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Montag, 15. Januar 2018

TOUKI BOUKI - der afrikanische EASY RIDER

TOUKI BOUKI
Senegal 1973
Regie: Djibril Diop Mambéty
Darsteller: Magaye Niang (Mory), Mareme Niang (Anta), Aminata Fall (Tante Oumy), Ousseynou Diop (Charlie)


Um es vorwegzunehmen: Die Bezeichnung "afrikanischer EASY RIDER" stammt nicht von mir, sondern wurde Djibril Diop Mambétys erstem (und vorletztem) Spielfilm schon vor langer Zeit aufgedrückt, und ich finde diese Bezeichnung nicht mal besonders passend - aber es ist halt ein hervorragender Eyecatcher. Auch mit Godards AUSSER ATEM und PIERROT LE FOU sowie mit BONNIE AND CLYDE ist TOUKI BOUKI schon verglichen worden, und auch diese Vergleiche führen nicht sehr weit.

Prolog
Es beginnt mit einem Prolog. Eine Kuhherde wird aus irgendeinem Dorf in die Stadt zum Schlachthof getrieben. Neben zwei oder drei Erwachsenen zu Fuß ist auch ein kleiner Junge dabei, der auf einer der Kühe reitet. Die Kühe werden im Schlachthaus ihrem Schicksal zugeführt (was einige drastische Bilder ergibt), nur eine bleibt übrig - die mit dem Jungen, der nun allein zurück in sein Dorf reitet. Es wird nicht explizit gesagt, aber der Verdacht drängt sich auf, dass der Prolog rund 20 Jahre in der Vergangenheit spielt, und dass es sich bei dem Jungen um Mory, den männlichen Protagonisten des Films, als Kind handelt. In der filmischen Gegenwart von TOUKI BOUKI in den frühen 70er Jahren jedenfalls ist Mory ein junger Mann, der sozusagen auf einer symbolischen Kuh reitet: Er fährt mit einem Motorrad, dessen Lenker von einem Kuhschädel samt ausladenden Hörnern verziert wird, durch die Straßen in und um Dakar (und noch während der letzten Bilder des Prologs hört man überlappend das Geräusch des Motorrads). Das Heck des Motorrads ziert eine Metallskulptur, die an Kanaga-Masken der Dogon erinnert. Mory ist ein Tunichtgut, der Schulden hat, vor "ehrlicher Arbeit" zurückschreckt, vor Gaunereien dagegen nicht.

Ein Motorrad mit Hörnern und einer Skulptur am Heck
Morys Freundin Anta ist eine selbstbewusste und progressiv gesinnte Studentin, die sich schon durch ihre betont schlichte Männerkleidung vom traditionellen westafrikanischen Frauenbild abhebt. Sie sitzt etwas zwischen den Stühlen. Ihre Tante Oumy, offenbar ihre nächste Verwandte, ist eine konservative Marktfrau, die ihr vorwirft, dass sie ihre Zeit verplempert, weil man an der Universität eh nichts Gescheites lernt, und dann treibt sie sich auch noch mit diesem Nichtsnutz Mory herum, der auch noch Schulden bei Oumy hat. Antas Kommilitonen wiederum werfen ihr ebenfalls den Umgang mit Mory vor, weil der sie nur von der politischen Arbeit abhält. Als Mory einmal einer Gruppe der Studenten in die Arme läuft, spielen sie ihm böse mit. Doch die Anfeindungen schweißen Mory und Anta nur zusammen. Sie haben einen etwas abgelegenen Platz außerhalb Dakars über der Steilküste, und wenn sie dort nicht gerade miteinander schlafen, dann sehen sie den Schiffen hinterher und träumen von Europa, wo bekanntlich Milch und Honig fließen. Wenn Mory erst mal in Frankreich ist, dann wird er in kürzester Zeit zu Reichtum gelangen und dann im Triumph als gemachter Mann in den Senegal zurückkehren und auf alle herabschauen, die jetzt auf ihn herabschauen - so stellt er sich das jedenfalls vor. Wenn sie von Frankreich träumen und schwadronieren, und dann noch mehrfach im Film, ertönt der Refrain von Josephine Bakers Paris, Paris als Mambétys ironischer Kommentar dazu.

