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Sonntag, 19. November 2023

Heiße Leidenschaften, schwitzende Körper und unerhörte stille Örtchen

Bericht vom 20. außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos 


5. Januar 2023 – Beginn des ersten Nürnberger Hofbauer-Kongresses seit Januar 2020. Vorfreude besonders hoch – und wieder mal nicht zu hoch, sondern völlig berechtigt, denn der erste Film, gleich eine Huldigung an den Namenspatron der Veranstaltung, war ein absoluter Knaller, ein wilder Ritt durch zahlreiche Genres innerhalb der Klammer Reportfilm, eine Kino-Offenbarung.



Donnerstag, 5. Januar 2023



ab 15:00 Uhr


HK-Teaser: MAN & WOMAN & ANIMAL. Geschlechterfragen im Spiegel des 70er-Populärkinos


DIE DRESSIERTE FRAU

Regie: Ernst Hofbauer

BRD 1972

35mm, dt. OV

DIE DRESSIERTE FRAU nimmt Esther Villars antifeministisches Buch "Der dressierte Mann" und Hannelore Schütz' und Ursula von Kardorffs Replik "Die dressierte Frau" als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit Geschlechterbeziehungen in Form eines Reportfilms mit vielen kleinen Episoden.



Zwischen den schwierigen Debatten über Geschlechterbeziehungen wird auch Motorrad gefahren

In meinem lediglich fünften (und vorerst auch bester) Hofbauer zeigt sich der gebürtige Wiener wieder einmal als begnadeter formaler Könner, der aus praktisch jeder Szene ein bestaunenswertes Ereignis voller liebevoller oder skurriler Details und voller pfeffriger Energie zaubert.

Man bestaune nur einmal die Episode mit dem Konfirmandenunterricht, bei dem der lehrende Priester im Klassenzimmer stets so gefilmt wird, dass rechts im Hintergrund ein großes Kruzifix ragt und links ein Poster, das offenbar zum Biologieunterricht dient und unzählige Fische abbildet. Beim Gegenschnitt sieht man dann die Klasse mit den Jungs und Mädels, die sich lautstark und teils sehr vulgär streiten, während im Hintergrund durch die Klassenzimmerfenster ersichtlich ist, dass draußen gerade leise der Schnee rieselt. Vulgarität und Poesie, Derbes und Erhabenes stehen in DIE DRESSIERTE FRAU stets nahe beieinander.

Da gibt es die Episode mit dem Paar, das in der Wohnung lautstark Sex hat, die Nachbarin so stört, dass sie es sich noch lautstärker mit dem Vibrator selbst besorgen möchte, um es den Nachbarn heimzuzahlen – doch oh weh, der Vibrator fällt aus. "Wenn's Gerät ist im Eimer, kommen Sie zu Heimer!" liest die Frau in einer Werbeanzeige für einen Elektriker und ruft dort an – bloß dass der diensthabende Elektriker der Mann im Nebenzimmer ist, der nun die Gelegenheit hat, sich einen kleinen Seitensprung zu gönnen. Warum ein elektrisches Gerät nehmen, wenn es auch ein richtiges Gerät gibt? Ja, Hofbauer zeigt sich hier nicht nur als Meister des Schmiers, wenn die zweite Sexrunde von allerlei Wortwitzen zu Lötstellen und Wackelkontakten begleitet wird, er zeigt hier schon, dass er auch Ansätze zum Slapstick hat...

