Freitag, 3. April 2015

Keaton aquaphob


Buster Keaton – der Name steht für spektakuläre Action und Stunts in urbanen Umgebungen, im Inneren von Häusern oder auf modernen Fortbewegungsmitteln wie Autos, Motorrädern, Bussen oder Eisenbahnen. Doch Keaton konnte auch auf hoher See und auf einem so traditionellen Fortbewegungsmittel wie einem Schiff oder einem Boot sein komisches Potential entfalten...



THE BOAT
USA 1921
Regie: Buster Keaton, Edward F. Cline
Darsteller: Buster Keaton (der Mann), Sybil Seely (die Frau), Edward F. Cline (der Mann von der Küstenwache)


Ein Mann (stellen wir uns im Folgenden vor, er würde Buster heißen) baut eigenhändig ein Segelboot. Prompt will er seine Frau und seine beiden Kinder auf eine kleine Spritztour mitnehmen. Doch davor muss das Boot noch aus der Garage geholt werden, wo es gebaut wurde – eine Operation, die eine mittelgroße Ruine hinterlässt. Dann wird das Gefährt namens „Damfino“ eingeweiht (mit Cola). Vor dem Seegang gibt es noch Schwierigkeiten: das Boot sinkt nämlich zunächst. Nach fixer Reparation geht es los! Da Buster ein echter Tüftler ist, hat er an alles gedacht: mit einem Hebel kann er Mast und Segel herunterklappen, wenn das kleine Schiff unter eine Brücke passieren muss. Technische Raffinesse bringt bei menschlichem Versagen natürlich nichts, und so beginnt die Fahrt etwas holprig. Das ganze macht richtig hungrig, und im Bootsinneren genießen Buster und die zwei kleinen Buster-Junioren die Steaks, die Ehefrau und Mutter zubereitet hat – nun, nicht wirklich, denn das Fleisch ist so hart geworden, dass es an die Wand genagelt werden kann (und später auch wird!). Nach dem Abendessen ist vor dem Schlafen: die Familie legt sich zur Nachtruhe hin. Eine feuchte Nachtruhe, wenn man das Bullauge offen lässt. Es dann zu schließen bringt auch nichts, denn ein gefährlicher Sturm ist mittlerweile aufgezogen. Das Boot wird durcheinander geworfen, Buster kämpft gegen Lecks und muss schließlich seine Familie auf dem Rettungsboot in Sicherheit bringen. Die vier Menschen, die nur einen Ausflug machen wollten, stehen kurz vor dem Ertrinken, nachdem der kleine Junior den Stöpsel des Rettungsboots herausgezogen hat (!). Doch die vier Schiffbrüchigen sinken einfach nicht, sondern bleiben stehen. Einige Schritte weiter entdecken sie, dass sie am Rande eines rettenden Strands gesunken waren.

THE BOAT gehört definitiv nicht zu meinen Keaton-Favoriten. Er ist bestenfalls die Summe seiner Teile, die für sich genommen nicht alle rundum überzeugen. Dennoch zeugt dieser Kurzfilm von Keatons inszenatorischem Können, etwa in der Szene, in der das Boot im Sturm mehrmals um die eigene Achse geschleudert wird, mit Buster im Inneren. Weniger akrobatisch, aber nicht weniger spektakulär ist der Schluss: Buster watet mit seiner Frau und seinen zwei Kindern durch ein dunkles, schwarzes Meer, und plötzlich taucht der Strand auf – ein schöner und sehr effizienter Beleuchtungseffekt. Der kreative Höhepunkt des Films ist jedoch keineswegs akrobatisch, sondern ein wunderbarer Moment purer Keaton-Poesie. Buster befindet sich im Inneren seines selbstgebauten Bootes, will das ganze gemütlicher gestalten und nagelt deshalb ein Bild mit Seemotiv an die Wand. Natürlich dringt Wasser durch und beginnt – zur Verwunderung Busters – „aus dem Bild“ herauszufließen.

Ein recht subtiler und stiller Gag findet sich bei der Entsorgung der ungenießbaren Steaks. Der Mann und die beiden Jungs wollen auf Ehefrau und Mutter Rücksicht nehmen und drücken deshalb keinen Unwillen gegen die Steaks aus, sondern verstecken sie – in Busters charakteristischem Hut (das selbst nach einer Fleischzubereitung benannt ist: pork pie hat). Andere Gags funktionieren hingegen nicht so richtig. Einen strahlenden Wasserleck will Buster mit einem Trichter auffangen, den er zunächst in den Boden des Bootes bohren möchte und wenig später schöpft er mit einer kleinen Teetasse das Wasser aus dem Bullauge – etwas bemüht und hölzern.
Recht interessant ist der Familienstand der Hauptfigur: Keaton spielt einen im wesentlichen glücklich verheirateten Mann mit zwei Kindern. Eine ungewohnte Konstellation, da das Grundgerüst in vielen anderen Keaton-Filmen darin besteht, dass der ledige Protagonist das Herz seiner Angebeteten zu erobern versucht oder sich auf der Suche nach der großen Liebe begibt.
THE BOAT ist ein Film, der lange Zeit als verschollen galt, bis James Mason 1952 Buster Keatons Haus kaufte, im Keller diverse Filmrollen fand und diese restaurieren ließ.



THE LOVE NEST
USA 1923
Regie: Buster Keaton, Edward F. Cline
Darsteller: Buster Keaton (der verlassene Verlobte), Joe Roberts (der Kapitän), Virginia Fox (die Ex-Verlobte)


Eine Verlobte macht mit ihrem Verlobten (den wir unter uns sicherlich Buster nennen dürfen) Schluss. Seine Traurigkeit will der junge Mann mit einer einsamen Bootsreise auf hoher See dämpfen, doch rasch ist er verloren. In letzter Minute wird er von einem Schiff gerettet. Oder eher: „gerettet“. Denn der Kapitän führt seine Mannschaft mit eiserner Hand und schmeißt seine Seemänner schon bei kleinsten Vergehen gnadenlos über Bord. Auch Buster wird irgendwann dran glauben müssen. Nachdem er aus Versehen einen Eimer Wasser auf den Kapitän verschüttet, ihn – aus Versehen – mit einem Gewehr bedroht und sein Kaffeeservice (jawohl: aus Versehen) zertrümmert hat, ist es soweit. Doch dann wird ein Wal gesichtet, und die Hinrichtung verschoben. Als bei der Jagd der Kapitän über Bord fällt und scheinbar ertrinkt, erklärt sich Buster kurzerhand zum neuen Kapitän, doch wenig später taucht der „alte“ wieder auf. Die Amtsanmassung bringt diesen endgültig zum Platzen (und dies wiederum den kleinen Rest der Seemannschaft außer Buster zum spontanen Kollektivselbstmord). Eine wilde Verfolgungsjagd entscheidet Buster für sich, als er den kompletten Dampfer zum Sinken bringt, weil er das Rettungsboot nicht auf andere Weise zum Wasser bringen konnte. Am nächsten Morgen fängt Buster einen Fisch, und erledigt diesen mit einem glatten Gewehrschuss – was wiederum das Rettungsboot zum Sinken verurteilt. Zum Glück war unser Protagonist gerade in der Nähe einer merkwürdigen, schwimmenden Holzkonstruktion. Er erkennt nicht, dass es sich um eine Zielscheibe für Marineschießübungen handelt und wird wenig später in die Luft gesprengt. Tot begibt er sich in Richtung Himmel... Und fällt dann in Richtung Hölle... Und wacht schließlich aus seinem delirierendem Traum auf. Nur wenige Sekunden später merkt Buster zudem, dass er sich auch nicht verloren auf hoher See befand: sein Boot war die ganze Zeit noch am Ufer angebunden.

Keatons Filme sind teils auch Filme über gestörte Wahrnehmungen, und nirgendwo sind die Sinne offener für Verzerrungen als im Traum. Hier sind besonders wilde Kapriolen möglich, und die Möglichkeiten eines Traums entwickelte Keaton in SHERLOCK JR. als Film-im-Traum-im-Film-Konzept weiter. Der Traum von THE LOVE NEST, diese surrealistisch verzerrte Welt, entwickelt auch eine unterschwellige Gewalt, eine latent fatalistische Atmosphäre, einen morbiden Unterton, den Keaton auch schon in COPS (und etwas weniger pointiert THE GOAT) genutzt hatte.
Schon als der erste Seemann einen Fehler macht und der Kapitän ihn dann stellt, über Bord schmeißt und einen Kranz aus einer extra dafür vorbereiteten Kranzkollektion greift und hinterherwirft, ist klar, dass Buster auch einen Fehler machen und den tödlichen Zorn des Kapitäns spüren wird – und Buster selbst weiß es auch (gleichwohl er schließlich nicht vom Kapitän des Walschoners, sondern von der Marine „gerichtet“ wird). Grausamkeit, Witz und Poesie halten sich hier die Balance. Nirgends wird dies deutlicher als im angedeuteten Selbstmord Busters: er hat mit einem Gewehr rumgespielt, den er in der Kapitänskoje fand und damit aus Versehen auf den Kapitän gezielt; er nimmt in Konsequenz davon das Gewehr mit, geht auf das Deck, läuft eine Treppenleiter am Rande des Schiffs in das Wasser hinunter, geht komplett in das Wasser, bis er versinkt – und schießt dann unter Wasser... Doch dann taucht er wieder auf, und läuft mit dem Gewehr in der einen Hand und einem erlegten Fisch in der anderen wieder hoch. Das ist ein schwarzer Humor, der sehr perfide die Erwartungen der Zuschauer manipuliert und sie in die Falle lockt (dabei gilt gemeinhin Chaplin als der Subversive unter den Slapstick-Komikern der 1920er Jahre). Die Logik des Traums sieht vor, dass Fische mit Gewehren gefangen werden und deshalb ist es nur folgerichtig, wenn Buster später im Film dabei sein Boot zerschießt und so auf eine der todbringenden Holzkonstruktionen gedrängt wird.
Wesentlich einfacher und harmloser wirken die Gags, wenn Buster Befehle des Kapitäns wie etwa „all hands on deck“ oder „to the port“ allzu wörtlich nimmt und seine Hände auf‘s Deck legt oder dem Kapitän eine Flasche Portwein holt.
Der surrealistische THE LOVE NEST war Buster Keatons letzter kurzer Stummfilm.



