Sonntag, 14. Mai 2017

Weiblich und visionär auf dem 17. goEast-Festival des mittel- und osteuropäischen Films – Teil 2

was bisher geschah... (Teil 1 des Festivalberichts)

Samstag, 29. April

ab 13.00 Uhr, Caligari FilmBühne

NAPLÓ GYERMEKEIMNEK („Tagebuch für meine Kinder“)
Regie: Mészáros Márta
Ungarn 1984
107 Minuten, 35mm
Ende der 1940er Jahre wird die ungarische Teenagerin Juli aus dem sowjetischen Kasachstan nach Ungarn zurückgeholt. Ihre Eltern, geflohene ungarische Kommunisten, waren dort gelandet, fielen aber Stalins Terror zum Opfer. Juli wächst nun bei einer neuen Ziehtante auf, einer Freundin ihrer Eltern: eine glühende und fanatische Stalinistin, ihres Zeichens seit kurzem Gefängnisdirektorin. Julia rebelliert zunehmend gegen ihre Adoptivmutter, findet Trost bei einem Gleichaltrigen, bei Filmen und bei einigen freundlicheren Bekannten ihrer Eltern. Der Terror greift aber immer mehr um sich.
© Stekovics Gáspár Photography
Vier „Tagebücher“ drehte Mészáros Márta zwischen 1984 und 1999 („für meine Kinder“ 1984 – „für meine Lieben“ 1987 – „für meinen Vater und meine Mutter“ 1990 – „das letzte Tagebuch“ 1999): in der Tetralogie führt die Protagonistin Juli den Zuschauer durch die stalinistische Ära in Ungarn, die noch erheblich repressiver ausfiel als in anderen ostmitteleuropäischen Ländern sowie durch die Wirren der Revolution von 1956. Das „letzte Tagebuch“ wie auch Teile des ersten Tagebuchs spielen in Kasachstan in den 1930er und 1940er Jahren. Die Filme waren autobiografisch: Mészáros selbst war die Tochter ungarischer Kommunisten, die in der Sowjetunion der 1930er Jahre dem Terror zum Opfer fielen. Mehrere ihrer Filme handeln von elternlosen jungen Frauen, die in kaputten, schwierigen, repressiven Verhältnissen aufwachsen.
NAPLÓ GYERMEKEIMNEK ist im Kern also ein weibliches Coming-of-Age-Drama im stalinistischen Ungarn. Die mit ruhiger Hand erzählte Geschichte einer Teenagerin, die eigentlich die gleichen banalen Probleme wie alle Teenager auf der Welt haben könnte, wenn sie nicht in so ungewöhnlichen Umständen geboren wäre. Sie ist die einzige, die sich an ihre Eltern erinnert und auch erinnern will, während alle Personen ihrer Umgebung ein Mantel des Schweigens über die „Gesäuberten“ legen. Ihr Heranwachsen besteht darin, immer heftiger gegen ihre Ersatzmutter zu rebellieren und dabei auf einsamer Front zu stehen, weil ihr ganzes Umfeld vor der mächtigen Parteibeamtin und Gefängnisdirektorin Angst hat, und der Film gewinnt in diesem Konflikt auch zunehmend an Intensität.
Ungarn war seit der großen innenpolitischen Liberalisierung ab den frühen 1960er Jahren das realsozialistische Land, in dem man am ehesten eine solche filmische Abrechnung mit den stalinistischen Jahren erwarten konnte. Mészáros ist in ihrer Darstellung der Ära sehr minutiös und schonungslos: Julis Eltern wurden in der Sowjetunion repressiert, doch die Regisseurin lässt keinen Zweifel daran, dass der ungarische Stalinismus auch tatsächlich ungarisch war und siedelt ihn konsequenterweise auf der denkbar persönlichsten Ebene an, nämlich dem Familienkreis.
Auch wenn mich NAPLÓ GYERMEKEIMNEK nicht zu Begeisterungsstürmen animiert, dürften weitere Sichtungen lohnenswert sein. Das ist problemlos möglich, denn der Film ist auf einer britischen DVD-Edition von Second Run erhältlich.
Vorführstörungen: kaum zu glauben, aber keine! Schöne Kopie, knackig-scharf eingestellt, richtig kadriert, nahtlose Rollenwechsel. Sachen gibt‘s...


ab 16.00 Uhr, Murnau-Filmtheater

A LÖRINCI FONÓBAN („In der Lörinc-Spinnerei“)
Regie: Mészáros Márta
Ungarn 1971
17 Minuten, 35mm
Einige Blicke in den Arbeits- und Freizeitalltag von Textilarbeiterinnen.
Mészáros nutzt in NAPLÓ GYERMEKEIMNEK zwischendurch immer wieder Archivmaterialien, zum Beispiel Wochenschauen. Ihr Inszenierungsstil ist eher nüchtern-realistisch als expressiv, so dass man auf die Idee kommen könnte, dass ihre Erfahrungen als Dokumentarregisseurin sich auf ihre Spielfilme auswirken. Interessanterweise ist gerade A LÖRINCI FONÓBAN, obwohl Dokumentarfilm, ein bisschen wie ein Spielfilm inszeniert. Der einleitende Kameraschwenk durch das Glas eines Buswartehäuschens in Nähe des Fabrikgeländes (der gleiche Schwenk in umgekehrte Richtung beendet den Film) lässt fast Episches erwarten. Etwa in der Mitte des Films bereitet sich eine junge Arbeiterin für einen Samstagbendball in der Stadt vor: sie zieht sich an, macht sich die Haare, schminkt sich. Dazu läuft ein fetziges Poplied, das von einem Mädchen handelt, das sich für den großen Ball vorbereitet. Das könnte ein billiger Effekt sein – aber irgendwie funktioniert es und macht diesen „alltäglichen“ dokumentarischen Moment sehr emotional.

