Sonntag, 31. März 2013

Verbotene Visionen des Holocaust

KOMISSAR (DIE KOMMISSARIN)
UdSSR 1967 (Premiere: 1988)
Regie: Aleksandr Askol‘dov
Darsteller: Nonna Mordjukova (Klavdija Vavilova), Rolan Bykov (Efim Magazanik), Raisa Nedaškovskaja (Marija Magazanik)



Im „russischen Krisen-Kontinuum“ aus Weltkrieg, Revolutionen und Bürgerkriegen wurden zwischen 1914 und 1922 schätzungsweise 100.000 bis 150.000 Juden ermordet. Antisemitische Pogrome im Russischen Reich waren wiederkehrende Ereignisse in Krisenzeiten, so etwa nach der Ermordung von Zar Alexander II. 1881 und während der Russischen Revolution von 1905. Die Gewalt im Zuge des Ersten Weltkrieges nahm jedoch andere Dimensionen an, als die Russische Armee begann, systematisch Juden unter dem Generalverdacht der Spionage aus frontnahen Gebieten zu vertreiben oder zu deportieren. 1917 brach das Russische Reich unter dem Druck des Kriegs und der revolutionären Bewegungen zusammen. Nirgendwo war dieser vollkommene Zusammenbruch, das Versinken in gewalttätigen Chaos größer als in der Ukraine, wo Dutzende von Armeen sich gegenseitig bekämpften und wo es keine Seltenheit war, wenn eine Ortschaft innerhalb von drei Jahren mehrere Dutzend Machtwechsel erlebte. Hier lebte auch der größte Teil der russländischen Juden. Mit jedem Machtwechsel erlebte die jüdische Bevölkerung eine Welle antisemitischer Gewalt: durch Weißgardisten, Soldaten der Ukrainischen Volksrepublik, aufständische Bauern, polnische Soldaten, marodierende Rotarmisten. Die Pogrome reichten in ihrem Ausmaß von Plünderungen mit vereinzelten Morden bis zu hin zu Massakern mit eindeutig genozidalen Zügen.

Die Kommissarin und die Familie Magazanik
In dieser chaotischen Umgebung spielt Aleksandr Askol‘dovs erster und einziger Spielfilm KOMISSAR. Die Haupt- und titelgebende Figur ist Klavdija Vavilova, eine Kommissarin der Roten Armee, die mit ihrer Einheit im Jahr 1919 oder 1920 in eine nicht namentlich näher gekennzeichnete Stadt in der Ukraine einrückt (wahrscheinlich das westukrainische Berdičev). Die resolute Frau in martialischer Armee-Uniform ist für ihre Härte gefürchtet, und lässt gleich am Anfang einen Deserteur hinrichten. Sie ist aber auch schwanger, und steht kurz vor der Entbindung. Dafür lässt sie sich beurlauben und taucht als Zivilistin in einer zwangsrequirierten Privatwohnung unter. Die Auswahl fällt auf das überaus bescheidene Haus (um nicht zu sagen die Bretterbude) des jüdischen Schmieds Efim Magazanik, der nun für sich, seine Ehefrau, seine sechs Kinder und seine Mutter noch ein Zimmer weniger hat. Als armer Handwerker fühlt sich Efim düpiert und ist zunächst auch in einer entsprechenden Laune. Während er zur Arbeit geht, kümmert sich seine Frau Marija um den personenreichen Haushalt – und sehr schnell auch um „Madam Vavilova“. Die unerbittliche Kämpferin um die Sache der Arbeiter und Bauern versteckt anfänglich kaum ihren Abscheu vor den Magazaniks und ihrer Armut (inwiefern sie antisemitische Ressentiments hegt, bleibt ambivalent). Doch Marija überfällt „Madam Vavilova“ regelrecht mit ihrer Fürsorge: bereitet ihr Tee zu, leiht ihr Hausschuhe aus, gibt ihr Tipps bezüglich der Schwangerschaft, klagt ihr Leid als schwer arbeitende Hausfrau, und näht der Kriegerin, die keine Zivilkleidung (mehr) hat, schließlich ein schönes Sommerkleid.

Die Kommissarin als Mutter
Ihrer Uniform beraubt verliert Klavdija auch ihr martialisches Auftreten, und muss sich langsam damit abfinden, nicht nur weiblicher, sondern vor allen Dingen auch ziviler und menschlicher aufzutreten. Diese allmähliche Verwandlung wird schließlich nach der Geburt des Kindes – für eine relativ reibungslose Entbindung hat Marija gesorgt – beschleunigt. Als ihre Rotarmisten-Kollegen erscheinen und die Nachricht überbringen, dass der Einbruch der Weißen Armee bevorsteht, wird sie vor ein schweres Dilemma gestellt. Soll sie bei den Magazaniks bleiben? Zur Armee zurückkehren? Was wird mit ihrem Kind passieren? Während sie mit der jüdischen Familie in einem Keller das Bombardement der Stadt übersteht, ereilt sie eine schreckliche Vision über die Zukunft der Magazaniks und aller Juden der Stadt. Voller Schrecken hinterlässt sie ihr Kind in Obhut der Magazaniks und kehrt resolut zu ihrer Armee-Einheit zurück, um für den internationalen Sozialismus weiter zu kämpfen.
Was sich wie eine eigentlich relativ harmlose humanistisch-realistische Erzählung anhört, brach in der Sowjetunion der 1960er gleich mehrere Tabus. Zwar sind es eher die inhaltlichen Gesichtspunkte, die zum Verbot des Films und zur Beendigung von Askol‘dovs Karriere führten. Doch es ist zunächst einmal die visuelle Kraft von KOMISSAR, seine schiere Bildgewalt, die den meisten Zuschauer als erstes auffallen dürfte: Bilder, die einen unwiderstehlichen Sog bilden und sich ins Gedächtnis einbrennen. Wie etwa bei mir selbst, der den Film noch in der Schulzeit im Fernsehen gesehen hatte: so etwa die Soldaten, die im Bach liegen und Wasser trinken – freilich aus der Perspektive einer um etwa 140 Grad gekippten Kamera.

KOMISSAR ist, besonders in der ersten Hälfte, über weite Strecken „realistisch“ fotografiert. Die neue Umgebung der Klavdija Vavilova wird in langen Plansequenzen festgehalten, wenn die Kamera durch die enge, überfüllte, gedrängte Wohnung der Magazaniks fährt, und deren Gesichter im Schlaf festhält. Oder wenn sie durch den Hof der Wohnung kreist, Efim dabei beobachtend, wie er sich auf die Arbeit vorbereitet, seinen Werkzeugkoffer packt, seine Frau verabschiedet, langsam weg schreitet. Oder wenn eine nunmehr adrette (Ex-)Kommissarin im Hof sitzt und dem fröhlichen Treiben der Familie mit einem Lächeln im Gesicht beobachtet.