THE NAVIGATOR
USA 1924
Regie: Buster Keaton
Darsteller: Buster Keaton (Rollo Treadway), Kathryn McGuire (Betsy O‘Brien)


Rollo Treadway ist ein verträumter und tollpatschiger Millionär, der für das Leben „draußen“ kaum tauglich ist. Aus einer Laune heraus möchte er heiraten: Betsy O‘Brien, eine Millionärstochter und praktischerweise seine Nachbarin. Alles ist vorbereitet, die Schifftickets für die Flitterwochen schon gebucht – nur Betsy weiß von ihrem Eheglück nichts und lehnt den Antrag aus heiterem Himmel dann auch folgerichtig ab. Durch eine Verkettung von Umständen (es geht um eine recht wilde und wirre Industrie- und Armeespionage-Intrige) geraten die beiden jungen Millionäre auf ein Schiff, das kapitänslos durch die See gleitet. Da es sehr groß ist, viele Treppen und Etagen hat, finden sie sich zunächst nicht. Als sie das tun, lehnt Betsy Rollos wiederholten Heiratsantrag erneut ab, aber dennoch raufen sie sich zusammen, um das Überleben auf dem verlassenen Schiff zu sichern. In der Küche merken die beiden, dass Kaffeezubereitung mit Meerwasser nicht so das wahre ist, und dass Spargeldosen schwierig zu öffnen sein können. Plötzlich erblicken beide ein Schiff, das sie retten könnte. Mit einer Flagge möchten sie auf sich aufmerksam machen, doch dummerweise erwischen sie das Zeichen für Quarantäne (was das andere Schiff regelrecht flüchten lässt). Nach der ganzen Aufregung möchten sich die beiden Millionäre zur Nachtruhe begeben: gar nicht einfach, wenn Geisterbilder durch Bullaugen schweben, Türen klappern, ein Feuerwerk aus Versehen (in Keaton-Filmen passiert immer so vieles aus Versehen!) losgeht oder ein Open-Air-Camping aufgrund von Regen unterbrochen wird. Sei‘s drum: nach einigen Tagen haben sich Rollo und Betsy eingelebt, die Kesselräume zu bequemen Nachtlagern umgebaut, die Küche mit allen möglichen Hilfsapparaturen ausgestattet. Dann ist endlich Land in Sicht. Freilich ein Land, das von angriffslustigen Kannibalen bevölkert wird und nicht zum Andocken einlädt. Nun bekommt Rollo allerhand zu tun: ein Leck muss unter Wasser repariert, Betsy vor den Kannibalen gerettet, schließlich letztere in einem rasanten Showdown vom Leibe gehalten werden. Als die beiden Protagonisten schon kurz vor dem Ertrinken sind, taucht ein U-Boot auf, das die beiden rettet. Betsy küsst Rollo in Dankbarkeit (der nächste Heiratsantrag könnte also klappen), doch dieser bringt schon in wenigen Sekunden das U-Boot (im wörtlichen Sinne) durcheinander...

Als ich THE NAVIGATOR im Jahr 2012 zum ersten Mal sah, speicherte ich ihn in der Kategorie „okay-ish“ ab. Eine Sichtung im Kino letztes Jahr öffnete mir dann die Augen für die grandiose Keaton‘sche Komik, die tolle inszenatorische Gestaltung und die Poetik des Films. Die erneute Sichtung für diese Besprechung ließ mich noch weitere Feinheiten entdecken, die ich vorher nicht gesehen oder bemerkt hatte.

THE NAVIGATOR mag vielleicht nicht Keatons bester Film sein und er ist auch nicht mein Lieblings-Keaton (da bin ich recht „traditionell“ und würde wohl THE GENERAL wählen). Wer mich jedoch – als erklärter Keaton-Fan und ambivalenter Chaplin-Skeptiker – fragen würde, warum ich den „Mann mit dem Steingesicht“ für den allergrößten unter den Stummfilm-Komikern der 1920er Jahre halte, dann würde ich wohl auf die „Verfolgungsjagd“ im ersten Drittel von THE NAVIGATOR hinweisen. In knapp drei Minuten und (je nach dem, wo man das Ende setzen möchte) 31 Einstellungen erschafft Keaton ein Gag, der wie ein eigener Ultrakurzfilm funktioniert, mit einer eigenen minutiösen Dramaturgie und der fast zu 100 % nur mittels der Montage und der Rauminszenierung abgewickelt wird (zum Nachverfolgen siehe hier).

Exposition: ein Mann und eine Frau – verloren auf dem Schiff
1 Panorama auf das verlassene Schiff
2 Rollo tritt nach der Nachtruhe gutgelaunt aus seiner Kabine aufs Deck hinaus, doch ein Windstoß bläst sein Hut weg. Er tritt wieder an seine Kabine, nimmt einen Reservehut und geht weiter (die Grundlage für eine spätere und erstaunlich nonchalante Wiederholung des Witzes)
3 Betsy läuft auch auf dem Deck, ist sichtlich verunsichert und sucht nach Ko-Passagieren
4 Rollo betritt das Schiffsrestaurant, das sichtlich menschenleer ist
5 Halbnahaufnahme: Rollo ist etwas irritiert und
6 tritt aus dem Schiffsrestaurant hinaus...
7 aufs Deck, wo ihm ein Windstoß wieder den Hut wegbläst – im Gehen greift er gleich in seine Kabine und setzt den nächsten Hut auf (diesmal einen Zylinder, also einen Hut, den man als Bräutigam tendenziell eher auf einer Hochzeit tragen würde als einen pork pie hat!)
8 er kommt an das Steuer, findet dort niemanden vor, dreht ein wenig an der Lenkung und blickt neugierig auf das, was sich gleich als Kompass herausstellt
9 Kompassnahaufnahme
10 Er blickt auf seine Uhr, erstaunt auf den Kompass, dann wieder auf seine Uhr

Mittelteil: ein Mann und eine Frau – Möglichkeit einer Begegnung
11 Sie kommt auf das Deck an, wo sich seine Kabine befindet, und steigt die Treppen herunter und kehrt ihm den Rücken zu, während er von weiter oben hinuntersteigt: die Möglichkeit einer Begegnung ist also gegeben
12 Beide bleiben erst einmal auf ihrer jeweiligen Etage stehen
13 Er wirft eine aufgerauchte Zigarette herunter
14 Er entfernt sich langsam aus dem Bild, während sie stehen bleibt.
15 Nahaufnahme brennende Zigarette
16 Sie hebt die Zigarette auf...
17 ...und ruft

Showdown: ein Mann und eine Frau – verpasste Begegnung
18 ...er hört, dreht sich um, beginnt zu rennen
19 sie steigt auf seine Etage, ruft, beginnt zu rennen
20 er rennt
21 sie rennt, biegt ab – er kommt am anderen Ende um die Ecke und rennt
22 sie rennt, biegt ab – er biegt ab, rennt
23 sie biegt ab, rennt, biegt ab – er biegt ab, rennt
24 sie rennt, biegt ab – er biegt ab, rennt, biegt ab
25 sie tritt in einen Raum und geht dort eine Treppe runter – er kommt am anderen Ende des Raums (das zwei Türen hat) rein, ignoriert die Treppe, und springt an der anderen Seite aus der Tür raus
26 Nun rennen beide durchgehend im gleichen Bild vereint durch drei verschiedene Etagen des Schiffs, und verpassen sich trotzdem. Dieses Bild ist gewissermaßen die radikale Zuspitzung der Grundsituation eines Mannes und einer Frau, die sich verpassen – und vielleicht der visuelle Höhepunkt des Films.

Auflösung: ein Mann und eine Frau – Zufallsbegegnung
27 Sie steigt schließlich in das Schiffsinnere hinab und setzt sich auf eine Bank
28 Aus Versehen (schon wieder!) fällt Rollo durch ein Lüftungsrohr (oder wie man die Dinger nennt – Marinejargon beherrsche ich nicht gerade fließend)
29 Sie sitzt auf der Bank, er fällt runter, dabei zerbricht die Bank
30 Beide ahnen schlimmes, richten sich auf, sehen sich an, erkennen sich, schrecken auf. Er entspannt sich sogleich, nimmt eine coole Charmeurpose ein, setzt ein verführerisches Gesicht auf (Stoneface hin oder her: Keaton ist ein grandioser Mime) und spricht:
31 Zwischentitel: „Will you marry me“

Jetzt, wo ich die „Verfolgungsjagd“ in einzelne Einstellungen aufgesplittet habe, fällt mir auf, dass sie gleichermaßen auch eine Art kondensierte Zusammenfassung einer Mann-Frau-Annäherung ist (Existenz untereinander unbekannt, Begegnung möglich, Begegnung angebahnt, Begegnung findet statt) – und damit gewissermaßen auch das Thema des gesamten Films (ein Mann möchte eine Frau heiraten) zusammenfasst.
Sie ist formell großartig, weil sie den Gag aus Montage und Rauminszenierung heraus entwickelt. Das Lachen wird so im Raum verortet, und nicht mehr im Körper der Darsteller oder in den Accessoires (außer im Sub-Gag mit dem Hut). Buster Keaton war durch seine Stunts eigentlich immer körperlicher als Chaplin, aber zugleich auch abstrakter und formalistischer (einen solchen Formalismus erreicht Chaplin meiner Meinung nach nur in seinem unterschätztesten und gewissermaßen Keaton‘schesten Stummfilm, THE CIRCUS).

Einen ähnlich formalistischen Gag bringt Keaton schon früher im Film. Rollo hat gerade entschieden, zu heiraten. Also geht er zu seiner Nachbarin, um sie über ihre glückliche Zukunft zu unterrichten. Er setzt sich in das Auto, der Chauffeur fährt los. Normalerweise eine expositorische Einstellung, die mit einem Schnitt oder einer Abblende abgebrochen wird, damit die Person in der Einstellung danach ankommt. Stattdessen folgt ein kleiner Kameraschwenk, und wir sehen, dass das Auto kurz nach Anfahrt umbiegt, um auf der anderen Straßenseite, also knapp zehn Meter weiter, zu parken. In nur wenigen Sekunden entwickelt sich nicht nur ein subtiler, aber sehr witziger Gag, sondern zugleich auch eine Charakterisierung der Rollo-Figur, deren Untauglichkeit für den Lebensalltag (von einer extremen Survival-Situation mal ganz abgesehen) in einer einzigen Einstellung demonstriert wird. Mit einer einzigen Einstellung (geschenkt: dass Rollo ein etwas tollpatschiger Träumer ist, wissen wir schon aus vorherigen Szenen) wird eine Fallhöhe für das darauffolgende Survival-Szenario geschaffen, und obwohl wir über die Figur lachen, fühlen wir mit ihr und ihrem klassenbedingt beschränkten Lebenshorizont. Diese Einstellung ist sozusagen die eigentliche, richtige Exposition des Films. Die vordergründige Exposition um die wirre Spionagegeschichte wird vergleichsweise recht verkrampft und überkompliziert abgewickelt und dient nur dazu, die beiden Protagonisten halbwegs glaubwürdig auf das leere Schiff zu bringen.

Auch in kleinen, scheinbar unwichtigen Momenten beweist Keaton einen großen visuellen Einfallsreichtum und einen feinen Sinn für Poesie. Als sich Rollo und Betsy sich zur Nachtruhe verabschieden, tun sie es auf eine relativ formelle und distanzierte Weise. Rollo zündet für Betsy nur noch kurz eine Kerze an und dann geht jeder aufs Zimmer. Doch eben jenes Kerzenlicht wirft einen Schatten der beiden in den Hintergrund, der leicht verzerrt ist – sodass sich Rollo und Betsy in ihrer Schattenvariante küssen! Das kann man leicht übersehen, weil abrupt von einem Zwischentitel in die Szene geschnitten wird und die „realen“ Figuren, die im Bildvordergrund die Kerzen anzünden, eher die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die deep-focus-photography, die Keaton nicht nur in diesem Film sehr gewinnbringend einsetzt, ermöglicht aber auch in diesem Fall einen Blick auf die vermeintliche Nebenhandlung.