ÖRÖKBEFOGADÁS („Adoption“)
Regie: Mészáros Márta
Ungarn 1975
89 Minuten, 35mm
Die Fabrikarbeiterin Kata, Anfang 40, ist ledig, hat aber eine Affäre mit einem verheirateten Mann und wünscht sich von ihm ein Kind. Sie lernt die 17-jährige Anna kennen, die in einem Waiseninternat zur Schule geht. Die beiden freunden sich an und Kata setzt sich dafür ein, dass Anna dem Internat entkommt und ihren Freund heiraten kann.
© Stekovics Gáspár Photography
„Female buddy movie“ wäre sicherlich der falsche Begriff für ÖRÖKBEFOGADÁS, weil mit der Bezeichnung dann doch zu viel Leichtigkeit und Lustiges transportiert wird. Doch auf jeden Fall ist Mészáros ein sehr bewegender und intensiver Film über eine außergewöhnliche Frauenfreundschaft gelungen, eine Frauenfreundschaft, die auch eine Beziehung zweier Aussenseiter ist: die eigenbrötlerische ledige Arbeiterin und die rebellische Waise.
In vielen Momenten ist ÖRÖKBEFOGADÁS ein Film von close-ups auf Gesichter und teils auf Körper, die oft aussehen, als wären sie mit einem Teleobjektiv gefilmt, ohne Kamerabewegung, aber mit kleinen Schenks und Zooms. Wo NAPLÓ GYERMEKEIMNEK manchmal etwas distanziert erscheint, wirkt ÖRÖKBEFOGADÁS umso intimer und auch emotional wesentlich intensiver. Dieser Stil mündet in die großartige Hochzeitsszene gegen Ende. Anna hat nun dank Katas Intervention ihren Freund geheiratet und sitzt mit ihm, Kata und einigen Gästen beim Bankett. Mit großer Freude sondiert die Kamera eine ganze Tischreihe von Gästen: eine regelrechte Parade der Gesichter, der ausgetauschten Blicke, des Lachens, aber auch einiger Trauerminen. Schließlich geht es ans Tanzen, und bald folgt der erste Streit (oder zumindest der erste im Film sichtbare Streit) des Paares, der dazu führt, dass der Bräutigam weggeht und die Braut einsam in einer Ecke zurückbleibt. Das ganze ist in der oben beschriebenen Manier gefilmt: Teleobjektiv, mit vielen Gesichtern und unscharfen Vorder- und Hintergründen, zu hören sind keine nachvollziehbaren Dialoge, sondern nur die Ambientegeräusche vieler verschiedener Gespräche und die penetrant fröhliche Musik der Tanzband. Ein großartiger Moment puren visuellen Erzählens und sicher der inszenatorische Höhepunkt des Films.
Eine weiterer schöner Moment: Kata und Anna gehen zusammen in ein Restaurant, um Cognac zu trinken und Spaß zu haben. Sie sind die einzigen Frauen im Lokal, und alle Männer glotzen sie regelrecht an. Ein junger Mann steht schließlich auf, tritt an den Tisch der beiden Frauen und will sich setzen, oder Anna zum Tanz einladen. Anna weist ihn lachend ab. Ein gesetzter, etwas älterer Herr weiß, dass der grüne Junge selbstverständlich keine Chance hat und die beiden Frauen eigentlich einen so unwiderstehlichen Gentleman wie ihn brauchen. Er wiederholt das Prozedere und wird dann genauso lachend abgewiesen. Nein, kein schmieriger, selbstverliebter Typ wird diesen beiden Frauen den Umtrunk verderben. Dieser beginnt zwar mit einigen Sätzen zwischen den beiden, doch der Rest wird wie die spätere Hochzeit nur noch mit den Ambientegeräuschen des Lokals und mit kaum vernehmbaren Dialoge gefilmt.
ÖRÖKBEFOGADÁS war der dritte und letzte Mészáros-Film, den ich beim Festival sah, und für mich der beste. Abgesehen von diesen zwei „großen Momenten“ fällt es mir schwer zu sagen, was genau an dem Film so faszinierend war.
Vorführstörungen: der Bildstand war über weite Strecken des Films extrem zittrig – die englischen Untertitel der Kopie waren verdächtig weit oben im Bild und irgendwie schien die Kadrierung etwas merkwürdig. Ist es also möglich, dass der Film „open matte“ projiziert wurde und so stark aufgezoomt wurde, dass das leichte Bildzittern, das der 35mm-Vorführung in geringem Maße inhärent ist, sich krass verstärkte?


ab 18.00 Uhr, Murnau-Filmtheater

Polnischer Dokumentar-Kurzfilmblock „Die werktätige Frau“

DZIEWCZĘTA Z „NAWOJKI“ („Die Mädchen aus „Nawojka““)
Regie: Maria Kwiatkowska
Polen 1963
14 Minuten, 35mm
Eindrücke aus einem Wohnheim für weibliche Studenten in Krakau.
Da wir uns in Polen befinden, gibt es als Begleitmusik Jazz, ohne, dass da irgendetwas Anrüchiges suggeriert wird. Einige kurze Momente, in denen wir mehrere junge Frauen in einem Raum sehen – eine schläft, zwei lesen/lernen, eine isst, eine bügelt – gewähren einen Einblick in die beengten Wohnverhältnisse.

24 GODZINY JADWIGI L. („24 Stunden der Jadwiga L.“)
Regie: Krystyna Gryczełowska
Polen 1967
15 Minuten, 35mm
Ein Tag im Leben der Metallarbeiterin Jadwiga zwischen Nachtschicht und häuslich-familiären Pflichten.
Gänzlich ohne Kommentare sehen wir den Alltag einer Arbeiterin, die nebenbei auch noch Ehefrau und Mutter ist. Aufstehen, arbeiten, einkaufen, kochen, waschen, Kinder bespaßen, schlafen, aufstehen, arbeiten... Zwischendurch hängt der Mann vor der Glotze. Was RAMDENIME INTERVIU PIRAD SAKITKHEBZE schon implizit machte, ist hier ganz explizit: die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt in einer patriarchalischen Kultur wirkt wie eine doppelte Belastung, solange es keine andere Kultur gibt bezüglich der Haushaltspflichten.

RODZINA („Familie“)
Regie: Danuta Halladin
Polen 1971
15 Minuten, 35mm
Ein älteres Ehepaar hat über ein Dutzend „schwieriger“ Waisenkinder adoptiert und zieht diese groß.
Staatssozialistische Systeme haben also inoffiziell genau das gemacht, was auch marktwirtschaftliche Systeme machen: nämlich staatliche Kernaufgaben aufgegeben und „privatisiert“. So landen die „kaputten“ Waisenkinder, die nicht einmal mehr der Staat haben möchte, bei dem Ehepaar Hellak. Mutti Hellak und Papa Hellak (beide wohl in ihren späten 50ern) erscheinen aber auch als die wesentlich besseren Eltern als Volkspolen. Beide sind vollkommen unsentimentale, pragmatische und bodenständige Gestalten, die ihre Tätigkeit als liebevolle Ersatzeltern als tagtägliche Selbstverständlichkeit wahrnehmen, als eine Sache, die sich für christliche Humanisten gehört und für die sie weder Lob noch Dank haben möchten – das macht Halladins Portrait dieser utopischen Familie umso anrührender.

ROBOTNICE („Arbeiterinnen“)
Regie: Irena Kamieńska
Polen 1980
16 Minuten, 35mm
Vom Alltag einiger Textilarbeiterinnen, die sich bei der Mittagspause über schlechte Arbeitsbedingungen und suboptimalen Arbeitsschutz beklagen.
In diesem Film erinnert die industrielle „Moderne“ im volkssozialistischen Polen eher an das 19. Jahrhundert: wenn ein dichter Wasserdampf durch die Textilwerkstatt wabert, fühlt sich das eher nach Dickens als nach strahlender sozialistischer Moderne an. Wenn die Arbeiterinnen nicht Polnisch sprächen, sondern sagen wir mal Englisch, hätte ROBOTNICE in jedem staatssozialistischen Land als treffendes Portrait kapitalistischer Ausbeutung durchgehen können: Arbeiterinnen, die in lausiger Arbeitskleidung in drückender Hitze und Feuchtigkeit schuften müssen, und das auch am Samstag, wenn die Busse nicht mehr regelmäßig zur Fabrik fahren (zwei Stunden vor Schichtbeginn da sein und verplempern, oder eine Stunde zu spät kommen und dafür Strafe zahlen – die Arbeiterinnen dürfen „frei“ wählen). Was die Arbeiterinnen nach der Arbeit noch zuhause an Hausarbeit erledigen müssen, brauchen wir uns nicht vorzustellen: wir haben es ja in 24 GODZINY JADWIGI L. gesehen.

