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Mittwoch, 31. März 2010

Er ist's!


Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süsse wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land...
(Eduard Mörike 1804-1875)

Hatschi! Der schwäbische Pfarrer und Vertreter einer Biedermeier-Literatur, die sich nicht immer ganz so anspruchslos bemerkbar machte wie hier, litt im Gegensatz zu mir offenbar unter keiner Pollenallergie. - Wie dem auch sei: Normale Sterbliche würden derartiger Lyrik wohl Bilder zugesellen, die blümelnde Bienen poppende Knospen oder Menschen zeigen deren dieser Jahreszeit angemessene Tätigkeit auf einer jugendfreien Seite nicht in Wort und Bild zum Ausdruck kommen sollte. Da ich jedoch in mancherlei Hinsicht ein wenig anders “gestrickt” bin, verzichte ich mal auf den üblichen Kitsch  und warte stattdessen mit einem Gemälde des Manieristen Giuseppe Arcimboldo (um 1526-1593) auf. --- Und ja, er ist’s tatsächlich: “Der Frühling”! Der exzentrische Italiener, der in Wien zum Hofmaler von Kaiser Rudolf II. aufstieg und vor allem für seine Umkehrbilder berühmt wurde (ich schätze z.B. das boshafte “Der Fleischteller” oder “Der Metzger”, das je nach Geschmack und Ausrichtung die deutsche Bundeskanzlerin oder ihren welligen Aussenminister darstellen könnte), schuf nämlich tatsächlich einen “Vier Jahreszeiten”-Zyklus, in dem er Portraits aus Blumen, Früchten und anorganischen Stoffen (hier u.a. Rosenknospen, Löwenzahn und Maiglöckchen) derart kunstvoll arrangierte, dass ihm bleibender Ruhm beschieden war (selbst die Surrealisten liessen sich von seinen allegorisch-enigmatischen Einfällen beeinflussen). - Sollte also jemand über Ostern nach Wien fahren: im Kunsthistorischen Museum sind einige Bilder von Arcimboldo zu bewundern.

Womit wir über Umwege beim eigentlichen Thema angelangt wären: Geniesst das verlängerte Wochenende! Haltet euch mal von Filmen fern und begebet euch - möget ihr nun gottesfürchtige Menschen sein oder nicht - hinaus in die freie Natur! Will heissen: Nehmt die 250 Meter bis zu eurer Lieblingsspelunke zu Fuss in Angriff und sprayt auf dem Heimweg - den Duft der Blumen dankbar in euch aufnehmend - das Garagentor eures Nachbarn mit Graffitis voll. Macht ja nichts: Schliesslich seid ihr besoffen.

Und nachdem es uns nun völlig missglückt ist, eine Verbindung zwischen Biedermeier, italienischer Spätrenaissance und euren Lastern herzustellen, werden wir wohl auch noch den Weg zu einem der Jahreszeit mit ihren österlichen Feiertagen unangemessenen Film finden:


Osterspaziergang
(Easter Parade, USA 1948)
Regie: Charles Walters
Darsteller: Judy Garland, Fred Astaire, Peter Lawford, Ann Miller u.a.

MGM kündigte “Easter Parade” als “the happiest musical ever made” an. Und obwohl die Hollywood-Maschinerie in Sachen Werbung schon immer ein wenig übertrieb, muss ich ihr in diesem Punkt zustimmen, dient doch das Nichts an Handlung lediglich als Vorwand für siebzehn (!) unvergesslich choreographierte Gesangs- und Revuenummern, zu denen Irving Berlin die Musik lieferte. Wer sich auch nur ein wenig mit dem Genre befasst hat, muss über sie gestolpert sein und sie - im Herzen bereichert - zu dessen Glanzpunkten  zählen:

Ausgerechnet nach der Rückkehr von der Osterparade in New York erfährt der berühmte Tänzer Don Hewes von seiner Partnerin Nadine, dass sie eine Solokarriere in Angriff nehmen möchte. Don ertränkt daraufhin seinen Kummer mit  Freund Jonathan   in einer Kneipe und behauptet leicht angesäuselt, er könne aus jeder zufällig herausgepickten Tänzerin eine zweite Nadine formen. Das Chorus Girl, für welches er sich entscheidet, heisst Hannah Brown und erweist sich  als schwieriger Fall; denn Hannah ist eigentlich Sängerin und eignet sich überhaupt nicht für die klassischen Tanznummern, die Don mit ihr einübt. Bald erkennt der Tänzer jedoch Hannah’s Talent für Komik, und die beiden steigen ebenso zu Starruhm auf wie Nadine mit ihrem Soloprogramm. Einige Liebesgeschichten, die sich nebenbei abspielen (Jonathan, der sich auch für Hannah zu interessieren beginnt, bleibt, wie man es von Peter Lawford, der erst im Zusammenhang mit dem Tod von Marilyn Monroe wirkliche “Berühmtheit” erlangte, gewohnt ist, der “Fella with an Umbrella”), sind nicht weiter erwähnenswert. Wichtig ist nur: Am Ende hat Hannah, die schon fürchtete, sie würde ihren Partner wieder an seine frühere Tanzpartnerin verlieren, Don so weit, dass er ihr auf der Osterparade einen Ring schenkt.

