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Dienstag, 7. November 2017

Die Revolution ist abgesagt

Wer nicht vor der Revolution gelebt hat, kennt nicht die Süße des Lebens (Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord)

PRIMA DELLA RIVOLUZIONE (VOR DER REVOLUTION)
Italien 1964
Regie: Bernardo Bertolucci
Darsteller: Adriana Asti (Gina), Francesco Barilli (Fabrizio), Morando Morandini (Cesare), Allen Midgette (Agostino), Cecrope Barilli (Puck), Amelia Bordi (Fabrizios Mutter), Domenico Alpi (Fabrizios Vater), Antonio Maghenzani (Antonio), Iole Lunardi (Großmutter), Cristina Pariset (Clelia), Gianni Amico (Fabrizios Freund im Kino)

Die Protagonisten - kein Traumpaar
Das Zitat von Talleyrand steht als Motto am Anfang von Bertoluccis zweitem Spielfilm und gab ihm den Titel. Als Pendant für die Vertreter des Ancien Régime, die vor der Französischen Revolution in Saus und Braus lebten, dient die Oberschicht von Parma, der Stadt, in der Bertolucci geboren wurde und in deren Umkreis er aufwuchs. Wir sind also in Parma, und es ist 1962, um Ostern herum. Fabrizio ist ein junger Mann aus gehobener Familie, und er ist Kommunist. Doch mit Arbeitern hat er eigentlich nichts zu tun, im ganzen Film hat er keinen einzigen politischen Kontakt zu einem Vertreter der Arbeiterschaft. Doch ein echter Intellektueller ist er auch nicht, dazu ist er zu wenig in sich gefestigt - man könnte auch weniger freundlich sagen, er ist zu unreif. Das hält ihn aber nicht davon ab, seinem innerlich zerrissenen Freund Agostino Belehrungen zu erteilen, die diesem wenig weiterhelfen. Immerhin gibt er ihm auch den Rat, sich im Kino RED RIVER anzusehen. Fabrizios Vater, sicher ein Konservativer (auch wenn er sich nie politisch äußert), nimmt die Ansichten seines Sohns nicht übermäßig ernst und lächelt milde darüber. Verstanden fühlt sich Fabrizio dagegen von seinem väterlichen Freund und Ratgeber Cesare, auch ein Kommunist und tatsächlich ein Intellektueller, und Grundschullehrer von Beruf.

So sieht es bei Fabrizio zuhause aus
Zwei Ereignisse stürzen Fabrizios Welt in Unordnung. Agostino ertrinkt in dem Fluss, der durch Parma fließt (und der genauso heißt wie die Stadt). Es ist ein zwar breiter, aber offenbar flacher und nur träge dahinfließender Fluss. Vielleicht ging Agostino freiwillig in den Tod, aber das bleibt in der Schwebe. Und dann kommt Fabrizios attraktive Tante Gina, die jüngere Schwester seiner Mutter, die seit vielen Jahren in Mailand lebt, für einen längeren Besuch nach Parma - der Grund dafür bleibt zunächst unklar. Fabrizio hatte sie zuletzt gesehen, als er noch ein Kind war. Fabrizio, sein jüngerer Bruder Antonio, seine Eltern und eine Großmutter leben alle zusammen mit Personal in einem sehr geräumigen Stadthaus in Parma, fast schon ein Palazzo, und Gina bezieht dort jetzt auch ein großes Zimmer. Gina und Fabrizio sind sich sympathisch, sie kommen sich näher, und es dauert nicht lange, dann schlafen sie miteinander. Das Thema Inzest, das in mehreren späteren Bertolucci-Filmen eine Rolle spielt, am intensivsten in LA LUNA, taucht hier wohl zum ersten Mal auf (ich kenne allerdings seinen ersten Film nicht). Als Fabrizio und Gina einmal abends in der Wohnung sehr eng umschlungen tanzen, räumt der Vater sehr schnell das Feld, um ins Bett zu gehen. Ahnt er, was da vor sich geht, oder übersteigt eine Beziehung zwischen seiner Schwägerin und seinem Sohn sein Fassungsvermögen? Man erfährt es nicht, und der Vater ist letztlich auch nur eine Randfigur.