Mory ...
Doch wie soll man nach Europa gelangen, wenn man kein Geld hat? Man könnte es als blinder Passagier versuchen, meint Mory. Wenn man sich in feiner Kleidung unter die Passagiere mischt und so tut, als würde man dazugehören, würde schon keiner etwas merken. Es gibt mindestens ein reales Vorbild für diese Vorgehensweise: Ousmane Sembène, der Übervater des schwarzafrikanischen Films, erschlich sich 1948 auf diese Art die Überfahrt nach Frankreich, wo er jahrelang als Industrie- und Hafenarbeiter arbeitete, bevor er Schriftsteller und schließlich Regisseur wurde. Aber Mory und Anta wollen es doch lieber mit etwas Kleingeld in der Tasche versuchen, und so handelt ein größerer Teil von TOUKI BOUKI von ihren Versuchen, auf schnelle, aber nicht unbedingt ehrliche Art zu Geld zu kommen. Mory versucht sich zunächst bei einem Spieler, bei dem man die richtige Karte aufdecken muss. Wahrscheinlich handelt es sich da auch um einen Gauner, der die Leute nach Art der Hütchenspiele übers Ohr haut, aber er verlangt bloß drei Franc Einsatz. Man kann aber auch mehr setzen, und Mory treibt den Einsatz auf 1000 Franc hoch. Prompt verliert er, und statt die 1000 Franc zu bezahlen, die er ja gar nicht hat, nimmt er die Beine in die Hand und verduftet. Dabei läuft er geradewegs einem Polizisten in die Arme, der ihn aber nach Entrichtung eines Obolus in Form einer Zigarette ziehen lässt.

... und Anta
Die nächste Idee hat Anta. In einer Arena mit Tribünen findet vor zahlendem Publikum ein traditionelles Ringerturnier von Angehörigen des Lebu-Volks statt - gedacht als Beitrag zu einem Denkmal für General de Gaulle. Das Geld wird nur von einem schlafmützigen Polizisten bewacht, demselben, dem Mory die Zigarette "spendiert" hat. Doch in welchem von zwei Koffern befindet es sich? Im kleineren, meint Anta. Nein, im größeren, sagt Mory. Und er hat ein unschlagbares Argument: "Widersprich mir nicht! Ich bin der Mann." Es wird also der große Koffer geklaut und mit einem Taxi abtransportiert, denn für das Motorrad ist das Ding viel zu sperrig. Anta lässt sich damit zu einer abgelegenen Ruine an der Küste chauffieren, die vielleicht mal ein koloniales Fort oder dergleichen war. Dort öffnet der neugierige Taxifahrer den Koffer - und bekommt den Schreck seines Lebens, denn ein Totenschädel blickt ihn an. Offenbar doch den falschen Koffer erwischt ... Was es mit dem Inhalt des Koffers auf sich hat, wird nicht weiter erörtert - vielleicht handelt es sich um Utensilien eines animistischen Schamanen. Auf jeden Fall sind Mory und Anta immer noch pleite.

Tante Oumy - keine Angst, das Messer dient nur zum Häuten einer Ziege
Doch der nächste Plan ist nicht weit, und diesmal wird es klappen! Mory kennt einen reichen Schwulen namens Charlie, der ihn mal angemacht hat, und den will er nun ausnehmen. Charlie, der in einem Luxusressort an der Küste wohnt, springt sofort an. Erst dreht er mal ein paar Runden mit Mory in einem Tretboot in einem Bassin direkt am Meer, und dazu hört man die französische Koloratursopranistin Mado Robin mit dem schönen Plaisir d'Amour (das die Melodie zu Elvis Presleys Can't Help Falling in Love lieferte) - wie schon bei Josephine Bakers Paris, Paris darf man das als ironisierenden Kommentar Mambétys auffassen. Dann verschwinden die beiden in Charlies Wohnung, und dieser nimmt erst mal eine Dusche, um das Salzwasser abzuwaschen, und er freut sich über das bevorstehende Schäferstündchen mit Mory. Doch der hat anderes im Sinn - während Charlie unter der Dusche vor sich hin plaudert, räumt Mory den umfangreichen Kleiderschrank aus, und die draußen wartende Anta ergreift eine günstige Gelegenheit und erbeutet einen Haufen Bargeld. Auf der Flucht kapern sie gleich noch Charlies extravagantes Citroën-Cabrio samt seinem nichtsahnenden Chauffeur. - Dieser Charlie ist eigentlich ein netter Kerl, aber auch recht affektiert - Mambéty übertreibt es ein bisschen mit den Tuntenklischees.