JESTEM MĘŻCZYNĄ („Ich bin ein Mann“)
Regie: Maria Zmarz-Koczanowicz
Polen 1985
16 Minuten, 35mm
In einem kleinen Dorf besetzt ein einziger Mann sämtliche Ämter des öffentlichen Lebens (darunter auch den Vorsitz der örtlichen Frauen-Liga) und berichtet von den wunderbaren Erfolgen, die die Dorfverwaltung (das heißt: er selbst) in allen möglichen Bereichen auf dem Weg zur nationalen Wiedergeburt Polens zu verzeichnen hat.
War das jetzt eine „echte“ Doku oder ein Mockumentary? Das ist die Frage, die ich mir bis heute stelle. Vollkommen nüchtern wird hier eine kleine persönliche Lokaldiktatur portraitiert, bei dem der Lokaldiktator höchstpersönlich durch sein Dorf führt. Völlig ungerührt, als wäre es das natürlichste auf der Welt, erzählt dieser umtriebige dörfliche Potentat stolz von seinen ganzen Erfolgen. Wie er ein deutsches Denkmal hat entfernen lassen. Wie er eine lokale Kneipe hat schließen lassen, weil es sich für echte Polen nicht ziemt, Zeit mit Ausschweifungen dort zu verplempern. Wie zuversichtlich er ist, dass die weibliche Seilziehmannschaft des Dorfes bestimmt die beste überhaupt in der Gegend ist, weil er sie ja höchstpersönlich selbst trainiert hat. Zwischendurch gibt es immer wieder Gesangseinlagen eines Frauenchors: die Sängerinnen tragen Folklore-Kleider und besingen die Größe Polens und die ehrwürdige Tradition der Piasten (eine polnische Herrscherdynastie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, auf die sich polnische Nationalisten gerne beziehen).
1985 in einem kleinen Dorf im sozialistischen Polen: doch von Sozialismus findet sich hier keine Spur. Das ist ein tiefer Moloch voll von krudem Nationalismus, geführt von einem Fantasten, der die ganze Zeit wirres Zeug über die polnische nationale Wiedergeburt faselt. Die Frage, ob das eine echte Doku oder ein Mockumentary ist, mag vielleicht doch nicht ganz so wichtig sein. In ersterem Fall: eine deprimierende Bestandsaufnahme. In letzterem Fall eine Zuspitzung ultranationalistischer Tendenzen, die bereits viele Jahre vor der Wende deutlich waren und die das Regime selbst pflegte und hegte... Verstörend.

POCZĄTEK („Anfang“)
Regie: Dorota Kędzierzawska
Polen 1985
5 Minuten, 35mm
Kurzes Bild-Tongedicht, das teilweise in einer Fabrik spielt.
Eine schöne Ton-Film-Standbild-Montage, die ebenso schnell vorbei ist, wie sie angefangen hat.

DZIEŃ ZA DNIEM („Tag für Tag“)
Regie: Irena Kamieńska
Polen 1988
16 Minuten, 35mm
Wir folgen zwei Zwillingsschwestern bei ihrem monotonen Arbeitsalltag: Ziegel auf den Lastwagen aufladen, am Ankunftsort abladen. Ein Job, den sie schon ihr ganzes Leben lang machen.
In dem satirischen Roman „Die geheimen Pariser Hefte des Oberst Popow“ von Jean Burnat erzählt der Titelheld, der sich auf geheimer Mission in Frankreich befindet, dass Frauen in der UdSSR nicht nur arbeiten, sondern auch noch besonders geehrt werden: man gäbe ihnen schließlich die dreckigsten und mühsamsten Arbeiten. Was bei Burnat schwarzhumorig wirkt, verwandelt Kamieńska in einen kafkaesken Alptraum, ja fast in die postapokalyptische Dystopie eines sklavenähnlichen Lebens: verschneit-vermatschte Straßen, ein Lastwagen, und immer wieder diese Berge an Ziegeln, die die beiden Schwestern auf die oder von der LKW-Ladefläche hieven müssen. Am Ende fahren die Frauen durch die matschige Straße, und zwischendurch werden Straßenplakate eingeblendet, die großkotzig zukunftsoptimistische Parolen verkünden und dann... Aber dann war vorzeitig Schluss.

Vorführstörungen: DZIEŃ ZA DNIEM wird tatsächlich kommentarlos kurz vor Schluss einfach abgebrochen, und nicht einmal eine Sekunde später wird das Saallicht auf 200 % Helligkeit aufgeblendet. Möglicherweise hat der Vorführer Kamieńskas „hardcore-Realismus“ (so eine Bezeichnung im Programmheft) nicht ertragen. Die Kuratorin der „reluctant feminists“-Retrospektive äußerte jedenfalls vor dem verwunderten Publikum ihren Unmut darüber. Sie fügte hinzu, dass die Filme auch nicht in der vorher eigentlich eindeutig vereinbarten Reihenfolge abgespielt wurden und sprach dann von „Kommunikationsproblemen“. So kann man das natürlich auch nennen.


ab 20.00 Uhr, Murnau-Filmtheater

DEVOČKI („Mädchen)
Regie: Valerija Gaj Germanika
Russland 2005
47 Minuten, DCP
Ein paar asoziale Gören trinken, rauchen, kreischen sich gegenseitig an, schaffen es nicht, sich ein DIY-Bauchnabel-Piercing zu stechen und gehen ihrer Umwelt und dem Zuschauer tierisch auf die Nerven.
... und damit ist meinerseits zu dem Film auch alles gesagt. Mögen bitte andere Leute Ausuferndes dazu schreiben.