... die er dann in der großen "Eierszene" vollkommen aufblühen, eskalieren und explodieren lässt! Im weiteren Verlauf des Kongresses blieb diese eines der meistdiskutierten Highlights unter dem Publikum. Wir haben ein Ehepaar, das sich immer streitet, weil er ihr keine Spülmaschine kauft (Hausarbeit – das ginge doch in zwei Stunden pro Tag). Davon hat sie eines Tages die Schnauze voll und verlässt ihn, während er derweilen in seinem eigenen Dreck versinkt, größtenteils in Gesellschaft eines Kumpels, der den Dreck noch potenziert. Als die Ehefrau viele viele Tage später dann doch ihre sehr spontane Rückkehr ankündigt, ist für die beiden Männer klar: die paar dreckigen Teller und das bisschen Schmutz auf dem Boden kriegen sie schon alsbald weg. Was darauf folgt ist nicht weniger als die systematische, restlose Verwüstung der kompletten Wohnung, als beide Männer versuchen, "aufzuräumen": Eimer mit Seifenwasser werden umgeworfen, Porzellan so staubfein zerschlagen, dass es mit dem Staubsauger weggesaugt werden kann, Hosen werden mit dem Bügeleisen durchgeschmort, fliegendes Geschirr lässt Trennfenster zwischen Wohnzimmer und Küche bersten. Das ganze endet schließlich damit, dass der Kumpel, sich an der Gardinenschnur festhaltend, aus dem Fenster im zweiten Stock hängt, hungrig ist und von Rühreiern mit Speck schwärmt, während das Ehepaar (sie ist mittlerweile zurückgekommen und musste schon erste Schneisen der Verwüstung konstatierten) in der Küche hockt, sich etwas befummelt, während die auf dem wackeligen Küchenschrank liegenden Eier Stück für Stück auf ihre Köpfe fallen und platzen.

Diese explosive Lachsalve war aber keineswegs der Höhepunkt von DIE DRESSIERTE FRAU, denn Hofbauer hat seinen Sirk genau studiert und kann auch Melodrama, in einer Episode um einen Konzertpianisten, der sich eine Geliebte in einer separat bezahlten Wohnung hält und irgendwann von seiner Ehefrau zur Rede gestellt wird. Der berühmte erste Satz von Tschaikowskis erstem Klavierkonzert zieht sich als Leitmotiv durch diese Episode. Von zwei Streits mit Geliebter und Ehefrau aufgebracht, fährt sich der Pianist halsbrecherisch ins eigene Verderben: Unfall auf der Straße, Explosion des Autos... mit lauttönender Tschaikowski-Begleitung verschwimmen einzelne Bilder der Episode in einer wilden Montage mit einer animierten Partitur, die sich über die Mehrfachbelichtungen legt. Der erste große Wow-Moment des Kinos dieses Jahr.

Hofbauer kann auch beklemmend, in der Episode, die auch in dem Film direkt als jene der "sexuellen Hörigkeit" betitelt wird: eine Frau himmelt ihren Liebhaber (und dessen sehr bizarr vorstehendes Kinn) an, wird aber von ihm verächtlich, sogar übergriffig behandelt. Nachdem er ihr nach dem Sex, beide nebeneinander im Bett liegend, sehr kalkuliert "nebenei" offenbart hat, dass er nächste Woche heiraten wird, ist sie sichtlich schockiert. Weinend, von seelischem Schmerz sichtlich gequält beginnt sie, ihn zu reiten, und die Kamera weicht nicht von ihr, die sich mit Sex versucht zu betäuben, während sie eigentlich verzweifelt – eine quälend lange, unglaublich abgründige und finstere Einstellung.

Ohne Hofbauer als heimlichen Feministen zu bezeichnen, aber es doch manchmal verblüffend, wie "progressiv" manch vermeintlich "reaktionäre" Sexfilme sind: Frauen sind hier über weite Strecken die mutigen, regelbrechenden und tragischen Figuren, und Männer die feigen, spießigen und schuftig-niederträchtigen Figuren. Vor allem charakterisiert DIE DRESSIERTE FRAU Strukturen von Machtgefällen und Ungleichheit wahrscheinlich wesentlich treffender als so manch ein wohlwollender und "seriöser" Film.

Das Ende mit einem quasi-mustergültigen "gleichberechtigen Ehepaar" nimmt auf gewisse Art und Weise die "triviale" Auflösung von Monty Python's MEANING OF LIFE vorweg: irgendwie liegt es auf der Hand, dass das Leben angenehmer und einfacher wird, wenn man respektvoll und liebevoll miteinander umgeht, jeder mal ein bisschen was für den Haushalt tut und es im Bett um Liebe, Respekt, gemeinsames Lachen und Blödeln geht.



ab 17:00 Uhr


BIRDIE

Regie: Hubert Frank

BRD 1971

35mm, dt. OV

Ein Computer, der dafür programmiert ist, den idealen Partner aufgrund eines ausgefülllten Fragebogens zusammenzubringen, "matcht" die Teenagerin Birdie mit dem Fotografen Frank (oder vielleicht ist das ganze doch nur ein Werbe-Gag oder ein übler Witz von Franks Zeitungsredaktion). Frank, der gerne ein freies Leben führt, ist davon gar nicht begeistert, doch er hat nicht mit Birdies Hartnäckigkeit gerechnet, die mit allen Mitteln versucht, ihn zu verführen.