Ein Funktionär verteilt Wasser - bald verliert er vorübergehend seine Würde
Während sich Mory mitten in der Fahrt im offenen Wagen Charlies feine Kleider anzieht, fährt zur Abwechslung mal Anta das Motorrad, doch dabei passiert ein Missgeschick: Ein animalisch wirkender hellhäutiger junger Mann mit Wuschelfrisur, der auf einem Baobab hockt, erschrickt sie so sehr, dass sie stürzt und zu Fuß das Weite sucht, während sich der junge Mann das Motorrad als Beute greift. Nun verschwimmen in einer längeren Passage die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Mory steigert sich in seinem Triumph, dass endlich mal ein Plan geklappt hat, in einen Taumel der Selbstüberschätzung hinein. Auf dem Weg ins Zentrum von Dakar stehen zunehmend Leute am Straßenrand Spalier, und schließlich taucht ein Konvoi von Staatskarossen auf und fährt zum imperial wirkenden Präsidentenpalast - und man sieht, vor Morys geistigem Auge, ihn und Anta, wie sie in feiner Kleidung quasi als Präsidentenpaar die Huldigung des Volkes entgegennehmen. Halb ins Reich der Fiktion gehört es auch, dass nun ausgerechnet Tante Oumy in rhythmischem Sprechgesang eine Lobpreisung auf den "höflichen und respektvollen" Mory anstimmt, als sei er schon immer ihr Lieblingsmann für ihre Nichte gewesen. Ein kleiner selbstironischer Schlenker ist es vielleicht, dass danach Charlie bei der Polizei anruft, um den Diebstahl zu melden, und dabei mit einem Kommissar Mambéty spricht. Dabei versucht er gleich, mit diesem anzubandeln, und der Diebstahl gerät zur Nebensache (und prompt hört man wieder Plaisir d'Amour im Hintergrund).

Morys und Antas Platz über der Küste
Dann ist der Film wieder bei Anta und Mory, immer noch fein in Schale geworfen und mit Cabrio samt Chauffeur mit Dienstmütze unterwegs. In einem Reisebüro kaufen sie Schiffskarten nach Frankreich - jetzt können sie es sich tatsächlich leisten. Ihr Schiff ist die schöne weiße MS Ancerville, die ab 1962 die Route Marseille - Dakar und zurück befuhr. Es war auch die Ancerville, die 1966 in Ousmane Sembènes LA NOIRE DE... Diouana von Dakar nach Marseille brachte. Ist das eine Verbeugung von Mambéty vor dem damals schon arrivierten Meister Sembène? Vielleicht, aber allzu groß war die Auswahl an Schiffen auf dieser Route nicht. Auf jeden Fall kam Mambéty gerade noch rechtzeitig, denn 1973 wurde die Ancerville an China verkauft (und in Minghua umbenannt). Während Mory und Anta im Hafen eintreffen, sind auf dem Deck des Schiffs zum ersten Mal im Film Weiße zu sehen und Französisch zu hören (die Sprache von TOUKI BOUKI ist Wolof, die Hauptsprache des Senegal), und in wenigen kurzen Dialogfetzen erweisen sich diese gut betuchten Europäer als blasierte Idioten, im Geiste immer noch Kolonialherren.