Einen sehr schönen Moment würde ich als „Poesie des Trotzes“ bezeichnen. Rollo und Betsy haben versucht, draußen zu übernachten, wurden jedoch vom Regen überrascht, sind durchnässt in das Schiffsinnere geflüchtet und können nicht mehr auf guten Schlaf hoffen. Rollo entdeckt an einem Tisch ein Kartendeck, das jedoch eine kleine Wasserfontäne aus Betsys Hut nass gemacht hat. Er nimmt es auf, und beginnt zu mischen. Oder versucht es. Gleich zwei Karten bleiben kleben (Herzbube und Herzdame!). Dann mischt er weiter. Was natürlich überhaupt nicht klappt, weil die durchweichten Karten sich verbiegen, aneinander kleben bleiben. Doch Rollo stört das nicht wirklich und er macht unbeirrt einfach weiter, bis am Schluss nur noch matschige Papierpampe übrig ist. Erst beim Austeilen der Karten hat Rollo Einsehen, dass das nichts wird.

Ein kleiner Höhepunkt der Akrobatik ist natürlich die Tauchssequenz, als Rollo mit einem schweren Taucheranzug unter Wasser geht, um ein Leck am Schiff zu reparieren. Als er ins Wasser taucht, scheint er zugleich in eine Art Unterbewusstsein, oder in einen Traum einzutauchen: die Gags werden surrealer. Ein Baustellenwarnschild für die Straße findet sich zufällig unter Wasser, und Rollo stellt es dann auch gewissenhaft und gut lesbar hin, bevor er ans Werk geht. Nach Ende der Reparatur wäscht er sich auch ganz gründlich die Hände und trocknet sie ab – also unter Wasser!

Sowie COPS oder eben THE LOVE NEST zu den düstersten Keaton-Filmen gehören, gehört THE NAVIGATOR zu den fröhlichsten und optimistischsten. Wenn ich vorher schrieb „der nächste Heiratsantrag könnte also klappen“, dann ist damit gemeint: der wird klappen! Der unbewusst aufgesetzte Zylinderhut (bräutigamtauglich) während der „Verfolgungsjagd“, der nächtliche Schattenkuss, das Zeichen der Karten: Immer wieder weist der Film mit mehr oder minder subtilen visuellen Mitteln daraufhin, dass Rollo und Betsy eigentlich ein gutes Paar sind bzw. heiraten sollten. Und warum nicht auch gleich noch Sex haben sollten! Als Rollo mit seinem Taucheranzug die Kannibalen verscheucht, wollen er und Betsy zum Schiff zurückkehren. Sie wählen dabei eine unorthodoxe Variante: Rollo legt sich im Wasser auf den Rücken, während sich Betsy rittlings auf ihn draufsetzt und dann in Richtung Schiff paddelt. Sex in Reiterstellung bei einem unverheirateten Paar kennt man in Hollywood gewöhnlich nur aus „Post-Code“-Zeiten (also über vier Jahrzehnte nach Erscheinen von THE NAVIGATOR). Nun: 1924 war Will H. Hays schon Präsident der Motion Picture Producers and Distributors of America, aber bis zu seinem „Code“ sollte es noch ein bisschen dauern (die gleiche Szene ist nach 1930/34 schwer vorstellbar).

Interessant und etwas verstörend ist der autoaggressive Akt, der folgt, als die beiden am Schiff ankommen. Wasser ist in den Taucheranzug gelangt. So greift Rollo zu einem Messer und schlitzt sich den Bauch auf. Natürlich: nur der Bauch des Anzugs. Das ganze wirkt dennoch recht drastisch. Thanatos folgt wenige Sekunden nach dem Eros. Eine selbst auferlegte Bestrafung für die vorangehende Ungezügeltheit?

THE NAVIGATOR endet jedenfalls mit einer kleinen Anspielung auf THE BOAT: das U-Boot dreht sich um die eigene Achse wie das kleine Schiff im Kurzfilm. In den ganzen Apparaturen, die sich Rollo und Betsy in der Küche zusammenzimmern, kann man durchaus ein kleines Zitat aus dem Kurzfilm THE SCARECROW sehen, in dem sich Buster Keaton und Joe Roberts eine WG mit allerlei technisch raffinierten Apparaturen eingerichtet haben – ein kleiner Triumph des Geistes über die Materie. THE NAVIGATOR wiederum übt mit seiner Trias aus Mann-Frau-Maschine Themen ein, die später in THE GENERAL noch beschleunigt wurden.

Samstag, 14. März 2015

In eigener Sache: Alles nur geklaut ...

Im August 2013 habe ich hier über den schönen neuseeländischen Film UTU berichtet. Vor ungefähr einem Monat erschien UTU nun unter dem Titel DIE LETZTE SCHLACHT DER MAORIS in Deutschland auf einer DVD der Edel Germany GmbH. Als Inhaltsangabe ist Folgendes auf der Rückseite des Covers abgedruckt:
Neuseeland 1870: In der britischen Kolonie gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialtruppen und europäischen Siedlern (von den Maori Pakeha genannt) einerseits und den Maori andererseits. Aber nicht wenige Maori dienen auch als Soldaten und Scouts in der britischen Armee, darunter Te Wheke. Am Anfang wird ein Maori-Dorf ohne Anlass von einer Einheit der Armee überfallen und alle Einwohner - Alte, Frauen, Kinder - niedergemetzelt. Kurz darauf erscheint ein weiterer Trupp, der nichts davon weiß, und Te Wheke erkundet mit zwei anderen Soldaten die Lage. Entsetzt betrachtet er das Resultat des Gemetzels, dem auch sein Onkel zum Opfer gefallen ist, und er wechselt auf der Stelle die Fronten...
Diese Sätze kamen mir gleich irgendwie bekannt vor - kein Wunder, ich hatte sie ja selbst geschrieben. Das ist exakt der Anfang meines Artikels. Ich hatte aber weder der Edel Germany GmbH noch sonst jemandem Verwertungsrechte dafür eingeräumt. Die Edel Germany GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der Edel AG, die nach Angaben auf ihrer Website über 800 Mitarbeiter beschäftigt. Es handelt sich also nicht um unbedarfte Amateure, die keine Ahnung vom Urheberrecht haben. Der fragliche Textteil von mir tauchte auch in Produktbeschreibungen der DVD auf Amazon, Ebay und in diversen anderen Online-Shops auf, wo man die DVD bestellen kann.

Irritiert bat ich Edel über ein Kontaktformular auf ihrer Website um eine Erklärung, erhielt jedoch keine Antwort. Das wurde mir nach einigen Tagen zu bunt, und ich beauftragte einen im Urheberrecht bewanderten Anwalt. Nach einer kostenlosen ersten Beratung verfasste der Anwalt eine Abmahnung gegen Edel. Diese enthielt die Forderung, Schadensersatz zu zahlen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Außerdem sollte die Gegenseite, wie in solchen Fällen üblich, das Honorar meines Anwalts übernehmen. Die Abmahnung enthielt auch ein Angebot zu einer gütlichen Einigung: Gegen Zahlung von 600 Euro an mich (sowie der Anwaltskosten) sollte der Schaden abgegolten und die weitere Nutzung meines Textes erlaubt sein. Zur Erfüllung der Forderungen wurde eine Frist von einer knappen Woche gesetzt. Edel hat das Einigungsangebot im Prinzip angenommen, aber noch ein bisschen gefeilscht (was in solchen Fällen wohl nicht unüblich ist) und den Betrag auf 450 Euro heruntergehandelt. Auch der Gegenstandswert wurde von 10.000 auf 7500 Euro reduziert, wodurch das Honorar meines Anwalts (das sich laut einschlägigem Gesetz (RVG) am Gegenstandswert orientiert) etwas geringer ausfiel. Diese Verhandlung wurde telefonisch zwischen den beiden Anwälten geführt. Ich nahm daran nicht teil, sondern gab nur nachträglich meine Zustimmung zum Ergebnis. Ich hatte aber auch schon im Vorfeld meinem Anwalt signalisiert, dass es mir nicht unbedingt darum geht, eine maximale Summe herauszuholen, und dass ich mit einem Betrag im mittleren dreistelligen Bereich durchaus zufrieden bin. Die Edel Germany GmbH zahlt nun also 450 Euro an mich und ca. 730 Euro an meinen Anwalt (und wenn der Anwalt von Edel nicht einer ihrer Hausjuristen ist, sondern, wonach es aussieht, eine externe Kanzlei beauftragt wurde, dürften der Firma dadurch noch weitere Kosten entstehen). Damit ist die Angelegenheit zu meiner Zufriedenheit erledigt.

Es wäre übrigens auch möglich gewesen, nicht nur gegen den Hersteller der DVD vorzugehen, sondern auch Amazon, Ebay-Verkäufer und alle anderen Shops, in denen mein Text auftaucht, abzumahnen und auf Unterlassung zu verpflichten. Davon habe ich Abstand genommen, weil die alle den Text ja in dem guten Glauben übernommen haben, dass sie es dürfen. Aber merke: Man kann auch unwissentlich eine Urheberrechtsverletzung begehen und dafür abgemahnt und zur Kasse gebeten werden. - Ein Aspekt hat bei der juristischen Betrachtung keine Rolle gespielt, ich möchte ihn aber nicht unerwähnt lassen. Auf dem Cover der DVD steht auch noch Folgendes:
"GROSSES KINO ÜBER UNSERE UREINWOHNER" NZ NEWS
"EIN GENIALER MAORI-WESTERN, TARANTINO HÄTTE SPASS DARAN" WHOKNOWSPRESENT.DE
Ich weiß nicht, ob es die NZ News wirklich gibt, und ob darin etwas über UTU geschrieben steht. Das zweite Zitat ist jedenfalls nicht authentisch. Zwar ist die URL falsch (hier hat copy&paste plötzlich nicht mehr funktioniert), es ist aber offensichtlich, dass wir damit gemeint sind. Der fragliche Satz steht aber überhaupt nicht in meinem Artikel, und auch sonst nirgends auf Whoknows Presents. Und ich hätte diesen Blödsinn auch nie geschrieben, denn wenn man ausgerechnet Tarantino als Referenz heranzieht, dann suggeriert man damit ja, dass UTU so etwas wie eine vergessene Trash-Perle ist - und das ist er bestimmt nicht. Hier wird mir also ein frei erfundenes Zitat mehr oder weniger in den Mund gelegt, auch wenn mein Name nicht genannt wird.

