eurem Autor über seinen Rauschebart in die Augen gucken und unverständig zu sein. Gegenüber Claire, Maud, Reinette, Mirabelle und all den anderen hat er Aug und Ohr verschlossen. Um sich mit Jannings rumzutreiben. Dem schlimmsten aller deutschen Schauspieler.

      Außerdem, wenn "Schamhaare" euer größtes Problem ist, na dann Glückwunsch. Ich verliere hier immer wieder den Glauben an die Menschheit. Es gibt Menschen die nach ausgepeitschten kleinen Mädchen googlen oder gar "Wo ist Waldo?". Aber am schlimmsten, fast täglich googled jemand nach Jude Laws Zähnen und landet wegen mir schändlichen Kommentators bei Jenny. Diese Entmenschlichung! Jude Law hat doch mehr an seinem Körper zu bieten, als dass er wie ein Pferd behandelt werden muss.

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    5. ohne unverständig zu sein. - sollte es heißen

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    6. Ach ja "zuhälter des todes" fand ich auch sehr schön. (aber jetzt hör ich auch auf. keine sorge)

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    7. Ohne Jude Law verletzen zu wollen: Ich wage zu bezweifeln, dass der Mann unterhalb seiner Zähne noch etwas zu bieten hat. :P Sah ihn übrigens besonders gern in "Midnight In the Garden of Good and Evil", weil er dort frühzeitig aus dem Weg geräumt wird.

      Und jetzt folgt ein peinliches Geständnis: Auch in meiner Pipeline befindet sich ein Jannings-Film. Und da man mühsame Filmbesprechungen nicht einfach "unbesprochen" machen kann, wird er eines Tages auch erscheinen. - Wir scheinen den Schauspieler einfach zu überschätzen. :(

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    8. Ob das wirklich nur einer ist, der da dauernd nach den Schamhaaren googelt? Der müsste doch langsam merken, dass er dann bei uns nur bei Terayama landet. Was für eine bittere Enttäuschung das sein muss! Auf der Suche nach (Bildern von) Schamhaaren, und dann so esoterisches Zeug! Aber wahrscheinlich sind das immer neue Jäger des verborgenen Schatzes.

      Neulich hatten wir übrigens einen, der nach "nakte 16 järige mägels" [sic!] gegoogelt hat. Vielleicht hätte ihn Google besser zu www.duden.de statt zu uns geleitet ...

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    9. Ach der Emil. Ich scheine ihn zu unterschätzen :( :) Du hast ja schon Marnie wieder sehenswerter für mich gemacht, aber wenn du mir meinen Hass-Schauspieler numero uno wegnimmst, dann schmolle ich. :b

      und Manfred: hihi, mägels.

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    10. Heute hatten wir einen, der die "mägels" noch getoppt hat. Suchbegriff: "nacke fauen & männer !!! titten ,scheiden und penise". Natürlich ist auch er (ich gehe mal davon aus, dass es ein "er" ist) bei Terayama gelandet.

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  2. "Und an dem Ufer steh' ich lange Tage,
    Das arme Publikum mit Dreck bewerfend."

    Mit diesem leicht abgeänderten Zitat möchte ich nur darauf hinweisen, dass sich zumindest das Theater Basel gelegentlich künstlerische Freiheiten gönnt und deshalb zu einem spannenden Abend verlocken kann. In den 70er Jahren wohnte ich nämlich einer "Iphigenie"-Inszenierung bei, die sich im Dreck suhlende Schauspieler zeigte und ihren Höhepunkt im Bewerfen des Publikums mit ebensolchem fand. :D

    Ich habe Murnaus Faust-Adaption noch nie gesehen, fühle mich aber schon von den Screenshots ausserordentlich angezogen. Dass sich "Citizen Kane" nicht rühmen darf, diese einzigartige Raumtiefe erfunden zu haben, stellte ich auch mal in einer Besprechung von Sam Wood's "Our Town" (1940) fest. Und siehe da: Techniken, die ohne Hinterfragen einem bestimmten Film zugeordnet werden, lassen sich schon bei Murnau finden. :) Und dass sich Jannings als Mephisto wesentlich furchterregender gibt als der Schalk Gründgens war ja zu erwarten (um ehrlich zu sein: Jannings ähnelt hier meiner Mutti).