Ringerturnier
Doch nun, gut zehn Minuten vor Ende des Films, kommt es zu einer fast dramatischen Wendung. Während Anta über die Gangway das Schiff betritt, macht Mory davor Halt. In einem jähen Flashback sind Bilder aus dem Prolog zu sehen, also sehr wahrscheinlich aus seiner eigenen Kindheit. Er besinnt sich auf seine Wurzeln und zögert, sie vielleicht für immer hinter sich zu lassen. Und dann macht er kehrt und beginnt zu laufen, quer durch den Hafen und dann durch halb Dakar, scheinbar ohne Ziel. Und Anta steht an Deck und fragt sich, ob er wohl wiederkommt. Morys Lauf, der zu einer wild montierten Odyssee durch die Stadt gerät, findet wie magisch doch sein Ziel, nämlich sein Motorrad (und damit auf einer symbolischen Ebene sozusagen auch die Rinderherde seiner Kindheit). Der junge Mann auf dem Baum, der sich das Motorrad unter den Nagel gerissen hatte, hat damit einen Unfall gebaut und wird schwer verletzt abtransportiert, während Mory den Kuhschädel mit den Hörnern vom Boden aufkratzt und davonträgt - das schwer lädierte und offenbar nicht mehr fahrtüchtige Gefährt lässt er liegen. In der vorletzten Einstellung sieht man Mory, Anta und das unversehrte Motorrad an ihrem Platz über der Steilküste - doch es ist eine exakte Kopie einer Szene von früher im Film, also ein Flashback. Anta ist offenbar an Bord der mittlerweile ausgelaufenen Ancerville geblieben, sie wagt das Abenteuer Europa allein. Zuletzt gibt es noch einmal Bilder vom Prolog, und mit einem Freeze Frame davon endet der Film.

Ein Koffer mit vermeintlicher Beute wird abtransportiert. Man
beachte den Schriftzug am Gebäude - ja, dazu hört man Josephine Baker

TOUKI BOUKI, das bedeutet "Die Reise der Hyäne". Und mit der Hyäne, in der westafrikanischen Volkskultur ein verschlagenes, betrügerisches Wesen, soll man wohl Mory assoziieren. - "In TOUKI BOUKI ist alles allegorisch, geprägt von Symbolen mit afrikanischen, doch kaum wahrgenommenen, da unbekannten Bezügen. TOUKI BOUKI ist der Wunsch auszubrechen, aber auch die Angst vor Veränderungen und schliesslich die Bewegung in der Unbeweglichkeit, der Tagtraum." Das schrieb Paulin Soumanou Vieyra, mit seinem 1955 in Paris gedrehten AFRIQUE SUR SEINE einer der Väter des afrikanischen Kinos, 1983 in seinem Buch Le Cinéma au Sénégal. Es ist oft ein Gegensatz konstatiert worden: Hier Mambéty, der Regisseur des Symbolischen, Allegorischen, Poetischen; dort die meisten anderen westafrikanischen Regisseure, beginnend mit Sembène, die sich in ihren Filmen mit den politischen und sozialen Fragen ihrer Länder (Kolonialismus, Post- und Neokolonialismus, das Geschlechterverhältnis, Korruption, Gegensatz von Stadt und Land, von Tradition und Moderne etc.) auseinandersetzen. Dieses einfache Schema wird freilich von Richard Porton in seinem Essay für Criterion in Frage gestellt. Richtig ist aber, dass Mambéty in TOUKI BOUKI eine Experimentierfreude an den Tag legt, die damals im afrikanischen Film wohl neu war. So gibt es manchmal asynchronen Bild- und Tonschnitt, und noch ziemlich am Anfang des Films gibt es eine längere Parallelmontage zwischen Szenen, die nur assoziativ oder allegorisch, aber nicht inhaltlich zusammenhängen (die Schlachtung und Häutung einer Ziege spielt darin eine Rolle). Solche Schnittfolgen und manche Ellipsen haben einige Rezensenten dazu verleitet, TOUKI BOUKI als schwer verständlich zu bezeichnen, und auf der Ebene einer reinen Handlungslogik ist er das auch bisweilen, aber das fällt nicht negativ ins Gewicht. Durch den Schnitt, die bewegliche Kamera, und natürlich auch durch die Motorradszenen, entwickelt TOUKI BOUKI insgesamt ein relativ hohes Tempo.

