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Samstag, 21. Dezember 2019

SHIRAZ - Liebe, Drama und ein bayerischer Regisseur in Indien

SHIRAZ (engl. auch SHIRAZ - A ROMANCE OF INDIA, deutsch DAS GRABMAL EINER GROSSEN LIEBE)
Indien/Deutschland/Großbritannien 1928
Regie: Franz Osten
Darsteller: Himansu Rai (Shiraz), Enakshi Rama Rau (Selima/Mumtaz Mahal), Charu Roy (Khurram/Shah Jahan), Seeta Devi (Dalia), Maya Devi (Kulsam), Profulla Kumar (Kasim)

Shiraz und Selima
SHIRAZ spielt in Indien, genauer gesagt im Mogulreich, zur Zeit der Großmoguln Jahangir und Shah Jahan im 17. Jahrhundert. Der Film gliedert sich chronologisch in drei Zeitebenen, von denen die mittlere die weitaus längste ist, so dass man die anderen beiden auch als verlängerten Prolog bzw. Epilog bezeichnen könnte.

Eine Prinzessin auf Reisen und ein Überfall
Durch die Wüste zwischem dem Nordwesten des Reichs und Persien zieht eine Karawane. Sie ist reich mit Wertgegenständen beladen, doch wichtigstes "Transportgut" ist eine kleine Prinzessin. Die Reise endet jäh, als eine berittene Räuberbande die Karawane überfällt, einen Teil der Mannschaft und die Begleiterin der Prinzessin tötet und mit der Beute und Gefangenen abzieht. Einzig das Kleinkind bleibt durch Zufall zurück, allein in der Wüste. Es wäre dem Tod geweiht, würde nicht im passenden Moment der arme Töpfer Hassan mit seinem Esel des Wegs kommen und es mit in sein Dorf nehmen. Zur gleichen Zeit hat Hassans Frau durch einen Wahrsager ein Orakel für Shiraz, den Sohn des Paars, erstellen lassen. Er werde aus der Wüste viel Liebe, Sorgen und unsterblichen Ruhm empfangen, lautet die Prophezeiung, und als Zuschauer weiß man sogleich, dass sich das auf das Findelkind bezieht. Dieses hat ein Amulett mit sonderbaren Zeichen bei sich, doch damit kann niemand etwas anfangen. Hassan und seine Frau adoptieren die Kleine und nennen sie Selima, und sie wächst zusammen mit dem etwas älteren Shiraz auf.

Hassan rettet die Prinzessin
Erster Zeitsprung. Shiraz und Selima sind jetzt junge Erwachsene, Shiraz ist ein Töpfer wie sein Vater (und darin ein Meister seines Fachs, der aus Ton nicht nur Gefäße, sondern auch Kunstgegenstände formt), und aus den Spielkameraden und Quasi-Geschwistern ist ein Liebespaar geworden. Einer baldigen Hochzeit würde nicht mehr viel im Wege stehen, doch es kommt anders: Eine Bande von Strauchdieben und Sklavenhändlern entführt Selima und verschleppt sie in eine Stadt, um sie dort auf dem Sklavenmarkt zu versteigern. Shiraz nimmt mit ein paar Dorfbewohnern die Verfolgung auf, aber alle außer ihm selbst kehren um, als das Wasser knapp wird. Er kommt rechtzeitig in die Stadt, um der Versteigerung beizuwohnen, kann dort aber nichts ausrichten. Zahlungskräftigster Bieter ist Kasim, ein Abgesandter von Prinz Khurram, dem Kronprinzen und zukünftigen Großmogul. Er ersteigert Selima für den Harem seines Herrn.

Shiraz und Selima sind ein Paar - vorerst
Selima wird zu Khurram in die Hauptstadt Agra im zentralen Nordindien gebracht, und Khurram entpuppt sich als edler Prinz, wie er im Buche steht. Selima lebt sich schnell im Palast ein, und mit ihrer stolzen Art erweckt sie Khurrams Interesse und Sympathie. Und sie bringt Khurram Respekt und Zuneigung entgegen, wenn auch nicht sofort Liebe, weil sie Shiraz nicht so schnell vergessen kann. Doch die Zeit arbeitet für Khurram - früher oder später wird er Shiraz erobern. Es gibt aber ein formales Hindernis. Nach dem Gesetz, dem sich auch der zukünftige Großmogul nicht entziehen kann, darf er nur eine Dame von vornehmer Herkunft heiraten, aber keinesfalls die Tochter eines Töpfers oder eine Sklavin. So könnte Shiraz allenfalls Khurrams Mätresse werden.

Sklavenhändler verschleppen Selima durch die Wüste
Zwei Personen haben etwas dagegen. Erstens natürlich Shiraz, der weiß, wo sich Selima befindet. Er treibt sich in der Nähe des Palastes herum, doch er weiß nicht, wie er hineinkommen soll. Um nicht aufzufallen, und um ein Einkommen zu haben, verdingt er sich vorerst als Assistent eines alten Töpfers in der Stadt. Und zweitens hat Selima eine Nebenbuhlerin, von der sie nichts weiß: Dalia, die ebenso verwöhnte wie berechnende Tochter eines Generals in Khurrams Diensten. Sie kennt nur einen Ehrgeiz - sie will Khurram heiraten und damit nach dessen Thronbesteigung Kaiserin im Mogulreich werden. Dafür ist ihr jedes Mittel recht, und sie weiß, dass Selima eine Gefahr für ihre Pläne ist. Dalias Gelegenheit zum Zuschlagen ergibt sich, als sich Shiraz wieder einmal am Palast herumdrückt und durch eine Lücke im Mauerwerk eine der Dienerinnen darin anspricht. Dabei ist er an Kulsam geraten, die zugleich eine Helferin von Dalia bei deren Plänen ist. Dalias Vater, der General, hat die Befugnis, Passierscheine für den Palast auszustellen. Dalia "leiht" sich sein Stempelsiegel und fälscht damit einen Passierschein für Shiraz, den ihm Kulsam am nächsten Tag zusteckt. Zugleich schreibt Dalia einen anonymen Brief an Khurram, der gerade zu einer Reise nach Delhi aufgebrochen ist, und fordert ihn zur Rückkehr und einem Kontrollbesuch bei Selima auf. Der Plan sieht natürlich vor, dass Shiraz und Selima zusammen im Palast ertappt werden, und dass nach diesem Skandal Selima mindestens die Verbannung, wenn nicht Schlimmeres droht. Der Weg wäre frei für Dalia.

Shiraz kann am Sklavenmarkt nichts ausrichten
Dalias Plan geht zunächst auf. Shiraz muss zu seinem Erstaunen feststellen, dass Selima nicht als Gefangene im Palast schmachtet und auf ihre Rettung wartet, sondern dass es ihr gut geht und sie bleiben will. Und dann werden die beiden von Khurram persönlich überrascht. Der kocht vor Wut, aber immerhin macht er nicht kurzen Prozess, sondern ordnet eine Untersuchung an. Vor allem will er wissen, welche seiner Dienerinnen Shiraz den Zugang zu den Frauengemächern ermöglicht hat. Shiraz könnte Kulsam verraten und damit seinen Kopf retten, doch in Unkenntnis von deren genauer Rolle schützt er sie und schweigt - und wird deshalb zum Tod verurteilt. Kulsam weiß, dass sie Shiraz ihr Leben zu verdanken hat, und darüber gerät ihre Loyalität Dalia gegenüber ins Wanken. Weil sie dadurch selbst zu einer Gefahr wird, wird sie von Dalia kurzerhand vergiftet. Die Hinrichtung von Shiraz soll sofort und auf eine malerische Art erfolgen: Er wird liegend an den Boden gekettet, wo ihn ein Elefant tottrampeln soll.

Es lebt sich nicht schlecht als zukünftiger Großmogul
Doch zwei Missgeschicke (aus Dalias Sicht) bringen den perfiden Plan zu Fall. Erstens hätte Shiraz den Passierschein im Palast an Kulsam aushändigen sollen, die das potentiell kompromittierende Beweisstück sofort vernichtet oder an Dalia weitergereicht hätte. Doch Shiraz vergaß vor lauter Aufregung den Schein bei der Palastwache am Tor. Und zweitens war die Giftdosis für Kulsam zu gering. Diese stirbt zwar, aber nicht schnell genug. Als sie merkt, wie es um sie steht, lässt sie sich mit letzter Kraft zu Khurram schleppen und beichtet alles, bevor sie das Leben aushaucht. Mit dem herbeigeholten Passierschein ist Dalia endgültig als Intrigantin überführt, und sie wird lebenslang aus dem Mogulreich verbannt. Selima dagegen ist rehabilitiert, und Shiraz' Hinrichtung wird im allerletzten Moment gestoppt. Doch er muss hinnehmen, dass sich Selima jetzt endgültig für Khurram entscheidet. Shiraz ist zutiefst deprimiert, doch er kann gar nicht anders, als sich mit der Entscheidung abzufinden. Und nebenbei beseitigt er noch ein letztes Hindernis: Er übergibt das Amulett, das Selima bis zu ihrer Entführung und danach Shiraz bei sich getragen hatten. Ein Weiser im Palast entziffert den Inhalt: Das Amulett weist die Trägerin als Prinzessin Arjumand aus, eine Nichte von Nur Jahan, der wichtigsten der 20 Frauen von Khurrams Vater Jahangir - die Prinzessin war vor 18 Jahren als Kleinkind auf einer Reise in den Norden spurlos verschwunden. Damit ist Selimas noble Abkunft erwiesen, und einer Hochzeit mit Khurram steht nichts mehr im Weg. Dieser will Shiraz als Trostpflaster reich mit Juwelen beschenken, doch der lehnt ab - weltliche Güter können ihm nicht seine verlorene Liebe Selima ersetzen.