Im Zentrum des Musicals stehen natürlich die höchst einfallsreich und in wunderschönem Technicolor gefilmten Tanz- und Gesangsnummern. Sie beginnen mit dem Stück “Drum Crazy”, mit dem ein völlig von seinem klassischen Stil befreiter Fred Astaire vor einem erstaunten Jungen sämtliche Schlagzeugelemente in einem Spielzeugladen traktiert. Einzigartig natürlich auch seine Ballade “It Only Happens When I Dance With You”, mit der er Nadine zurückgewinnen möchte. Und wenn das für einander bestimmte Duo Hannah/Don dann zu seiner wahren Berufung findet, gelingen ihm Darbietungen, die bestimmt nicht nur die Besucher der Ziegfeld Follies zutiefst mit Glücksgefühlen erfüllt  hätten (“Snooky Ookums”, “When the Midnight Choo-Choo Leaves for Alabama”, “Ragtime Violin” - als Höhepunkt natürlich “A Couple of Swells”, der Song, der Garland und Astaire als Landstreicher zeigt, die auf der Bühne wie Snobs  die Strasse entlang gehen, “walk up the avenue“). Den Gegensatz zu diesen humoristischen Nummern bilden die unwiderstehlich erotischen und von artistischen Tanzeinlagen begleiteten  Songs der begnadeten Ann Miller (“Shakin’ the Blues Away” oder “The Girl on the Magazine Cover”). Man könnte behaupten, vor “Easter Parade” sei es selten einem Film-Musical geglungen,  die Zuschauer mit einem derart geglückten Mix zu überraschen. Der Film erhielt denn auch den Oscar für die beste Musik (er ging seltsamerweise nicht an Irving Berlin, sondern an Johnny Green und Roger Edens)  und wurde zu einem der grössten Musical-Erfolge der 40er Jahre.


Dass dieser Erfolg überhaupt zustande kam, ist mehreren Zufällen zu verdanken: So war ursprünglich Gene Kelly als Partner für Judy Garland vorgesehen, was man dem Charakter einiger Nummern - sie waren regelrecht auf ihn zugeschnitten - auch anmerkt. Als Kelly sich jedoch den Fussknöchel brach, sprang Astaire, der sich eigentlich vom Film zurückziehen wollte (ein unfassbarer Entschluss, wenn man bedenkt, was der Star in den folgenden Jahren noch leistete), für ihn ein - und fand zu einer Lockerheit, die man von ihm als “klassischem” Film-Tänzer gar nicht gewohnt war (Judy Garland, die seinen üblichen Tanzpartnerinnen nicht ebenbürtig war, aber, wie er selber eingestand, ganz andere Qualitäten einbrachte, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben). - Auch der ursprünglich vorgesehene Regisseur Vincente Minnelli wurde ersetzt, da die mit ihm verheiratete Judy sich gerade von einem u.a. der krisengeschüttelten Ehe zu verdankenden Nervenzusammenbruch erholt hatte und man fürchtete, eine Zusammenarbeit könnte neue Probleme mit sich bringen. Dies war meines Erachtens ein Glücksfall: Minnelli, der sich in den frühen 50ern mehr und mehr einer mir nicht sonderlich zusagenden Artifizialität zuzuwenden begann (“An American in Paris”, 1951, “Brigadoon”, 1954, “Lust for Life”, 1956 etc.), hätte wohl niemals jenen Eindruck beglückender, wenn auch flüchtiger Leichtigkeit auf die Leinwand gezaubert, der als eigentliches Markenzeichen von “Eastern Parade” gelten darf. - Letztlich musste auch die brillante Ann Miller (sie zog 1953 dann in “Kiss me, Kate” als mannstolle Bianca auch “any Tom, Dick or Harry” als Gatten in Betracht  - und kehrte, was oft gar nicht  ausreichend wahrgenommen wird, für einen der wichtigsten Filme dieses Jahrzehnts, David Lynch’s “Mulholland Dr.”, 2001, als ‘Coco’ noch einmal vor die Kamera zurück) für die schwangere Cyd Charisse einspringen und schaffte es so zu einem sexbeladenen MGM-Debüt, welches wohl die Ursache für  die von ihr immer wieder zurückgewiesene “Gunst” von Louis B. Mayer war.

Dies könnte natürlich der richtige Ort sein, um auf das sich schon früh abzeichnende Schicksal der zu Depressionen neigenden und drogenabhängigen Judy Garland, für die “Easter Parade” als weiteres Erfolgs-Vehikel nach “Meet Me in St. Louis”, 1944, und “The Pirat”, 1948, zurechtgeschnitten war (ich glaube selbst in den witzigsten Szenen eine tiefe Traurigkeit in ihren Augen zu entdecken), einzugehen.  Andererseits ist dieser Film ein derart luftiges Vergnügen, dass man sich ein solches Thema feige etwa für “A Star Is Born”, 1954, in dem Licht- und Schattenseiten des Starruhms ohnehin zur Sprache kommen, aufsparen möchte.

Belassen wir es deshalb bei der nicht von mir erfundenen Feststellung, “Osterspaziergang” habe in Wirklichkeit wenig mit Ostern zu tun, sondern sei vielmehr ein herrlicher, nur rund 103 Minuten dauernder Karneval für die ganze Familie, den man zu jeder Jahreszeit geniessen kann. - In diesem Sinne wünsche ich meinen zwei Lesern ein “fröhliches Suchen nach gefärbten Eiern”, gönne auch mir ein paar Blogger-freie Tage über Ostern hinaus --- und seid froh, dass ich nicht mit Mel Gibsons “The Passion of the Christ”, 2004, angetrabt bin!!!