Umso hervorstechender erscheinen daher im Kontrast dazu die Szenen, die das Geschehen stilisieren, verzerren, verfremden, in besonderer Weise hervorheben oder gar in Halluzinationen, Visionen und Träume verfallen. Dieser Gegensatz zwischen realistischer Milieuschilderung und traumartiger Atmosphäre löst sich in der zweiten Hälfte des Films (also nach der Geburt des Kindes) allmählich auf: ab hier beginnen Realismus und Traum manchmal fließend, manchmal abrupt ineinander überzugehen. Diese Störungen des „realistischen“ Filmflusses sind fast ausnahmslos in irgendeiner Weise mit Gewalt und Tod verbunden. Besonders hervorstechend sind drei sehr zentrale Szenen, die am Anfang, in der Mitte und am Ende des Films stehen.

Hinrichtung: statt Blut fließt verschüttete Milch
Die titelgebende Kommissarin wird, wie bereits erwähnt, als autoritäre und durchaus gewaltbereite Person eingeführt. Sie lässt bei Ankunft in die Stadt den Deserteur Emelin verhaften: ein junger Mann, der die Rote Armee verlassen hat, um zu seiner Familie zurückzukehren. Er wird in einem Schuppen eingesperrt und dann der Kommissarin vorgeführt. Sie teilt sie ihm mit, dass sie ihn dem revolutionären Tribunal übergeben wird, sprich: zum Tode verurteilen lässt. Hier folgt eine Montage der anderen Soldaten, die ihn vorwurfsvoll anblicken. Plötzlich entsteht vor Emelins geistigen Auge ein Hinrichtungskommando. Er sieht (hört aber nicht) Vavilova ein einzelnes Wort schreien, es krachen Schüsse. In extremer Zeitlupe bricht er zusammen, und verschüttet dabei den Milchkrug, den er in der Hand vorher hielt: Die Kommissarin hat den Tod gegeben. Diese Szene führt sie als gnadenlose Person ein – ihr revolutionärer Eifer ist dabei bar jeglichen Guten, Edlen und Schönen.

Visionen bei der Geburt
Die Szene der Entbindung, die den Film in zwei Hälften teilt, ist noch weiter stilisiert. Klavdija liegt bei den Magazaniks auf einem Tisch und schreit sich ob der Geburtsschmerzen die Lungen aus dem Hals. Halb verrückt vor Schmerz verfällt sie in Halluzinationen: mit ihrer Armee-Einheit steht sie in einer Wüstenlandschaft und versucht mit anderen Soldaten, einen Kanonenwagen aus dem Sand zu ziehen. Mit dabei ist ein Rotarmist mit einem Augenverband, der kurz danach alleine in der Wüste blind und verzweifelt um Hilfe schreit. Begleitet wird die Szenerie von Klavdijas Stoßatmung und einer elektronisch verfremdeten Musik. Die Kamera bewegt sich in gekippten Winkeln, schließlich auch auf dem Kopf durch die Vision. Plötzlich lassen die Soldaten die Kanone stehen und rennen wie von sinnen davon. Sie kommen an einen Bach, stürzen sich hinein und trinken. Klavdija kommt kurz wieder zu sich, als Marija ihr ein Glas Wasser zu trinken gibt. Die Symbolik dieser surrealen Szene ist an sich sehr eindeutig, doch dass das ungeborene Kind in diesem Fiebertraum von einer Kanone dargestellt wird, scheint verstörend.

Schnell verfällt Klavdija wieder in Halluzinationen. Diesmal läuft sie mit einem Mann um den Kanonenwagen herum, bevor dieser anfängt, sie leidenschaftlich zu küssen. Bedrohliche Sensenmänner in Armee-Uniform tauchen plötzlich auf und mähen imaginäres Gras in der Wüste. Für kurze Zeit wird Klavdija von Marija wieder ins Bewusstsein geohrfeigt (eine Point-Of-View-Aufnahme, in der quasi die Kamera geohrfeigt wird!), um wieder in Schmerz und Visionen zu tauchen. Eine Kavallerie reitet durch die Wüstenlandschaft, an der Spitze der Mann, der sie vorher innig geküsst hat und der wohl ihr Liebhaber und der Vater ihres Kindes ist. In vollem Galopp wird er von einer MG-Salve erfasst und bricht vom Pferd zusammen – in extremer Zeitlupe, und damit in eindeutiger Remineszenz an den hingerichteten Emelin. Nach seinem Tod reitet die Kavallerie weiter, aber nun komplett ohne Reiter, die wohl wie der Liebhaber alle getötet worden sind, bis nur noch die Pferde übrig blieben. Alle menschlichen Protagonisten der Vision sind tot. Das Kind ist nun aber geboren, aus vielen Bürgerkriegs-Toden, die alles andere als heldenhaft, sondern beängstigend sinnlos erscheinen.

Die letzte traumartige Sequenz ist ohne Zweifel die beeindruckendste Szene des ganzen Films und hat auch den längsten Vorlauf: Die Nachricht vom Anrücken der Weißen Armee hat sich bei den Juden in der Stadt ausgebreitet. Sie verbarrikadieren ihre Häuser – so auch die Magazaniks mit tatkräftiger Unterstützung Klavdijas. Derweilen spielen die Magazanik-Kinder ein ganz besonderes Spiel, zu dem sie wohl ihre Bürgerkriegs-Sozialisation inspiriert hat: Pogrom! Die Jungen verfolgen die einzige Magazanik-Tochter, nehmen ihre Puppe weg, schlagen sie, beschimpfen sie. Schließlich „töten“ sie ihre Schwester, indem sie sie an einer Schaukel festbinden und durch die Luft schaukeln – wieder kommt eine Zeitlupe in Einsatz, wie während der früheren Tötungen des Films. Efim ist erzürnt und schimpft auf seine Söhne. Alle haben nun im Keller Zuflucht gefunden. Hier beginnen der jüdische Handwerker und die russische Kommissarin, sich über die Zukunft, den Sozialismus und die antisemitische Pogromgewalt zu unterhalten. Efims Traum des sozialistischen Fortschritts besteht darin, dass eines Tages die Straßenbahn durch seine Stadt fahren könnte. Und doch sagt er mit Bestimmtheit, dass niemals eine Bahn in seiner Heimatstadt gebaut wird – es würde bald keine Menschen mehr hier leben, um sie zu benutzen. Erschüttert beschreibt er, wie sein Bruder von einem Pogromtäter mithilfe einer Friseurschere enthauptet wurde und stellt desillusioniert fest, dass sich niemand daran erinnern wird, wenn Efim Magazanik gewaltsam stirbt. Klavdija hingegen meint, dass das Schießpulver die Menschen bösartig werden lasse, man aber weiterhin für die Internationale kämpfen und auch bereit sein müsse, für sie zu sterben. „Und wann sollen wir leben?“, fragt Efim. Die kleine Magazanik-Tochter fragt „Tante Klavdija“, wo denn ihr Mann sei. „Er ist gefallen, im Kampf“, antwortet die Kommissarin müde. Die Bombardierung der Stadt nimmt an Intensität zu und die Kinder beginnen zu weinen.