KRYL‘JA („Flügel“)
Regie: Larisa Šepit‘ko
UdSSR 1966
86 Minuten (reine Filmdauer – Pause nicht eingerechnet), 35mm
Die ehemalige Kampffliegerin Nadežda Petruchina ist heute Direktorin einer Schule. Sie lebt völlig entfremdet von ihrer Umwelt, kommt mit der neuen Generation der 1960er Jahre nicht klar und wird erst in ihren Kriegserinnerungen oder auf dem Flugfeld eins mit sich selbst.
© goEast Filmfestival
Manfred schrieb über KRYL‘JA bereits vor über sechs Jahren auf diesem Blog, als der Film noch wesentlich unbekannter war als heute.
Ich selbst hatte viel Mühe, was zu großen Teilen nicht mit dem Film selbst zu tun hatte und kann mich nur an einige Splitter erinnern, die ich nicht kohärent zusammensetzen kann. Da ist das schweißbedeckte Gesicht Nadeždas, als sie aus dem kühlen Theater auf den heißen Vorplatz hinaustritt. Dieser eine und einzige Moment, in dem sie jegliche Hemmungen fallen lässt und mit der Wirtin Bier trinkt und sogar Walzer tanzt. Die aufgesetzt-überdrehte Fröhlichkeit beim Besuch der Tochter, die offensichtlich einer tiefsitzenden Unsicherheit im Umgang mit Menschen entspringt, die nicht in irgendeinem Dienstverhältnis zu ihr stehen. Und natürlich dieser fantastische und unglaublich vieldeutige Schluss, als sie einfach wegfliegt: ist sie befreit? Wird sie ein neuer Mensch? Oder ist das Wegfliegen das Eingeständnis, dass sie nie mit den neuen Zeiten klar kommen wird? KRYL‘JA zeigt „banale“ äußerliche Ereignisse, handelt aber vor allem von einem Geisteszustand...
...und mein Geisteszustand konnte sich leider nicht auf diesen Film einstellen, denn...
Vorführstörungen: KRYL‘JA war von allen Filmen, die ich im Murnau sah, der mit dem vollsten Zuschauerraum. Ob die relative Berühmtheit Šepit‘kos dafür verantwortlich war oder an einem Samstagabend um 20.00 Uhr im Murnau-Filmtheater einfach immer etwas mehr Besucher anwesend sind, weil eben Samstagabend ist, kann ich nicht sagen (ich halte letzteres für wahrscheinlicher). Auf jeden Fall gab es viele Zeugen für die größte Panne, die ich beim diesjährigen goEast-Festival erlebte: nach dem Ende der ersten Filmrolle sollte die zweite Rolle folgen, doch das tat sie nicht. Die Leinwand blieb einfach weiß. Irgendwann wurde dann der Projektor aus- und das Saallicht angeschaltet. Offenbar war die zweite Filmrolle kurzzeitig verschollen, oder passte nicht in den Projektor oder was auch immer. Die Zuschauer wurden von einem der Einlass-Mitarbeiter zur Geduld aufgerufen. Nach etwa fünf bis zehn Minuten gingen die Lichter wieder aus – aber das war nur ein falscher Alarm: Licht wieder an und dann noch einmal mehrere Minuten warten. Schließlich ging es dann, nach bestimmt etwa 15 Minuten Pause, doch mit der zweiten Filmrolle weiter. Ob KRYL‘JA irgendeinen besonderen, subtilen Erzählrhythmus hat, könnte ich also beim besten Willen nicht sagen, weil es doch schwierig war, unter solchen Umständen in den Film einzutauchen.
Die mittlerweile fest zum „Inventar“ der Vorführungen gehörende russische Regisseurin brabbelte weiterhin die ganze Zeit vor sich hin (hier hatte ich zwischendurch das Gefühl, dass sie manchmal einfach Dialogfetzen nachsprach). Sie wurde dabei auch immer lauter. Diesmal waren einige Leute in ihrer Nähe, die sie immer wieder – dies gezwungenermaßen in ordentlicher Lautstärke – zur Ruhe gemahnten. Nach weiteren zehn bis fünfzehn Minuten wurden mindestens zwei der Zuschauer in ihrer Nähe richtig sauer: es kam fast zu einem kleinen Tumult, bei dem Stanukinas fast angebrüllt wurde. Danach war sie tatsächlich (wohlgemerkt: bei diesem Film) erst einmal ruhig.
Der Vorfall führte allerdings nicht zu mehr Ruhe im ganzen Kinosaal, sondern leider zu einer Art allgemeinen Enthemmung: das Samstagabend-Publikum auf den hinteren Reihen begann, über den ganzen Saal einen derartig penetranten Flüsterteppich zu verbreiten, dass man irgendwann die starrköpfige russische Dame geradezu bereuen musste.
Das ist unfair: KRYL‘JA ist wahrscheinlich der Film, von dem ich am meisten erwartete. Geblieben sind in meinem Kopf diffuse Ahnungen von etwas Großem, das nicht in jeder Sekunde des Films zu sehen ist, sondern sich erst in der Summe und mit der verstreichenden Zeit entwickelt. Da ist auf jeden Fall eine Neusichtung vonnöten.


kurz vor 23.00 Uhr, Moritz Kebap Haus, Moritzstraße 11
Spätes Abendessen
Mit Lutz, dem Kollegen, den ich Freitagabend am Bahnhof abgeholt habe, ehemaliger Chefredakteur des multimania-Magazins, für das ich dieses Jahr presse-akkreditiert war, ging ich dann ziemlich gerädert in Richtung Innenstadt. Beim Moritz Kebap Haus in der Moritzstraße, etwa 50 Meter vom Apollo-Kinocenter entfernt, stillten wir den Hunger, der entsteht, wenn man stundenlang Filme schaut, ohne ans Essen zu denken zu können. Der „Moritz“ ist für mich auch eine kleine gastronomische Tradition beim goEast-Festival. Erstens ist er in praktischer Nähe der Spielstätte Apollo. Zweitens hat er im Gegensatz zu „Gabriel“ spät Abends und auch am Sonntag offen. Und drittens ist das Essen dort nicht nur lecker, sondern wird auch immer mit einer kleinen leckeren Nachtisch-Beigabe serviert. Ein Mini-Döner-Sandwich war genau das richtige, um mich wieder auf Vordermann zu bringen, zumal das Fleisch exzellent war – weit über dem durchschnittlichen Imbiss-Niveau!


ab 23.00 Uhr, Festival-Zentrum (Wiesbadener Casino-Gesellschaft)
Erstes informelles Filmgespräch mit „Bildstörung“
Das goEast-Festival bietet nicht nur Filme, sondern auch zahllose Vortrags- und Filmgesprächsveranstaltungen: Diskussionen mit Filmwissenschaftlern, Kuratoren und auch Filmemachern selbst gibt es jeden Tag im Festival-Zentrum. Ich meide diese Veranstaltungen nicht aus böser Absicht oder weil ich denke, dass das grundsätzlich langweilig und unergiebig ist, sondern weil ich zwischen einem Vortrag und einer Filmvorführung, die parallel laufen, im Zweifelsfall immer die Filmvorführung wählen werde.
Lutz kennt in seiner Funktion als ehemaliger multimania-Chefredakteur die zwei Macher des kleinen und sehr feinen Labels „Bildstörung“ über Mailkontakt und fädelte mit den beiden ein kleines Treffen zum Biertrinken ein. Carsten und Alexander sind im Grunde nicht weniger als zwei kleine Helden der Filmkultur in Deutschland, die unter anderem Andrzej Żuławskis aufwühlenden POSSESSION, Narciso Ibáñez Serradors provokanten ¿QUIEN PUEDE MATAR A UN NIÑO? und Věra Chytilovás anarchischen SEDMIKRÁSKY in Deutschland auf DVD herausgebracht haben, die den besten deutschen Film des Jahres 2016, DER BUNKER, veröffentlicht haben und in Kürze einen der drei großen deutschen Filme Zbyněk Brynychs (DIE WEIBCHEN) herausgeben werden. Die beiden waren zum zweiten Mal beim goEast-Festival als geladene Gäste anwesend. Wir trafen sie vor dem Eingang des Casinogebäudes, tranken Bier und sprachen – sprachen über Steven Spielberg, seinen JAWS und seine Columbo-Folge, Eloy de la Iglesia, Jess Franco, Joe D‘Amato, das Geschäft des Filmverleihs in Deutschland, Stanley Kubrick, die Parallelen zwischen 2001 und A TOUCH OF ZEN, die Vor- und Nachteile von 35mm vs. DCP, Köln, Hannover, Jena, Magdeburg, Halle, Weimar, Gentrifizierung in Weimar, Christopher Nolan und INTERSTELLAR, Menahem Golan und ESCAPE TO THE SUN, DEMOLITION MAN, CONAN, John Milius, Zbyněk Brynych, seine WEIBCHEN und seine ENGEL, DIE IHRE FLÜGEL VERBRENNEN, Dominik Graf, Bollywood-Kino und die emotionalen Zusammenbrüche, die es hervorrufen kann, Mediabooks, 84-Entertainment-Mediabook-Sammler, bfi-Dual-Editions – und über einiges mehr.
In meinem Hotelzimmer versank ich kurz vor vier Uhr morgens ins Bett.