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zur Höhe des Betrags von 450 Euro. Das ist viel und wenig zugleich, je nach Blickwinkel. Wenn man bedenkt, wieviel (oder eher wie wenig) viele Autoren und Journalisten nicht für fünf oder sechs Sätze, sondern für ganze Artikel bekommen (siehe beispielsweise hier), dann ist 450 Euro für einen Absatz mit gerade mal etwas über 100 Wörtern fast schon absurd hoch. Doch andererseits: Erstens hätte der Schuss für mich theoretisch auch nach hinten losgehen können. Edel war ja nicht verpflichtet, die Abmahnung zu akzeptieren. Wenn sie sich verweigert hätten, hätten wir vor Gericht ziehen und eine einstweilige Verfügung beantragen müssen. Und wenn wir vor Gericht gescheitert wären, wäre ich natürlich auf den Kosten sitzengeblieben, die zudem noch deutlich höher ausgefallen wären als bei einer bloßen Abmahnung (nämlich irgendwo im vierstelligen Bereich). Zwar war offensichtlich, dass der fragliche Text von mir stammt, aber es war nicht 100-prozentig sicher, ob er lang genug ist, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Mein Anwalt war sich hier zwar ziemlich sicher, aber eben nicht absolut sicher, auch wenn es schon einschlägige Urteile in unserem Sinn gab. Als Ausgleich für dieses Kostenrisiko, das bei einem normalen Autorenhonorar natürlich nicht besteht, scheint mir 450 Euro durchaus angemessen zu sein. Und zweitens ist der Betrag ja das Ergebnis einer Einigung mit Edel. Ohne Einigung hätte sich unsere Schadensersatzforderung nach der Zahl der verkauften DVDs bemessen. Hier besteht ein Auskunftsanspruch, Edel hätte uns die Zahlen also übermitteln müssen (das hat sich durch die Einigung aber erübrigt, so dass ich nichts über die Verkaufszahlen weiß). Außerdem hätten wir dann Unterlassung verlangt, Edel hätte das Cover also durch ein anderes ersetzen müssen. Das alles wäre sicher deutlich teurer gewesen, Edel hat sich durch die Einigung also wahrscheinlich viel Geld gespart, ohne dass ich das jetzt beziffern könnte.

Trotzdem wurde es für Edel nicht ganz preiswert. Nun, die Firma wird dadurch nicht gleich in den Ruin getrieben. Billiger wäre es allerdings gewesen, wenn Edel auf meine erste Kontaktaufnahme reagiert und mir ein Angebot unterbreitet hätte. Dann hätte ich mich auch mit einem geringeren Betrag zufrieden gegeben, vor allem aber wären keine Anwaltskosten entstanden. Noch billiger wäre es geworden, wenn mich Edel von vornherein um Erlaubnis gefragt hätte - dann hätten sie diese paar Zeilen wohl für einen zweistelligen Betrag bekommen. Am allerbilligsten wäre es freilich gewesen, wenn sich ein Mitarbeiter von Edel selbst irgendeinen Text aus den Fingern gesaugt hätte - doch dazu hat es offenbar aus irgendwelchen Gründen nicht gereicht. So bin ich also nun um 450 Euro und eine interessante Erfahrung reicher. Und die Moral von der Geschicht: Fürcht' den Gang zum Anwalt nicht!     :-Þ

Falls jemand einen Kommentar dazu abgeben will, bitte ich sehr darum, sachlich zu bleiben!

Sonntag, 8. März 2015

Dorothy kehrt aus Vietnam zurück: einige Gedanken zu UNIVERSAL SOLDIER

UNIVERSAL SOLDIER
Regie: Roland Emmerich
Darsteller: Jean-Claude Van Damme (GR44, Luc Deveraux), Dolph Lundgren (GR13, Andrew Scott), Ally Walker (Veronica Roberts), Ed O‘Ross (Colonel Perry), Jerry Orbach (Dr. Christopher Gregor), Ralf Möller (GR76)


Im vorigen Text auf diesem Blog sprach Manfred über eine statistische Methode zur Ermittlung der kulturell bedeutendsten Filme. Unbestrittener Platz 1 in der USA-Liste war THE WIZARD OF OZ. Tatsächlich hat der Technicolor-Film von 1939 über 2.000 „referenced in“-Eintragungen in der IMDb – Roland Emmerichs US-Einstand fehlt in dieser Aufstellung allerdings. Schade, denn UNIVERSAL SOLDIER ist eine höchst interessante Adaption des Oz-Stoffs, zumal er die Thematik der langen Heimkehr aus einem fantastischen Land mit Motiven des Vietnamheimkehrer-Dramas verbindet.

THE WIZARD OF OZ und UNIVERSAL SOLDIER erzählen die Geschichte eines kleinen Farmkindes, das aus seiner idyllischen Heimat von einem gewaltigen Sturm weggeblasen wird. Es landet in einem fremden Land, wo es viele Abenteuer erlebt. Trotzdem will das Kind nach Hause zurückkehren. Auf dem Weg dorthin trifft es sowohl hilfsbereite Freunde wie auch bösartige und teils gewaltbereite Feinde.
Das Farmkind heißt nun nicht mehr Dorothy, sondern Luc (mit Jean-Claude Van Damme als Judy Garland). Die idyllische Heimat ist ebenfalls eine Farm, die sich allerdings in Louisiana befindet. Der Sturm ist kein Tornado, sondern der Vietnamkrieg. Das fremde Land heißt nicht mehr Oz, sondern Vietnam und findet seine logische Weiterführung in den zeitgenössischen USA der frühen 1990er Jahre: ein Ort, an dem der Krieg mit anderen Mitteln und teils anderem Personal fortgeführt wird und der für Luc nicht minder fremd ist, weil er mittlerweile zu einer Armee-Killermaschine umgestaltet worden ist und die Welt nicht mehr mit den Augen eines Menschen sehen kann. Wie Dorothy hat auch Luc/GR44 großes Heimweh: „I just want to go home“ wird er immer wieder im Laufe des Films sagen. Auf seiner Reise nach Hause trifft er ein hilfsbereites Wesen mit einer großen goldenen Mähne: kein „feiger“ Löwe, sondern eine sehr neugierige Journalistin (die allerdings  verständlicherweise von Schießereien und Verfolgungsjagden leicht eingeschüchtert wird). Und statt der bösen Hexen aus dem Osten und dem Westen erweisen sich der skrupellose Oberst Perry und Lucs geradezu unverwüstlicher Armee- und UniSol-Kollege Andrew Scott/GR13 als hartnäckige Gegner.

Der "feige" Löwe und Dorothy: intime Untersuchungen
Luc Deveraux ist nicht nur ein Farmjunge (daran erinnert ihn Andrew Scott immer wieder in einem verächtlichen Ton), sondern in einem fast wörtlichen Sinne ein kleines Kind. Ein eigentlich erwachsener Soldat, der aufgrund seiner traumatischen Erfahrungen im Krieg und aufgrund seines Todes und der anschließenden physischen Manipulationen und Gehirnwäschen eine Regression zum Jungen durchgemacht hat: präpubertär, auch im Sinne von präsexuell. Wenn er zwischendurch nackt vor Veronica herumläuft und sie sogar darum bittet, seinen Körper nach einem Peilsender zu untersuchen („Look for something unusual. Something hard.“), dann kann er gar nicht verstehen, warum der Journalistin etwas komisch zumute ist.

Seine Reise nach Hause ist ein Abenteuer, weil er vielerlei Sachen entdeckt, die für „normale“ Menschen ganz alltäglich sind, für ihn aber ebenso gut aus einer anderen Dimension stammen könnten. Dies kommt wunderbar in der relativ plot-irrelevanten Diner-Szene zum Ausdruck. Veronica geht mit Luc Mittag essen. Schon das Menü ist absolut faszinierend für ihn. So viele Sachen. Seine Reisegefährtin bestellt ihm eine Limo und das Tagesmenü. Als das Essen kommt, weiß er gar nicht, was er damit soll. Er guckt sich um und ein alter Mann dient ihm als gute Orientierung: Messer und Gabel in die Hand nehmen, schneiden, zum Mund führen, reinstecken. Eine ganz neue Erfahrung für GR44 alias Luc im regressiven Zustand. Und eine schöne Erfahrung: das Essen schmeckt ihm offensichtlich.
Mittagessen im Diner:
ein Abenteuer voller neuer Sinneseindrücke
Kurzer Zwischengedanke: Mittlerweile gilt man nicht mehr als grenzdebil, wenn man Jean-Claude Van Damme als tollen Schauspieler bezeichnet, oder als großen Melancholiker und Künstler des Actionkinos. Doch schon in UNIVERSAL SOLDIER zeigt er mine de rien, was in ihm an Ausdrucksmöglichkeiten stecken. Mit nur kleinen mimischen Nuancen macht er in der Diner-Szene deutlich, wie faszinierend Luc so etwas wie Hackbraten mit Kartoffelbrei findet.
Zurück: das Essen im etwas ranzigen Diner schmeckt Luc so gut, dass er das ganze Menü hoch- und runterprobiert, während Veronica draußen telefoniert. Was natürlich die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich zieht, und schließlich den Zorn von Kellnerin und Koch, die bezahlt werden möchten, was Luc nur weiter verwirrt. Es entspinnt sich eine kleine Keilerei zwischen Luc und den lokalen Rednecks, die der Farmjunge dank seiner besonderen Kräfte als GR44 locker für sich entscheidet. Danach kommt gleich die nächste Entdeckung für Luc: diese faszinierenden, kleinen, weißen Dinger zum Naschen, die ihn in ganz neue Geschmackswelten bringen. Veronica, inzwischen etwas alarmiert, weil ein Einheimischer durch die Frontscheibe des Diners geflogen ist, fragt sarkastisch nach, ob ihm das Essen geschmeckt habe. Der Farmjunge nascht an einer Schüssel Popcorn, seufzt voller Wonne und lächelt – das vielleicht schönste Bild in UNIVERSAL SOLDIER.

Luc macht im Laufe des Films einen Prozess der Reifung und der Vermenschlichung durch. Das beginnt mit den Blackouts und kognitiven Störungen, die er während der Mission am Staudamm zu Beginn hat: ein ostasiatisches Teenager-Paar unter den Geiseln lässt in seinem Kopf Erinnerungsbruchstücke aus dem Vietnamkrieg hochkommen. Die eigentliche Wende kommt dann im Motel, das er mit Veronica auf der Flucht aufsucht. Im Zimmer schaut er ein bisschen fern. Die Bilder einer Doku – offenbar über Richard Nixon und/oder den Vietnamkrieg – lösen in ihm etwas aus: er wird sich seiner selbst bewusst, und aus der ohnehin störungsanfälligen Kriegsmaschine GR44 wird (wieder) Luc Deveraux. Eine im übrigen vom viel gescholtenen Roland Emmerich wunderbar ökonomisch gefilmte Szene in nur vier Einstellungen.