Als Teil der Hommage des Hofbauer-Kongresses an Eckart Schmidt lief BIRDIE als eine von mehreren kleinen "Sensationsfunden": der Film wurde wohl kurz nach der Premiere vom Distributor Paramount einkassiert und in den Giftschrank eingesperrt. Die gezeigte Kopie war dann auch quasi ungespielt (aber leider rotstichig).

Ob die Liebesgeschichte zwischen einer Teenagerin und einem Anfangdreißiger als zu "heikel" galt, oder die zerfahrene, launig-anarchische Erzählweise des Films (so eher die Vermutung eines Co-Zuschauers) den Film in den Giftschrank brachte, sei dahingestellt. Insgesamt kommt der Film wenig zotig daher, sondern eher wie die bundesdeutsche Variante einer Neo-Screwball-Komödie: er würde eigentlich ganz gut in ein Double-Feature mit WHAT'S UP, DOC? passen (ohne jedoch das irre Gag-Tempo, den treibenden Drive und die exquisite Chemie der beiden Hauptdarsteller aus Bogdanovichs Film zu erreichen).

BIRDIE war ohne Zweifel ein schöner kleiner Gute-Laune-Film, angenehme anderthalb Stunden Filmspaß – höchstens leicht getrübt davon, dass die Titelprotagonistin stellenweise in ihrem obsessiven Bestreben, mit Frank anzubandeln, durchaus Züge einer bedrohlichen, psychisch labilen Stalkerin an den Tag legt (was der Film offenbar nicht beabsichtigt und auch nicht weiter verfolgt) und dass Frank-Darsteller Walter Wilz mit seinem Bart eine irritierende Ähnlichkeit mit Robert Hossein hatte (aber eben nicht Robert Hossein war). Ansonsten ist der Film eine schöne Explosion unzähliger kleiner Einfälle, die meisten schwungvoll inszeniert, viele witzig, vielleicht nicht alle ganz so gelungen. Eine ausgedehnte Schachpartie Birdies mit einem Hund in ihrer Pension bleibt mir als kleiner, "unscheinbarer" Höhepunkt im Gedächtnis. Und der leicht durchgeknallte Filmemacherkollege von Frank, der immer wieder mit verrückten Einfällen um die Ecke kommt und irgendwann seine Idee von Aufklärungsfilmen für den Tiermarkt pitcht ("Wieviele Orgasmen pro Tag braucht ein Hund, um glücklich zu sein?").


BIRDIE war der erste Teil einer kleinen Hommage dieses Hofbauer-Kongresses an Eckart Schmidt (der mit Hubert Frank das Drehbuch schrieb). Schmidt war eingeladen, hatte zugesagt, musste leider aufgrund von Krankheit kurzfristig seine Anreise absagen.



ab 21:00 Uhr


GENERATION Z – DA WAR EIN HIMMEL

Regie: Eckhart Schmidt

Deutschland 2020

digital, dt. OV

Einige Episoden aus dem Leben junger Frauen in München.

Hofbauer-Kommandant Andi erklärte in seiner Einführung, dass Eckart Schmidt in den 2010er Jahren eine Art Renaissance erlebte und bis heute eine extrem produktive Schaffensphase führt, mit weit über Hundert Filmen, meist sehr spontan und kostengünstig digital gedreht.

Ich kann nicht behaupten, dass mich GENERATION Z – DA WAR EIN HIMMEL wirklich begeistert hat, aber der Film hat in seinen besten Momenten die rohe Energie einer Art von Filmemachen, bei der der Prozess wichtiger ist als das Endergebnis und die Sorglosigkeit eines Altmeisters, der die Regeln "guten Filmemachens" mit Schmackes über Bord geworfen hat, um das Kino oder zumindest sich selbst neu zu erfinden (eine Parallele wären wohl die späten digitalen Filme Giulio Questis).

