(Pote tin Kyriaki, Griechenland/USA 1960)
Regie: Jules Dassin
Darsteller: Melina Mercouri, Jules Dassin, Giorgos Foundas, Titos Vandis, Mitsos Ligizos u.a.
“Pote tin Kyriaki” veränderte in den 60er Jahren mimisch-affektives Verhalten und Begriffskonnotationen diverser schwer arbeitender Hausfrauen, die sich nach dem Schrubben des Holzbodens neidisch die weiblichen Stars auf den Titelblättern von Boulevardzeitschriften anschauten, auf eigenartige Weise. So pflegte etwa meine Mutter gegenüber dem fragenden Sohn Liz Taylor als “Metze” zu bezeichnen; Gina Lollobrigida war ein “Luder”, Brigitte Bardot gar eine “Schnalle”. Erblickte sie jedoch Melina Mercouri, erhellte sich ihr Gesicht augenblicklich, und ihre Augen begannen zu leuchten. Dann sagte sie freudig-erregt: “Das da ist eine Hure!” - So wurde mein Interesse an der Wortfeldtheorie geweckt...
Ja, Melina Mercouri war in “Pote tin Kyriaki” tatsächlich eine Hure, und was für eine. Sie war Ilya, ein lebensfrohes und herzensgutes Mädchen, das im Hafen von Piräus mit Begeisterung anschafft, sich darüber freut, dass ihm alle Männer nachschauen, wenn es zum Schwimmen im Meer eilt - und das sich seine Freier (jeden Tag einen anderen) selber aussuchen kann - eine Regel aber einhält: Sonntags... nie! Diesen Tag will der Star unter den Prostituierten für sich allein.

Was machte diesen Film über eine Prostituierte so “hausfrauentauglich”, während etwa Billy Wilder im prüden Amerika noch 1964 mit “Kiss Me, Stupid!” die Karriere von Kim Novak so gut wie zerstörte? - Es war wohl vor allem seine noch heute faszinierende Leichtigkeit, die das frivole Sujet recht harmlos erscheinen lässt; und es dürfte an der grossen Mercouri gelegen haben, die die Rolle der Ilya im Alter von 40 Jahren (!) annahm und aus ihr keine geschminkte Erotik-Bombe, sondern ein unbeschwertes Wesen machte, dessen herbe, natürliche Schönheit ganz andere Vorstellungen weckte als die der gestylten Hollywood-Stars oder von Brigitte Bardot, die 1956 mit dem ziemlich substanzlosen “Et Dieu créa la femme” noch für ein Skandälchen gesorgt hatte. - Dassins folkloristische Hymne auf den Süden wirkt zwar auch reichlich harmlos-verklärend und erreicht in technischer Hinsicht nicht annähernd die “Qualität” der zu jener Zeit gedrehten Hollywood-Gähner, wartet aber neben dem berühmten, mit rauher Stimme vorgetragenen Titelsong “Ta Pedia tou Pirea”, der von Sängerinnen aus der ganzen Welt gecovert wurde, mit höchst einfallsreichen Bildern und Szenen (man sieht die im Gleichschritt marschierenden Beine der Prostituierten, die gegen ihren Zuhälter demonstrieren; Ilyas Reaktion, nachdem sie mit dem Fernglas ein Schiff mit neuen Freiern erspäht hat, ist von herrlicher Kindlichkeit durchdrungen) auf. --- “Pote tin Kyriaki” wurde erstaunlicherweise für mehrere Oscars nominiert (Regie, Drehbuch, weibliche Hauptdarstellerin) und erhielt die Trophäe für die Titelmusik. Melina Mercouri wurde an den Internationalen Filmfestspielen von Cannes zur besten Darstellerin gekürt.