Plaisir d'Amour - mit Charlie im Tretboot
Bemerkenswert ist auch der vielgestaltige Soundtrack des Films. Die Gesangsdarbietungen von Josephine Baker, Mado Robin und Aminata Fall wurden schon erwähnt. Daneben gibt es auch westafrikanische Trommelmusik, aber auch Afro-Jazz und Rockmusik (vor allem bei Morys Lauf durch die Stadt), und es gibt jede Menge realistische Umgebungsgeräusche, aber auch elektronisch verfremdete Klänge. Dabei hat man nie das Gefühl, dass Mambéty beliebig in die Kiste greift, sondern er hat sich immer etwas dabei gedacht - es passt einfach alles. Mambéty vermeidet überflüssige Dialoge, dafür gibt es aber gelegentlich ganze Redeschwälle, wenn Streit ausbricht. Die Sprache ist manchmal derb, wie in diesem schönen Dialog:

Mory: "Aber bevor ich weiterrede, muss ich erst mal scheißen."
Anta: "Viel Spaß dabei!"

Anta
Einmal versucht ein männlicher Würdenträger, der die Verteilung von Wasser überwacht, einen heftigen Streit zweier Frauen zu schlichten - und wird dann von beiden vermöbelt. Durch solche scheinbar nebensächliche Szenen ist TOUKI BOUKI nicht nur die Geschichte seiner beiden Protagonisten, sondern auch ein Portrait von Dakar als einer etwas chaotischen Stadt mit vielen Gesichtern, vom europäisch geprägten Zentrum bis zu bidonvilles genannten, ausufernden Slum-artigen Siedlungen am Stadtrand.

Ein rätselhafter Mann auf einem Baum
TOUKI BOUKI traf des Lebensgefühl eines beträchtlichen Teils der westafrikanischen Jugend. Vielleicht war es deshalb, warum der Film mit EASY RIDER verglichen wurde, mehr als wegen des Motorrads (das, abgesehen von den Hörnern, ohnehin wenig Eindruck macht - kein Vergleich zu den wuchtigen Harley Davidsons, auf denen Dennis Hopper und Peter Fonda nach ihrem Amerika suchten). Jedenfalls wurde TOUKI BOUKI zu einem Kultfilm und einem Klassiker des afrikanischen Kinos, und er gewann auch Preise in Cannes und Moskau und machte Mambéty auch in Europa halbwegs bekannt. Heute ist Djibril Diop Mambéty (1945-1998) in Afrika eine beinahe legendäre Gestalt, vielleicht gerade deshalb, weil er nur zwei Spielfilme und einige Kurzfilme hinterließ. Mambéty wurde als Sohn eines Imams in der Nähe von Dakar geboren. Nach einer kurzen Zeit als Schauspieler an einem renommierten Theater in Dakar (wo er aus disziplinarischen Gründen hinausflog), drehte er 1968 als Autodidakt seinen ersten Kurzfilm. Sein zweiter, der schon fast eine Stunde dauerte, gewann schon einen Preis auf dem Filmfestival von Karthago, und dann folgte TOUKI BOUKI. Abgesehen von einer kurzen Doku über die Dreharbeiten zu YAABA (1989), den Mambétys Freund und Kollege Idrissa Ouédraogo in Burkina Faso realisierte, folgte dann 19 Jahre lang kein Film mehr von Mambéty. Erst 1992 erschien HYÈNES (HYÄNEN), Mambétys zweiter und letzter Spielfilm. Es handelt sich um eine in eine Kleinstadt bei Dakar (und zwar Mambétys Geburtsort) versetzte Adaption von Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame", und zugleich um eine Parabel auf quasi-koloniales Verhalten der neuen afrikanischen Elite, die Praktiken der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds imitiert. Danach drehte Mambéty noch zwei weitere Kurzfilme. Es hätte eine Trilogie werden sollen, doch schon der zweite erschien 1999 posthum, weil Mambéty 1998 an Lungenkrebs starb. Wer noch mehr über ihn erfahren will, dem sei dieses Interview mit ihm empfohlen.