Hier fängt Efim an, zu singen und zu tanzen, um seine Familie zu beruhigen. Ostjüdisch gefärbte Musik setzt ein, und alle Magazaniks beginnen in der wohl wunderschönsten, rührendsten und surrealsten Szenen des Films (und von mir aus auch der ganzen Filmgeschichte), im Kreis zu tanzen. Die Intensität des Reigens und der Musik nimmt zu, letztere wird zunehmend elektronisch verfremdet. Es folgt ein harter Schnitt. In nunmehr sepia-gefärbten Bildern marschiert ein große Gruppe Juden, darunter die Magazaniks, mit einem David-Stern an Brust, Arm oder Rücken gekennzeichnet, durch ein Tor in einen Hof, wo sich andere Juden in gestreifter Häftlings-Kleidung befinden. Schwarzer Rauch, der aus einem steinernen Turm steigt, kündet von ihrem kommenden Schicksal. Auch Klavdija steht da, ihr Kind auf dem Arm, und beobachtet das ganze fassungslos. Verstört blickt sie in die Kamera, bevor ihre Vision beendet wird.


Diese etwa zweiminütige Sepia-Sequenz ist das Herz des Films. Hier wird deutlich, dass es KOMISSAR nicht nur um die antisemitische Gewalt im Russischen Bürgerkrieg geht, sondern ganz explizit auch um den Holocaust, der knapp zwanzig Jahre später die jüdische Bevölkerung in der Ukraine und dem restlichen Osteuropa fast vollständig vernichten sollte. Eindeutig zieht Askol‘dov eine Verbindungslinie zwischen den Pogromen des Bürgerkriegs und dem Genozid. Die literarische Vorlage des Films, Vasilij Grossmans Kurzgeschichte „Komissar“ von 1934, wird hier – natürlich mit dem Wissen um den Völkermord – um eine ganz eigene Komponente erweitert und umgedeutet. 

Die Thematisierung des Holocaust grenzte in der Sowjetunion an ein Tabu. Die Bemühungen jüdisch-sowjetischer Künstler, mit dem „Schwarzbuch“ den Massenmord an den europäischen Juden in der sowjetischen Öffentlichkeit bekannt zu machen, scheiterten rasch an der Intervention des Staates, dem der Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg einen gewissen Schub an Legitimation gegeben hatte. Ein an Opfern orientiertes Narrativ über ethnische Massenmorde, an denen zudem manch ein nicht-jüdischer Sowjetbürger teilgenommen hatte, passte nicht in eine Geschichte der siegreichen Sowjetunion. Das „Jüdische Antifaschistische Komitee“, das die Dokumente zum „Schwarzbuch“ zusammengetragen hatte, wurde 1948 aufgelöst. Die Ermordung dessen Vorsitzenden, des Theaterregisseurs Solomon Michoėls, wurde auf makabre Weise als Autounfall getarnt. Die antisemitischen Kampagnen der frühen 1950er wurden zwar durch Stalins Tod abgebrochen, doch der Bann war gebrochen: der Sowjetstaat, der in den 1920er und 1930er Jahren zahlreichen jüdischen Bürgern Aufstiegsmöglichkeiten geboten und Antisemitismus vehement bekämpft hatte, wurde ab Mitte der 1950er Jahre zunehmend gleichgültiger und passiver gegenüber dem Judenhass.

Aleksandr Askol‘dovs überaus positive Darstellung jüdischer Figuren, denen er sehr offensichtlich große Sympathie entgegenbringt, und die Thematisierung antisemitischer Gewalt waren wohl die Hauptgründe, weshalb KOMISSAR verboten wurde. Dies geschah zudem 1967: einem Jahr, in dem der 50. Jahrestag der Oktoberrevolution glorreich gefeiert werden sollte und in dem der Sechstagekrieg antisemitische Ressentiments in der Sowjetunion noch festigte. Die Liberalisierung der sowjetischen Kulturpolitik, die Ende der 1950er Jahre begonnen hatte und durchaus Grenzen hatte, neigte sich zudem langsam dem Ende zu.

Doch auch in vielen anderen Bereichen war KOMISSAR ein Film, der in der Sowjetunion geradezu anecken musste. Der Bürgerkrieg erscheint hier nicht als ein glorreicher Kampf des Sozialismus gegen die Auswüchse des Alten Regimes, sondern als fast apokalyptischer Wirbelwind der gewaltsamen Zerstörung, der nur menschenleere, zerstörte Städte und verwirrte, gar traumatisierte Menschen zurücklässt. Die kampfmüde Hauptfigur bricht als als Soldat praktisch zusammen unter der Sehnsucht, ein normales und ziviles (Familien-)Leben führen zu können. Immer wieder deutet Efim an, dass er als Handwerker keinen Unterschied zwischen den wechselnden Herren der Stadt sieht: womit er nicht nur den latenten Antisemitismus in den niedrigen Rängen der Roten Armee anspricht, sondern auch die Dysfunktionalität und Misswirtschaft der sowjetischen Verwaltung, angesichts derer sozialistische Parolen wie leere Hülsen wirken mussten. Zudem strotzt der Film nur so von christlicher und jüdischer religiöser Symbolik: wenn immer wieder Kirchen und Synagogen im Stadtbild gezeigt werden, wenn Efim seiner Ehefrau die Füße wäscht, wenn Klavdija ihr Kind zu einer zerstörten Synagoge trägt, um dort eine Art Segnung zu empfangen. Überhaupt die Symbolik, die Chiffren, die Andeutungen, die Assoziationen, die Allegorien: überfüllt ist der Film damit, und sie haben größtenteils nicht die Funktionen von Antworten, also von festgelegten Deutungen, sondern eher von Fragen – somit ein ungewöhnliches Werk in einem Regime, das eher eine Antwort- als eine Frage-Kultur hatte.

Ein anderer Film der 1960er Jahre aus dem staatssozialistischen Osteuropa, der sich mit dem Holocaust befasste (und hier auf diesem Blog bereits besprochen wurde), könnte einem assoziativ als komplementäres Gegenstück zu KOMISSAR einfallen: Juraj Herz‘ SPALOVAČ MRTVOL (Der Leichenverbrenner). Im Gegensatz zu Askol‘dovs Film, wo die Täter der antisemitischen Gewalt überhaupt nicht zu sehen sind, stellt Herz diese ganz bewusst in den Mittelpunkt. Auch ist die surreale Verfremdung hier wesentlich ausgeprägter und konstanter. Doch in ihren elliptisch-assoziativen Bildern lassen sich doch Gemeinsamkeiten in den beiden Filmen finden.

Freilich hat Aleksandr Askol‘dov für sein Werk sehr viel schwerer gebüßt als sein tschechoslowakischer Kollege. Nicht nur wurde sein Diplomfilm verboten. Askol‘dov wurde auch aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, mit einem lebendslangen Verbot belegt, weitere Spielfilme zu drehen und schließlich die Provinz verbannt. Erst 21 Jahre später wurde KOMISSAR aus dem Giftschrank geholt und erlebte seine Weltpremiere beim Internationalen Filmfestival Berlin, wo er einen „Silbernen Bären“ gewann. Während seiner Verbannung in Tatarstan drehte Askol‘dov zwar einige kurze Dokumentarfilme über eine LKW-Fabrik, doch KOMISSAR ist und bleibt der einige Spielfilm des heute 80-Jährigen.