Die Selbstbewusstwerdung des Luc Deveraux
UNIVERSAL SOLDIER erzählt auch von der Verarbeitung des Vietnamkriegs: Ein Aspekt, der nur selten in den Besprechungen des ohnehin nicht oft gelobten Films aufgegriffen wird. Mit dem Erscheinungsjahr 1992 ist er eher ein Nachzügler unter den Vietnamheimkehrer-Filmen, und dass er oberflächlich ein Actionfilm mit Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren als durch die Gegend ballernde Cyborg-Soldaten ist, hat wohl nicht geholfen, ernst genommen zu werden. Aber gerade an besagten Cyborg-Soldaten stößt er Denkimpulse über das US-Trauma Vietnam an, indem er zeigt, wie diese auf den Krieg reagieren: mit extremen Schuldkomplexen und unbeirrbarem Revanchismus. So fühlt sich Luc schuldig für den Tod einer jungen Vietnamesin, die Andrew mit einer Granate in die Luft gesprengt hat. Nach seinem Tod und seiner Wiederauferstehung als GR44 (ein anderes Feld von UNIVERSAL SOLDIER: die Bilder, die – zugegeben actionfilmtypisch – von biblisch-christlicher Leidens-Ikonographie inspiriert sind) ist diese Episode zunächst weg, verdrängt – und drängt aber dann dennoch wieder an die Oberfläche. Es ist dieses extreme Schulgefühl, das Luc dazu bringt, Veronica zu retten und sie unter allen Umständen zu beschützen. Andrew macht im Laufe des Films eine ähnliche Wandlung durch. Er steht jedoch für den Revanchismus: unter keinen Umständen will er akzeptieren, dass der Krieg vorbei und verloren ist. In Reaktion darauf inszeniert er seinen ganz persönlichen Vietnamkrieg in den zeitgenössischen USA der 1990er, in denen er als GR13 gelandet ist. Würde man so etwas wie Rambo bekommen, wenn man Luc und Andrew zu einer Figur fusionieren würde?

Martialische Kriegsrede im Supermarkt
Sehr bemerkenswert ist die Szene, in der das Vietnam-Trauma mit moderner kapitalistischer Konsumkultur konfrontiert wird: Andrew und seine UniSol-Kollegen stürmen einen Supermarkt (um die schwer verletzten UniSols im Tiefkühlraum inmitten von Kuhhälften zu regenerieren), und hier geht der Sergeant „an die Öffentlichkeit“. Hier, zwischen den Auslagen, den Preisschildern, den Schnäppchenangeboten und den Kitschregalien der Fischtheke hält er vor versammelten Publikum eine kriegerische Durchhalte-Rede, während im Hintergrund GR76 rohe Steaks aus der Fleischtheke verputzt. Ein fast schon surreal-irrsinniger Moment.

Das ur-amerikanische Thema des 20. Jahrhunderts wird dabei durch die Augen von Europäern gefiltert. Je ein Deutscher auf dem Regiestuhl und an der Kamera (Karl Walter Lindenlaub), ein Schwede und ein frankophoner Belgier in den Hauptrollen. Letzterer spielt einen frankophonen Farmer aus Louisiana, also jener französischen Kolonie, die die USA Anfang des 19. Jahrhunderts von Frankreich kauften und wenig später in die Union aufnahmen. Die USA, ein Bund ehemaliger Kolonien, der in einem Kolonialkrieg und einem Bürgerkrieg entstanden war, „übernahm“ anderthalb Jahrhunderte später dann von Frankreich einen Kolonialkrieg und überführte ihn in den Vietnamkrieg – wo wiederum der Louisianische Farmerjunge Luc kämpfte.

UNIVERSAL SOLDIER ist auch eine Utopie über den Sieg des Menschlichen über das Maschinelle. Egal, wie viel Technik in die Körper der toten Soldaten reinsteckt wurde: das Menschliche findet letztlich seinen Weg. Wie dies bei Luc geschieht, habe ich nun glaube ich deutlich genug gemacht. Der Film geht diesen Weg aber konsequent, in dem er auch GR13 zum Menschen macht – zu einem gewalttätigen, rassistischen, bösartigen Menschen (wie er schon zu Beginn ist), aber zu einem Menschen. Die endgültige Menschwerdung des GR13 zu Andrew Scott wird spürbar, als Colonel Perry ihm einen Befehl zubellt und dabei GR13 nennt. Laut ruft der Angesprochene „My name is Sergeant Andrew Scott!“. Das kann man als Zornbekundung eines Soldaten sehen, der mit korrektem Armeegrad und Namen angesprochen werden will, aber meiner Meinung nach ist es naheliegender, sie als Ausbruch eines Menschen zu sehen, der nach zu langer unmenschlicher Behandlung endlich wieder als Mensch behandelt werden möchte. Ein weiterer großer Moment in einem tollen Film.

Das schönste Bild zum Schluss
UNIVERSAL SOLIDER gibt es in allen möglichen DVD- und Blu-ray-Editionen. Diese Besprechung beruht auf der deutschen Studiocanal-DVD von 2013.

Dienstag, 17. Februar 2015

Die kulturell bedeutendsten Filme - objektiv und automatisch ermittelt

Funktioniert sowas überhaupt? Nun ja, wie man's nimmt. Zumindest für US-amerikanische Filme ist das Ergebnis recht brauchbar (sofern man einem solchen Kanon überhaupt etwas abgewinnen kann), für andere Länder eher nicht. Es geht um Folgendes: Eine Gruppe von Forschern, die meisten von der Northwestern University in Evanston (Illinois), nicht weit von Chicago, hat sich Gedanken darüber gemacht, ob und wie man eben die kulturelle Signifikanz von Filmen automatisiert ermitteln kann. Ihre Ergebnisse haben sie letztes Jahr und in diesem Januar in zwei Artikeln veröffentlicht, die man vollständig und kostenlos online lesen kann (aber Vorsicht: trockener Stoff mit viel Statistik). Frühere Versuche auf diesem Gebiet orientierten sich vorwiegend an finanziellen Parametern (z.B. Herstellungskosten, gesamtes Einspielergebnis, größtes wöchentliches Einspielergebnis) und erbrachten keine überzeugenden Resultate. Die Autoren um Max Wasserman und Luís A. N. Amaral kamen nun auf die Idee, ein Maß aus der Welt der Wissenschaft auf Filme zu übertragen. Die Bedeutung eines wissenschaftlichen Artikels wird üblicherweise daran gemessen, wie oft er von anderen Forschern in ihren eigenen Arbeiten zitiert wird. Übertragen auf Filme heißt das: Je öfter Elemente eines Films in späteren Filmen zitiert werden, desto bedeutender ist er. Da solche Zitate im Gegensatz zu wissenschaftlichen Artikeln bei Filmen nicht explizit annonciert werden, ersannen die Forscher ein Verfahren, die Daten aus der IMDb zu extrahieren (mehr zu der Technik weiter unten). Dann verglichen sie die damit erzielten Ergebnisse mit Verfahren, die auf den Bewertungen professioneller Filmkritiker sowie auf der "Schwarmintelligenz" vieler Amateur-Rezensenten beruhen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Eine Variante der IMDb-Technik erzielte das beste Ergebnis.

Zunächst aber untersuchten die Forscher mit statistischen Verfahren, wie verschiedene in der IMDb gespeicherte Größen voneinander abhängen. Im Mai 2014 veröffentlichten sie diese Zwischenergebnisse im Journal of the Association for Information Science and Technology in einer Arbeit mit dem Titel "Correlations between user voting data, budget, and box office for films in the internet movie database". In der IMDb gibt es die Sektion Connections. Von den acht Kategorien, wie hier zwei Filme miteinander verknüpft sein können, berücksichtigten die Autoren nur drei, nämlich references, spoofs und features. References bedeutet, dass ein Film Handlungs- oder Stilelemente eines anderen Films zitiert. Spoofs ist ähnlich, nur wird hier der frühere Film karikiert (man denke etwa an die Hitchcock-Veräppelungen in HÖHENKOLLER). Features schließlich bedeutet, dass Ausschnitte des älteren Films im neueren zu sehen sind, z.B. als "Film im Film" auf einem Fernsehschirm oder einer Kinoleinwand. Die Forscher ermittelten einen Fundus von über 32.000 Filmen, die auf eine dieser drei Arten aufeinander verweisen. Davon verwendeten sie das größte direkt zusammenhängende Netzwerk, fast 29.000 Filme mit über 74.000 Verbindungen, für die weitere Analyse. Dieser Korpus wurde daraufhin auf drei Gruppen verteilt: US-Filme, englischsprachige Filme, die nicht aus den USA kommen, und alle anderen Filme. Damit wurde dann untersucht, ob und in welcher Form es zu systematischen, von der Sprache oder dem Herkunftsland abhängigen Verzerrungen bei den User-Votings und bei den Connections in der IMDb kommt. Und tatsächlich fanden die Forscher, dass sowohl US-Filme als auch sonstige englischsprachige Filme stärker repräsentiert sind, als zu erwarten wäre, wenn Sprache oder Land keine Rolle spielen würden. Um systematische Fehler durch sprach- und länderübergreifende Vergleiche zu vermeiden, betrachteten die Forscher im Folgenden nur noch rein amerikanische Filme. Von internationalen Coproduktionen mit amerikanischer Beteiligung berücksichtigten sie nur solche, die in den USA gedreht wurden (so ist etwa DR. STRANGELOVE noch dabei, A CLOCKWORK ORANGE dagegen nicht, obwohl beide britisch-amerikanische Produktionen sind). Das betrachtete Netzwerk reduzierte sich dadurch auf 15.425 Filme mit 42.794 Verknüpfungen. Mit diesem endgültigen Korpus führten die Forscher dann die im Titel der Arbeit schon genannten Untersuchungen über den statistischen Zusammenhang von User-Votes in der IMDb, Produktionskosten und Einspielergebnissen durch. Dieser Aspekt hat mich weniger interessiert (außerdem gibt es hier Statistik auf einem Niveau, das mir zu hoch ist), deshalb hier nur kurz das Hauptergebnis: Sowohl das Einspielergebnis als auch (noch etwas stärker) die Produktionskosten eines Films korrelieren stark mit der Zahl der abgegebenen Stimmen bei den User-Votes. Das kommt nicht wirklich überraschend, aber jetzt ist es auch bewiesen, zumindest für die USA (sofern die Autoren die statistischen Werkzeuge korrekt angewendet haben, was ich nicht beurteilen kann). Die Höhe der durchschnittlichen Bewertung bei den Votes hängt dagegen nicht von den beiden finanziellen Größen ab. Das Fazit des Artikels ist so schön, dass ich es wörtlich wiedergeben muss: "Therefore, budget is overwhelmingly the most relevant factor in determining a film's ultimate prominence. To make a film more notable, Hollywood does not need to spend more money on making it better; Hollywood just needs to spend more money."