Der Film entstand in Zusammenarbeit mit Schauspielstudentinnen. Die erste Episode dreht sich um eine junge Frau, die sich in der Münchener Innenstadt in einem Monolog zunehmend in Rage redet und von diffusem Weltschmerz allmählich ein Vergewaltigungstrauma aufarbeitet. Es ist die vielleicht schlüssigste Episode des Films, von großer emotionaler Intensität und mit nur wenigen Schnitten gedreht: am späten Nachmittag gedreht bricht die Dämmerung allmählich ein, das Licht ändert sich Stück für Stück, die Straßenlaternen werden irgendwann eingeschaltet.

Die Performances werden auf verschiedenen Straßen und Plätzen Münchens ausgetragen, dadurch schafft der Film einen Sense of Place, weil jeder Moment auch eine "Dokumentation" Münchener Straßenimpressionen ist. Kleine "spontane" Elemente im Hintergrund machen das ganze in den besten Momenten besonders lebendig: ein Bäckereiplakat, das ein Brot mit 92% Dinkelanteil als "nussig & saftig" anpreist; Obdachlose im Gespräch bei spirituösen Getränken auf einer Parkbank im Hofgarten; ein "Achtung: Dachlawine"-Schild beim Dianatempel; eine lebhaft-laute Kindergartengruppe, die im Hintergrund im gemächlichen Tempo eine Straße überquert; unzählige Passanten, die manchmal teilnahmlos vorbeilaufen, manchmal aber auch in die Kamera schauen.

Die klassisch-erzählerischen Elemente von GENERATION Z – DA WAR EIN HIMMEL sind vielleicht weniger gelungen als die impressionistisch-poetischen: einige der ziellos mäandernden Monologe (darunter bei einem Spaziergang durch den sonnengefluteten Hofgarten) sind wesentlich mitreissender als einige der längeren Dialoge am Telefon oder der Zwei-Personen-Dialogimprovisationen.



ab 23:55


HK-Teaser: WET BODIES – DER GANZ HEISSE WORKOUT aka #SPÜF: Der sportliche Überraschungsfilm


Vor der Anmoderation wurde zwecks Aufwärmung ein kleiner Musik-Clip digital kredenzt, nämlich "Upside Down" von Vanessa (hier zu sehen, zu bewundern)


PERFECT

Regie: James Bridges

USA 1985

35mm, engl. OV mit finn. & schwed. UT

Adam (John Travolta), Reporter für Rolling Stone, recherchiert einen Artikel über einen inhaftierten Geschäftsmann, der in eine Mafia-Drogengeschichte (möglicherweise auch mit politischem Sprengstoff) verwickelt ist. Als zweite Story arbeitet er nebenbei an einem Artikel über ein Fitness-Studio, das sich auch als idealer Treffort für Singles vermarktet. Verliebt in die Aerobic-Trainerin Jessie (Jamie Lee Curtis) verliert er langsam die Aufmerksamkeit für seine "Haupt-Story".


Aus den End-Credits (Hinweis: Bildformat ist falsch, der Film ist in Scope)

Der erste Film des Tages mit einem klassischen, durchstrukturierten Drehbuch (was vielleicht nicht ideal für Mitternacht war). Oder: Was wäre eigentlich passiert, wenn Alan J. Pakula oder Brian De Palma (letzterer bei BLOW OUT, auch mit Travolta) bei ihren finsteren Paranoia-Thriller-Geschichten... in ein Fitnessstudio gegangen wären?

Der dubiose Geschäftsmann McKenzie und das Fitness-Studio "Sport Connection" (mit der heißen Aerobic-Trainerin Jessie) laufen für Adam größtenteils parallel. Ab und zu nur kreuzen sich die Geschichten, wenn Travolta das heiße Vorspiel mit Curtis und ihrem Tutorial über das Aufwärmen der Muskeln und die erhöhte Blutzirkulation unterbricht, weil er ein Telefonat mit einem Interviewangebot erhält. Zwei Filme laufen also parallel in diesem gleichen Stück Zelluloid – irgendwie bizarr, befremdlich und um halb zwei Uhr morgens nicht ganz schlüssig. Im Nachhinein fügt sich das aber zusammen, und PERFECT erzeugt fast schon ein authentisches Gefühl für die "Abgehacktheit" des Arbeits- und Lebensalltags eines Journalisten, der natürlich mehr als ein Thema auf einmal beackert und irgendwann bei zwei sehr unterschiedlichen Geschichten den Kopf verliert.