Im Harem gibt es Wächterinnen mit Schwertern; unten: so reist man in Indien erster Klasse
Zweiter Zeitsprung, wir sind jetzt im Epilog. Weitere 18 Jahre sind vergangen. Khurram, der sich nach der Thronbesteigung Shah Jahan nennt, und Selima/Arjumand, die den Thronnamen Mumtaz Mahal angenommen hat, haben eine gute und glückliche Ehe geführt und sind beim Volk beliebt. Doch jetzt stirbt Mumtaz Mahal. Shah Jahan ist untröstlich. Um seinen Schmerz etwas zu dämpfen, und um seine übergroße Liebe für die Nachwelt zu dokumentieren, will er für Mumtaz ein prächtiges Mausoleum errichten lassen, und dafür fordert er Entwürfe von Künstlern und Baumeistern aus dem ganzen Land an. Shiraz hat während der vergangenen 18 Jahre immer in der Nähe des Palastes gelebt - er konnte sich nie wirklich von Selima lösen und seinem Leben eine neue Richtung geben. Im Lauf der Zeit hat sein Augenlicht nachgelassen, und jetzt ist er so gut wie blind - aber das Töpfern beherrscht er immer noch wie kaum ein Zweiter. Unter den Entwürfen für das Mausoleum, die zunächst eingesandt werden, kann keiner Shah Jahan überzeugen, doch dann trifft einer ein, der ihn sofort restlos begeistert. Und natürlich ist es kein anderer als Shiraz, der ihn geschaffen hat. Der (zunächst unbekannte) Künstler wird in den Palast geladen, und nach vorübergehender Wirrnis wird Shiraz von Shah Jahan wiedererkannt. In den nächsten Jahren wird nun in Agra nach Shiraz' Entwurf das Taj Mahal errichtet, als Mausoleum und als Zeugnis der Liebe gleich zweier Männer zu Selima bzw. Mumtaz Mahal. Die beiden gealterten Männer werden in dieser Zeit noch so etwas wie Freunde. Am Schluss stehen Aufnahmen des prächtigen fertiggestellten Taj Mahal, und unsere schöne, traurige Geschichte ist zu Ende.

Selima im Goldenen Käfig - mit schönem Ausblick
Sie ist nicht wahr, diese Geschichte, aber gut erfunden. Die echte Arjumand wuchs natürlich wohlbehütet auf, fernab von Töpfern und von Sklavenfängern, und das Taj Mahal wurde auch nicht von einem armen Töpfer entworfen, sondern von mehreren, teils aus Persien stammenden Architekten. Der wahre Kern besteht darin, dass das Taj Mahal tatsächlich als Mausoleum und als Monument der großen Liebe zwischen Shah Jahan und Mumtaz Mahal errichtet wurde. Erdacht hat die fiktive Backstory des berühmten Bauwerks der bengalische Dramatiker, Drehbuchautor und Filmregisseur Niranjan Pal (1889-1959), dessen Laufbahn eng mit der von Franz Osten und Himansu Rai verknüpft war. Pals auch in London aufgeführtes Bühnenstück "Shiraz" war die direkte Vorlage für das Drehbuch, das William A. Burton (1883-1958) schrieb, ein zunächst nach Kanada emigrierter und dann nach England zurückgekehrter Brite, der auch kurze Hollywood-Erfahrung besaß. Nach seiner Rückkehr in die Heimat arbeitete er für British Instructional Films, dem britischen Partner bei der Drei-Länder-Produktion SHIRAZ. Später ging Burton erneut, und diesmal endgültig, nach Kanada. Ein Cousin von ihm war Pflegevater und Namensgeber von Richard Burton. British Instructional Films (BIF), das der Produzent und Regisseur Harry Bruce Woolfe gegründet hatte, existierte von 1919 bis 1932 und wurde dann von einem größeren Studio geschluckt. BIF produzierte Spiel- wie Dokumentarfilme; eine besondere Spezialität, die wohl auf einer persönlichen Vorliebe von Woolfe beruhte, waren heroische Filme über den Ersten Weltkrieg. Ich weiß nicht genau, wie BIF bei SHIRAZ an Bord kam, aber Anfang bis Mitte der 20er Jahre lebten Niranjan Pal, Himansu Rai und dessen spätere Frau Devika Rani (die eine berühmte Schauspielerin wurde) alle in London. Sie lernten sich dort nicht nur kennen und begannen ihre Zusammenarbeit, sondern knüpften auch erste Kontakte zur Filmwelt.

Im Palast
Der illustre Himansu Rai (auch Himanshu Rai geschrieben, 1892-1940) war eine zentrale Gestalt im frühen indischen Film. In seiner Zeit in London war er im Hauptberuf Anwalt, und nebenbei Schauspieler (er stand auch in einem Stück von Niranjan Pal auf der Bühne). Doch es zog ihn zum Film. Obwohl er wie Niranjan Pal aus Bengalen stammte, wurde er (mit Franz Ostens Hilfe) zu einem der Gründerväter des Hindi-Films, und damit des späteren Bollywoods (Bengali-Filme wurden erst mit Regisseuren wie Satyajit Ray und Ritwik Ghatak überregional bedeutsam). Himansu Rai konnte sich zunächst nicht so recht entscheiden, ob er im Film Schauspieler, Regisseur oder Produzent werden wollte - und machte deshalb alles zusammen. Er wollte von Anfang an Filme auf hohem technischen Niveau produzieren, und dazu importierte er europäisches Know-how in Form von Filmtechnikern und Equipment. Dabei wollte er sich nicht mit England begnügen, sondern auch die Ressourcen der deutschen Filmindustrie anzapfen. Rai spekulierte auch darauf, dass orientalische Stoffe in den europäischen Kinos Erfolg haben könnten, wo etwa schon Lubitschs SUMURUN (1920) und Joe Mays DAS INDISCHE GRABMAL (1921, Drehbuch von Fritz Lang und Thea von Harbou) dieses Gebiet erfolgreich beackert hatten.

Intrigantin: Dalia
Rai reiste nach Deutschland und fand in München mit Franz Osten genau den richtigen Partner für seine Pläne. 1925 drehten sie dann in Indien und im heutigen Pakistan (damals natürlich auch ein Teil Indiens) PREM SANYAS/DIE LEUCHTE ASIENS, eine Coproduktion von Himansu Rais Firma und Ostens Hausstudio Emelka. Rai war Produzent und teilte sich mit Osten die Regie (manchmal wird auch Osten allein die Regie zugeschrieben), Niranjan Pal war der Autor (nach einer älteren Vorlage eines Edwin Arnold), die beiden Kameramänner Willi Kiermeier und Josef Wirsching hatte Osten aus Deutschland mitgebracht. DIE LEUCHTE ASIENS ist eine Biografie von Gautama, aus dem Buddha werden sollte, wobei die sehr karge historische Überlieferung mit den üblichen Legenden ausgepolstert wurde. Himansu Rai spielt auch die Titelrolle, und Seeta Devi, die Dalia in SHIRAZ, gibt hier Gautamas Gefährtin Gopa. Charu Roy (Khurram in SHIRAZ) war hier als Set- und Kostümdesigner dabei (später betätigte er sich auch als Regisseur). DIE LEUCHTE ASIENS war ein großer Erfolg, vor allem in Europa (weniger in den USA), und wurde weltweit verliehen. Das Wagnis war gelungen, und Himansu Rai konnte seinen Weg fortsetzen.

Selima lebt sich ein
SHIRAZ war dann der nächste Streich. Rai "beschränkte" sich jetzt auf die Hauptrolle und die Position des Produzenten, die Regie überließ er Osten allein. Auf deutscher Seite produzierte jetzt nicht mehr die Emelka, sondern die UFA, und die Engländer waren nun auch an Bord. Kameramänner waren jetzt Emil Schünemann und der Engländer Henry Harris. Schünemann war der deutlich ältere und erfahrenere der beiden, ich weiß aber nicht, ob sich daraus eine interne Hierarchie ergab, oder ob beide Kameramänner gleichberechtigt waren. Weiterer personeller Input von der Insel bestand aus einem Victor A. Peers, der als Produktionsleiter und Ostens Regieassistent fungierte (später war er Direktor eines Fernsehsenders), und aus dem schon erwähnten Drehbuchautor William A. Burton. Die Schauspieler dagegen kamen alle aus Indien. Himansu Rai zeigt gelegentlich eine leichte Neigung zum Overacting, aber es hält sich im Rahmen und wird nie lächerlich. Alle anderen spielen sehr dezent, und Seeta Devi ist eine wahre Freude als verschlagene Dalia - eine echte indische femme fatale des 17. Jahrhunderts. Leider wurde ihre Karriere durch den Tonfilm beendet.

Prinz Khurram (rechts oben mit Kasim) und ein weiser Zeichendeuter
Nächster und vorerst abschließender Film des indisch-britisch-deutschen Teams war PRAPANCHA PASH/A THROW OF DICE/SCHICKSALSWÜRFEL von 1929, wiederum mit Himansu Rai, Seeta Devi und Charu Roy in den Hauptrollen, Rai als Produzent, Osten als Regisseur, und Pal und Burton als Autoren (und ein Max Jungk war noch an der deutschen Fassung beteiligt). Es handelt sich um die freie Interpretation eines Handlungsstrangs im ausladenden Nationalepos Mahabharata, in dem zwei rivalisierende Könige um ihre Reiche (und im Film auch um eine schöne Frau) würfeln. Die drei Stummfilme des Osten-Rai-Teams werden gerne als Trilogie zusammengefasst, was mir auch berechtigt erscheint, auch wenn das vielleicht nicht von Anfang an so geplant war. Denn danach gab es erst mal eine Zäsur, und die war auch in Indien von der Einführung des Tonfilms geprägt.