Fabrizios Vater
Das Verhältnis von Gina und Fabrizio steht unter keinem guten Stern. Wegen der zu nahen Verwandtschaft natürlich und wegen des Zwangs zur Geheimhaltung, aber das ist nicht alles. Gina, die von vornherein einen unsteten Eindruck macht, erweist sich als psychisch labil. Sie leidet unter kaum motivierten Stimmungsschwankungen, und mehr als einmal ist sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Einmal ruft sie mitten in der Nacht ihren Arzt oder Psychiater in Mailand an. Es ist ein wirres Telefonat, gespickt mit Vorwürfen gegen den Doktor, und man erfährt daraus, dass er es war, der Gina zur Reise nach Parma geraten hat. Vielleicht erhoffte er sich davon einen positiven Einfluss auf Ginas Gemütslage, aber vielleicht wollte er auch nur eine Weile seine Ruhe vor ihr haben. Fabrizio wiederum fehlt die Reife, um angemessen mit Gina umzugehen. Vermutlich bemerkt er ihre Schwierigkeiten überhaupt nicht. Und als sich Gina einmal auf einen Quickie mit einem Zufallsbekannten einlässt und Fabrizio danach den beiden zufällig auf der Straße vor dem Gasthaus begegnet, das sie gerade verlassen, ist er überfordert und sucht mehr oder weniger sprachlos das Weite. Seine unerfüllten (und, wie er vielleicht ahnt, unerfüllbaren) Träume von der Revolution und sein Leiden an seinem Verhältnis zu Gina vermengen sich langsam zu einem allgemeinen Weltschmerz.

Hier ertrinkt Agostino
Die Beziehung von Gina und Fabrizio hat jetzt jedenfalls schon einen ernsthaften Riss. Der Graben vertieft sich noch auf einem Ausflug, den die beiden zusammen mit Cesare machen. In der Nähe von Stagno Lombardo, nicht weit vom Ufer des Po, besuchen sie einen älteren Feund von Gina, den sie "Puck" nennt. Der war einst ein wohlhabender Grundbesitzer, doch jetzt ist er hoch verschuldet, und er wird seine Ländereien, auf denen sie sich nun gerade befinden, bald an die Banken verlieren. Für ihn ist es eine Art Abschiedsbesuch auf seinem Land. Als er mit ein bisschen Selbstmitleid den anderen erklärt, dass er wegen seines einstigen Wohlstands nichts gelernt hat und somit auch keinen Beruf ausüben kann, macht ihm Fabrizio von der hohen Warte des linken Theoretikers aus Vorwürfe, dass er sich das früher hätte überlegen sollen. Und das nimmt nun Gina zum Anlass, Fabrizio heftig zu ohrfeigen. Den befällt jäh der Verdacht, dass Puck so etwas wie ein älteres Ebenbild von ihm selbst ist - in der Beziehung, dass man letztlich in eine Rolle hineingeboren wird, der man nicht entkommen kann, und dass er selbst somit am Ende der verachteten Bourgeoisie, der er entstammt, nicht entrinnen wird. Nach dieser Episode kehrt Gina nach Mailand zurück, und Cesare, nicht Fabrizio, trägt ihr den Koffer zum Bahnhof und verabschiedet sie.

Gina, Objekt der Begierde für Fabrizio - und für die Kamera
Mehr als drei Viertel des 112 Minuten langen Films (auf Blu-ray, laut IMDb sollen es 115 min sein) sind nun schon vorbei, und es gibt einen Zeitsprung von drei oder vier Monaten zum Ende des Sommers. Bei den Vorbereitungen zu einem jährlich stattfindenden "Fest der Einheit" der Kommunisten läuft Fabrizio im Dialog mit Cesare rein rhetorisch noch einmal zu großer revolutionärer Form auf. Er räsoniert darüber, dass dieses Fest nur ein Unterhaltungsspektakel sei, dass sich ein paar junge Genossinnen mehr für den Tod von Marilyn Monroe als für die Sache der Revolution interessieren, dass überhaupt die Arbeiter zu materialistisch seien und sich ausgerechnet an der Oberschicht orientieren. Cesare sieht das alles gelassener. Er findet es ganz in Ordnung und verständlich, dass die Arbeiterschaft nach Wohlstand strebt, statt am Umsturz zu arbeiten. Am Ende dieser Sequenz zitiert Fabrizio den letzten Absatz des Kommunistischen Manifests, und er kämpft dabei mit den Tränen. Es sind wohl keine Tränen der Ergriffenheit über den eigenen revolutionären Eifer, sondern eher Ausdruck eines ideologischen Trennungsschmerzes. Denn Fabrizio wird mit fliegenden Fahnen die Seiten wechseln.