Die Screenshots lassen es vielleicht erahnen, aber die deutsch-russische Ruscico-Edition des Films ist alles andere als ideal: das Bild ist etwas unklar, wenig kontrastreich und läuft mit überaus unangenehmen Nachzieheffekten. Das Prädikat „restaurierte Fassung“ auf der Hülle erscheint da ein bisschen wie ein Hohn. Als Alternative gäbe es eine UK-Fassung von Artificial Eye, die zudem auch noch über zahlreiche Extras verfügt, über deren Bildqualität ich jedoch keine konkrete Aussage treffen kann (außer, dass sie nicht schlechter sein kann). In Frankreich und Italien ist der Film Anfang dieses Jahres erstmals veröffentlicht worden, wobei die französische Edition nur französische Untertitel hat und die italienische allen Anschein nach nur in einer Synchronfassung vorliegt.

Freitag, 15. März 2013

Singende Obdachlose und ein Kommunist im Central Park

HALLELUJAH I'M A BUM
USA 1933
Regie: Lewis Milestone
Darsteller: Al Jolson (Bumper), Madge Evans (June), Frank Morgan (Mayor Hastings), Harry Langdon (Egghead), Edgar Connor (Acorn), Chester Conklin (Sunday)

Bumper
Die frühen Jahre des Tonfilms waren aus naheliegenden Gründen auch die Pionier- und Experimentierjahre des Filmmusicals. Schnell bildeten sich einige Konventionen heraus. Viele der frühen Musicals waren Backstage-Musicals, sie handelten also davon, dass irgendwer eine Bühnenshow probt und schließlich zur Aufführung bringt. So konnte zwanglos und halbwegs realistisch motiviert werden, dass ständig getanzt und gesungen wird. Die Musiknummern fanden dann im begrenzten Raum einer Theater- oder Varietébühne statt und wurden meist mehr oder weniger frontal und statisch gefilmt. Prototyp war THE BROADWAY MELODY (1929), den Harry Beaumont für MGM inszenierte, und dieser Standardformel folgte man einige Zeit, bis der erste Boom vorbei war. Doch Konventionen sind dazu da, dass man sie irgendwann über Bord wirft, und in dieser Hinsicht war 1933 ein wichtiges Jahr. Busby Berkeley inszenierte und choreographierte bei Warner Brothers seine Musiknummern mit entfesselter Kamera und einem in alle drei Dimensionen erweiterten Bühnenraum, und er arrangierte seine Tänzerinnen zu oft über Kopf gefilmten geometrisch-ornamentalen Mustern von erstaunlicher Wirkung. Und HALLELUJAH I'M A BUM war überhaupt kein Backstage-Musical, sondern spielte zu einem großen Teil im Freien, und bot in Handlung und Regie einige Überraschungen. Doch während die Busby-Berkeley-Musicals das Genre neu definierten und zu Klassikern wurden, blieb HALLELUJAH I'M A BUM ein Kuriosum am Rande.

Mayor Hastings posiert für die Presse
Bumper, der Held des Films, ist ein Bum, was in diesem Zusammenhang soviel wie Tramp, Hobo, Clochard bedeutet. Das Wort kann auch negativ im Sinn von "Penner" besetzt sein, aber hier ist das ganz und gar nicht der Fall, denn die Bezeichnung wird, wie der Titel des Films schon andeutet, von Bumper und seinen Freunden selbst benutzt. Er ist ein glücklicher Bum, der sich keinen anderen Lebensstil vorstellen kann, und sein Revier ist der Central Park von New York. Hier ist er primus inter pares - kein "König der Landstreicher", sondern, man befindet sich schließlich in einem demokratischen Land, der inoffizielle "Bürgermeister", der Mayor des Central Park. Und erstaunlicherweise ist John Hastings, der echte Mayor von ganz New York, ein alter Freund von ihm. Bumpers engster Buddy ist jedoch der stets fröhliche und etwas schlichte Schwarze Acorn. Weitere Freunde sind der alte Kutscher Sunday und "Egghead", der als Straßenreiniger die Wege im Central Park sauber hält. Und Egghead ist noch etwas, nämlich Kommunist. Unablässig wettert er gegen die "Plutokraten" und Kapitalisten, und er versucht eifrig, aber erfolglos, seine arbeitsscheuen Freunde vom Wert ehrlicher Arbeit zu überzeugen, damit sie als vollwertige Mitglieder der Arbeiterklasse auf der richtigen Seite stehen, wenn in naher Zukunft die Revolution kommt.

Egghead
Während Bumper und Acorn von einem "Urlaub" in Florida zurück nach New York kommen, befindet sich Mayor Hastings in Schwierigkeiten: Aufgrund einiger Missverständnisse hat er sich mit seiner Geliebten June entzweit, und diese ist ihm verzweifelt davongelaufen, was Hastings bald bereut. June will sich das Leben nehmen und stürzt sich von einer Brücke in den Fluss, doch da kommt Bumper des Weges und rettet sie. Als er sie aus dem Wasser gezogen hat und sie zu sich kommt, hat sie das Gedächtnis verloren, und weil sie auch keine Papiere bei sich hat, bleibt ihre Identität verborgen. Bumper und June verlieben sich in Windeseile und wollen zusammenbleiben. Weil er ihr ein Leben im Park nicht zumuten will - so weit geht die Romantisierung des Landstreicherdaseins dann doch nicht -, bringt er sie zur Untermiete in der Wohnung von Sunday und dessen vierschrötiger Frau unter. Doch dafür werden harte Dollars fällig. Das ist Sunday zwar peinlich, aber wenn man seine Frau sieht, dann weiß man, wer hier die Hosen anhat. So nimmt sich Bumper also notgedrungen einen Job in einer Bank, den ihm Hastings vermittelt (und Acorn schließt sich an). Damit aber verstößt Bumper gegen den Ehrenkodex seiner Bum-Kollegen, und diese berufen ein Tribunal, ein kangaroo court, gegen ihn unter dem Vorsitz des ehrenwerten "Stink-Foot" Lou ein. Doch der als Verteidiger bestellte Egghead plädiert auf Freispruch wegen Liebe als zwingendem Grund für den Tabubruch, und der solchermaßen als unzurechnungsfähig befundene Bumper wird dann auch freigesprochen. Der inzwischen verzweifelte Hastings lässt unterdessen June sogar von der Polizei suchen, und nach einigen Wirrungen kommt es schließlich zur unausbleiblichen Zuspitzung. Bumper erfährt von Junes Identität, er bringt Hastings zu ihr, und sie fällt ihrem alten Geliebten um den Hals und wird ohnmächtig. Als sie wieder zu sich kommt, leidet sie erneut unter Gedächtnisschwund - jetzt kann sie sich nicht mehr an Bumper und die Zeit mit ihm erinnern, dafür ist ihr altes Leben wieder präsent. Bumper erkennt die Zeichen und zieht sich diskret zurück, bereit, wieder seinen Naturzustand als glücklicher Tramp anzunehmen. Hallelujah, I'm a bum again!