Shiraz weiß nicht, wie er in den Palast kommt
Während Rai und Osten die Stummfilme vorwiegend an Originalschauplätzen drehten und relativ wenig Studiozeit benötigten, erforderte der Tonfilm mit seiner komplizierteren Ausrüstung ein Umdenken - ein eigenes Studio musste her. Doch zunächst produzierte Rai 1933 noch KARMA, wieder eine indisch-britisch-deutsche Produktion, aber ohne Osten, sondern mit einem englischen Regisseur. Der Film zeichnet sich durch einen nicht enden wollenden und für damalige indische Verhältnisse skandalösen Kuss zwischen den Hauptdarstellern Rai (klar, wer sonst?) und Devika Rani aus (die inzwischen Rais Frau war). Und dann gründete Himansu Rai 1934 mit Geschäftspartnern das Studio Bombay Talkies - der Name war Programm. Und Osten war wieder mit an Bord, denn Rai engagierte ihn jetzt fest als Regisseur und technischen Direktor, und Osten übersiedelte nach Indien. Rai war nun so ausgelastet, dass er nicht mehr als Schauspieler auftrat (ob er vielleicht auch eine unvorteilhafte Stimme besaß, ist mir nicht bekannt). Die Produktion lief 1935 mit JAWANI KI HAWA/LEICHTSINN DER JUGEND an, und von 1936 bis 1939 drehte Osten dann jedes Jahr drei bis fünf Filme. Es war dies eine prägende Phase von Proto-Bollywood, und Rai und Osten waren mittendrin. Devika Rani spielte oft die weibliche Hauptrolle, aber auch andere weibliche und männliche Stars wurden hervorgebracht. Niranjan Pal als Autor war auch oft mit dabei, und der aus München stammende Kameramann Josef Wirsching, dem wir schon bei DIE LEUCHTE ASIENS begegnet sind, stand auch bei Bombay Talkies unter Vertrag (er blieb in Indien und starb 1967 in Bombay), und es gab noch weitere deutsche und englische Mitarbeiter. - Himansu Rais Stern strahlte hell, aber er verglühte auch schnell. Ich weiß nicht, ob es an der Arbeitsüberlastung lag, wie gelegentlich zu lesen ist, aber 1940 erlitt er einen gesundheitlichen Zusammenbruch. Über dessen Charakter kursieren nur unklare Informationen - manchmal ist von einem Nervenzusammenbruch die Rede. Jedenfalls starb Himansu Rai im Mai 1940 mit nur 48 Jahren in Bombay. Seine Witwe Devika Rani übernahm die Leitung des Studios und führte es erfolgreich weiter. Franz Osten verließ im selben Jahr Indien für immer.

Dalia und Kulsam
Franz Osten wurde 1876 als Franz Ostermayr in München geboren. Zusammen mit seinem jüngeren Brüder Peter Ostermayr (1882-1967) sammelte er erste Erfahrungen im Foto- und noch jungen Filmmetier im väterlichen Fotoatelier am Münchner Stachus, das die beiden Brüder schließlich übernahmen. (Der jüngste Bruder Ottmar Ostermayr (1886-1958) landete etwas später auch beim Film und wurde Produzent bzw. Produktionsleiter, und der Regisseur Paul May (08/15-Trilogie, SCOTLAND YARD JAGT DR. MABUSE) war der Sohn von Peter Ostermayr.) 1907 gründeten Franz und Peter das Wanderkino "Original-Physograph Company", für das sie auch schon selbst erste kurze Filme im Wochenschau-Stil drehten. Der Erste Weltkrieg unterbrach die Filmlaufbahn der beiden älteren Ostermayr-Brüder, aber danach ging es erst richtig los. Peter Ostermayr hatte die Münchner Lichtspielkunst GmbH gegründet, die Anfang 1919 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Aus der gesprochenen Form der Abkürzung MLK ging der Name "Emelka" hervor. Peter kaufte im Vorort Geiselgasteig zwischen München und Grünwald ein großes Gelände, auf dem die Ateliers der Emelka errichtet wurden. Schnell wurde die Emelka eines der größten Filmstudios in Deutschland. Sie konnte zwar nicht ganz mit der UFA mithalten, aber zusammen mit Studios wie Tobis und Terra bildete sie die zweite Ebene. In den Zeiten der Hyperinflation (bis Ende 1923) konnte die Emelka sogar Großproduktionen von internationalem Format stemmen, wie den von Manfred Noa inszenierten NATHAN DER WEISE (1922) mit seinem Riesenheer an Komparsen. In ihrer ursprünglichen Form existierte die Emelka bis 1932, dann ging sie durch die Kosten, die die Umstellung ihrer Kinokette auf den Tonfilm verursachte, pleite, aber unter neuem Eigentümer und mit dem neuen Namen Bavaria Film AG wurde der Betrieb fortgesetzt. Unter den Nazis wurde die Bavaria von der UFA assimiliert, aber nach dem Krieg neu gegründet, und bekanntlich existiert die Bavaria Film an ihrer alten Stätte in Geiselgasteig bis heute.

Khurram und Selima werden langsam ein Paar
Franz, der sich nun Franz Osten nannte, war von Anfang an einer der Hausregisseure bei der Emelka, und seine Ganghofer-Verfilmung DER OCHSENKRIEG (1920) war der erste Film, der das neue Studio in Geiselgasteig verließ (wobei große Teile in der freien Natur gedreht wurden). (Peter Ostermayr als Produzent sollte später rund 20 weitere Ganghofer-Filme hervorbringen.) Als ihn der Ruf von Himansu Rai ereilte, hatte Osten schon ca. 25 Filme inszeniert, und weil er zwischen den indischen Stummfilmen auch wieder in der Heimat drehte, kam er insgesamt auf rund 35 Stummfilme in Deutschland. Dazu kamen zwischen 1931 und 1934 noch zehn Tonfilme, z.B. DER JUDAS VON TIROL mit Fritz Rasp und Rudolf Klein-Rogge sowie Camilla Spira und Marianne Hoppe. Während die drei indischen Stummfilme in der Mythologie oder in ferner Vergangenheit angesiedelt waren und somit keinen Anlass zu politischen Kontroversen bieten konnten, verschob sich bei Bombay Talkies der Fokus hin zu zeitgenössischen und auch potentiell heiklen Stoffen. So stellte Osten in einem seiner Filme in Form einer Liebesgeschichte das Kastenwesen in Frage.

Für Shiraz wird es eng
Leider ließ es sich Osten nicht nehmen, in den 30er Jahren in die NSDAP einzutreten (für das genaue Jahr habe ich die widersprüchlichen Angaben 1934 und 1936 gefunden). Ob das seine Arbeit bei Bombay Talkies irgendwie beeinflusst hat, scheint bisher kaum erforscht zu sein. Im Booklet der Blu-ray (s.u.) wird sogar die Frage, ob Himansu Rai und Devika Rani von der NSDAP-Mitgliedschaft wussten, als offen bezeichnet. Als dann 1939 der Krieg ausbrach, wurde Osten von den Briten festgenommen und zunächst interniert. Aber während die meisten Deutschen, die in Indien interniert waren, dort bis Kriegsende ausharren mussten, wurde Osten aufgrund seines Alters und seiner schon etwas angegriffenen Gesundheit 1940 nach Deutschland abgeschoben. Er sah Indien nicht wieder. Die Kriegsjahre verbrachte Osten als Leiter des Besetzungsbüros der Bavaria, und er arbeitete dort am Aufbau eines Filmarchivs. Nach dem Krieg ließ er den Film komplett hinter sich. Osten zog nach Bad Aibling und arbeitete dort als Kurdirektor. Als Osten 1956 in seinem Wohnort starb, war der Regisseur Franz Osten schon weitgehend vergessen, doch in den letzten 20 Jahren wurde er wiederentdeckt.

Mogul-Architektur - garantiert echt
Als Regisseur war Osten gewiss kein Visionär vom Rang eines Lang oder Murnau, aber er erweist sich als gediegener Handwerker, der das große Drama und menschliche Emotionen ebenso zu inszenieren wusste, wie er große Massen an Mensch und Getier souverän bewegen konnte. Zu Letzterem hatte er bei seinen indischen Stummfilmen reichlich Gelegenheit. Nach zeitgenössischen Berichten kamen bei SHIRAZ 50.000 Komparsen, 300 Kamele und sieben Elefanten zum Einsatz (die Zahl der Pferde ist anscheinend nicht überliefert, dürfte die der Kamele aber noch übertroffen haben). Selbst wenn die Zahlen übertrieben sein sollten - SHIRAZ protzt mit Schauwerten, ebenso wie DIE LEUCHTE ASIENS und dann vor allem SCHICKSALSWÜRFEL. Dazu dienen auch die vielen Originalschauplätze. Immer wieder bewegen sich die Darsteller sichtlich nicht in Kulissen aus Sperrholz und Pappmaché, sondern in den echten Forts, Palästen und Moscheen in Agra und anderswo in Indien. Ermöglicht wurde das alles nicht nur durch das Geld aus Deutschland und England, sondern vor allem durch die Unterstützung des damals noch jugendlichen und offenbar filmbegeisterten Maharajas von Jaipur (1925, als er bei DIE LEUCHTE ASIENS erstmals aushalf, war er erst 12 oder 13). Jaipur war eines jener vielen semi-autonomen Klientelfürstentümer, die innerhalb des anglo-indischen Kolonialreiches fortbestanden, und deren Herrscher erst in der unabhängigen Indischen Republik ihre Posten und Apanagen verloren. Jaipur hatte auch eine eigene Armee, und die stellte bei SHIRAZ einen Großteil der Komparserie und der Reittiere. Auch beim Zugang zu den historischen Baudenkmälern, selbst wenn sie nicht in seinem Herrschaftsbereich lagen, dürfte der Einfluss des Maharajas geholfen haben.