Cesare
Die Worte des Kommunistischen Manifests sind kaum verklungen, da geht die Szene völlig unvermittelt in den 15-minütigen Schluss des Films über - und der ist große Oper. Es ist jetzt Dezember 1962, und die neue Spielzeit des Teatro Regio, des Opernhauses von Parma, wird eröffnet. Man gibt Verdi (was sonst?), und alles, was in Parma Rang und Namen (und das nötige Kleingeld) hat, hat sich in Schale geworfen, um der Premiere beizuwohnen. In den oberen (also billigen) Rängen ist sogar Cesare vertreten. In einer Loge sitzen dagegen Fabrizio (mit Smoking und Fliege) und seine Verlobte Clelia mit deren Mutter. Clelia ist jung, schön, blond und offenbar auch reich, denn eine eigene Loge in der Oper kann sich Hinz und Kunz nicht leisten. Da wird also auch eine monetär-dynastische Verbindung zweier Familien angebahnt. Tatsächlich wurde Clelia schon am Anfang des Films als Fabrizios Verlobte eingeführt, mit ein paar kurzen Aufnahmen ohne Dialog und in einem Voice-over von Fabrizio. Doch darin distanziert er sich von ihr, weil sie für ihn "die Stadt" symbolisiert, und damit meint er das Establishment und das süße Leben, das er ja hinter sich lassen will. Danach verschwindet Clelia so gründlich aus dem Film, dass man sie als Zuschauer längst vergessen hat.


Doch nun ist Clelia wieder da, und diesmal ist es Ernst mit der Verlobung - und damit sozusagen automatisch auch mit dem süßen Leben. Gina ist auch in der Oper, im Parkett neben ihrer Schwester, Fabrizios Mutter. Diese schwärmt von der bevorstehenden Hochzeit, und Gina fällt es schwer, sich nichts anmerken zu lassen - aber es darf ja niemand aus ihrer Familie von der vergangenen Affäre wissen. Mitten in der Vorstellung verlässt sie ihren Platz und trifft sich im leeren Foyer noch einmal mit Fabrizio. Doch es ist von vornherein klar, dass es sich nur um den endgültigen Abschied handelt. Fabrizio hat sich längst entschieden, gegen Gina und gegen die Revolution, für Clelia und für das Establishment, dem er nun selbst angehört. Dem er natürlich immer angehört hat, aber jetzt sträubt er sich nicht mehr dagegen. Während all dieser Minuten im Opernhaus sind im Hintergrund Arien aus Verdis "Macbeth" zu hören - große Oper eben.

Städtisches und ländliches Norditalien
Als kurzer Einschub und Kontrastprogramm ist Cesare zu sehen, der seinen kleinen Schülern in der Schule irgendwo am Stadtrand aus "Moby Dick" vorliest, dann ist der Film wieder bei Fabrizio und Clelia - jetzt findet mit großem Pomp die Hochzeit statt, und Gina als Familienmitglied ist mit dabei. Am Ende zerfließt sie in Tränen, und weil das Brautpaar inzwischen in einem Auto entschwunden ist, fungiert Fabrizios kleiner Bruder Antonio als Ersatzempfänger ihrer frenetischen Abschiedsküsse, und er weiß kaum, wie ihm geschieht. Vielleicht wird Gina bald wieder ihren Psychiater anrufen.