Sonntag, 30. April

ab 11.00 Uhr, Caligari FilmBühne

POKOT („Fährte“)
Regie: Agnieszka Holland, Kasia Adamik
Polen / Deutschland / Tschechische Republik / Schweden / Slowakei 2017
128 Minuten, DCP
In einer kleinen polnischen Bergstadt im Dreiländereck Polen-Tschechien-Slowakei gibt ein arroganter Kleinmafioso im Verbund mit der Polizei den Ton an. Der Männerbund trifft sich regelmäßig zu illegalen Jagden. Dagegen protestiert die örtliche Englischlehrerin und bekennende Tierliebhaberin Duszejko vehement. Dann ereilt eine Mordserie die Herren der Stadt – und Duszejko ermittelt auf eigene Faust...
© goEast Filmfestival
Als „feministisch-ökologischer Thriller“ wurde POKOT angekündigt. In meiner Vorstellung wuchs er ein wenig zu einer Art „Slasherfilm im schlesischen Hinterland“ an. Ersteres stimmt auf jeden Fall mehr, trifft es aber auch nicht richtig. POKOT ist ein Film, der ein wenig auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen möchte und es auch tut. Zweifelsohne ist er das ätzende Portrait einer viel zu mächtigen Männerbund-Clique – auch wenn dafür eigentlich von der Clique recht wenig zu sehen ist. Er ist auch ein Serienmörder-Thriller – auch, wenn er sich selbst eigentlich zu gut „aufbaut“, nur, um dann im zweiten Drittel andere Sachen zu tun, die teils interessanter, teils auch weniger interessant sind. Er ist auch ein weibliches Aussenseiterportrait, und Duszejko (sie heißt mit Vornamen Janina, mag aber nur mit ihrem Nachnamen angesprochen werden) ist sicherlich eine faszinierende Figur, äußerst mitreißend gespielt von Agnieszka Mandat: hier ist ein exzentrischer Charakter, liebenswürdig wie Miss Marple, zornig gegen Ungerechtigkeiten, dass einem das Herz aufgeht und doch lauern da Abgründe – auch wenn diese Abgründe bisweilen etwas zu sehr offensichtlich werden. Zwischendurch zieht sich POKOT ganz in den Wald und in das Waldhäuschen Duszejkos zurück, und deutet für kurze Zeit eine Screwball-Komödie und eine zarte Ménage-à-trois-Romanze an. Wo sich der Film allerdings abseits seiner Hauptfigur begibt und zusätzliche Charaktere einfügt, stolpert er und fällt um wie der epileptische IT-Fachmann der örtlichen Polizei: gerade dieser wirkt so offensichtlich wie ein reines Comic-Relief-Element, dass es fast schon weh tut. Ich bin unschlüssig. Agnieszka Holland selbst sagte im Q & A nach dem Film, dass POKOT als Multi-Genre-Film angelegt ist – und dass sicherlich einige Kritiker nicht bereit sein werden, die verschiedenen Elemente „zusammenzukleben“ (sie sagte tatsächlich irgendetwas von „glue“). Und tatsächlich: ich sehe viele positive Elemente, ich sehe auch Schwächen. Vielleicht wird mir irgendwann eine Neusichtung einen kleinen Topf voller Kleber in die Hand geben...
Agnieszka Holland hat aber zweifelsohne das großartigste Q & A gegeben, das ich auf dem Festival sah. Obwohl von eher kleiner Statur, ist sie eine äußerst charismatische Persönlichkeit: sehr selbstsicher, unverblümt, extrem eloquent und dabei immer mit einem scharfen Humor ausgestattet. Auf eine Frage aus dem Publikum, was sie von erstarkenden „rechtspopulistischen“ Tendenzen in Europa halte, antwortete sie resolut und ohne auch nur eine halbe Sekunde zu zögern: „Fuck them!“. In Zeiten, in denen Rassismus, Hassparolen, chauvinistische Gewaltphantasien und allerlei sonstige Niederträchtigkeiten mit putzigen Parolen wie „berechtigte Sorgen“, „wir sollten die Leute da abholen, wo sie stehen“ (ich dachte, dass dafür eigentlich Taxis zuständig seien) und „Ängste, die wir ernst nehmen müssen“ verniedlicht werden, tut so eine Antwort wirklich gut. Holland erklärte dann, wie sehr sie die Schnauze voll davon hat, dass im Polen der PiS und der wieder erstarkten katholischen Kirche alles, was nicht weiß, polnisch und männlich ist, als Lebewesen zweiter Wahl gelte. In diesem Kontext erzählte Holland dann eine Begebenheit: vor einigen Jahren flog sie in die USA (wahrscheinlich von Paris aus). Kurz vor dem Abflug stand in der Warteschlange direkt vor ihr Jean-Marie Le Pen, Begründer und langjähriger Vorsitzender des rechtsradikalen Front National. Für einen kurzen Moment schoss ihr durch den Kopf, dass sie eigentlich die Möglichkeit hätte, ihn zu töten, ihn mit irgendeinem spitzen, scharfen oder auch schweren stumpfen Gegenstand anzugreifen.
Nun... Jean-Marie Le Pen lebt noch und Agnieszka Holland sitzt nicht im Knast wegen Mord. Sie hat stattdessen einen Film gedreht. Einen Film, in dem die schmierigen, faschistischen, chauvinistischen, menschenverachtenden und sadistischen Dreckssäcke allesamt zur Hölle geschickt werden. Dass diese Fantasie selbst natürlich auch einen fiesen, bitteren Beigeschmack hat, daraus machte Holland weder als Regisseurin von POKOT, noch als Gesprächspartnerin beim Q & A einen Hehl.
Ja, doch... vielleicht sollte ich mir POKOT irgendwann nochmal anschauen, mit genau diesem Bild im Hinterkopf: in einer Warteschlange steht eine kleine polnische Frau hinter einem bulligen französischen Mann.


ab 16.00 Uhr, Apollo-Kinocenter
REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. („Requiem für Frau J.“)
Regie: Bojan Vuletić
Serbien / Bulgarien / Mazedonien / Russland / Frankreich 2017
94 Minuten, DCP
Montag... Eine ältere Frau, früher eine renommierte Journalistin, heute arbeitslos, möchte Selbstmord begehen, und zwar am besten am Freitag. Da gibt es noch allerlei zu planen. Doch Selbstmord ist gar nicht so einfach...