Der Kuss war für Indien 1928 gewagt
Seit der Jahrtausendwende wurden der Reihe nach DIE LEUCHTE ASIENS, SCHICKSALSWÜRFEL und zuletzt SHIRAZ restauriert und neu herausgebracht. (Auch DER OCHSENKRIEG wurde restauriert und war schon bei arte im Programm und in der Mediathek. Eine nicht restaurierte, leicht gekürzte Fassung ohne Musik findet man auf filmportal.de.) Die deutsche und die indische Version von SHIRAZ sind offenbar verloren, aber die englische hat in guter Kondition überlebt. Vom Kameranegativ und einem Positiv in den Beständen des British Film Institute (BFI) wurde vor einigen Jahren eine digitale Kopie in 4K erstellt und als DCP in ausgewählten Kinos und bei einigen Filmfestivals vorgeführt. Und das BFI hat diese Version als Blu-ray/DVD-Combo (mit zwei kurzen Bonus-Filmen) veröffentlicht. Die Musik für die neue Fassung schrieb Anoushka Shankar, die als Komponistin und Sitar-Spielerin schon längst aus dem Schatten ihres legendären Vaters Ravi Shankar hervorgetreten ist. Schon Ravi Shankar hatte auch Filmmusik geschrieben, z.B. für Satyajit Rays bahnbrechende Apu-Trilogie. Anoushka Shankars Score ist weitgehend indisch geprägt, aber europäische Orchesterinstrumente und Synthesizer kommen auch zum Einsatz. Das ergibt eine stimmige Mischung, die den Film gut unterstützt. Der Österreicher Artur Guttmann hatte die deutsche Premierenmusik für SHIRAZ geschrieben. Über den Verbleib der Partitur habe ich nichts gefunden - wahrscheinlich ist sie verschollen. Über die indische und englische Originalmusik konnte ich überhaupt keine Informationen finden. - In der Schweiz ist die Neuauflage von SHIRAZ bei trigon auf DVD erschienen. Die englischen Credits und Zwischentitel der BFI-Version wurden beibehalten, zusätzlich gibt es deutsche und französische Untertitel. Aber wenn man nicht auf die Untertitel angewiesen ist, hat beim Preis-Leistungs-Verhältnis die englische Ausgabe klar die Nase vorn.

Das Taj Mahal entsteht - zuerst als Modell, dann in echt

Hinten v.l.n.r. Henry Harris, Charu Roy, Franz Osten, unbekannt, Himansu Rai, Victor A. Peers, unbekannt,
Profulla Kumar, Emil Schünemann; vorne v.l.n.r. unbekannt, Seeta Devi, Maya Devi, Enakshi Rama Rau

Freitag, 23. August 2019

Klaus Wildenhahn, Merce Cunningham und die Mühen des Tanzes

Direct Cinema aus deutschen Landen

498, 3rd AVE. (auch 498, THIRD AVENUE)
Deutschland 1967
Regie: Klaus Wildenhahn
Mit: Merce Cunningham, den Tänzern Carolyn Brown, Sandra Neels, Barbara Lloyd (= Barbara Dilley), Valda Setterfield, Yseult Riopelle, Gus Solomons jr. und Albert Reid, sowie Viola Farber

Der Titel des Films bezeichnet eine Adresse in New York. Dort, nur zwei, drei Stockwerke über dem Straßenlärm, hatte damals Merce Cunningham, einer der führenden Tänzer und Choreographen des 20. Jahrhunderts, das Probenstudio seiner Merce Cunningham Dance Company (MCDC). Klaus Wildenhahn begleitete für seinen knapp eineinhalbstündigen Dokumentarfilm, den er für den NDR drehte, im Frühsommer 1967 zwei Monate lang die Proben zu dem Stück Scramble - ausgestrahlt wurde der Film erstmals im März 1968 im Programm Nord 3.

Merce Cunningham
Es gibt immer zwei Antworten auf eine Frage. Ich weiß nie, welche die bessere ist. (Merce Cunningham in Wildenhahns Übersetzung)
In our society, if you are going to do anything, you have to get funds. (Merce Cunningham)

Das Studio und der Ausblick auf die Straße
Diese beiden Zitate aus dem Film fassen wesentliche Erkenntnisse daraus zusammen. Der erste Abschnitt, ungefähr eine halbe Stunde, widmet sich dem anstrengenden Alltag der Proben und Cunninghams Arbeitsweise dabei. Schritt für Schritt wird die Choreographie aus elementaren Bewegungsabläufen aufgebaut, wie etwa an einem Duett von Sandra Neels und Gus Solomons jr. veranschaulicht wird. Dass hier ein Schwarzer und eine Weiße in Posen zu sehen sind, die man auch als sexuell aufgeladen verstehen könnte, wird von Wildenhahn übrigens mit keinem Wort thematisiert. Im Kontext des liberal-intellektuellen Ostküsten- und Künstlermilieus, und damit im Kontext des Films, spielt es auch tatsächlich keine Rolle. Solche Ökonomie oder auch Lakonie könnte typisch für Wildenhahn gewesen sein. In seinem Film FREIER FALL: JOHANNA K. (1993) über die Transsexuelle Johanna Kamermans verwendet er in seinem eigenen Text kein einziges Mal Wörter wie "transsexuell" oder "transgender" - "weil es nicht wichtig war", wie er irgendwann mal sagte. Ich kenne aber zuwenig Filme von Wildenhahn, um das nun zu einem allgemeinen Charakteristikum seines Schaffens zu erklären.

Carolyn Brown (oben) und Sandra Neels
Carolyn Brown, damals die Solotänzerin der Company, und Sandra Neels gaben neben Cunningham selbst auch Tanzunterricht im Studio. Die dafür angestellte Pianistin (ihren Namen erfährt man nicht, aber sie wird von Neels als die gute Seele des Studios gelobt), Mitglieder der Tanztruppe und Cunningham selbst erhellen dessen Vorgehensweise. Und die bestand darin, dass er den Tänzern nur so viele Informationen zukommen ließ, wie unbedingt nötig. Vor allem versorgte er sie nicht mit Interpretationen dessen, was sie da tanzen sollten - sie sollten sich lieber eigene Gedanken machen. Es war geradezu verboten, Cunningham diesbezügliche Fragen zu stellen. Dabei wirkte er aber durchaus bestimmend, und wenn er mit Händeklatschen und Fingerschnipsen den Takt vorgab, dann klingt das im Film laut und geradezu schneidend. Auch bei den praktischen Belangen des Probenablaufs war Cunningham knauserig mit Informationen - Termine und dergleichen erfuhr man immer nur knapp und kurzfristig. Nicht jeder kam damit gut zurecht, und bei den Proben fließen auch mal Tränen bei Sandra Neels, und es gibt Unstimmigkeiten der Tänzer untereinander. Yseult Riopelle, eine Tochter des kanadischen Malers und Bildhauers Jean-Paul Riopelle und mit 18 oder 19 jüngstes Mitglied der Truppe, fühlte sich von Cunninghams dominanter Persona und der permanent abverlangten Disziplin eingeschüchtert, wie man aus Carolyn Browns 2007 erschienenen Memoiren Chance and Circumstance: Twenty Years with Cage and Cunningham erfährt. Wenig später verließ sie die Company.

Barbara Lloyd (l.o.), Yseult Riopelle (r.o.), unten Valda Setterfield
(die falschen Wimpern sind für den Auftritt in New Canaan angeklebt)
Auch existenzielle Sorgen kommen im ersten Abschnitt zur Sprache. Die bestehen bei Tänzern nicht zuletzt darin, nicht oder zu selten auftreten zu dürfen. Während Brown, Neels und Riopelle (und die Herren im Ensemble) tragende Rollen im Stück Scramble zugewiesen bekamen, hatten die beiden restlichen Damen, Barbara Lloyd (besser bekannt als Barbara Dilley) und die Engländerin Valda Setterfield, darin nur kleine Nebenrollen - ohne zu wissen, warum. Vielleicht lag es daran, dass beide damals kleine Kinder hatten und diese öfters zu den Proben ins Studio mitnahmen, weil Babysitter teuer waren. Aber vielleicht auch nicht - wie immer knauserte Cunningham mit Informationen, so dass beide im Ungewissen blieben. Sie trösteten sich damit, dass sie am Feierabend nach den anstrengenden Proben nicht von einer leeren Wohnung, sondern von ihren Familien empfangen wurden.