Hastings und June
Stammleser werden in der Handlung gewisse Parallelen zu Jean Renoirs BOUDU erkannt haben, und auch in der Inszenierung gibt es manche Ähnlichkeiten. Milestone benutzt immer wieder mal deep focus cinematography, um die Tiefe des Raumes auszuschöpfen, und es gibt eine bewegliche Kamera mit sehr flüssigen Kamerafahrten und -schwenks, besonders auffällig in einer nicht enden wollenden schnurgeraden Kamerafahrt in der Bank, in der Bumper und Acorn vorübergehend arbeiten. Kameramann war übrigens Lucien Andriot, als dessen Assistent beim Signal Corps der US Army im Ersten Weltkrieg Milestone seine ersten Schritte im Filmhandwerk machte. Die Parallelen zu Renoir sind aber eher zufällig, und die bewegliche Kamera gab es auch schon 1930 in ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT, der für seine Zeit auch technisch ein brillanter Film war, was gern übersehen wird, wenn man sich nur auf seinen pazifistischen Gehalt konzentriert. Überhaupt war Milestone einer jener Regisseure, die der durch die Einführung des Tonfilms regelrecht erstarrten Kamera ihre Beweglichkeit wiedergaben, die sie in der Spätzeit des Stummfilms schon einmal hatte. Gar nicht Renoir-mäßig (obwohl es in LA FILLE DE L'EAU und LA VIE EST À NOUS auch dafür Beispiele gibt) sind einige sehr schnelle Schnittfolgen, mit denen Milestone den Zuschauer überrascht. Geradezu verblüffend ist eine Sequenz, als Bumper eine Geldbörse mit 1000 Dollar gefunden hat und sich die anderen Bums des Central Park blitzschnell zusammenrotten, um einen Teil davon abzubekommen. Milestone inszeniert und montiert den Aufmarsch so, wie es ein Eisenstein oder Pudowkin mit den revolutionären Massen in Russland machten. Man muss das gesehen haben, um es zu glauben! Tatsächlich wurde Milestone seit den frühen 30er Jahren gelegentlich als amerikanischer Eisenstein bezeichnet, was Andrew Sarris, der ihn nicht mochte, in den 60er Jahren zu ziemlich hämischen Zeilen verleitete: "Ein Formalist der Linken, wurde Milestone nach ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT und THE FRONT PAGE als amerikanischer Eisenstein verehrt. Es ist natürlich möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß selbst Eisenstein schließlich bei der Inszenierung von OCEAN'S ELEVEN gelandet wäre, wenn er in Hollywood geblieben wäre. Man denke nur an die vielen Möglichkeiten dialektischer Montage in Las Vegas! Wo anders tritt die nackte Struktur des Kapitalismus als visuelle Verzierung so deutlich hervor wie in Las Vegas?" Und etwas ernsthafter fährt er fort: "Milestones flüssiger Kamerastil war immer unverbunden mit irgendeinem persönlichen Standpunkt."

Fröhliche Bums; Egghead agitiert
Als der aus dem heutigen Moldawien stammende Lewis Milestone HALLELUJAH I'M A BUM drehte, hatte er die besten fünf oder sechs Jahre seiner Karriere schon hinter sich, aber das wusste er da natürlich noch nicht. Milestone hatte einen Teil seines Maschinenbaustudiums (das er anscheinend nicht beendete) in Mittweida in Sachsen absolviert, bevor er in die USA emigrierte. In Hollywood galt er als Linksintellektueller, und damit war er unter den damaligen Regisseuren fast ein Exot. In seinen 1933 erschienenen "Notes on Hollywood Directors" wies Dwight MacDonald (selbst ein Linksaußen) eigens darauf hin, dass in Hollywood das Gerücht umgehe, Milestone lese Bücher! Für seinen 1927 gedrehten TWO ARABIAN KNIGHTS erhielt er 1929 bei der ersten Oscar-Verleihung die Trophäe in der Kategorie Best Director, Comedy Picture. Damals wurde der Regie-Oscar zum ersten und einzigen Mal getrennt nach Komödie und Drama vergeben, deshalb ist Milestone bis heute der einzige Preisträger in dieser Kategorie. Aber in die Filmgeschichte eingegangen ist Milestone mit seinem zweiten Tonfilm ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (IM WESTEN NICHTS NEUES, 1930), dem klassischen Antikriegsfilm nach dem Roman von Erich Maria Remarque. Wieder gab es den Regie-Oscar für Milestone, und den Oscar für den besten Film, sowie einen enormen internationalen Publikumserfolg.

Spiegel (links oben Acorn)
1931 folgte FRONT PAGE, die erste Verfilmung des bitterbösen Komödienstoffes von Ben Hecht (der auch die Vorlage schrieb, nach der S.N. Behrman das Drehbuch zu HALLELUJAH I'M A BUM verfasste) und Charles MacArthur (die bekanntesten Fassungen stammen von Howard Hawks und von Billy Wilder). Diesmal gab es keine Oscars, aber zumindest Nominierungen für Regie und besten Film. Milestone war jetzt auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Als die Zeitschrift Film Daily in einer Umfrage unter 300 Filmkritikern die Top 10 der Regisseure für den Zeitraum 1930-31 ermitteln ließ, landete Milestone auf dem ersten Platz (hier die Regisseure unter "ferner liefen"). Und danach begann Milestones langsamer Abstieg. Zwischen gelegentlichen guten Filmen wie THE GENERAL DIED AT DAWN, OF MICE AND MEN oder A WALK IN THE SUN gab es längere Durchhänger, in denen er mäßige bis schlechte oder überhaupt keine Filme drehte. Während der McCarthy-Ära geriet er naturgemäß ins Visier der Hexenjäger und wurde als einer der ersten Filmschaffenden vorgeladen. Er weigerte sich aber unter Berufung auf die Verfassung, eine Aussage zu machen, und im Gegensatz zu den Hollywood Ten wurde er nicht dazu gezwungen. Er kam auch nicht auf die Schwarze Liste, aber er litt unter verstärktem Druck, und die Qualität seiner Arbeit sank weiter. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre rettete er sich zum Fernsehen, um dann mit dem Koreakriegsfilm PORK CHOP HILL (der vom Hauptdarsteller Gregory Peck, der den Schnitt an sich riss, verhunzt wurde), mit der Originalfassung von OCEAN'S ELEVEN und mit MUTINY ON THE BOUNTY (die Version mit Marlon Brando und Trevor Howard) noch einmal zum Kino zurückzukehren. Bei letzterem Film konnte sich Milestone überhaupt nicht gegen Brando durchsetzen, der Regieanweisungen vollständig ignorierte und schließlich sogar ganze Szenen selbst inszenierte, während Milestone dasaß und Zeitung las oder schlief. BOUNTY wurde zu einem gewaltigen Flop an der Kasse, und obwohl Milestone wenig dafür konnte, war seine Karriere beendet.