    Spannende und sehr informative Besprechung! Ich stehe in Sachen "steinzeitliches Herumtoben mit rundem Ding" voll hinter dir. :)

    @Manfred: Wenn ich Fussball mit Intelligenz in Verbindung zu bringen versuche, entsteht vor meinem gespenstischen Auge automatisch Berti Vogts - und ich kann einen Lachanfall nicht unterdrücken. Mein Co-Admin sollte sich schämen. :P - Zum Glück brachte ich den von dir in einem privaten Schreiben erwähnten "intelligentesten und spannendsten Mannschaftssport" automatisch mit dem in Verbindung, was Murnau mit Goethe machte. Wollte dir nächstes Jahr eigentlich schon eine Valentinskarte schicken ...

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    1. Na, wer hat‘s erfunden? Die Schweizer? „Citizen Kane“ ist ja in vielen Momenten auch eine Hommage an den expressionistischen Stummfilm und gerade die „revolutionäre“ Tiefenschärfe ist im Grunde ein bewusster Rückgriff auf eine Stummfilmtechnik. Diese war auch in „Varieté“ von Ewald André Dupont von 1925 sehr gut zu begutachten, wenn etwa die Hauptfigur einen langen langen langen Gefängnisgang herunterläuft: ebenfalls ein Film mit Emil Jannings, mit Kameramann Karl Freund („Der letzte Mann“) und der vor einigen Wochen ebenfalls mit Richard Siedhoffs Klavierbegleitung im Weimarer Lichthaus vorgeführt wurde...
      Die Frage wäre, wann und warum die Tiefenschärfe „verloren gegangen“ ist bzw. „in den Untergrund ging“, um später in Filmen wie „Citizen Kane“ „wieder entdeckt“ zu werden? Darüber sollte jemand mal eine Doktorarbeit schreiben! Ich werde mir dazu aber auch einige Gedanken machen.
      Der Formel „Fussball + Intelligenz = Lachanfall“ kann ich nur zustimmen. Darauf drei Weizenbier ;-)

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    2. Es war wohl so, dass die Tiefenschärfe von vornherein mehr im europäischen Stummfilm als in Hollywood Verwendung fand. Thompson & Bordwell [1] schreiben etwas dazu:

      "How might you direct the audience's attention in the course of a scene? The Hollywood system favored editing together closer views of the characters, usually seen against an inconspicuous background. During the 1910s, some European filmmakers explored a rich alternative style: the dramatic and pictorial possibilities of depth-staging techniques.
      European filmmakers used editing more sparingly tending to favor complex staging within quite lengthy shots. By creating deep sets, framing action in windows or other apertures, and moving actors slightly to block and reveal key details, directors choreographed the flow of the action with great precicion. [...]
      During the early 1920s, the continuity system was increasingly adopted in Europe as well, and depth staging in long-held shots was becoming a rare option. Such shots would become more common in the 1930s, when sound filming encouraged them."


      [1] Kristin Thompson, David Bordwell: Film History. An Introduction (3rd Edition, International Edition, S. 59f)

      Beim Wiederaufstieg der Tiefenschärfe sollte man auch einen Blick auf Renoir werfen. DIE SPIELREGEL (1939) ist ein genauso perfektes Beispiel wie CITIZEN KANE, und schon vorher hat Renoir damit gearbeitet, etwa in einer sehr schönen Szene in BOUDU - AUS DEN WASSERN GERETTET (1932).

      CITIZEN KANE ist aber nochmal ein spezieller Fall, weil Welles und Toland nicht nur deep focus cinematography benutzten, sondern auch viele Trickaufnahmen, bei denen z.B. Vorder- und Hintergrundmotive getrennt aufgenommen und dann mit einem optischen Printer mit unsichtbaren Nahtstellen zusammengesetzt wurden (auch bei Thompson/Bordwell nachzulesen, S. 209). Insofern war CITIZEN KANE durchaus innovativ, aber mehr technisch als stilistisch (abgesehen von den vielen sonstigen Errungenschaften dieses Films).

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  3. *lächel* ... ich habe, eure majestät, an anderer stelle von euch einen beitrag über eure lakaien gelesen :-) ... und hab' mich darüber königlich amüsiert ... ich hoffe, dass ich das sagen darf ... untertänigst ... die m.