Agostino macht Kunststücke auf dem Fahrrad
PRIMA DELLA RIVOLUZIONE ist kein autobiografischer Schlüsselfilm, aber es steckt schon einiges von Bertolucci in Fabrizio. Auch Bertolucci ist bekanntlich so etwas wie ein bürgerlicher Marxist, der zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die Revolution, wenn sie denn überhaupt mal kommt, vom Proletariat ausgehen muss, weil Salonkommunisten wie er selbst das nicht hinkriegen. Wenn man das weiterspinnt, dann kann man in Cesare Züge von Pasolini sehen, Bertoluccis 19 Jahre älteren Freund und Mentor. Auch Pasolini war ja Kommunist, und Bertolucci kannte ihn schon als Jugendlicher. Einerseits wurde er ideologisch von ihm beeinflusst, andererseits lernte er als Regieassistent bei ihm das Filmhandwerk. Stilistisch hat PRIMA DELLA RIVOLUZIONE allerdings wenig mit Pasolinis Filmen gemein. Eher gibt es Einflüsse von Godard, Bertoluccis anderem großen Idol, und allgemein der Nouvelle Vague. So gibt es in PRIMA DELLA RIVOLUZIONE etwa mehrfach Texteinblendungen, was Godard ja auch gelegentlich gemacht hat, und zur Halbzeit des Films leistet sich Bertolucci den Verfremdungseffekt, von Schwarzweiß kurz zu Farbe zu wechseln.

Links L'ECLISSE von Antonioni, rechts PRIMA DELLA RIVOLUZIONE
Es gibt auch Einflüsse von Antonioni zu vermelden, etwa Aufnahmen aus den oberen Stockwerken von Gebäuden im steilen Winkel auf die Straßen und Plätze der Stadt herab. Bertolucci zeigt das Sonnenland Italien auch ausgiebig in sehr schönen Aufnahmen im Nebel, was man bei Antonioni auch öfters findet, freilich auch bei anderen Regisseuren, etwa in Florestano Vancinis LA LUNGA NOTTE DEL '43 von 1960. Die Orte der Po-Ebene (bei Vancini ist es Ferrara) bieten sich dafür geradezu an. Aber Bertolucci übertreibt es nicht mit den Einflüssen, er sucht und findet seinen eigenen Stil. Um Fortschritte zu erzielen und um anderen etwas geben zu können, müsse man mit jenen kämpfen, die man am meisten liebe, sagte Bertolucci mal in Bezug auf Pasolini und Godard (zitiert nach Wikipedia), und Cesare sagt etwas ähnliches zu Gina, die sich wundert, dass er und Fabrizio trotz ihrer ideologischen Gemeinsamkeit oft unterschiedlicher Meinung sind.

Italien im Nebel, und ein Hauch Mizoguchi
Zu Bertoluccis sich entwickelndem Stil gehört in PRIMA DELLA RIVOLUZIONE eine sehr bewegliche Kamera. Schon ganz am Anfang, als der unglückliche Agostino auf einem Fahrrad akrobatische Kunststücke vollführt, wird er dabei von einer wild herumwirbelnden Kamera begleitet. Kameramann war der wenig bekannte Aldo Scavarda, der nur ein dünnes Œuvre vorzuweisen hat, aber darunter befindet sich u.a. Antonionis L'AVVENTURA. Vittorio Storaro, der ab STRATEGIA DEL RAGNO für ungefähr 15 Jahre Bertoluccis Stammkameramann wurde, war hier schon als Kameraassistent dabei. Mehrfach werden die beiden Protagonisten in den Straßen von Parma, inmitten von Passanten, von der Kamera regelrecht verfolgt, mal aus großer Nähe, mal aus der Entfernung mit Teleobjektiv. Gelegentlich drohen sie dabei in der Masse zu verschwinden. Vielleicht will Bertolucci damit sagen, dass all die anderen Leute auch ihre Geschichten haben, die genauso wichtig sind. Vielleicht will er auch gar nichts sagen, sondern nur eine vibrierende Stadt zeigen. Auf jeden Fall gerät PRIMA DELLA RIVOLUZIONE mit den vielen Straßenszenen auch zu einem Portrait von Parma, Bertoluccis Heimatstadt. Es ist ein zwar distanziertes, keinesfalls nostalgisches, aber kein unfaires, negatives Portrait. "Wenn man zurückkommt, ist es nicht mehr dasselbe", sagt die lange abwesende Gina einmal in Bezug auf Parma als ihre eigene Heimatstadt, "Orte und Menschen haben sich verändert." Der nach Rom abgewanderte Bertolucci sah das wohl auch so.