Mrs. Sunday
Ein Flop an der Kasse war auch HALLELUJAH I'M A BUM, obwohl er über einige interessante Qualitäten verfügt. Neben den schon erwähnten inszenatorischen Eigenheiten lebt er vor allem von Al Jolson. Jolson ist hier zu Lande vor allem aus zwei Gründen in Erinnerung geblieben: Erstens hat er durch seine Hauptrolle in THE JAZZ SINGER (1927) wesentlich zur Durchsetzung des Tonfilms beigetragen, und zweitens ist er regelmäßig auf der Bühne und gelegentlich im Film (auch in THE JAZZ SINGER) in heute peinlich anmutendem Blackface aufgetreten, also mit schwarzer Schminke im Gesicht, wie man es aus den rassistischen Minstrel Shows des 19. Jahrhunderts kannte (Beispiele: 1 und 2). Doch Jolson konnte mehr, als sich schwarz anzumalen - in den USA gilt er als einer der größten Entertainer überhaupt. Blackface gibt es in HALLELUJAH I'M A BUM nicht (allerdings ist die Darstellung von Acorn zumindest grenzwertig, denn er trägt schon Züge eines Jim Crow), und auch keinen der schmalzigen Mammy-Songs, die gleich mehrere von Jolsons anderen Filmen verunstalten (siehe das erste der oben verlinkten Beispiele). Überhaupt sind die Musiknummern recht unsentimental. Sie stammen von dem Team Richard Rodgers (Musik) und Lorenz Hart (Texte), die vorwiegend am Broadway, aber in der ersten Hälfte der 30er Jahre in Hollywood arbeiteten. Nach Harts Tod 1943 setzte Rodgers seine Laufbahn mit Oscar Hammerstein als neuem Textdichter fort, woraus Broadway-Erfolge wie "Oklahoma!", "The King and I" und "The Sound of Music" hervorgingen. Neben den eigentlichen Liedern gibt es in HALLELUJAH I'M A BUM auch längere, von Musik begleitete Dialoge in gereimtem Sprechgesang. Der Original-Trailer behauptet sogar, dass das erstmals der Fall sei, aber das war wohl etwas geschwindelt, wie man in der IMDb lesen kann.

Der amerikanische Eisenstein
Als Obdachloser ist der stets gepflegte Jolson wenig glaubhaft, aber das spielt keine Rolle, weil das ganze mit der Realität ohnehin wenig zu tun hat. HALLELUJAH I'M A BUM ist reines Entertainment, kein Drama über die Auswirkungen der Great Depression. Zwar gibt es einige satirische Seitenhiebe, etwa auf die gut geölte PR-Maschinerie des Bürgermeisters, aber ein echter kritischer Impetus ist nicht erkennbar. Trotzdem ist HALLELUJAH I'M A BUM in mehrfacher Hinsicht als ein Kind seiner Zeit deutlich erkennbar. So verweisen etwa Parolen vom Wert der Solidarität auf den New Deal, der seine Schatten voraus warf. Zwar war im Februar 1933, als der Film Premiere hatte, Roosevelt noch nicht im Amt (ein Trupp berittener Polizisten im Central Park wird recht unverblümt als "Hoovers Kosaken" bezeichnet), aber er war bereits gewählt (im November 1932), und seine kommende Politik hatte sich schon im Wahlkampf abgezeichnet. Am erstaunlichsten ist in dieser Hinsicht die Figur des Egghead. Wenn HALLELUJAH I'M A BUM ein Kuriosum ist, dann ist Egghead ein Kuriosum innerhalb des Kuriosums. Zwar ist er aufgrund eines Streiches, den ihm die Bums spielen, und durch Harry Langdons Darstellung am Rand einer Witzfigur, dennoch ist erstaunlich, welche unverblümt linken Parolen er verbreiten darf. Harry Langdon hatte sich in den 20er Jahren angeschickt, ein Slapstick-Star zu werden, er hatte aber nicht ganz das Format eines Harold Lloyd oder Buster Keaton. Und er überhob sich, als er sich von seinem Regisseur Frank Capra abnabelte, um seine Filme selbst zu inszenieren. Immerhin konnte er sich dann noch als Nebendarsteller in die Tonfilmzeit hinüberretten.

Selbstmordversuch; in der Bank; wieder frei
Ein Kind seiner Zeit ist HALLELUJAH I'M A BUM auch insofern als er durch einige kleinere Frivolitäten als pre-code talkie erkennbar ist, also vor der Durchsetzung des Production Code im Sommer 1934 entstanden ist. Beispielsweise singt Bumper einmal folgenden Absatz:
You know you can't take money,
You know you hate the rich.
Be consistent, Egghead,
You stupid son of a ...
Which one of you is
Unhappy right now?
What do you want with money?
What do you want with dough?
Durch die Kunstpause und das darauf folgende "which" wird sehr deutlich ein "son of a bitch" evoziert, ohne dass es ausgesprochen wird (was wohl auch damals schon Zensurmaßnahmen nach sich gezogen hätte). Apropos Zensur: Bum kann bekanntlich auch "Hintern" bedeuten, und in den 30er Jahren war diese Lesart in England offenbar vorherrschend. Und so verbat die britische Zensurbehörde den Originaltitel, und der Film musste im Königreich als HALLELUJAH , I'M A TRAMP erscheinen. Außerdem wurde er teilweise nachsynchronisiert, und in den Liedern, wo das ja schlecht ging, soll an den entsprechenden Stellen sogar der Soundtrack ganz ausgeblendet worden sein. - Kleine Kuriosität am Rande: Frank Morgan sagt als Mayor Hastings den Satz "There's no place like home". Seine bekannteste Rolle spielte er 1939 in THE WIZARD OF OZ, und da sagt Judy Garland als Dorothy genau denselben Satz. - HALLELUJAH I'M A BUM ist in den USA bei MGM auf DVD erschienen.

Al Jolson singt das Titellied (nicht mit dem gleichnamigen Folksong zu verwechseln):


Sonntag, 3. März 2013

Aufzeichnungen zu einem verkannten Meisterwerk: The Specialist


THE SPECIALIST
USA/Peru 1994
Regie: Luis Llosa
Darsteller: Sylvester Stallone (Ray Quick), Sharon Stone (May Munro), James Woods (Ned Trent), Eric Roberts (Tomas Leon), Rod Steiger (Joe Leon)



Der großartigste US-amerikanische Film der 1990er Jahre ist – zweifelsohne – HAPPINESS. Im dichten Verfolgerfeld, sagen wir mal unter den neun Kompagnons für eine entsprechende Top-10-Liste, befindet sich ein Film, der gänzlich anders ist: ein grell-vulgärer platter Actioner, dessen überdimensioniertes Budget seinen B-Movie-Geist nicht zu verbergen vermag... und der trotzdem ein Meisterwerk ist: THE SPECIALIST.

Ja: THE SPECIALIST! Ein Film, gegen den scheinbar alle Beweise für sich sprechen. Angefangen bei der riesigen Masse an vernichtenden Kritiken, die man nur sehr unschwer in den großen Weiten des Internets finden kann. Da wäre zunächst einmal die Wertung von 5,1 bei imdb.com – nur sehr knapp über der magischen (also peinlichen) 5,0-Grenze. Bei rotten tomatoes kommt der Film insgesamt auf 4 % (alles unter 60 % gilt als „verfaulte Tomate“!), in der Top-Critic-Kategorie sogar auf 0 %. Mit 33 % bewertet ihn das Publikum erheblich besser, aber immer noch sehr schlecht. THE SPECIALIST war einer der größten Abräumer bei den 15. Golden Raspberry Awards von 1995, gewann die goldene Himbeere in den Kategorien schlechteste Hauptdarstellerin (Sharon Stone) und schlechtestes Filmpaar (Sylvester Stallone/Sharon Stone), und war für schlechtester männlicher Hauptdarsteller (Sylvester Stallone), schlechtester männlicher Nebendarsteller (Rod Steiger), und schlechtester Film (Produzent Jerry Weintraub) nominiert. Da wirkt die Wertung von 2 Sternen von 5 möglichen bei allmovie.com verhältnismäßig gnädig!