Duett von Sandra Neels und Gus Solomons jr.
Nach einer halben Stunde gibt es eine Zäsur im Film, und damit sind wir beim zweiten der oben angeführten Zitate von Cunningham - wir sind beim lieben Geld. Künstler abseits des kommerziellen Mainstreams, wie Cunningham und seine Truppe, die Aufwendungen etwa für Probenräume oder Tourneen haben, waren (und sind) in den USA auf private Sponsoren und Mäzene angewiesen. Die Merce Cunningham Dance Company unternahm 1964 eine ausgedehnte Welttournee, die sie international bekannt machte, die jedoch finanziell nicht genügend abgesichert war, so dass die Company Steuerschulden von über 5000 Dollar (nach heutigem Wert rund 40.000 Dollar) angehäuft hatte. Jetzt, drei Jahre später, setzte das Finanzamt ein Ultimatum. Wenn die Schulden nicht in Kürze bezahlt würden, drohte die Pfändung des Studios und damit vielleicht das Aus für die Company. Doch Cunningham konnte sich auf seine Mäzene verlassen. Der reiche, aus Frankreich stammende Bankier, Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen Jean/John de Ménil, dessen Frau Dominique (die einst als Schnittassistentin an Sternbergs DER BLAUE ENGEL mitgewirkt hatte) und der radikale und umstrittene (auch wegen seiner Nazi-Vergangenheit) Architekt Philip Johnson organisierten ein Wohltätigkeitsevent, bei dem die Tanztruppe zu ihren eigenen Gunsten auftrat. Johnson besaß ein großes Grundstück in der Kleinstadt New Canaan in Connecticut, auf dem er einige avantgardistische Bauten errichtete, insbesondere sein berühmtes Glass House. Dieses Grundstück stellte Johnson für das Event zur Verfügung, und die Ménils spendierten die (sicher exquisite) Verpflegung. Es wurden Einladungen an die Oberschicht Neuenglands versandt, und wer annahm, musste einen sehr gehobenen Eintrittspreis entrichten. Die Dance Company sollte ungefähr 45 Minuten lang Teile des im Entstehen begriffenen Scramble und weitere Passagen aus ihrem Repertoire vorführen, daneben gab es weitere Programmpunkte, so wurde für einen "Mitternachtsbeat" eine "Beatkapelle" engagiert, wie das Wildenhahn im Film ausdrückt.

Unten sind die Tänzerinnen im großen Wandspiegel des Studios zu sehen
Langjähriger Lebenspartner und wichtigster musikalischer Kollaborateur des schwulen Cunningham war der Avantgardekomponist John Cage. Und Cage und dessen Schüler und Mitarbeiter David Tudor, Gordon Mumma und Toshi Ichiyanagi sorgten auch in New Canaan für die musikalische Untermalung. Man sieht elektronische Gerätschaften, und zu hören waren laut Wildenhahn "elektronisch verstärkte Geige, Autotüren, Scheibenwischer und ein japanischer Gong". Und das offenbar in sehr erheblicher Lautstärke. Denn die gut betuchten Anwohner des Grundstücks in New Canaan fühlten sich gestört, und einer erschien persönlich und protestierte hartnäckig gegen die Lärmbelästigung. Wie man nicht aus dem Film, aber aus anderen Quellen erfährt, wurde sogar die Polizei gerufen, und schließlich wurde die Performance vorzeitig abgebrochen. Vielleicht sollte man milde über die Nachbarn urteilen, denn sogar Carolyn Brown bezeichnete die Soundkulisse in ihren Memoiren als Kakophonie. Das geladene Publikum spendete trotzdem freundlichen Beifall. Es gab ja auch noch mehr zur Unterhaltung, und für das leibliche Wohl war auch gesorgt. Die "Beatkapelle", deren Namen Wildenhahn unterschlägt, hieß übrigens Velvet Underground. Zu Philip Johnsons Freunden und den von den Ménils finanziell unterstützten Künstlern zählte auch Andy Warhol. Warhol war selbst bei dem Event in New Canaan zugegen, und man sieht ihn wohl auch kurz von hinten im Film, aber man erkennt ihn nicht deutlich, und Wildenhahn erspart sich überflüssiges name-dropping. Jedenfalls war es wohl naheliegend, Warhols zeitweilige Hausband aus der Factory auch gleich zu engagieren. Man sieht Velvet Underground im Film nicht im Bild, aber man hört kurze Passagen aus I'm Waiting for the Man und Venus in Furs, und dazu schwingen die adrett gekleideten Oberen Zehntausend der Ostküste zu nächtlicher Stunde das Tanzbein. Das hatte auch etwas Bizarres an sich, aber das ist Wildenhahn möglicherweise entgangen, jedenfalls ging er nicht darauf ein.

Die Pianistin, und Wildenhahn von hinten (mehr als diesen Ausschnitt sieht man von ihm nicht im Film)
Für die Tanztruppe war dieser Ausflug eine zwiespältige Erfahrung, aber der wichtigste Zweck wurde erreicht. Der Reingewinn betrug 23.355 Dollar und 10 Cent, inflationsbereinigt ungefähr 180.000 Dollar. Damit konnten die Steuerschulden auf einen Schlag getilgt werden, und es blieb noch ein schönes Sümmchen für zukünftige Projekte übrig. - Nach diesem Intermezzo, im Film eine Viertelstunde, sind wir für die restliche Zeit wieder in New York und im Alltag der Proben für das neue Stück. Das Duett von Neels und Solomons wird weiterentwickelt, und in der 13. Probe sind erstmals alle Tänzer zusammen im Einsatz. - Zu den existenziellen Ängsten der Tänzer gehörte nicht nur, vom Maestro nicht gebührend berücksichtigt zu werden, sondern, elementarer noch, durch eine Verletzung aus der Spur geworfen zu werden. Darüber berichtet Viola Farber, die von der Gründung 1953 bis 1965 Mitglied der Merce Cunningham Dance Company gewesen war. Eine Fußverletzung und die Angst vor weiteren Verletzungen veranlassten sie, aus dem Team auszuscheiden und ihre Karriere als Tänzerin mehr oder weniger zu beenden. Jetzt, 1967, gibt sie Tanzunterricht, auch in Cunninghams Studio, und sie entwirft Choreographien (1968 wird sie dafür ihre eigene, durchaus erfolgreiche Dance Company gründen). Man sieht und hört eine Weile dabei zu, wie Farber Valda Setterfield Einzelunterricht erteilt - auch auf so hohem Niveau kann man immer noch etwas dazulernen -, und dann erzählt die in Heidelberg geborene Farber noch auf Deutsch, dass man als Mitglied einer so geschlossenen Gruppe wie der MCDC eine Art von kollektivem Bewusstsein entwickelt, und dass es nach dem Ausscheiden eine Weile dauert, bis man sich davon abnabelt und eigene Ansichten entwickelt. Sie selbst hat ein halbes Jahr gebraucht, um sich in ihre neue Realität einzufinden. Mit wortlosen Impressionen von Gruppenunterricht im Studio - man sieht da aus damaliger Sicht vielleicht die Tanzstars von morgen, vielleicht auch nicht - klingt der Film schließlich aus.

Happening in New Canaan ...
In den 60er Jahren entstand in den USA die Dokumentarfilmbewegung des Direct Cinema als Gegenstück zum französischen Cinéma vérité, bei Unterschieden im Detail (was 1963 bei einem Kongress in Lyon schon mal zu heftiger Polemik zwischen Jean Rouch und Richard Leacock führte). Als Urknall des Direct Cinema gilt PRIMARY (1960), den Robert Drew, Leacock, D.A. Pennebaker, Albert Maysles und weitere Mitarbeiter in einer gemeinsamen Anstrengung über den Vorwahlkampf der Demokratischen Partei in Wisconsin zwischen John F. Kennedy und Hubert Humphrey drehten. Die Philosophie des Direct Cinema sah vor, sich mit damals neuen kleinen und leichten (also tragbaren) und sehr leisen 16mm-Kameras und ebenfalls tragbaren, batteriebetriebenen Tonbandgeräten so unauffällig wie möglich unter die zu filmenden Leute zu mischen, damit die in ihrem Verhalten durch die Anwesenheit der Filmcrew so wenig wie möglich beeinflusst werden. So sollte die Realität so objektiv wie möglich eingefangen werden.

... mit protestierendem Nachbarn (ganz links) und Mitternachtsbeat
In Deutschland gilt Klaus Wildenhahn (1930-2018) als wichtigster Vertreter des Direct Cinema. Nachdem er anfangs kürzere Fernsehbeiträge für den NDR drehte, z.B. für das Magazin "Panorama", folgten dann längere, auch kinotaugliche Filme, Wildenhahn blieb dem NDR aber verbunden. Als einen seiner ersten Filme im Stil des Direct Cinema drehte er den ursprünglich 45-minütigen PARTEITAG 64 auf einem Parteitag der SPD, der im November 1964 in Karlsruhe stattfand. Wildenhahn konzentrierte sich dabei (jedenfalls in der mir bekannten kurzen Fassung des Films) auf die kontroverse Debatte darüber, ob die Bundesrepublik einer geplanten multilateralen westlichen Atomstreitmacht beitreten sollte, also auch selbst mit Atomwaffen hantieren sollte, wenn auch unter internationalem Befehl. Dafür war fast der gesamte Vorstand der SPD (die damals noch in der Opposition war, aber baldige Regierungsbeteiligung anstrebte - 1966 war es dann soweit), im zuständigen Ausschuss (und damit im Film) vertreten durch Fritz Erler, dagegen war der frühere Hamburger Oberbürgermeister Max Brauer. Brauer unterlag und wurde als einziges bisheriges Vorstandsmitglied nicht wiedergewählt. Wildenhahn enthält sich in der politischen Streitfrage jeden Kommentars, und doch meint man, seine Sympathie für Brauer herauslesen zu können. Aber das war dem NDR wohl suspekt. Die eigentlich vorgesehene Ausstrahlung des Films wurde abgesagt, und von den Kurzfilmtagen in Oberhausen wurde er auch zurückgezogen. Erst 17 Jahre später wurde eine stark gekürzte Fassung ausgestrahlt.