Drei der ursprünglichen sechs Autoren legten dann im zweiten Artikel nach, erschienen letzten Januar unter dem Titel "Cross-evaluation of metrics to estimate the significance of creative works" in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS). Vielleicht, weil die PNAS ein bekannteres Journal sind, oder auch, weil sich das Kernergebnis der zweiten Arbeit griffiger formulieren lässt als die Ergebnisse des ersten Artikels, wurde diese Arbeit nun auch außerhalb der Wissenschaftskreise wahrgenommen, und die Presse berichtete (auf Deutsch u.a. hier und hier). Nachdem die Autoren Max Wasserman, Xiao Han T. Zeng und Luís A. Nunes Amaral noch einmal rekapitulieren, wie sie zu ihrem Netzwerk aus über 15.000 Filmen mit fast 43.000 Verbindungen gekommen sind, geht es dann ans Eingemachte. Wenn man ermitteln will, wie gut eine Methode die kulturelle Bedeutung von Filmen erfassen kann, muss man bereits wissen bzw. definieren, was ein kulturell bedeutsamer Film sein soll. Die Autoren griffen dabei auf die Liste der Filme zurück, die in der National Film Registry (NFR) versammelt sind, die vom National Film Preservation Board für die Library of Congress nach einem sorgfältigen Auswahlverfahren erstellt wird. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren das 625 Filme, momentan sind es 650. Nun wurde also gemessen, wie gut verschiedene Verfahren die Liste der NFR reproduzieren können. Als Beispiel für professionelle Kritiker wurde Roger Ebert ausgewählt - weniger, weil er (beim breiten Publikum) der bekannteste amerikanische Kritiker war, sondern weil er über viele Jahre hinweg zahlreiche Filme mit einem einheitlichen und übersichtlichen Sterne-System bewertet hat, so dass sich seine Meinung gut in Statistik übersetzen ließ. Außerdem wurde die Website Metacritic ausgewertet, die viele verschiedene Quellen berücksichtigt und daraus einen Durchschnittswert bildet. Als Vertreter der "wisdom of the crowd" wurde einerseits die Zahl der abgegebenen Stimmen und andererseits die Durchschnittswertung bei den IMDb User-Votes herangezogen. Und schließlich wurden zwei automatische Verfahren getestet: das schon beschriebene mit den Movie Links, wobei zunächst alle Referenzen gezählt wurden, die in die genannten drei Kategorien fallen (in der Studie total citation count genannt), sowie schließlich ein PageRank-Algorithmus ähnlich dem, der von Google verwendet wird.

Und das Ergebnis: Roger Ebert schneidet schlecht darin ab, die NFR zu reproduzieren, die beiden Varianten der Schwarmintelligenz besser, und Metacritic noch besser. Die beiden automatisierten Verfahren sind ungefähr so gut wie Metacritic, und untereinander hat mal der total citation count und mal PageRank die Nase vorn, je nach der verwendeten statistischen Analysemethode. Doch es geht noch besser. Die beste Trefferquote erzielt der citation count, jedoch mit einer Modifikation: Es werden nicht mehr alle Referenzen gezählt, sondern nur noch die, bei denen zwischen dem referenzierten und dem referenzierenden Film mindestens 25 Jahre liegen. Durch diesen long-gap citation count werden die Effekte von kurzfristigen Hypes eliminiert und dadurch insgesamt die Qualität der Daten verbessert. Es bleiben dann sozusagen die zeitlosen Klassiker übrig. Die Lücke von 25 Jahren mag groß erscheinen, aber die Autoren haben mit ihren statistischen Analysen ermittelt, dass sich erst nach ungefähr dieser Zeit die Effekte kurzfristiger Überbewertung von Filmen verlieren. Die Autoren beschäftigen sich dann noch damit, ob eher ein Film als Ganzes oder eher einzelne ikonische Szenen referenziert werden. Diese Frage untersuchen sie zunächst an 15 ausgewählten Filmen und versuchen dann, das Ergebnis auf die Gesamtheit zu übertragen, gestehen dabei aber Schwierigkeiten ein, so dass sie zu keinen allgemeinen Aussagen fähig sind.

Und wie kamen die Forscher nun an die Daten für ihre Untersuchung? Die meisten Internet-affinen Filmfreunde kennen die IMDb. Weit weniger bekannt ist aber, dass es neben dem Web-Interface noch einen weiteren Zugang gibt. (Früher gab es noch einen bandbreitenschonenden dritten, nämlich per Mail, aber der scheint inzwischen abgeschafft worden zu sein.) Nicht alle, aber die meisten und wichtigsten Daten werden auch in Form von Listen in komprimierten Textdateien zur Verfügung gestellt. Diese Listen liegen auf drei frei zugänglichen FTP-Servern, einer in Schweden, einer in Finnland, und ein Server der Freien Universität Berlin, wo sie einmal wöchentlich (normalerweise in der Nacht von Freitag auf Samstag) aktualisiert werden. Entpackt haben alle Listen zusammen eine Größe von derzeit ca. fünfeinhalb Gigabyte (der Umfang wächst langsam, aber stetig). Die Informationen über die Connections stecken in der Liste movie-links.list. Mit diesen Listen kann man dann am heimischen PC oder Notebook arbeiten. Dafür gibt es verschiedene und unterschiedlich leistungsfähige Programme, die entweder direkt mit den Listen arbeiten oder daraus eine Datenbank (im technischen Sinn) erstellen, was deutlich flexiblere Abfragen erlaubt. Die Autoren der Studie arbeiteten permanent mit einer im Oktober 2012 heruntergeladenen Version der Daten, und sie benutzten zur Auswertung selbst geschriebene Python-Programme. Ich selbst benutze die Offline-Version der IMDb seit ungefähr 15 Jahren, und die längste Zeit davon mit dem Programm AMDbFront, das die Daten in eine MySQL-Datenbank überführt. Neben den leistungsfähigen Recherche-Möglichkeiten, die mit dem Online-Zugang überhaupt nicht möglich sind, erfreut auch eine übersichtliche und werbefreie Oberfläche das Auge. Leider wird AMDbFront seit vielen Jahren nicht mehr weiterentwickelt, und es ist inzwischen fast komplett aus dem Internet verschwunden (nur bei www.archive.org findet man es noch). Als Alternative mag JMDB dienen, das ich aber selbst nie getestet habe, und dessen Entwicklung inzwischen auch etwas zu stagnieren scheint. Leider haben die Maintainer der IMDb vor einigen Monaten das Format von movie-links.list geändert. Die Liste enthält jetzt nur noch die Link-Kategorien version of, follows und das passive Gegenstück followed by. References, spoofs und features (bzw. die passiven Gegenstücke dazu) sind nicht mehr enthalten, und damit sind die hier beschriebenen Untersuchungen überhaupt nicht mehr möglich. Ich hatte aber zum Glück ein Backup vom März 2013, auf das ich zurückgreifen konnte. Und damit ist es mir gelungen, ein Ergebnis der Studie, nämlich die Erstellung einer Liste mit Hilfe des long-gap citation count, weitgehend zu reproduzieren. [UPDATE: Seit Mitte Dezember 2015 ist die movie-links.list wieder in ihrer ursprünglichen Form verfügbar. Damit lassen sich die geschilderten Untersuchungen wieder mit aktuellen und konsistenten Datensätzen durchführen!] [ZWEITES UPDATE: Seit Dezember 2017 gibt es leider überhaupt keine aktuellen Listen mehr per FTP. Mehr darüber in diesem Artikel von mir.]

Einfache Anfragen erledigt man in AMDbFront per GUI, aber für komplexere Probleme kann man die Datenbank-Sprache SQL verwenden. Hier nun ohne weitere Vorwarnung mein SQL-Statement:

select movie1.title, count(movie1.title) as LGC
from movies as movie1, movies as movie2, movielinks, ml, moviecountries as mc1,
     moviecountries as mc2, countries as country1, countries as country2
where movie1.title_id = mc1.title_id
  and mc1.country_id = country1.country_id
  and country1.country = 'USA'
  and movie2.title_id = mc2.title_id
  and mc2.country_id = country2.country_id
  and country2.country = 'USA'
  and movie2.date < 2012
  and movie2.date - movie1.date > 24
  and movie1.title_id = movielinks.title_id
  and movielinks.title_ref = movie2.title_id
  and movielinks.ml_id = ml.ml_id
  and (ml.description = 'referenced in' or
       ml.description = 'featured in' or
       ml.description = 'spoofed in')
  and movie1.title not like '"%'
  and movie1.title not like '%(TV)'
  and movie1.title not like '%(V)'
  and movie1.title not like '%(VG)'
  and movie2.title not like '"%'
  and movie2.title not like '%(TV)'
  and movie2.title not like '%(V)'
  and movie2.title not like '%(VG)'
group by movie1.title
order by LGC desc
limit 50;

Ich bin kein SQL-Experte, und vielleicht kann man das noch eleganter oder performanter formulieren, aber so funktioniert es auch. Die Erstellung der Liste benötigt auf meinem alten PC (AMD Athlon XP 3000+, 1,5 GB RAM, keine SSD) beim ersten Mal ca. dreieinhalb Minuten. Bei wiederholter Ausführung, auch mit veränderten Parametern (z.B. einem anderen Land als den USA), geht es etwa viermal so schnell, weil ein Teil der Daten schon in einem Cache von MySQL (also im RAM) liegt und nicht mehr von der Platte geholt werden muss. Das lässt Luft zum Experimentieren, und das habe ich genutzt.


Listen, Listen und nochmal Listen


Die Liste nach dem long-gap citation count, genauer gesagt die ersten 41 Einträge (alle, die einen LGC von über 50 haben), findet sich im Supplement S1 zum Artikel (Tabelle S3). Hier der direkte Vergleich der "offiziellen" und meiner eigenen Liste:

USA - links Wasserman et al., rechts meine Liste
Titel LGC Titel LGC
The Wizard of Oz (1939) 565 The Wizard of Oz (1939) 607
Star Wars (1977) 297 Star Wars (1977) 324
Psycho (1960) 241 Psycho (1960) 278
Casablanca (1942) 212 Casablanca (1942) 234
Gone with the Wind (1939) 198 Gone with the Wind (1939) 214
King Kong (1933) 191 King Kong (1933) 206
Frankenstein (1931) 170 Frankenstein (1931) 186
The Godfather (1972) 162 The Godfather (1972) 183
2001: A Space Odyssey (1968) 143 2001: A Space Odyssey (1968) 162
Citizen Kane (1941) 143 Citizen Kane (1941) 161
Jaws (1975) 129 Jaws (1975) 139
Night of the Living Dead (1968) 122 Night of the Living Dead (1968) 126
It's a Wonderful Life (1946) 109 It's a Wonderful Life (1946) 120
The Graduate (1967)   97 The Graduate (1967) 114
Vertigo (1958)   92 Vertigo (1958) 103
Dr. Strangelove or: How I Learned ... (1964)   91 Dr. Strangelove or: How I Learned ... (1964) 100
Snow White and the Seven Dwarfs (1937)   91 Snow White and the Seven Dwarfs (1937) 97
Dracula (1931)   90 Dracula (1931) 95
  --- A Clockwork Orange (1971) 94
  --- Il buono, il brutto, il cattivo. (1966) 91
The Maltese Falcon (1941)   80 The Exorcist (1973) 84
Bambi (1942)   79 Bambi (1942) 83
The Exorcist (1973)   78 The Maltese Falcon (1941) 82
Taxi Driver (1976)   71 Sunset Blvd. (1950) 80
Sunset Blvd. (1950)   70 Taxi Driver (1976) 77
Planet of the Apes (1968)   69 Singin' in the Rain (1952) 72
Deliverance (1972)   66 Deliverance (1972) 70
The Sound of Music (1965)   61 Planet of the Apes (1968) 69
Bride of Frankenstein (1935)   58 Bride of Frankenstein (1935) 67
Singin' in the Rain (1952)   57 The Sound of Music (1965) 66
The Texas Chain Saw Massacre (1974)   57 The Texas Chain Saw Massacre (1974) 65
Apocalypse Now (1979)   57 Apocalypse Now (1979) 64
Rebel Without a Cause (1955)   57 Rebel Without a Cause (1955) 64
Star Wars: Episode V - The Empire ... (1980)   56 Star Wars: Episode V - The Empire ... (1980) 62
Mary Poppins (1964)   54 Mary Poppins (1964) 62
Rear Window (1954)   54 The Seven Year Itch (1955) 60
North by Northwest (1959)   54 North by Northwest (1959) 59
Pinocchio (1940)   53 Dirty Harry (1971) 59
Willy Wonka & the Chocolate Factory (1971)   52 Rear Window (1954) 59
The Seven Year Itch (1955)   51 Pinocchio (1940) 57
Rosemary's Baby (1968)   51 Rosemary's Baby (1968) 57
Dirty Harry (1971)   51 The Wolf Man (1941) 57
West Side Story (1961)   51 West Side Story (1961) 57