Auf den Straßen von Parma
Die vorzügliche Kameraarbeit und die schöne Musik, die im Wesentlichen von Ennio Morricone stammt (angereichert durch einige nicht von ihm stammende Schlager und durch Verdi), machen PRIMA DELLA RIVOLUZIONE zu einem sehr "filmischen" Film, der trotz seines sperrigen politischen Gehalts kaum je in die Nähe eines Thesenfilms gerät. Am ehesten vielleicht noch in einer Szene, in der es nicht um Politik, sondern um Film geht. Nach seiner unerquicklichen Begegnung mit Gina und ihrem Kurzzeit-Lover auf der Straße flüchtet sich Fabrizio regelrecht in ein Kino, und nach der Vorstellung (es gab EINE FRAU IST EINE FRAU von Godard) unterhält er sich in der Cafeteria mit einem Freund darüber. Das heißt, eigentlich redet nur der Freund, Fabrizio hört kaum zu, weil er zu sehr mit seiner Misere um Gina beschäftigt ist. Der namenlos bleibende Freund sondert einige filmtheoretische Weisheiten ab, es geht u.a. natürlich um Godard, sowohl direkt als auch indirekt (mit seiner damaligen Muse Anna Karina als Platzhalterin). In dieser Szene ist wohl nicht nur Fabrizio Bertoluccis alter ego, sondern in gewisser Weise auch der Freund. Gespielt wird er von Gianni Amico, der auch am Drehbuch von PRIMA DELLA RIVOLUZIONE beteiligt war und als Regieassistent für Bertolucci und Godard gearbeitet hat. Gut möglich, dass er sich seinen Text hier selbst auf den Leib geschrieben hat. Am Ende der Szene trägt aber nicht Godard den Sieg davon, wenn man das so nennen will, sondern ein anderer Regisseur. "Man kann nicht ohne Rossellini leben", sagt Amico gleich zweimal, und dann muss es ja stimmen.


Francesco Barilli feierte sein Debüt als Schauspieler 1963 in einem Film von Antonio Pietrangeli, und Fabrizio war dann seine zweite Rolle. Er macht seine Sache durchaus gut, aber nach einem Kurzfilm von 1966 ließ er die Schauspielerei erst mal sein und verlegte sich auf das Schreiben von Drehbüchern (u.a. an Umberto Lenzis MONDO CANNIBALE beteiligt) und auf die Regie (u.a. die Gialli IL PROFUMO DELLA SIGNORA IN NERO und PENSIONE PAURA). Ab den 90er Jahren war Barilli auch wieder als Schauspieler tätig, vorwiegend im Fernsehen. Er macht sich in PRIMA DELLA RIVOLUZIONE also nicht schlecht, aber trotzdem wird er von Adriana Asti ziemlich an die Wand gespielt. Denn die ist einfach umwerfend und faszinierend in ihrer Rolle als die impulsive, sensible und nervös überspannte Gina. Asti war in den 60er Jahren einige Jahre lang mit Bertolucci verheiratet. Sie hatten sich wohl bei den Dreharbeiten zu Pasolinis ACCATONE kennengelernt, wo sie eine Rolle spielte und Bertolucci Regieassistent war. Die Hauptrolle in PRIMA DELLA RIVOLUZIONE hat sie aber keiner Vetternwirtschaft zu verdanken, sondern sie ist schlichtweg die Idealbesetzung. Wie um das zu unterstreichen, rückt ihr die Kamera oft sehr nah auf die Pelle - selten sieht man in einem Spielfilm so extreme Großaufnahmen. Ist PRIMA DELLA RIVOLUZIONE an sich schon eine sehr gelungene Talentprobe eines aufstrebenden, noch jungen Regisseurs (er war erst 23), so wird sie durch Astis Performance noch um eine Nuance veredelt.

Das Ende der Geschichte
PRIMA DELLA RIVOLUZIONE ist in England auf einer sehr erfreulichen Blu-ray/DVD-Kombi des BFI erschienen. Etliche andere Versionen auf DVD oder Blu-ray gibt es auch.