Viola Farber mit Valda Setterfield
Auch 498, 3rd AVE. ist weitgehend nach den Prinzipien des Direct Cinema gestaltet. Wildenhahn stellt gelegentlich Fragen, aber meistens hört er nur zu. Die Statements und Dialoge, mit Ausnahme derer von Viola Farber, sind natürlich auf Englisch, und nur sporadisch wird dabei etwas von Wildenhahn nachübersetzt (Untertitel gibt es nicht). Überhaupt ist Wildenhahns eigener Text recht knapp gehalten. Freilich ist die Theorie des Direct Cinema das eine, und die Praxis das andere. Anders als bei zahlreich erschienenem Parteitagsvolk, konnte es in der geschlossenen Gesellschaft der acht Tänzer nicht ausbleiben, dass die Anwesenheit des Filmteams (Wildenhahn plus Kameramann Rudolf Körösi und Tontechniker Herbert Selk) erhebliche Rückwirkungen auf die Gefilmten hatte. Carolyn Brown schreibt dazu in Chance and Circumstance: Twenty Years with Cage and Cunningham:
In May, Merce began concentrated work on new choreography. The German documentary film team from Hamburg arrived and all but moved into the studio, their eagle-eyed cameras and eavesdropping microphones zeroing in on every facet of our working lives. [...] but there was no forgetting the film crew. Merce tolerated their invasion, but it made him as uneasy and self-conscious as it did the rest of us. Rehearsals were fraught with tension. The dance wasn't going well; he showed the material quickly, changing it from day to day, leaving us unsure of exactly what the rhythms were, or the phrasing, or even the steps. The film captures it all, along with the disagreements among the dancers, the exasperations, frustrations, and tears.
Ein Musiker in der U-Bahn könnte einem Film von Jim Jarmusch entsprungen sein
(wenn es damals schon Filme von Jim Jarmusch gegeben hätte)
Im Lauf der Zeit entstanden viele weitere Filme über Merce Cunningham. Ich kenne keinen davon, bin aber trotzdem ziemlich sicher, dass nur wenige so nah dran sind am Geschehen wie 498, 3rd AVE. Klaus Wildenhahn starb im August 2018 mit 88 Jahren. Damals sendete der NDR anlässlich seines Todes fünf seiner Filme, und letzte Woche, anlässlich des ersten Todestages, drei weitere, nämlich PARTEITAG 64 (in einer nur 17-minütigen Fassung - vermutlich die, die 1981 erstmals gezeigt wurde), 498, 3rd AVE. und FREIER FALL: JOHANNA K. Alle bis auf einen sind derzeit in der NDR-Mediathek abrufbar. Bei absolut Medien ist eine Box mit 14 Wildenhahn-Filmen auf fünf DVDs erschienen, die Auswahl der Filme hat Wildenhahn selbst getroffen (498, 3rd AVE. ist nicht dabei).

Sonntag, 26. August 2018

Zeugin aus der Hölle

Zum hundertsten Geburtstag von Artur Brauner am 1. August 2018

ZEUGIN AUS DER HÖLLE / GORKE TRAVE
BRD/Jugoslawien 1965/67
Regie: Žika Mitrović
Darsteller: Irene Papas (Lea Weiss/Clément), Daniel Gélin (Bora Petrović), Heinz Drache (Dr. Hoffmann), Werner Peters (von Walden), Alice Treff (Frau Ritter), Jean Claudio (Nino Bianchi), Hans Zesch-Ballot (Dr. Berger), Radmila Guteša (Telefonistin)

Lea, die Zeugin aus der Hölle
Bora Petrović, ein gestandener jugoslawischer Journalist, bekommt eines Tages unerwarteten Besuch aus Deutschland in seiner Belgrader Redaktion: Dr. Hoffmann, ein Staatsanwalt an der Ludwigsburger Zentralen Stelle für Nazi-Verbrechen. Er ist seit Monaten dem früheren KZ-Arzt Dr. Berger auf der Spur, der in einem Lager grausame Menschenversuche und Zwangssterilisationen an weiblichen Häftlingen durchgeführt hat. Doch jetzt führt Berger als wissenschaftlicher Direktor einer großen Pharmafirma ein gutbürgerlichen Leben mitten in der Bundesrepublik. Er gab sogar einem Fernsehteam ein Interview, in dem er die Vorwürfe gegen ihn jovial-herablassend als frei erfunden abbügelt, ließ dann aber die Ausstrahlung durch seinen Anwalt verhindern. Aber Dr. Hoffmann hat eine potentielle Belastungszeugin: Die jüdische KZ-Überlebende Lea Weiss, nach ihrer Hochzeit mit einem Franzosen (der inzwischen als Reporter in Vietnam verschollen und wahrscheinlich tot ist) Lea Clément. Diese hatte unmittelbar nach dem Krieg ihre Erinnerungen an das Konzentrationslager Petrović diktiert, der das als Buch in Jugoslawien herausbrachte. Dieses Buch, in dem Dr. Berger schwer belastet wird, ist erst kürzlich in deutscher Übersetzung erschienen, und so ist Dr. Hoffmann auf Lea Clément, die wieder in Deutschland lebt, aufmerksam geworden. Doch Lea will nicht in einem Prozess aussagen und behauptet sogar, ihre Aussagen in dem Buch seien Übertreibungen und "Mystifikationen" gewesen. Das alles erzählt nun Dr. Hoffmann im Büro von Petrović und bittet ihn um eine Einschätzung. Petrović kann kaum glauben, was er da hört - er ist fest davon überzeugt, dass in dem Buch jedes Wort wahr ist. Und so begleitet Petrović nun Hoffmann auf dessen Bitte hin nach Deutschland, um mit Lea zu sprechen.

Bora Petrović und Dr. Hoffmann
Diese hat bis vor einiger Zeit ein halbwegs normales Leben in einer westdeutschen Großstadt geführt und als Pianistin in einem Hotel gearbeitet. (Die städtischen Außenaufnahmen entstanden in Berlin, doch die Stadt wird nicht beim Namen genannt, ist aber durch einige dezente Hinweise erkennbar.) Doch seit einigen Wochen ist sie mehr oder weniger auf der Flucht, zieht in kurzer Folge von Hotel zu Pension. Sie lässt nur noch zwei Personen an sich heran, ihren zwielichtig-schmierigen Anwalt von Walden und ihren derzeitigen Geliebten Bianchi, einen Autohändler. Dieser weiß nichts von Leas Vergangenheit, kann sich keinen Reim auf die hastigen Umzüge machen und ist davon genervt. Bianchi bleibt eine Randfigur, er verschwindet bald aus dem Film. Unmittelbar nach Hoffmanns und Petrović' Ankunft in Leas derzeitigem Hotel packt diese wieder die Koffer und zieht in eine großbürgerliche Villa am Stadtrand, deren ältliche Besitzerin Frau Ritter auch dort wohnt und Zimmer vermietet. (In IMDb, Wikipedia und sonstigen Quellen wird sie aus mir unbekannten Gründen "Frau von Keller" genannt - mehr dazu weiter unten.) Wie man später erfährt, hat von Walden Lea diese Adresse empfohlen. Doch Petrović und Hoffmann geben nicht auf. Mit Hilfe von Bianchi finden sie die Villa, und eine indiskrete Hoteltelefonistin enthüllt den Grund für Leas Verhalten: Sie erhält Drohbriefe und -anrufe mit Inhalten wie "Jude raus!", "Du hast eine Entschädigung bekommen, was willst Du hier noch, Du Blutsaugerin?" (mit einem Hakenkreuz versehen) oder "Du stinkige Judensau, die man vergessen hat zu vergasen, was suchst Du noch in unserem Land?". Der Film nimmt hier wirklich kein Blatt vor den Mund - und gibt wieder, was sich Mitte der 60er Jahre, zur Zeit des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses, vielfach tatsächlich ereignet hat. Für den Fall, dass Lea gegen Dr. Berger aussagt, wird sie mit dem Tod bedroht. Es ist also die Angst, die jetzt ihr Verhalten diktiert, aber nicht nur das. Durch das erneute Trauma hat sie wieder Alpträume von ihrer Verhaftung und Deportation und von der Zeit im Lager. In einem der Träume bietet ihr Dr. Berger ein großes Stück tätowierte Menschenhaut als Geschenk an. (Das Thema der tätowierten Menschenhaut, aus der angeblich Lampenschirme gefertigt wurden, ist komplex und diffizil. Hans Schmid hat in seinem Artikel über die ILSA-Filme und deren reale Hintergründe im Lager Buchenwald ausführlich darüber berichtet.) Lea hat die begründete Furcht, dass sie es nicht durchstehen würde, in einem Prozess ihre Geschichte noch einmal durchleben zu müssen.