Wie oben schon erwähnt, sind in der offiziellen Liste außerhalb der USA entstandene Produktionen nicht vertreten, bei mir sind sie dagegen aufgrund der verwendeten SQL-Query drin. Das betrifft hier A CLOCKWORK ORANGE und IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO. Ich habe darauf verzichtet, diese Titel nachträglich aus der Liste zu löschen, stattdessen habe ich in der offiziellen Liste zwei Leerzeilen eingefügt, um die Übersichtlichkeit beim Vergleich zu wahren. Wie man sieht, reproduziert mein Verfahren die Reihenfolge der offiziellen Liste recht gut. Dass meine Zahlen etwas höher sind, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Erstens sind meine Daten etwas neuer (März 2013 vs. Okt. 2012), und in der Zwischenzeit können neue Verknüpfungen in die IMDb eingetragen worden sein. Zweitens berücksichtige ich, wie eben erwähnt, etwas mehr Filme, und das betrifft nicht nur die referenzierten, sondern auch die referenzierenden Filme, so dass sich dadurch die Zahl der erfassten Verknüpfungen erhöhen kann. Weitere Abweichungen können sich dadurch ergeben, dass ich in meiner Liste Fernsehserien (sowohl ganze Serien als auch einzelne Folgen davon), TV-Filme und Shows, Videos und Videospiele ausgeschlossen habe, während ich nicht weiß, wie das die Autoren der Studie genau gehandhabt haben (sie erwähnen in dieser Hinsicht nur, dass sie Kurz- und Dokumentarfilme nicht ausgeschlossen haben). Klar ist aber immerhin, dass in der offiziellen Liste TV-Serien nicht berücksichtigt sind, denn ansonsten würde STAR TREK (die Original-Serie) auf Platz 3 landen, und weitere Serien wie SESAME STREET, THE FLINTSTONES, BATMAN und THE TWILIGHT ZONE wären vorne mit dabei. - Von den 41 ersten Filmen auf der offiziellen Liste waren zum Zeitpunkt der Untersuchung gerade mal vier nicht in der NFR vertreten, und zwei davon, nämlich ROSEMARY'S BABY und WILLY WONKA & THE CHOCOLATE FACTORY, wurden bei der letzten Erweiterung im Dezember 2014 aufgenommen, gerade mal zwei Wochen nachdem die Studie zur Veröffentlichung angenommen wurde. Die beiden verbleibenden Filme, die es (noch) nicht in die NFR geschafft haben, sind THE SEVEN YEAR ITCH und THE TEXAS CHAIN SAW MASSACRE.

Nachdem ich mich also davon überzeugt hatte, dass meine Methode im Prinzip funktioniert, wollte ich sehen, ob ich einen weiteren "offiziellen" Kanon ähnlich der NFR reproduzieren kann. Dazu wählte ich Dänemark, denn es gibt seit 2006 einen Dänischen Kulturkanon, der jeweils zwölf Werke aus verschiedenen Kategorien enthält, darunter auch zwölf Filme. Zwar ist dieser Kanon nicht unumstritten, aber darum soll es hier nicht gehen. Die zwölf Filme sind (in chronologischer Ordnung):

Dänischer Kulturkanon:
Du skal ære din hustru (Carl Th. Dreyer, 1925)
Vredens Dag (Carl Th. Dreyer, 1943)
Ditte Menneskebarn (Bjarne Henning-Jensen, 1946)
Soldaten og Jenny (Johan Jacobsen, 1947)
Sult (Henning Carlsen, 1966)
Bennys Badekar (Jannik Hastrup, Flemming Quist Møller, 1971)
Matador (Erik Balling, 1978-1982)
Kundskabens træ (Nils Malmros, 1981)
Babettes gæstebud (Gabriel Axel, 1987)
Pelle Erobreren (Bille August, 1987)
Festen (Thomas Vinterberg, 1998)
Idioterne (Lars von Trier, 1998)

Mein Versuch, diese Liste halbwegs zu reproduzieren, schlug komplett fehl:

Dänemark:
Titel LGC
Afgrunden (1910) 4
Engelein (1914) 3
Afsporet (1942) 2
Café Paradis (1950) 2
De nåede færgen (1948) 2
Den sorte drøm (1911) 2
Det perfekte menneske (1967) 2
Dilemma (1962/II) 2
Far til fire (1953) 2
Gertrud (1964) 2
Mød mig paa Cassiopeia (1951) 2

Danach folgen noch ca. 40 Filme mit jeweils einem Punkt, von denen wenigstens vier im Kanon vertreten sind. Das Schlimmste an diesem kläglichen Ergebnis sind die mickrig kleinen Zahlen, die die ganze Liste von vornherein wertlos machen. Um es vorwegzunehmen: Mit anderen Ländern sieht es nicht viel besser aus. Immer werden die Zahlen schnell sehr klein, so dass keine wirklich brauchbaren Listen zustandekommen. Deshalb mein schon am Anfang verkündetes Fazit, dass die Methode nur für die USA brauchbar ist, aber nicht für andere Länder. Die Forscher diskutieren dieses Problem nicht - sie beschränkten sich ja eben auf amerikanische Filme, wo die Zahlen groß genug sind.

Doch ich ließ mich nicht entmutigen, sondern ich habe unverdrossen weitere Listen erstellt, aus reiner Neugier. Zunächst hat mich natürlich Deutschland interessiert. Hier wird es etwas kompliziert. Deutschland ist in der IMDb als "Germany", "West Germany" und "East Germany" vertreten. "West" und "East Germany" bezeichnen die BRD (bis 1990) bzw. die DDR, dagegen sind die westlichen und die sowjetische Besatzungszone bis 1949 einfach "Germany", ebenso wie Deutschland bis 1945 und das wiedervereinigte Deutschland. Man muss sich also überlegen, welche Liste man genau haben will und wie man daran kommt. Es hätte beispielsweise wenig Sinn, eine Liste bis 1949 zu erstellen und dafür sowohl für die referenzierten als auch die referenzierenden Filme (movie1 und movie2 im SQL-Statement) nur solche bis 1949 zuzulassen, denn durch den time gap von 25 Jahren könnten dann überhaupt nur Filme bis 1924 auf der Liste landen, was nicht Sinn der Sache wäre. Deshalb habe ich eine Liste bis 1949 erstellt, aber bei den referenzierenden Filmen solche aus allen Zeiträumen und allen deutschen Staaten zugelassen.

Deutschland bis 1949:
Titel LGC
Der blaue Engel (1930) 13
Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (1922) 13
Triumph des Willens (1935) 13
Metropolis (1927) 12
M (1931) 11
Olympia 1. Teil - Fest der Völker (1938) 8
Dr. Mabuse, der Spieler - Ein Bild der Zeit (1922) 6
Der ewige Jude (1940) 5
Kolberg (1945) 5
Olympia 2. Teil - Fest der Schönheit (1938) 5
Die Büchse der Pandora (1929) 4
Die Nibelungen: Siegfried (1924) 4
Der Golem (1915) 3
Die 3 Groschen-Oper (1931) 3
Die Drei von der Tankstelle (1930) 3
Die Mörder sind unter uns (1946) 3
Die Nibelungen: Kriemhilds Rache (1924) 3
Die große Liebe (1942) 3
Jud Süß (1940) 3
Ohm Krüger (1941) 3
Sumurun (1920) 3

Auch bei BRD und DDR habe ich alle späteren deutschen Filme als Referenz zugelassen. Es sei daran erinnert, dass auch internationale Coproduktionen auf den Listen auftauchen können, ungeachtet der "gefühlten" Herkunft der Filme.

BRD (bis 1990):
Titel LGC
Il buono, il brutto, il cattivo. (1966) 11
Per un pugno di dollari (1964) 5
Angst essen Seele auf (1974) 4
Abschied von gestern - (Anita G.) (1966) 3
Aguirre, der Zorn Gottes (1972) 3
La caduta degli dei (Götterdämmerung) (1969) 3
Alice in den Städten (1974) 2
Der Schatz im Silbersee (1962) 2
Der Zinker (1963) 2
Die Brücke (1959) 2
Fontane Effi Briest (1974) 2
Les parapluies de Cherbourg (1964) 2
Liebe ist kälter als der Tod (1969) 2
Lola Montès (1955) 2
Tiefland (1954) 2
Warnung vor einer heiligen Nutte (1971) 2
Winnetou - 3. Teil (1965) 2
Winnetou und das Halbblut Apanatschi (1966) 2

DDR:
Titel LGC
Die Legende von Paul und Paula (1973) 2
Geliebte Weiße Maus (1964) 2
Solo Sunny (1980) 2
Spur der Steine (1966) 2
Berlin - Ecke Schönhauser (1957) 1
Berlin um die Ecke (1965) 1
Das Kaninchen bin ich (1965) 1
Der geteilte Himmel (1964) 1
Die Antike Münze (1965) 1
Eine Handvoll Noten (1961) 1
Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse (1955) 1
Ernst Thälmann - Sohn seiner Klasse (1954) 1
Heißer Sommer (1968) 1
Ich war neunzehn (1968) 1
Jahrgang '45 (1965) 1
Karla (1965) 1
Kocicí princ (1979) 1
Meine Frau macht Musik (1958) 1
Revue um Mitternacht (1962) 1
Sterne (1959) 1

Beim wiedervereinigten Deutschland kann die Forderung nach einer Lücke von 25 Jahren aus naheliegenden Gründen nicht aufrechterhalten werden. Ich habe deshalb hier den Wert willkürlich auf 10 Jahre herabgesetzt. Trotzdem fiel die Liste recht mickrig aus.

Wiedervereinigtes Deutschland:
Titel LGC
Fight Club (1999) 2
Kein Pardon (1993) 2
Amjad's Village (1991) 1
Beruf Neonazi (1993) 1
Bis ans Ende der Welt (1991) 1
Das Leben ist eine Baustelle. (1997) 1
Das Versprechen (1995) 1
Der Totmacher (1995) 1
Europa (1991) 1
Ich bin meine eigene Frau (1992) 1
La cérémonie (1995) 1
La vie de bohème (1992) 1
Lola rennt (1998) 1
Malina (1991) 1
Poussières d'amour - Abfallprodukte der Liebe (1996) 1
Prinz in Hölleland (1993) 1
Resident Evil (2002) 1
Schattenboxer (1992) 1
The Hudsucker Proxy (1994) 1
Werner - Beinhart! (1990) 1

Und schließlich eine gesamtdeutsche Schau, über alle Zeiten und Systeme hinweg.