Bei letzterem ist die Rede von einem „somewhat silly and incoherent plot“. Der dürfte den Kennern des Films zwar hinlänglich bekannt sein, andererseits den armen Lesern, die ihn noch nicht gesehen haben, nicht schwer zu erklären sein. May Munro (eine sehr bescheuerte Schreibweise für den Nachnamen) dürstet nach Rache: Gangster Tomas Leon und seine Schergen haben ihre Eltern ermordet, als sie ein kleines Mädchen war. Jahre später und nun erwachsen heuert sie als Instrument der Vergeltung Ray Quick an, ein Sprengstoffexperte und ehemaliger Auftragskiller der CIA. Bei einer Operation gegen einen Drogenbaron vor zehn Jahren hatte Ray sich geweigert, ein Auto mit jugendlichen Insassen zu sprengen und darauf hin seine Karriere beendet – und zugleich auch die seines skrupellosen Partners und Vorgesetzten Ned Trent. Als Berater für den in Miami ansässigen Mafia-Boss Joe Leon hat Trent sein Spezialisten-Wissen auf anderen Gebieten mittlerweile wiederverwertet. Dann werden die ersten Schergen des Leon-Clans in die Luft gesprengt...

Albern und inkohärent? Wer eine gewisse Anzahl von ganz gezielten und klugen Fragen stellt, wird diese Frage nur mit einem lauten „ja“ beantworten können. Solche Fragen wie zum Beispiel: Warum kontaktiert May den Spezialisten Ray über eine Anzeige, die sich wie eine Telefonsex-Annonce liest? Wie ist sie überhaupt auf ihn gestoßen (diese Frage wird im späteren Verlauf des Films mit einer Wendung beantwortet, die wiederum sehr viel absurdere Gegenfragen auslöst)? Warum weiss Ray so genau von den Angewohnheiten seiner Opfer und dementsprechend über die bestmögliche Platzierung seiner Chargen, wo er doch seine ganze Zeit offensichtlich damit verbringt, May zu stalken und dabei seine aufgezeichneten Telefon-Gespräche mit ihr auf dem Walkman zu hören? Warum braucht May so lange, um zu merken, dass ein nicht gerade unauffälliger Typ sie ständig stalkt? Wo nimmt Ray, der von der CIA bestimmt keine großzügigen Pensionsansprüche zu erwarten hat, das ganze teure Hightech-Spreng-Material her, mit dem er eine komplette ausrangierte Lagerhalle füllen kann? Wie genau hat er denn eigentlich (als rangmäßig unterlegener Agent) dafür sorgen können, dass Trent ebenfalls gefeuert wird, da doch ihr tödlicher Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt wurde? Wie kann die 25-jährige May ihren eigenen Tod glaubhaft vortäuschen, in dem sie ihren Ausweis mit dem einer über 60-jährigen Frau austauscht, die sie nur ganz zufällig getroffen hat? Und wie konnte sie wissen, wie diese Frau heisst? Warum altert May offenbar als einzige Filmfigur im Flashback-Jetztzeit-Vergleich? Warum ist Ned so schnell am Tatort, wenn wieder einer vom Leon-Clan in die Luft gesprengt wurde, erkennt aber Ray nicht, der zehn Meter daneben steht? Warum gehen Ray und May, die offensichtlich schnellstmöglich fliehen wollen, in das nächst gelegene Hotel Hilton, um da erst einmal die ganze Nacht... zu duschen? Warum sprengt der moralisch anspruchsvolle Ray bei einem Fluchtversuch ein ganzes Restaurant in die Luft, obwohl da höchstwahrscheinlich zahlreiche Unschuldige drinsaßen? Und schlägt der Selbstzerstörungsmechanismus in Rays Lagerhalle nicht ein kleines bisschen über die Stränge?

Das allerwichtigste dürfte jedoch sein: wen zum Teufel interessieren diese völlig unwichtigen und belanglosen Fragen? Den Film selbst ganz offensichtlich nicht, denn der hat was anderes zu tun. In der Tat pfeift THE SPECIALIST mit einer bewundernswerten Sorglosigkeit auf zahlreiche „Logikfragen“, die er höchst gekonnt im Sinne einer effizienten Filmökonomie einfach umgeht. Action, Atmosphäre, Handlung und rhetorische Schlagfertigkeit sind die treibenden Kräfte dieses fast ruhelosen Films, der sich zu keinem Zeitpunkt seiner Genre-Begrenzungen schämt (und es auch nicht braucht). Mit anderen Worten: ein Film, der ganz und gar Film ist, auch wenn das ebenfalls bedeutet, dass auf dem laufenden Zelluloid eine große Menge an Schmierigkeit, Klischees und oberflächliche Dummheiten mit aufgesammelt werden, die an der Oberfläche eine auf den ersten Blick etwas unappetitliche Kruste bilden.

Unter dieser verbergen sich jedoch zahlreiche viele Qualitäten und manch große Schönheit. So sind Fotografie, Ausleuchtung und Schnitt so makellos, zugleich aber auch mit einer eleganten Diskretion versehen, dass die meisten Hasser dieses Films das vollkommen übersehen. Die zahlreichen Schauplätze werden mine de rien in ihrer ganzen materiellen Textur exzellent eingefangen – um nicht zu sagen atemberaubend, wenn man es sich wirklich überlegt. Der drückend verhangene Himmel im grünen Dschungel bei Bogotá, der „grau-grünes“ Licht auf Ray und Ned hämmern lässt. Die Schummerigkeit und Neonlichter der Nachtclubs in Miami. Sonnendurchflutete Gangstervillen-Terrassen. Die mediterrane Ausgelassenheit der Miami‘er Latino-Viertel. Die staubige Luft von Luxushotel-Fluren. Die in Dunkelheit eingetauchte Einsamkeit in Rays konspirativer Wohnung, nächstens durchbrochen von den Lichtern vorbeifahrender Metros und morgens von den körnigen Sonnenstrahlen, die durch die Lamellenjalousie brechen. Überhaupt die Sonne. Als würde man das transpirationsinduzierende Aufprallen der Sonnenstrahlen auf die entblösste menschliche Haut spüren. „Glatter“ Look? Ja, vielleicht! Aber eine überzeugende „Glattheit“ (die deutlich macht, dass „Rauheit“ kein Wert an sich ist).

Zu sagen, dass die Action in THE SPECIALIST exzellent inszeniert ist, mag vielleicht müßig erscheinen, aber gut inszenierte Action ist nie eine Selbstverständlichkeit: übersichtlich, immersiv, räumlich weitestgehend kohärent, spannend und spektakulär ist sie hier. Im Kulturpessismus-Modus könnte man sagen: Attribute, die auf viel zu viele heutige Actionfilme nicht zutreffen. Vielleicht hat THE SPECIALIST etwas zu viele auskostende Zeitlupen in seinen Massenexplosions-Sequenzen. Das ist jedoch ein Stilmittel, das im Gegensatz zu den heute so überaus beliebten Wackelkamera-Schnellschnitt-Orgien diese Bezeichnung jedenfalls verdient.