© goEast Filmfestival
Suicide is arduous
it brings on many hitches
and I can take it or leave it if they please
(aus dem Titelsong von M.A.S.H. – leicht modifiziert)

Am Abend des 21. Aprils 2012, wahrscheinlich schon nach halb 11, in einem Saal des Apollo-Kinocenters, verliebte ich mich bei meinem ersten Besuch definitiv in das goEast-Festival: PRAKTIČAN VODIČ KROZ BEOGRAD SA PEVANJEM I PLAKANJEM (im deutschen DVD-Titel kürzer und viel weniger poetisch: „Rendezvous in Belgrad“) lief hier und wurde zu einem meiner großen Filmerlebnisse des Jahres 2012. Ich glaube, dass nur selten irgendeine persönliche Erwartungsmesslatte so hoch war wie für den Folgefilm des Serben Bojan Vuletić, ganze fünf Jahre später. Nun... übersprungen wurde sie nicht, aber auf jeden Fall berührt.
REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. beginnt ganz unten, da wo andere Filme bereits zum Schluss kommen: eine Frau sitzt in ihrer Küche und baut eine Pistole zusammen. Etwas schlimmes wird passieren und die Tatsache, dass die Kamera absolut fix ist und alles mit großer Gnadenlosigkeit in Gänze festhält, bekräftigt das fatalistische Grundgefühl.
Nach und nach kommt heraus, dass die Dame offenbar Selbstmord begehen möchte und sich nun langsam darauf vorbereitet. Die Pistole hat sie schon. Die Grabstelle neben ihrem Mann hat sie auch – sie muss nur noch eine passende Grabinschrift für sich selbst bestellen. Das letzte Bier und die letzte Zigarette (mit einem letzten Streichholz) sind auch schon vorbereitet. Als sie jedoch eine Kugel für ihre Pistole bei einem ehemaligen Kartenspielkollegen ihres Mannes kaufen möchte, wird das ganze komplizierter: durch Andeutungen gibt ihr der etwas schmierige aber doch verständnisvolle Typ zu verstehen, dass er begreift, was sie vorhat – aber ob sie zum Wohl ihrer Töchter nicht eine etwas weniger „dreckige“ Methode wählen möchte, zum Beispiel Beruhigungstabletten mit hochprozentigem Alkohol? Das leuchtet der niedergeschlagenen, fürchterlich welt- und lebensmüden, aber doch ganz vernünftigen Dame ein. Sie braucht nur zu ihrem Arzt zu gehen und sich etwas verschreiben zu lassen. Doch da fangen die Probleme an: als Arbeitslose braucht sie beim Arzt eine bestimmte Bescheinigung des Arbeitsamtes – die sie nur bekommt, wenn ihre ehemalige Arbeitsstelle ihr eine Arbeitsbescheinigung ausstellt – was sich wiederum als schwierig herausstellt, weil die Arbeitsstelle nicht mehr wirklich existiert, und die letzten Mitarbeiter dort dann auch noch ihren Namen auf den Unterlagen falsch geschrieben hat... Und dann wird auch noch ihre ältere Tochter schwanger...
An ausformulierter (Vulgär-)Psychologisierung ist REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. vollkommen desinteressiert. Er ist ein absolut reiner Aktionsfilm, insofern wir bis kurz vor dem Schluss tatsächlich nur das Äußere der Selbstmörderin sehen. Eine Erklärung für den Todeswunsch der Frau liefert der Film nicht. Ihr Ehemann ist tot, und möglicherweise hat sie dessen Tod nicht überwunden – sie will sich auf jeden Fall an dessen ersten Todestag (dem Freitag) töten. Vielleicht kann sie nicht damit umgehen, arbeitslos zu sein – immer wird angedeutet, dass sie einst eine engagierte und begeisterte Journalistin war. Oder es kann auch sein, dass sie ihre beiden Töchter nicht mehr aushält, die echte Nervensägen sind und sich gegenseitig die ganze Zeit anpflaumen. Vielleicht ist es auch nichts von all dem.
Oft ist, wenn es um weibliche Filme geht, ist von „starken“ Frauen die Rede. Irgendwo muss da ein Missverständnis in der Perspektive oder in der Wahrnehmung dessen liegen, was Film ist oder kann, denn REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. ist ein ganz starker Film über eine extrem „schwache“ Frau. Die Titelfigur, absolut fantastisch gespielt von Mirjana Karanović (die auch für Jasmila Žbanić, die Regisseurin des im ersten Teil besprochenen FOR THOSE WHO CAN TELL NO TALES gearbeitet hat), ist völlig leer, energielos, ohne Antrieb – und schließlich stellt sich heraus, dass die Hürden, die sich vor ihr auf dem Weg zum Selbstmord aufbauen, ihr kleines Rest an Energie völlig überfordern. Frau J. ist dermaßen schwach, dass sie noch nicht einmal Selbstmord begehen kann...
...unter anderem auch, weil sich ihr eine alptraumhafte Bürokratie in den Weg legt. Hier liegt auch der banalste Interpretationsansatz zu dem Film: REKVIJEM ZA GOSPOĐU J., liest man an mehreren Stellen, sei ein Film über das Schicksal von Wende-Verlierern in Post-Jugoslawien (Frau „J.“), über auswuchernde und korrupte Bürokratie, die den Menschen ihre Würde nehmen. Das ist an sich nicht falsch, aber ich denke doch, dass der Film weit darüber hinaus reicht. Mehr noch als PRAKTIČAN VODIČ KROZ BEOGRAD SA PEVANJEM I PLAKANJEM ist REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. ein „un-serbischer“, weil im Kern universeller Film.
„Frau J.“ hat übrigens Vornamen und Nachnamen, die nicht mit J anfangen, allerdings einen mittleren Namen (ob zweiter Vorname oder Vatersnamen – gibt es das in Serbien? – weiß ich nicht), der mit „J“ beginnt. Ihre frühere Arbeitsstelle hat jedoch einen Fehler gemacht bei der Ausstellung einer Arbeitsbestätigung und aus Versehen „K.“ statt „J.“ hingeschrieben. Tatsächlich ist REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. weniger ein Wende-Verlierer-Film über Serbien als etwas, das den alptraumhaften Welten Franz Kafkas viel näher ist. Etwa ab der Mitte des Films häufen sich die Andeutungen, dass wir uns die ganze Zeit gar nicht in einer serbischen Stadt, sondern eigentlich schon im Jenseits, oder im Fegefeuer, oder gar bereits in der Hölle befinden. Als die Protagonistin ihre alte Arbeitsstelle für die Bescheinigung aufsucht, findet sie nur eine riesige, verfallene Druckerhalle vor und gespenstisch leere Redaktionsräume – ein Ort, der tatsächlich auch als „jenseitig“ gefilmt wird. Dass die Selbstmörderin plötzlich ein Büro findet, in dem zwei ehemalige Arbeitskollegen arbeiten, macht das ganze nicht beruhigender. Ob diese Szenen nicht möglicherweise eine Vision der Selbstmörderin sind? Immer wieder erklingen die Töne eines Gongs. Ohne mich mit der Materie auszukennen: aber diese Klänge hören sich an wie eine fernöstliche (vielleicht buddhistische) Todeszeremonie. Auf jeden Fall Klänge des Todes aus der geografischen Ferne. Dem trockenen Realismus der starren Kamera zum Trotz: mit zunehmender Laufzeit wird Vuletić‘ Film zunehmend von einem mystischen Hauch beseelt.
REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. will am Ende nicht weniger als den Tod mit den Mitteln des Films zu überwinden. Hier fällt mir die Sage von Orpheus und Eurydike ein und vielleicht kann man den Film auch als eine Variation sehen: ohne Orpheus, nur mit Eurydike, die auf sich alleine gestellt selbst einen Ausgang aus der Hölle finden muss und schließlich auch findet.
Es gibt drei Filme, die mich bei diesem Festival an den Rand der Tränen geführt haben, weil sie so unfassbar schön, oder unfassbar berührend, oder gar unfassbar unfassbar waren: STARCI NA CHMELU, POSLEDNATA DUMA (weiter unten mehr dazu) und dieser. REKVIJEM ZA GOSPOĐU J. hat mich vielleicht gar an den Rand des emotionalen Kollapses geführt, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich am Sonntag nach zweieinhalb Festivaltagen mit vollem Programm und starkem Schlafmangel langsam in einen Zustand starker Erschöpfung geriet, in einen Mix aus Müdigkeit, leichter Depression und nervlicher Überreizung.