Wiedersehen von Bora und Lea nach vielen Jahren
Dr. Hoffmann lässt durch die Polizei Recherchen anstellen und findet so schnell heraus, dass Frau Ritters Bruder ein hoher SS-Offizier war, was von Walden Lea gegenüber natürlich nicht erwähnt hat. Und Frau Ritter und von Walden sind alte Freunde, sie nennt ihn "Rudi". Gegen Ende des Films stellt sich sogar heraus, dass dieser dubiose Anwalt auch Dr. Berger vertritt. Und natürlich ist der KZ-Arzt sein eigentlicher Klient, dem er loyal ist, und an Lea hat er sich nur herangewanzt, um sie bequem manipulieren zu können. Und kein anderer als von Walden veranstaltet durch seine Gehilfen die Terrorkampagne gegen Lea. Schon zuvor hat man durch Gespräche der Protagonisten einige Details aus Leas Vergangenheit erfahren, die Dr. Hoffmann noch nicht kannte, weil sie nicht im Buch stehen. Lea und Petrović waren damals, kurz nach dem Krieg, für kurze Zeit ein Paar, bis sie ihn ohne Vorwarnung verließ. Den Grund kannte Petrović selbst noch nicht, aber jetzt erfährt er ihn: Es war sein Wunsch nach Kindern, den er gar nicht offensiv geäußert hatte, den ihm Lea aber angemerkt hatte. Aufgrund ihrer Zwangssterilisation ertrug sie das nicht, konnte auch nicht darüber sprechen und ergriff die Flucht. Und noch etwas erfährt man, das selbst Petrović noch nicht wusste, weil sich Lea damals zu sehr geschämt hatte: Sie war nicht nur den üblichen Qualen und der Sterilisation ausgesetzt, sondern sie musste auch im Lagerbordell arbeiten und war einige Zeit zwangsweise Dr. Bergers Mätresse, bis er ihrer überdrüssig wurde und sie an einen Kollegen abgab, der an Häftlingen Unterkühlungsexperimente in Wassertanks durchführte. Lea musste dann bei diesen Experimenten assistieren, indem sie sich nackt zu den fast erfrorenen Opfern legte, um diese wieder aufzutauen.

Undurchsichtige Gastgeberin: Frau Ritter
Nachdem Lea aus den Fängen von Frau Ritter und "Rudi" befreit wurde und von einem Kriminalbeamten bewacht wird, wirkt sie vorübergehend entspannter. Doch der Schein trügt, Lea wird die Dämonen aus der Vergangenheit nie loswerden. Einmal sagt sie zu Petrović, es wäre besser gewesen, sie wäre vor ihrer Verhaftung aus dem Fenster gesprungen. Nicht, um sich zu retten - das Fenster war im 4. Stock. Doch damals fehlte ihr der Mut dazu. Vor Gericht will sie jetzt immer noch nicht aussagen, aber sie macht in Hoffmanns Büro eine per Tonband mitgeschnittene offizielle Aussage. Das reicht zumindest mal für einen Haftbefehl, und Dr. Berger wird festgesetzt. Aber die Aussage übersteigt Leas Kräfte, und am Ende kollabiert sie mit einer Nervenkrise. Und als Reaktion auf Dr. Bergers Verhaftung aktiviert von Walden wieder seine Drohanrufer - dummerweise hat man Lea im selben Hotel wie vor ihrem Wechsel in die Villa untergebracht, so dass er nicht lange nach ihr suchen musste. Lea ist jetzt am Ende. Als drei junge Männer im Hotelflur Radau machen, kann sie Realität und Vergangenheit nicht mehr unterscheiden - sie wähnt sich wieder am Tag ihrer Verhaftung und glaubt, dass sie jetzt abgeholt wird. Und diesmal springt sie aus dem Fenster.

Lea erhält Drohanrufe
Es ist starker Tobak, der dem deutschen Publikum von ZEUGIN AUS DER HÖLLE präsentiert wurde, und erwartungsgemäß wollten die meisten das nicht sehen. Doch die Zeit war reif für diesen Film, denn von 1963 bis zur Urteilsverkündung im August 1965 hatte der erste Frankfurter Auschwitzprozess stattgefunden. Der Prozess war nicht nur ein epochales Ereignis der westdeutschen Justizgeschichte, er löste auch ausgiebige juristische, politische und historische Debatten aus und inspirierte mediale und künstlerische Auseinandersetzungen mit der Materie, wie etwa Peter Weiss' szenisches Oratorium "Die Ermittlung". Und ganz offensichtlich wurde auch ZEUGIN AUS DER HÖLLE vom Prozess angestoßen. Und er spricht das Grauen der Konzentrations- und Vernichtungslager so deutlich und unverblümt an wie kein anderer bundesdeutscher Film der 60er Jahre, den ich kenne. Er braucht dazu, abgesehen von den Personen, nichts erfinden, sondern kann sich an verbürgte Details halten, nur der Ort wird manchmal verlagert. Aufgrund des zeitgeschichtlichen Kontextes könnte man ganz automatisch annehmen, dass auch Lea in Auschwitz war, aber das wird nie ausgesprochen. Tatsächlich legen zwei im Film zu sehende Fotos und eine Bemerkung von Dr. Hoffmann nahe, dass sie im KZ Natzweiler-Struthof im Elsass war. Die Unterkühlungsexperimente fanden in der Realität weder in Auschwitz noch in Struthof statt, sondern im KZ Dachau - die Verlegung im Film ist eine legitime künstlerische Komprimierung dieser Abartigkeiten (ebenso wie die Sache mit der tätowierten Haut, die eigentlich nach Buchenwald gehört). Aber tatsächlich geschehen sind diese Versuche, sogar das mit den nackten Frauen neben den halb (oder schon ganz) erfrorenen Opfern ist tatsächlich passiert. Das klingt so abseitig, dass ich hier eine Originalquelle zitieren möchte. Der tschechische Arzt Dr. Franz Blaha, ab 1941 als Gefangener in Dachau, sagte im Januar 1946 als Zeuge im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess aus. Er hatte zuvor eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die nun verlesen wurde, und darin hieß es unter anderem:
5. [Dr. Sigmund] Rascher hat auch Versuche über die Wirkung kalten Wassers an Menschen durchgeführt. Dies wurde getan, um einen Weg zu finden, die Flieger wieder zu beleben, die in den Ozean fielen. Die Person wurde ins eiskalte Wasser gesetzt und dort solange gehalten, bis er das Bewußtsein verlor. [...] Manche Männer hielten 24-36 Stunden aus. Die niedrigste Körpertemperatur erreichte 19 Grad C., aber die meisten Männer starben bei 25 bis 26 Grad Celsius. Als die Menschen vom Eiswasser entfernt wurden, hat man versucht, sie durch Kunst-Sonnenwärme, heißes Wasser, Elektro-Therapie und Tierwärme zu beleben. Für das letztere sind Prostituierte benutzt worden, und man legte den Körper des bewußtlosen Mannes zwischen die Körper zweier Frauen. [...] Ich war persönlich bei einigen dieser Kaltwasser-Versuche anwesend, zur Zeit, wo Rascher abwesend war, und ich sah auch Notizen und Diagramme darüber in Raschers Laboratorium. An ungefähr 300 Personen wurden diese Versuche durchgeführt. Die Mehrzahl von denen starb.


Es wurde gelegentlich vermutet, dass es für Lea ein reales Vorbild gab, nämlich die aus Russland stammende jüdische Auschwitz-Überlebende Dunia bzw. Dounia Wasserstrom, die 1964 als Zeugin im Frankfurter Prozess aussagte. Wasserstrom, die nach der Befreiung zunächst in Frankreich und dann in Mexiko lebte, war seit ihrer Hochzeit mit einem Franzosen französische Bürgerin, genau wie Lea Weiss/Clément. Dounia Wasserstrom war nicht bei medizinischen Experimenten anwesend, sondern sie war in der Politischen Abteilung in Auschwitz als Dolmetscherin eingesetzt, wo sie vor allem die Verbrechen von Wilhelm Boger, einem der 22 Angeklagten in Frankfurt, aus nächster Nähe miterleben musste. Boger hatte die "Boger-Schaukel" erfunden, auf der er viele Häftlinge zu Tode prügelte. Vor allem ein Detail aus Wasserstroms Aussage in Frankfurt hat die Öffentlichkeit schockiert: Boger ermordete einen vier- bis fünfjährigen Jungen, indem er ihn an den Füßen packte und seinen Kopf gegen eine Wand schmetterte. (Es gibt in Bertoluccis NOVECENTO eine ähnliche und sehr beklemmende Szene.) Wasserstrom musste danach die Wand säubern. Sie war davon so traumatisiert, dass sie keine Kinder mehr sehen konnte, ohne dabei depressiv zu werden, weshalb sie später, als sie schwanger wurde, eine Abtreibung durchführen ließ - eine gewisse Parallele zu Lea, die aus einem anderen Grund keine Kinder mehr bekommen kann. Wasserstrom hatte schon längere Zeit vor dem Prozess in der deutschen Botschaft in Paris eine Aussage zu Protokoll gegeben, aber ebenso wie Lea in ihrem Buch konnte sie damals noch nicht alles sagen - die Ermordung des Jungen hat sie damals noch für sich behalten. Wasserstrom hat auch auf Französisch, Spanisch und Englisch Bücher über ihr Schicksal und über Auschwitz verfasst. Es ist gut möglich, dass sie tatsächlich als Vorbild für Lea diente, aber wirklich wichtig ist das nicht - es gab zu viele ähnliche Schicksale.