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  4. Einen Beitrag von mir über meine Lakaien? Wo? Eigentlich prahle ich ja nicht öffentlich mit meinem Hofstaat :-D

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  5. @david: Ich weiss einach nicht genug über Stummfilme. :( Die Schweiz, ein bekanntlich wohlhabendes Land, hat sich den fatalen Luxus gegönnt, Spezialgebiete zu verteilen. Und so verschaffte sich gabelingeber einen Ministerposten im Ressort "Stummfilm", während unsere Bundesrätin Doris Leuthard zum Thema "Die schielende Hauptdarstellerin im Schweizer Film der 70er Jahre" referiert. Ich wiederum konnte mich mit viel Glück vor der Abteilung "Sandmännchen" drücken (unser Nationalrat Christoph Blocher, der bekanntlich hinter allem und jedem steckt, stürzte sich förmlich darauf, schiebt aber heimlich Angela Merkel als Sachverständige vor. Und ich? Bis jetzt weiss ich nur, dass ich vor einem PC sitze und auf Inspiration warten soll. Mittlerweile halte ich mich mit alten Asterix-Bänden über Wasser...

    Du darfst dich also ruhig um das Thema "Geschichte der Tiefenschärfe im Film" kümmern. Es mag nur für Laien öde wirken. Deine wenigen Feststellung bezüglich des vorübergehenden Verschwindens der Technik lassen aber spannende Ausführungen erwarten. :)

    Was Éric Rohmer anbelangt, kann ich dich trösten. Ich wollte vor ein paar Monaten mein getrübtes Verhältnis zur Nouvelle Vague, das sich eigentlich nur auf Godard bezieht, in Frage stellen und mich neben Truffaut mit einem Regisseur beschäftigen, über den heutzutage eher selten geschrieben wird. Vage erinnerte ich mich, "Le genou de Claire" (1970) mal gesehen zu haben; jetzt wollte ich mich dem Jahreszeiten-Zyklus aussetzen. Vor der riskanten Geldausgabe sollte aber "Pauline à la plage" (1982) dran glauben. Hier meine begeisterte Reaktion in einem Forum, das eigentlich nur Kindern unter zwölf Jahren zugänglich sein sollte! Du wirst verstehen, dass ich sowohl um Forum als auch um Rohmer mittlerweile einen grossen Bogen mache...

    Zu den Lakaien: Die Kommentatorin scheint den Eindruck zu haben, ich schreibe unter verschiedenen Namen. :P Und so schiebt sie eine meiner Bemerkungen im Schnatterday des Intergalaktischen dir in die Schuhe. Mir solls recht sein. Es geht mich schliesslich nichts an, dass du dir deinen Pimmel von Lakaien bedienen lässt. :D

    @all: david ist der mit den Lakaien! david ist der mit den Lakaien! Ich weiss nicht einmal, was ein Lakai ist. :P

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    1. david ist der mit den Lakaien! david ist der mit den Lakaien! Ich weiss nicht einmal, was ein Lakai ist.

      Deine Lakaien sind gar nicht deine Lakeien? Na sowas ...

      Falls Du doch noch einen Versuch mit Rohmer machen solltest, nimm MEINE NACHT BEI MAUD.

      PS: Schonungslos aufgedeckt: Die Wahrheit über Blocher!

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    2. Bundesrätin Leuthard liess sogar einmal unmissverständlich zu vergesten, wie lange der durchschnittliche Dödel eines Schweizers zu sein habe (sie sass damals noch in der Dödel-Abteilung und tröstete mich der Erkenntnis, dass ich guter Durchschnitt bin).

      "Meine Nacht bei Maud" werde ich mir merken. Du kennst mich: So rasch gebe ich nicht auf. Früher oder später werde ich mich sicher auch hinter die "Contes des quatre saisons" machen. Was ich vorher überwinden muss: Rohmers Bedürfnis,jede seiner Banalitäten in langen Vorträgen zum Meisterwerk zu erheben. Ich sollte in seinem Fall also die Extras auf den DVDs meiden. :D

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  6. Ein sehr schöner Atikel - gratuliere! Ich fand ja seinerzeit kaum Worte vor lauter Begeisterung und ich glaube zu spüren, dass es Dir ähnlich erging.
    Aber wie soll man reines Kino in Worte fassen? Soll man überhaupt?
    Man kann auf das Revolutionäre hinweisen - der Rest muss selbst erlebt werden. Ein Glück, wenn dann ein guter musikalischer Begleiter zur Hand ist!
    Ich muss dringend zusehen, dass ich auch mal einen Film mit Siedhoff am Klavier "erwische", wenn er zu den Stummfilmtagen in Zürich anreist.

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