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Donnerstag, 16. Dezember 2010

Kurzbesprechung: Driving Miss Daisy


Miss Daisy und ihr Chauffeur
(Driving Miss Daisy, USA 1989)

Regie: Bruce Beresford

In Gesprächen über unverdiente Oscars für den “Besten Film” wird zu meinem Erstaunen oft recht schnell an “Driving Miss Daisy” erinnert. Auf meine Nachfrage, weshalb man sich nicht lieber für einen pompös aufgemachten Schmachtfetzen entschieden habe, folgt eine Begründung, die ich zwar nachvollziehen kann, die aber meines Erachtens nicht gegen den Film als solchen spricht: Im Jahre 1989 hatte Spike Lee seinen epochalen “Do the Right Thing” gedreht, der sich boshaft mit dem Thema “Rassismus” auseinandersetzt - und war nicht einmal für den begehrtesten aller Oscars nominiert worden. Das “kleine Filmchen” über eine exzentrische Südstaaten-Lady und ihren Chauffeur, das am Rande auch von Rassismus handle, sei - so hiess es - hingegen gleich zum besten Film des Jahres gekürt worden.

Tatsächlich geht es in der Verfilmung eines Theaterstücks von Alfred Uhry um eine schwierige Beziehung, die über 25 Jahre heranreift und in eine zutiefst berührende, kaum ausgesprochene Freundschaft mündet: Als die nicht mehr taufrische, aber immer noch höchst resolute Miss Daisy ihren Wagen Ende der 40er Jahre unfreiwillig im Garten des Nachbarn parkiert, engagiert ihr Sohn für sie den Schwarzen Hoke Colburn als Chauffeur. Die Dame lehnt es zu Beginn strikt ab, sich von ihm überhaupt irgendwohin fahren zu lassen. Doch die Abmachung gilt: Sie kann mit dem Angestellten zwar umgehen, wie sie will; feuern kann sie ihn nicht. - Und so hält Hoke mit der ihm eigenen Höflichlichkeit durch, folgt ihr und zeigt ihr gelegentlich auch seine Grenzen auf. Nach und nach entwickelt sich über die Jahre und Jahreszeiten hinweg, von Kilometer zu Kilometer, in oft unbedeutenden Gesprächen so etwas wie Vertrautheit. Als die ehemalige Lehrerin entdeckt, dass ihr Chauffeur Analphabet ist, lehrt sie ihn das Lesen - und nach einem Anschlag auf die Synagoge von Atlanta erkennt die sich als liberale Jüdin bezeichnende Daisy, was Ausgrenzung  bedeutet und wohnt zusammen mit Hoke einem Vortrag des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King bei. - Am Ende des Films lässt sich die mittlerweile unter Altersdemenz leidende Frau im Heim von ihrem langjährigen Weggefährten füttern und weiss noch immer, wer er ist.

Es sind neben der ausnahmsweise wirklich passenden südstaatlich angehauchten Musik von Hans Zimmer die schauspielerisch bravourös dargebotenen kleinen, scheinbar alltäglichen Szenen, die den Film so sehenswert machen: ein Gespräch auf einem Friedhof, ein Lächeln in den Rückspiegel, ein Weihnachtsgeschenk, das die Lady ihrem Chauffeur mit der Bemerkung überreicht, es handle  sich um kein Geschenk, die tiefe Menschlichkeit und das ständige Beharren, man wolle ein Individuum bleiben und als solches akzeptiert werden.

Jessica Tandy, bekannt als starrsinnige Mutter in Hitchcocks “The Birds” (1963), sonst aber vor allem in Broadway-Inszenierungen zu sehen, wurde erst im Alter als einzigartige Schauspielerin entdeckt (“Cocoon”, 1985) und erhielt für ihre Miss Daisy einen verdienten Oscar. Neben dem wie immer hevorragenden Morgan Freeman als Hoke mit von der Partie: Dan Akroyd als Sohn Boolie.

Ich halte den Oscar für den kleinen, auch mit wunderschönen Bildern an die Herzen der Zuschauer klopfenden Film für mehr als berechtigt, weitaus berechtigter als die Statuen, die in den 80ern an verlogene Schwarten wie “Chariots of Fire” (1981) oder “Terms of Endearment” (1983) gegangen waren - und ich nehme dabei in Kauf, dass Hollywood eben noch nicht reif genug für “Do the Right Thing” war. - Vielleicht  ist “Driving Miss Daisy” schon beinahe ein Pflichtfilm für die Adventszeit: märchenhaft, jedoch nie  unangenehm überzuckert.