ab 18.30 Uhr, Murnau-Filmtheater

MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ... („Mein Lieber, Teurer, Geliebter, Einziger...“)
Regie: Dinara Asanova
UdSSR 1985
70 Minuten, 35mm
Ein Mann, der nachts private Taxidienste anbietet, nimmt eine sehr junge Frau mit einem Baby auf, die Schutz vor einem prügelnden Ehemann sucht. Der Fahrer will sie eigentlich rasch wieder loswerden, doch sie hängt sich äußerst hartnäckig an ihn. Gemeinsam fahren sie durch die verschneite Leningrader Nacht.
MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ... ist der letzte Film der kirgisisch-sowjetischen Filmemacherin Dinara Asanova, die nicht einmal zwei Monate nach der Kinopremiere mit nur 42 Jahren unerwartet starb (Herzstillstand). Asanova war an Larisa Šepit‘kos ersten Langfilm ZNOJ von 1963 beteiligt. Ab den 1970er Jahren machte sie sich einen Namen als Regisseurin von Filmen über jugendliche Delinquenten und generell über Konflikte zwischen Teenagern und Erwachsenen und galt als großes Talent im Umgang mit jugendlichen Schauspielern. In den 1980er Jahren arbeitete sie bei vier Filmen – unter anderem diesem – mit dem Schauspieler und Drehbuchautoren Valerij Priёmychov zusammen. Priёmychov, der für mich mit seinem markant-kantigen Gesicht ein bisschen wie der vergessene kleine russische Cousin von Scott Glenn aussieht, spielte im GULag-Auflösungs-Selbstjustiz-Actionthriller CHOLODNOE LETO PJAT‘DESJAT TRET‘EGO („Der kalte Sommer 1953“) die Hauptrolle. In MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ..., für den er auch das Drehbuch schrieb, ist er nicht weniger charismatisch und beeindruckend – da kann seine Partnerin Ol‘ga Mašnaja leider nicht so gut mithalten.
Wie bereits gesagt: ein eindeutiger Fall von Festivalerschöpfung hatte mich diesen Nachmittag ereilt, und ich möchte diesem Zustand zuschreiben, dass ich MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ... etwas unterwältigend fand und dass er sich eher wie 120 als wie kurze 70 Minuten anfühlte. Er bietet zweifellos beeindruckende Impressionen des nächtlichen, verschneiten Leningrad, mit Priёmychov einen wie schon erwähnt fantastischen Hauptdarsteller und eine überaus aufregende Autoverfolgungsjagd gibt es auch. Andererseits wirkte der Film zwischendurch wie ein B-Movie, dem der kleine Funke Genialität fehlt, um seine eigenen Begrenzungen zu sprengen. Dafür, dass in den ersten zwei Dritteln nur zwei Personen ohne Ziel durch Leningrad fahren, paukte er am Ende dann noch ganz schön überhetzt viele Wendungen durch.
Auch von den Ankündigungen her hätte ich einen wilderen Film erwartet. Tatsächlich war aber MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ... eine kleine Ruhepause vor dem kommenden aufbrausenden Sturm...


ab 20.00 Uhr, Murnau-Filmtheater

POSLEDNATA DUMA („Das letzte Wort“)
Regie: Binka Željazkova
Bulgarien 1973
102 Minuten, 35mm
Einige Frauen sitzen in den frühen 1940er Jahren in einem faschistischen Gefängnis in der Todeszelle. Statt passiv auf ihre Hinrichtung zu warten, wehren sie sich mit kreativen Protestaktionen gegen die Schikanen ihrer Wärter.
© goEast Filmfestival
Filmstill in Schwarzweiß – der Film ist farbig