Deutschland (gesamt):
Titel LGC
Der blaue Engel (1930) 13
Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (1922) 13
Triumph des Willens (1935) 13
Metropolis (1927) 12
Il buono, il brutto, il cattivo. (1966) 11
M (1931) 11
Olympia 1. Teil - Fest der Völker (1938) 8
Dr. Mabuse, der Spieler - Ein Bild der Zeit (1922) 6
Der ewige Jude (1940) 5
Kolberg (1945) 5
Olympia 2. Teil - Fest der Schönheit (1938) 5
Per un pugno di dollari (1964) 5
Angst essen Seele auf (1974) 4
Die Büchse der Pandora (1929) 4
Die Nibelungen: Siegfried (1924) 4
Abschied von gestern - (Anita G.) (1966) 3
Aguirre, der Zorn Gottes (1972) 3
Der Golem (1915) 3
Die 3 Groschen-Oper (1931) 3
Die Drei von der Tankstelle (1930) 3
Die Mörder sind unter uns (1946) 3
Die Nibelungen: Kriemhilds Rache (1924) 3
Die große Liebe (1942) 3
Jud Süß (1940) 3
La caduta degli dei (Götterdämmerung) (1969) 3
Ohm Krüger (1941) 3
Sumurun (1920) 3

Deutschlands südliche Nachbarn agieren auf sehr niedrigem Niveau.

Österreich:
Titel LGC
Sissi (1955) 2
Die große Liebe (1931) 1
Jugendspiele (1907) 1
Mozart (1955) 1
Schleiertanz (1907) 1
Sissi - Die junge Kaiserin (1956) 1
Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin (1957) 1
Sklavenraub (1907) 1

Schweiz:
Titel LGC
La salamandre (1971) 1
Polizischt Wäckerli (1956) 1
Polizist Wäckerli in Gefahr (1967) 1
Uli, der Knecht (1954) 1
Wachtmeister Studer (1939) 1

Am erfreulichsten sind die Zahlen noch bei Großbritannien. Vielleicht, weil es für das britische Publikum, das die Links ja in erster Linie erkennen und eintragen muss, keine Sprachbarriere bei der Bedienung der IMDb gibt. Und natürlich heben britisch-amerikanische Coproduktionen mit vielen Verknüpfungen den Schnitt.

Großbritannien:
Titel LGC
2001: A Space Odyssey (1968) 35
A Clockwork Orange (1971) 31
Dr. Strangelove or: How I Learned ... (1964) 18
Goldfinger (1964) 14
The Shining (1980) 14
Alien (1979) 12
Brief Encounter (1945) 11
Lawrence of Arabia (1962) 11
Monty Python and the Holy Grail (1975) 11
The Third Man (1949) 11
A Matter of Life and Death (1946) 8
Dr. No (1962) 7
A Hard Day's Night (1964) 6
Barry Lyndon (1975) 6
Blade Runner (1982) 6
The Italian Job (1969) 6
Don't Look Now (1973) 5
From Russia with Love (1963) 5
Lolita (1962) 5
Straw Dogs (1971) 5
Superman (1978) 5
The Bridge on the River Kwai (1957) 5
The Dam Busters (1955) 5
The Omen (1976) 5
The Red Shoes (1948) 5
The Spy Who Loved Me (1977) 5
Doctor Zhivago (1965) 4
Get Carter (1971) 4
On Her Majesty's Secret Service (1969) 4
Peeping Tom (1960) 4
Repulsion (1965) 4
The 39 Steps (1935) 4
The African Queen (1951) 4
The Chronicle History of King Henry the Fift ... (1944) 4
The Ipcress File (1965) 4
The Man with the Golden Gun (1974) 4
The Terminator (1984) 4

Einige weitere europäische Länder.

Frankreich:
Titel LGC
Les quatre cents coups (1959) 15
L'Atalante (1934) 13
Jules et Jim (1962) 12
Un chien andalou (1929) 12
Le mépris (1963) 10
À bout de souffle (1960) 10
8½ (1963) 9
Les enfants du paradis (1945) 9
Zéro de conduite: Jeunes diables au collège (1933) 9
La dolce vita (1960) 7
Les vacances de Monsieur Hulot (1953) 7
Belle de jour (1967) 6
Jour de fête (1949) 6
Le samouraï (1967) 6
Le voyage dans la lune (1902) 6
Les parapluies de Cherbourg (1964) 6
Bande à part (1964) 5
L'année dernière à Marienbad (1961) 5
L'âge d'or (1930) 5
La nuit américaine (1973) 5
La passion de Jeanne d'Arc (1928) 5
La règle du jeu (1939) 5
Le quai des brumes (1938) 5
Lola (1961) 5
Nanook of the North (1922) 5
Pierrot le fou (1965) 5
Hôtel du Nord (1938) 4
L'arrivée d'un train à La Ciotat (1896) 4
La grande illusion (1937) 4
La notte (1961) 4
Le jour se lève (1939) 4
Les demoiselles de Rochefort (1967) 4
Pickpocket (1959) 4
Un homme et une femme (1966) 4
Vivre sa vie: Film en douze tableaux (1962) 4

Italien:
Titel LGC
8½ (1963) 8
La dolce vita (1960) 8
Ladri di biciclette (1948) 8
Paisà (1946) 8
I vitelloni (1953) 6
Il buono, il brutto, il cattivo. (1966) 6
Per un pugno di dollari (1964) 5
Rocco e i suoi fratelli (1960) 5
Amarcord (1973) 4
Le mani sulla città (1963) 4
C'era una volta il West (1968) 3
Catene (1949) 3
Diabolik (1968) 3
Divorzio all'italiana (1961) 3
Fellini - Satyricon (1969) 3
Il gattopardo (1963) 3
Il sorpasso (1962) 3
L'oro di Napoli (1954) 3
La cena delle beffe (1942) 3
La grande guerra (1959) 3
Le samouraï (1967) 3
Lo sceicco bianco (1952) 3
Miracolo a Milano (1951) 3
Ro.Go.Pa.G. (1963) 3
Stromboli (1950) 3
Suspiria (1977) 3

Spanien:
Titel LGC
Viridiana (1961) 4
Bienvenido Mister Marshall (1953) 3
Il buono, il brutto, il cattivo. (1966) 3
Lo verde empieza en los Pirineos (1973) 3
Tristana (1970) 3
Adiós, cigüeña, adiós (1971) 2
El espíritu de la colmena (1973) 2
Esa mujer (1969) 2
La Lola se va a los puertos (1947) 2
Sor Citroen (1967) 2

Schweden:
Titel LGC
Det sjunde inseglet (1957) 6
Körkarlen (1921) 6
Elvira Madigan (1967/I) 5
Viskningar och rop (1972) 4
Flickorna (1968) 3
Sommaren med Monika (1953) 3
Att angöra en brygga (1965) 2
Dom kallar oss mods (1968) 2
Fängelse (1949) 2
Gösta Berlings saga (1924) 2
Karin Ingmarsdotter (1920) 2
Kvarteret Korpen (1963) 2
Persona (1966) 2
Sången om den eldröda blomman (1919) 2
Änglar, finns dom? (1961) 2

Bei der Sowjetunion bin ich ähnlich verfahren wie mit Deutschland: Bei den referenzierenden Filmen habe ich auch das postsowjetische Russland berücksichtigt (jedoch keine weiteren früheren Sowjetrepubliken, das war mir zu aufwändig). Die Liste ist trotzdem ziemlich dürftig ausgefallen.

Sowjetunion:
Titel LGC
Aleksandr Nevskiy (1938) 3
Vesyolye rebyata (1934) 3
Chapaev (1934) 2
Protsess o tryokh millionakh (1926) 2
Traktoristy (1939) 2

Nun zu Asien.

Indien:
Titel LGC
Sholay (1975) 24
Mughal-E-Azam (1960) 14
Mother India (1957) 9
Shree 420 (1955) 9
Deewaar (1975) 8
Bobby (1973) 6
Dil Apna Aur Preet Parai (1960) 6
Zanjeer (1973) 6
Amar Akbar Anthony (1977) 5
Sangam (1964/I) 5
Awaara (1951) 4
Gol Maal (1979) 4
Guide (1965) 4
Haré Raama Haré Krishna (1971) 4
Madhumati (1958) 4
Ram Aur Shyam (1967) 4
Apna Desh (1972) 3
Don (1978) 3
Hum Kisise Kum Naheen (1977) 3
Johny Mera Naam (1970) 3
Junglee (1961) 3
Muqaddar Ka Sikandar (1978) 3
Pyaasa (1957) 3

Japan:
Titel LGC
Gojira (1954) 16
Shichinin no samurai (1954) 8
Sora no daikaijû Radon (1956) 6
Kumonosu-jô (1957) 4
Mosura (1961) 4
Yôjinbô (1961) 4
Tôkyô monogatari (1953) 3
Banshun (1949) 2
Gojira no gyakushû (1955) 2
Gojira tai Mekagojira (1974) 2
Kaidan (1964) 2
Kaijûtô no kessen: Gojira no musuko (1967) 2
Karumen kokyo ni kaeru (1951) 2
Kingu Kongu tai Gojira (1962) 2
Mosura tai Gojira (1964) 2
Muhomatsu no issho (1943) 2
Rashômon (1950) 2
Todake no kyodai (1941) 2
Yôsei Gorasu (1962) 2
Zatôichi monogatari (1962) 2

Südkorea:
Titel LGC
Beongeoli Sam-ryong (1964) 1
Gaetmaeul (1965) 1
Hanyo (1960) 1
Kim yakgukjib daldeul (1963) 1
Mabu (1961) 1
Maenbaleui cheongchun (1964) 1
Man chu (1966) 1
Obaltan (1961) 1
Park Sa-bang (1960) 1
Seong Chunhyang (1961) 1
Taekoesu Yonggary (1967) 1
Toraoji annun haebyong (1963) 1
Uisa Ahn Jung-geun (1972) 1
Yeonsangun (1961) 1

Als einzigen Vertreter Lateinamerikas habe ich Brasilien betrachtet.

Brasilien:
Titel LGC
Deus e o Diabo na Terra do Sol (1964) 4
Alô Alô Carnaval (1936) 2
Banana-da-Terra (1939) 2
Bang Bang (1971) 2
Limite (1931) 2
O Dragão da Maldade contra o Santo Guerreiro (1969) 2
O Ébrio (1946) 2
Orfeu Negro (1959) 2
Terra em Transe (1967) 2

Und zu guter Letzt Afrika, vertreten durch zwei der wichtigsten Filmnationen des Kontinents, mit Regisseuren wie Youssef Chahine und Ousmane Sembène.

Ägypten:
Titel LGC
Bab el hadid (1958) 1

Senegal:
Titel LGC

O weh, war das etwa alles? Ja, leider. Ein bzw. gar kein Eintrag. *seufz*


Das soll es erst mal gewesen sein. Wer aber eine Liste für sein Lieblingsland haben will, der möge jetzt vortreten oder für immer schweigen!