Über Magaye Niang und Mareme Niang, die beiden Hauptdarsteller, habe ich wenig herausgefunden. Laut IMDb ist TOUKI BOUKI Mareme Niangs einziger Film. Nach einigen Quellen ist sie mit Myriam Niang identisch, für die die IMDb drei weitere Filme verzeichnet, darunter zwei von Sembène, aber ich bin nicht sicher, ob das wirklich dieselbe ist. Auf jeden Fall hatte sie noch eine Statistenrolle in KARMEN GEÏ (2001), in dem Magaye Niang seine offenbar zweite und bislang letzte Hauptrolle spielte. Beide erscheinen 2013 in der Doku MILLE SOLEILS, die Mambétys 1982 geborene Nichte Mati Diop inszenierte. Magaye Niang ist offenbar die Hauptperson darin. Während er die Gegend um Dakar nie verlassen hat, soll Mareme Niang einige Zeit auf einer Ölbohrplattform in Alaska gearbeitet haben. - Während also über die beiden nicht allzu viel bekannt ist, war "Tante Oumy", die Sängerin und Schauspielerin Aminata Fall (1930-2002), im Senegal und darüber hinaus ein Star. Diverse ihrer zwischen Jazz, Blues und afrikanischen Rhythmen angesiedelten Lieder findet man auf YouTube und anderswo. Als Schauspielerin war sie seit Mitte der 60er Jahre am selben Theater in Dakar wie Mambéty. Über ihre Begegnung mit ihm sagte sie einmal:
"Ich traf Djibril Diop Mambéty, der noch kein Filmemacher war, am Daniel-Sorano-Nationaltheater für das Stück L'exil d'Alboury. Er hatte ein Filmprojekt und bot mir eine Rolle an, wo ich mir den Kopf rasieren und eine Perücke tragen musste. Ich habe akzeptiert. Die Rolle, die er mir im Film TOUKI BOUKI vorschlug, war schwierig, aber er war überzeugt, dass ich Szenen drehen konnte, in denen Blut ist [sie häutet da die Ziege]. Ich respektiere die Phantasie von Djibril Diop Mambety. Kritisiere nicht seine Träume. Als Schauspielerin investiere ich mich gründlich in das, was er mich fragt. Und wenn es nötig gewesen wäre jemanden zu schneiden, hätte ich ohne zu zögern den Kopf abgeschnitten."
Kurz vor ihrem Tod wurde Aminata Fall zum Chevalier des senegalesischen Ordre des Arts et des Lettres ernannt. Sie ist nicht zu verwechseln mit der 1941 geborenen Schriftstellerin Aminata Sow Fall (IMDb und Wikipedia scheitern teilweise an dieser Hürde).

Während Anta an Bord gegangen ist, läuft Mory zurück in seine Vergangenheit
TOUKI BOUKI sowie HYÈNES und die beiden späten Kurzfilme LE FRANC und LA PETITE VENDEUSE DE SOLEIL sind jeweils in der Schweiz bei trigon auf DVD erschienen. In den USA ist TOUKI BOUKI zusammen mit fünf anderen Filmen in dem von Martin Scorsese betreuten World Film Project bei Criterion erschienen, als DVD/Blu-ray-Kombi-Box. Für diese Box wurde TOUKI BOUKI restauriert, so dass das Bild möglicherweise besser ist als auf der Schweizer DVD, wo es doch etwas zu wünschen übrig lässt. Eine ältere amerikanische Einzel-DVD von TOUKI BOUKI gibt es auch noch. Längere Ausschnitte des Films sind derzeit auch auf dem einen oder anderen Videoportal zu finden.