Wow...
...
...
... eine mechanische Spielzeugpuppe läuft zu fetzigen Balkanrock-Klängen auf der Straße. Eine Maschinengewehrsalve ertönt und die Puppe fällt um. Das sind die ersten Bilder von POSLEDNATA DUMA. Bilder, die aussehen, als kämen sie aus einem freidrehenden italienischen Giallo. Gegen Ende des Films sehen wir ein Torbogen, an dem ein baumelnder Galgenstrick hängt. Die Kamera platziert sich dann unter dem Torbogen, schaut nach oben und beginnt dann, wie wild geworden eine Kreisbewegung unter dem baumelnden Galgenstrick auszuführen, dass einem ganz schwindelig wird – als hätte Sergio Leone den Schluss-Flashback von C‘ERA UNA VOLTA IL WEST abstrahierter und auf Speed gefilmt. POSLEDNATA DUMA ist von Anfang bis Ende voll von solchen bizarren, entfesselten Regieideen und während des ganzen Films schwingt das Gefühl, dass man solche Bilder im italienischen Genrekino der 1960er und 1970er Jahre gesehen hat – dort aber nicht so radikal und wahnwitzig wie das, was Binka Željazkova auf die Leinwand gezaubert hat, in einem Land, das in dieser Zeit erheblich weniger „lustig“ und „fröhlich“ als Italien war. Ja, neben Željazkova sieht sogar Chytilová ein bisschen weniger wild aus.
Radikales antiautoritär-feministisches Manifest, Women-in-Prison-Exploitation, Musical und Performance-Kunst (also Choreografien mit und ohne Musik), Momente purer visueller Abstraktion mit wilden Mehrfachbelichtungen, schmachtendes Melodrama, Politessayfilm über Heldengedenken, Paranoia-Thriller – das alles ist POSLEDNATA DUMA. Der Film springt dabei ohne jegliche Vorwarnung, teilweise sogar mit desorientierenden Ton-Überlappungen, zwischen diesen disparaten Genres und Stilen sowie zwischen drei verschiedenen Zeitebenen.
In der Gegenwart der frühen 1970er Jahre wird wie jedes Jahr in Bulgarien an einem 2. Juni der Tag zur Ehrung der gefallenen Antifaschisten gefeiert. Die Stadt (wahrscheinlich eine Provinzstadt) befindet sich im Ausnahmezustand: Stände und Paraden werden vorbereitet, Jung und Alt eilt ins Zentrum, eine Rockband spielt bereits fetzige Lieder und eine Sirene mahnt zu einer bestimmten Zeit zu einer Schweigeminute, die unverzüglich da begangen wird, wo sich die Leute gerade befinden. Immer wieder sehen wir Bilder von Straßen, in denen viele Menschen völlig still auf der Stelle stehen bleiben (was einigermaßen merkwürdig aussieht).
Die Haupthandlung spielt im Gefängnis. Dort sitzt ein halbes Dutzend Frauen in einem Todestrakt und ist der nackten Willkür der männlichen Wärter und des Direktors ausgesetzt. Die Frauen werden permanent überwacht und belauscht. Manchmal wird mitten in der Nacht eine von ihnen herausgezerrt, an den Galgen gebracht und dann einer brutalen und makabren Scheinhinrichtung unterzogen. Auch Vergewaltigungen stehen an der Tagesordnung. Und nicht zuletzt wird jede einzelne vom Direktor unter Druck gesetzt und dazu gedrängt, gegen ihre Zellengenossinnen auszusagen: das funktioniert zumindest im weitesten Sinne, insofern Misstrauen zwischen den Frauen gesät wird. Doch die Insassinnen wehren sich auf ihre eigene Weise. Eine von ihnen ist hochschwanger, doch mit der Hilfe ihrer Zellengenossinnen kann sie das Kind gebären. Daraufhin werden die Zellenwände mit allerlei farbigen Motiven bemalt, um dem Kind bunte Bildgeschichten erzählen zu können. Die Frauen finden auch andere Formen des passiven Widerstands: einige rennen, wenn ihre Zellentür aufgemacht wird, sofort durch die Gefängnisflure (das wird mit einer sehr denkwürdigen Point-of-View-Kamera gefilmt) – auch wenn sie nach spätestens zwei Minuten doch wieder gefangen werden. Zwischendurch verschaffen sie sich Luft, indem sie ihre Wärter und den Direktor wüst beschimpfen. Als im Innenhof allen Insassinnen die Köpfe geschert werden, stimmen sie ein kollektives Gelächter an, das die Wärter fast in Panik versetzt. Und schließlich bricht eine Art kleine Rebellion aus, als alle Frauen sich vor dem Fenster des Direktors versammeln und unisono in seine Richtung pusten.
Die dritte Zeitebene ist die Erinnerung der Frauen an die Zeit vor ihrer Inhaftierung. In den Flashbacks erinnert sich die eine etwa an ihre letzte Aktion als Partisanin, bei der sie schließlich gefangen genommen wurde, während einer ihrer Kameraden getötet wurde. Eine andere, eine Lehrerin, erinnert sich an ihren Unterricht und ihre Schüler, mit denen sie „Antigone“ las und dann eine besonders wilde, aufrührerische Vorstellung des Stücks probte – gespielt wie ein Stück Performance-Kunst in einer felsigen Landschaft.
Woraus in linearer Erzählweise etwa drei bis vier Filme gedreht werden könnten (oder heutzutage wohl sieben bis acht Serienstaffeln) führt Željazkova mithilfe eines elliptischen Schnitts und unerwarteter Montagesequenzen einem einzigen Film zusammen. Harte Balkanrock-Gitarre, die wir im Erzählstrang der 1970er Jahre hören, erklingt in dem Knast-Erzählstrang, bevor es kurz danach wieder in die 1970er geht. Eine Lesung der Namen gefallener Antifaschisten am Gedenktag wird unterbrochen durch Bilder der Frauen im Gefängnis, die in die Kamera schauen und „Anwesend!“ rufen. Zwischendurch beginnen die Frauen in der Zelle zu tanzen, Mehrfachbelichtungen überlagern sie mit immer mehr Ausschnitten ihrer Wandmalerei, bis alles zu einem mehrminütigen abstrakten Bild-Ton-Gemälde verschwimmt.
Ich komme hier nicht aus den Pötten: POSLEDNATA DUMA hat mich offenbar dazu gebracht, inkohärentes Zeug zu brabbeln, das nicht annähernd zeigen kann, was für ein unfassbarer und unglaublicher Film das ist. Daher vielleicht noch ein paar wenige Worte zu Binka Željazkova, die offenbar so obskur ist, dass selbst die Kuratorin nicht viel sagen konnte. Željazkova, Jahrgang 1923, war in den frühen 1940er Jahren Kämpferin bei den kommunistischen Partisanen und kannte aus dieser Zeit persönlich den späteren, langjährigen Parteichef Todor Živkov, mit dem sie eine lebenslange Animosität verband. Zwischen den späten 1950er Jahren und 1990 drehte sie 6 Spielfilme, einen TV-Film und zwei Dokumentarfilme. Bei fast allen Filmen hatte sie mit der Zensur zu kämpfen. Ihr zweiter Film, PRIVARZANIJAT BALON („Der zusammengebundene Ballon“) von 1967, erzählt davon, wie ein Ballon in einem bulgarischen Dorf der frühen 1940er auftaucht und dort für Tumulte sorgt. Der Ton des Films passte dem Regime nicht, und ganz besonders nicht eine Szene, in dem ein Esel gefeiert und von den Männern in einer Art Parade durch das Dorf getragen wird. Dem Film wurde vorgeworfen, die Kommunistische Partei zu beleidigen und er wurde verboten.
Željazkova war mit dem ehemaligen antifaschistischen Partisanen, Drehbuchautoren und Regisseur Christo Ganev verheiratet, der auch einige Drehbücher für sie verfasste und ebenfalls Probleme mit dem Regime hatte. Ihre gemeinsame Tochter, Svetlana Ganeva, ist Kamerafrau. Željazkova zog sich 1990, mit der Wende, aus dem aktiven Filmgeschäft zurück. Sie starb 2011 mit 88 Jahren in Sofija.


ab 23.00 Uhr, Festival-Zentrum (Wiesbadener Casino-Gesellschaft)
Zweites informelles Filmgespräch mit „Bildstörung“
POSLEDNATA DUMA sollte das letzte Wort des Abends sein, zumindest in Sachen Filmvorführung. Welcher Film sollte denn bitte schön nach einem solchen noch folgen können?
Vollkommen überwältigt ging ich mit Lutz in die Innenstadt zum Festivalzentrum, um dort noch ein letztes Absacker-Bier zu trinken (nur ein letztes). Carsten und Alexander von „Bildstörung“ tauchten nach wenigen Minuten zufällig auch dort auf. Aus dem Absacker-Bier wurden dann mehrere Runden und lange Gespräche über abseitige feministische Interpretationen von Mainstream-Horrorfilmen, Frauenfiguren bei James Cameron, Leni Riefenstahl und David Griffith, Paul Thomas Anderson vs. Robert Altman (MAGNOLIA als Rip-Off von SHORT CUTS), Paul Thomas Anderson vs. Paul W. S. Anderson, die ästhetischen Unterschiede zwischen František Vláčils MARKETA LAZAROVÁ und ÚDOLÍ VČEL, sowie zwischen MARKETA LAZAROVÁ und TRUDNO BYT‘ BOGOM (zwischen „Marketa“ und „Gott“), die Unterschiede zwischen den verschiedenen Fassungen von BLADE RUNNER, Walerian Borowczyk, Jean-Luc Godard und vieles mehr.
Schon wieder erst kurz vor vier ins Bett gekommen.



Zum Schluss ein kleines persönliches Ranking

Absolute Bretter
STARCI NA CHMELU – POSLEDNATA DUMA

Große Knaller
HRA O JABLKO – REKVIJEM ZA GOSPOĐU J.
ÖRÖKBEFOGADÁS

Kleine Knaller
MAJD HOLNAP
FOR THOSE WHO CAN TELL NO TALES
RAMDENIME INTERVIU PIRAD SAKITKHEBZE
KRYL‘JA
ČESKE HRADY A ZÁMKY
JESTEM MĘŻCZYNĄ

Wirklich gut
NAPLÓ GYERMEKEIMNEK
TRAMVAJ IDET PO GORODU
A LÖRINCI FONÓBAN
BEDNIEREBA / FELICITA

Ganz gut
CIPKA
RVANYE BAŠMAKI
MILYJ, DOROGOJ, LJUBIMYJ, EDINSTVENNYJ...
BUBA
POKOT

Mäh
ROSSIJA KAK SON
WIR LASSEN UNS SCHEIDEN

Nein!
DEVOČKI

Fahr doch selbst zur Hölle!
BEDNIEREBA / FELICITA: EIN VERGESSENER GEORGISCHER CUT VON GEORGE ROMEROS „DAWN OF THE DEAD“