Und doch wäre dies alles vielleicht nur halb so schön, wäre da nicht John Barrys Score. Der Brite setzt in gewohnter James-Bond-Manier auf einige wenige, relativ einfache, jedoch sehr konsistent und konsequent durchgehaltene Musik-Stücke. Zwei dramatische Themen mit kleinen Variationen und ein romantisches Thema, alle drei mit simplen aber ergreifenden und einprägsamen Melodien, durchziehen THE SPECIALIST. Diese stets elegische extradiegetische Musikbegleitung steht in einem sehr krassen Gegensatz zu den intradiegetischen Klängen, die aus Nachtclubs, Autoradios und Kopfhörern zu uns stoßen und die das Allerschlimmste aus Latin-Verschnitt und peinlichem 1990er-B-Popmusik vereinigt. Eigentlich ist die intradiegetische Musik zum Davonlaufen, verbindet sich aber mit der vorhin angesprochenen visuellen Schmierkruste zu einer merkwürdig betörenden Mischung.


Von den versteckten Qualitäten des Films können wir nun zur ganz offensichtlichen Spitze des Eisbergs gelangen: den Darstellern. Über deren Leistungen kann man sich prächtig streiten, wie auch die Himbeer-Preise und -Nominierungen zeigen. Am ehesten auch von Hassern des Films anerkannt wird James Woods in seiner Nebenolle als (Haupt-)Bösewicht. Das ist nicht verwunderlich: in einem von überlebensgroßen Figuren nur so strotzenden Film überragt sein Ned Trent alle anderen wie ein Koloss. Dieser großartige Schauspieler, der in (zu wenigen) Haupt- und (gerade genug) Nebenrollen glänzt, spielt hier, als gäbe es kein Morgen, und kostet seine Ausdruckspalette zwischen vollkommen exzessivem Overacting und extrem subtiler Mimik voll aus. Die Verrücktheit Neds demonstriert er am spektakulärsten in der Szene, in der er in einer Polizeistation exaltiert aus einem Stück Plastiksprengstoff und einem Kugelschreiber eine Bombe baut, und damit droht, das Gebäude in die Luft zu sprengen (zu bewundern hier). So subtil demonstriert Woods zugleich die grenzenlose Verachtung gegenüber Joe Leon (den er offenbar wie den Rest seiner Familie und Mitarbeiter für einen zurückgebliebenen Bauern hält), wenn dieser ihm den Rücken kehrt: mit einem fast unsichtbaren millimeterweisen Zucken der Mundwinkel.


Weniger offensichtlich ist die meisterhafte Glanzleistung des Mannes, der wohl bis an sein Lebensende zu Unrecht als der große Bruder von „Pretty Woman“ gelten wird: Eric Roberts. Mit seiner Darstellung des schmierigsten, widerwärtigsten, abstoßendsten, lächerlichsten Dummbrotes von einem prolligen Mafioso in der Film-Geschichte hämmert er gezielt auf der Tastatur des Abscheus, die tief in jedem Cinephilen schlummert. Tomas Leon ist die Karikatur eines Klischees eines prolligen Gangsters. Ein Widerling, der davon  überzeugt, dass er unwiderstehlich (nicht ahnend, dass die Verführte seinen Tod bringen wird), megacool (Rauchringe und One-Liner wie „What I want, I take“ von sich gebend), romantisch zum Dahinschmelzen (Leute vor seiner neuen Freundin verprügelnd) und ultrahart (Springklingen-Messer vor den Gesichtern harmloser Passanten wedelnd) zugleich sei. Alles nichts im Vergleich zum widerlichsten Luftküsschen in der Geschichte der Menschheit, den er vollkommen unvermittelt Freunden wie Feinden gleichermaßen entgegen haucht.


Sylvester Stallone hingegen, der bekanntermaßen eher auf Charisma denn auf Charakterdarstellung mit emotional differenzierter Mimik setzt, verkörpert mit seinem Understatement sehr passend den tiefen melancholischen Weltschmerz eines Mannes, der einen labilen Gefühlshaushalt verwaltet, der gerne anhängliche Straßenkatzen adoptiert und der letztlich den ihm angetragenen Tötungsauftrag impulsiv annimmt, nachdem ihn sein potentielles Opfer auf der Straße mit dämlichen Sprüchen dumm gemacht und mit einem Messer bedroht hat. Wo andere Depressive ins Glas blicken, greift er zu Plastiksprengstoff, um sich Erleichterung zu verschaffen. Mithin wirkt Ray aber auch verloren in einem Spinnennetz aus überkreuzten Rachegelüsten, in den er wahlweise als Zielobjekt oder als Erfüllungsgehilfe verstrickt wird. Und so nimmt er immer wieder seine Sonnenbrille ab, um in dieser verwirrenden Welt, in der böse Männer unschuldige Kinder zeugen und schwangeren Frauen einen Busplatz verweigern, den Überblick und die Fassung bewahren zu können.

Wie vorhin angesprochen ist THE SPECIALIST kein Film, der sich groß mit unwichtigen Fragen beschäftigt, sondern einer, der einfach drauf los prescht, ohne jegliche Skrupel bezüglich Kollateralschäden „realistischer“ Logik. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass er nicht zutiefst detailverliebt ist. Er platzt, ja explodiert geradezu vor lauter kleiner Details. Ein Straßenkater wird nicht nur zum Haustier, sondern gleich noch zum Nebencharakter adoptiert, der Buddy- wie auch Psychiater-Qualitäten in sich vereint. Ein Barmann mit einem Vokuhila serviert Tequila und gibt Feuer. Eine Escort-Dame lässt gerne Kaugummi-Blasen platzen. Ein Sprengstoff-Spezialist hasst Messer und wirft Pistolenlader in Weihwasserbecken weg. Ein anderer Sprengstoff-Spezialist fährt in einem knallroten Cabrio durch die Gegend, der in der gleißenden Sonne Miamis manchmal ins Rosarote kippt. Ein Mafia-Boss ist unsterblich in seine eigene Altmänner-Brust verliebt, fürchtet sich aber vor seiner eigenen Couch. Eine hübsche Latina-Polizistin bildet mit ihrer natürlichen, ein wenig schüchternen Art ein markantes Gegengewicht zur stilisierten femme-fatale-Hauptfigur im Bereich sex appeal. Ein hoffnungsloser Romantiker beobachtet die Metro und bewundert ihre Pünktlichkeit.

THE SPECIALIST ist ein Film, der mit einer rauhen Menge an Naivität ausgestattet einen riesigen Spaß an sich selbst hat. Ein Film, der Mut zur Peinlichkeit beweist – und das nicht selten. Ein Film, der trotzdem lacht, wenn alle ihn dumm finden. Ein Film, der ausgerechnet bzw. passenderweise in seiner (Quoten-)Sexszene all seine Qualitäten zusammenfasst: eine todesmutige Gratwanderung zwischen schmierigem Trash und entrückt schönen emotionalen Eruptionen, zwischen grotesker Freakshow und einem irrsinnigen ästhetischen Rausch.