Rechtsanwalt von Walden
ZEUGIN AUS DER HÖLLE ist eine westdeutsch-jugoslawische Coproduktion eines Belgrader Studios mit der CCC von Artur, genannt "Atze" Brauner, und damals hätte wohl auch kein anderer westdeutscher Produzent als er diesen Film machen wollen. (Kleine Randnotiz: Als Dr. Hoffmann und Petrović mit Hoffmanns Wagen vor einem Fernsehstudio vorfahren, um sich das unveröffentlichte TV-Interview mit Dr. Berger anzusehen, ist dieses Studio in Wirklichkeit das CCC-Studio in Spandau. Immer sparsam, der Atze.) Brauner, ein aus Polen stammender Jude, dessen meiste Angehörige im Holocaust umgekommen sind, hat in seinem Berliner Studio bekanntlich vor allem anspruchslose Kommerzfilme in Serie produziert, aber dazwischen auch immer wieder mal Filme über den Nationalsozialismus und den Holocaust. Vor allem in den letzten vier Jahrzehnten, als er darauf bauen konnte, dass diese Filme auch im Fernsehen gezeigt wurden und dort ein Millionenpublikum fanden. Wie etwa HITLERJUNGE SALOMON (1990) von Agnieszka Holland, von dem Brauner behauptet, er hätte ihm den Oscar gebracht, wenn er vom deutschen Auswahlgremium nominiert worden wäre (was aber nicht geschah). Doch schon 1948 mit MORITURI (Regie Eugen York) begann Brauner diesen Strang seiner Produzententätigkeit. Es handelt sich um ein Drama um einen KZ-Ausbruch und darum, was die erfolgreichen polnischen und jüdischen Ausbrecher mit einem deutschen Soldaten anfangen sollen, der ihnen in die Hände fällt. Die Westdeutschen wollten sich aber nicht gern einen Spiegel vorhalten lassen. Die zeitgenössischen Kritiken waren durchwachsen, und es gab Randale pöbelnder Zuschauer, als sei das Jahr nicht 1948, sondern 1933. Der Film wurde fast überall vorzeitig aus dem Programm genommen oder gar nicht erst gestartet. Das ließ Brauner vorsichtig werden, und seine ambitionierten Filme über die braune Vergangenheit waren nun erst mal dünn gesät. Zu nennen ist etwa noch DER 20. JULI (1955, Regie Falk Harnack), einer von zwei zeitgleich erschienenen Filmen über das Stauffenberg-Attentat (der andere ist ES GESCHAH AM 20. JULI von G.W. Pabst).

In der Villa ...
Und nun also ein Auschwitz-Film, auch wenn er gar nicht in Auschwitz spielt - wie schon erwähnt, ziemlich singulär in der bundesdeutschen Kino-Landschaft der 60er Jahre. Im Fernsehen immerhin gab es 1966 DIE ERMITTLUNG als Umsetzung von Peter Weiss' Stück (produziert von Egon Monk für den NDR, Regie Peter Schulze-Rohr), und 1968 das Fernsehspiel MORD IN FRANKFURT um einen Auschwitz-Prozess (und einen zeitgleich dazu passierenden Mord an einem Taxifahrer), von Rolf Hädrich für den WDR inszeniert (bei Pidax auf DVD erschienen). Die jugoslawische Seite der Coproduktion stellte nicht nur etliche Nebendarsteller, sondern auch den Regisseur. Živorad, genannt "Žika" Mitrović (1921-2005) war nicht nur Regisseur von ungefähr 20 Spielfilmen, sondern auch passionierter Comiczeichner. Man findet nicht viele Informationen über ihn in mir verständlichen Sprachen. Wenn ich das, was mir der Google Translator aus dem serbischen Wikipedia-Artikel über ihn übersetzt, richtig interpretiere, war er wohl Spezialist für historische oder zeitgeschichtliche Stoffe. Mitrović' Frau, die aus Sarajevo stammende Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Übersetzerin (aus dem Französischen) Frida Filipović (1913-2002), hatte die Idee zum Stoff, den sie 2000 auch als Roman veröffentlichte (ich habe aber vage Hinweise gefunden, dass der Roman unveröffentlicht schon vor dem Film existierte). Das Drehbuch schrieb Filipović unter Mitarbeit von Michael Mansfeld. Dieser Autor und Journalist, eigentlich hieß er Eckart Heinze, war in den 50er Jahren bekannt geworden, als er in Artikelserien die problemlose Fortsetzung von Nazi-Karrieren in der Bundesrepublik anprangerte, vor allem im Auswärtigen Amt. Die so treffende Zeichnung von Dr. Berger und von Walden ist wohl hauptsächlich sein Verdienst.
... und im Hotel
Der im Sommer und Herbst 1965 gedrehte Film lief im März 1966 unter seinem serbokroatischen Titel GORKE TRAVE in Jugoslawien an. In Deutschland hat es über ein Jahr länger gedauert: Premiere war im Juni 1967 bei den Berliner Filmfestspielen, die Kinoauswertung begann im darauffolgenden Juli. In zwei TV-Dokus über Artur Brauner, die kürzlich aus Anlass seines 100. Geburtstags zu sehen waren, wird gar behauptet, ZEUGIN AUS DER HÖLLE hätte gar keinen Verleih gefunden, aber das ist zum Glück etwas übertrieben. Schon 1966 erhielt ZEUGIN AUS DER HÖLLE das Prädikat wertvoll. Schön, könnte man denken, allerdings liest sich die Jury-Begründung mehr wie ein Verriss als wie ein Lob. "Vieles Bedenkliche ist allerdings geblieben", heißt es da, "und der Vorwurf, dass man sich filmtechnisch, dramaturgisch und auch in der Ausstattung nicht die bei einem solchen Stoff nochmehr als bei einem anderen notwendige Mühe gegeben hat, besteht nach wie vor." Außerdem geht daraus hervor, dass ZEUGIN AUS DER HÖLLE unter seinem Arbeitstitel BITTERE KRÄUTER zuvor bereits der Filmbewertungsstelle vorgelegt wurde - und durchgefallen ist. Erst unter seinem neuen Titel und nach offenbar größeren Änderungen hat er es im zweiten Anlauf geschafft. (Der Arbeitstitel bezieht sich auf "ungesäuertes (oder ungesalzenes) Brot und bittere Kräuter", die Juden beim Pessachfest essen sollen, was sich wiederum von zwei Stellen im Alten Testament bzw. den entsprechenden Büchern der Thora ableitet.) Leider habe ich keinerlei Informationen darüber gefunden, worin diese Änderungen bestanden, aber kleinere Sprünge in der Handlung und die Tatsache, dass ZEUGIN AUS DER HÖLLE nur 83 Minuten dauert, können unter diesen Umständen nicht verwundern. Wenn man Artur Brauners Gepflogenheiten kennt, dann weiß man, dass der Regisseur bei solchen nachträglichen Eingriffen nicht gefragt wurde. Allerdings war da ja auch noch der jugoslawische Coproduzent. Theoretisch könnte es also sein, dass der Film in Jugoslawien in seiner ursprünglichen Form gezeigt wurde. Dafür könnte sprechen, dass er in Jugoslawien über ein Jahr früher erschien, und dass in der serbischen Wikipedia eine Laufzeit von 87 Minuten angegeben wird. Mehr Informationen darüber liegen mir nicht vor, und Angaben über die Laufzeit sind ja oft unzuverlässig - es bleibt also vage. Möglicherweise hängt auch die Unklarheit bei zwei Namen mit dieser Frage zusammen. Den Fall von Frau Ritter/von Keller habe ich oben schon angesprochen, und Bianchi hat in ZEUGIN AUS DER HÖLLE den Vornamen Nino, aber in den üblichen Quellen und überhaupt in allen Texten zum Film, die ich gelesen habe, heißt er Carlos (oder manchmal Charlos). Falls "Frau von Keller" und "Carlos Bianchi" die Namen in BITTERE KRÄUTER waren und dann für ZEUGIN AUS DER HÖLLE noch kurzfristig geändert wurden, könnte die erstere Umbenennung möglicherweise mit dem Herrn Rupprecht von Keller zusammenhängen. Dieser Jurist und Diplomat konnte seine im Dritten Reich begonnene Karriere nahtlos in der Bundesrepublik fortsetzen. Als ZEUGIN AUS DER HÖLLE gedreht wurde, war er einer der deutschen Delegierten bei der UNO-Niederlassung in Genf. Falls sich die deutschen Namen im Film nicht Frida Filipović, sondern Michael Mansfeld ausgedacht hatte, hätte das sogar ein gezielter Seitenhieb von ihm sein können, der dann von Brauner entschärft wurde - aber das ist jetzt eine sehr vage Spekulation von mir.

Dr. Berger gibt ein Interview
Auch mit seinen ambitionierten Filmen wollte Artur Brauner Geld verdienen, und das spiegelt sich in der Starbesetzung von ZEUGIN AUS DER HÖLLE. Heinz Drache mal nicht auf der Spur des Hexers oder Zinkers, sondern eines ganz anderen Schurken - doch er macht seine Sache ausgezeichnet als ebenso korrekter wie engagierter Staatsanwalt, der in erster Linie daran denkt, wie er Dr. Berger hinter Gitter bringen kann, und erst in zweiter Linie, wie es Lea dabei geht - ohne das aber ganz aus den Augen zu verlieren. Auch der französische Star Daniel Gélin ist als Bora Petrović bestens besetzt, und Werner Peters und Alice Treff sind in ihren Rollen ganz in ihrem Element. Wahrhaft grandios aber ist Irene Papas, die höchste Schauspielkunst mit internationalem Ruhm kombinierte, den sie spätestens seit ALEXIS SORBAS genoss. Mit ihrer Besetzung ist Brauner und seinen jugoslawischen Partnern ein echter Coup gelungen. Ich will hier nicht in Lobhudelei auf Brauner verfallen. Es gibt viel, was man gegen ihn vorbringen kann, und Hans Schmid hat das in einem seiner gewohnt profunden Artikel in Telepolis ausführlich getan. Aber für einen Film wie ZEUGIN AUS DER HÖLLE muss man Atze Brauner dankbar sein.

Lea hat Albträume
ZEUGIN AUS DER HÖLLE ist 2013 in Deutschland auf DVD erschienen. Leider ohne die geringsten Spuren von Bonusmaterial - da hätte man mehr daraus machen können.