PERFECT begibt sich zwischendurch auch auf eine Nebenstraße mit einem längeren Subplot um die Fitness-Studio-Stammkundin Linda, die hinter ihrem Rücken als "The most used piece of equipment at Sport Connection" betitelt wird. Adam interviewt sie in einem Male-Stripper-Club, begleitet sie dann auf einer Geburtstagsfeier, die dann auch aufgrund von zu vielen Drogen und Schnaps eskaliert. Linda war vorher so etwas wie die etwas durchschnittliche Besucherin von Sport Connection, die den Club wirklich als Treffbörse nutzen möchte – und wird in dem ihr gewidmeten Nebenpfad des Films zu einer wahrhaftig tragischen Figur, die verzweifelt nach menschlicher Wärme sucht und deswegen davon träumt, sich ihr Gesicht bei einer ästhetischen OP von einem kalten Skalpell bearbeiten zu lassen. Düsteres gibt es sicherlich bei McKenzie-Geschichte (gefühlt dem ungefilmten vierten Teil von Pakulas Paranoia-Zyklus), aber hier bei Linda blickt PERFECT auf die ganz finstere Seite des Reaganomics-Selbstoptimierungswahns.

Der unvergessliche Höhepunkt von PERFECT und sicherlich der Hauptgrund, warum dieser Film bei einem Hofbauer-Kongress lief, ist aber die schier U-N-F-A-S-S-B-A-R-E Aerobic-Trainings-Montage-Sexersatzszene, mit einem verschwitzten, voll Wunder, Freude, Anstrengung und Geilheit völlig gesichtsentgleisten John Travolta in (let's say: gemächtbetonten) kleinen Trainingsschlüppis, der in einer größeren Gruppe von Teilnehmnerinnen und Teilnehmern laszive Beckenbewegungen selig grinsend durchführt, während ihn aus einiger Entfernung Jamie Lee Curtis als Gruppentrainerin, die die Bewegungen und den Rhythmus vorgibt, ihn mit feurigen Blicken und nicht-hörbarem, aber dennoch auch ohne Worte spürbarem Dirty Talk anfeuert. Das ganze auf großer Leinwand und in Scope (hier ein Ausschnitt auf Youtube, leider im falschen Bildformat: totale Unfassbarkeiten ab 2:03)! Wow!


Der angeteaserte ganz heiße Workout (Hinweis: Bildformat ist falsch, der Film ist in Scope)




Freitag, 6. Januar 2023


ab 12:30 Uhr


LOVE'S PLACES – PLÄTZE DER LIEBE

Regie: Eckhart Schmidt

Deutschland 2019

digital, dt./engl./ital. OV

Impressionen aus dem zeitgenössischen Leben junger Frauen in Nürnberg, Frankfurt, Berlin und München, erzählt mit mythologischen, fantastischen, politischen und dadaistischen Backstories.

Die erste Stunde des Films hat mich ehrlich gesagt komplett abgehängt. Lange monologisierende Episoden mit jungen Frauen, die durch die genannten Städte laufen, mit jeweils etwas anderem Fokus hier und da: in Nürnberg geht es in die mythologisch-fantastische Richtung, in München leicht historisierend (der Hauptteil spielt an bei einem Münchner Prachtbauwerk aus dem 18. Jahrhundert, das ich nicht mehr benennen kann) in Berlin wird es irgendwie politischer, weil da gleich auch noch eine Demo mitgefilmt wird.

Wie bereits weiter oben erwähnt: ich glaube Eckhart Schmidts neuere Filme sprechen ich am meisten in den Momenten an, in denen sie sich ganz in ihren experimentellen Ansatz reinwerfen und die letzten Überreste klassischer Narration hinter sich lassen. In LOVE'S PLACES – PLÄTZE DER LIEBE passierte für mich dann die Magie in den letzten zwei Episoden (Berlin und Frankfurt?): die letzte Episode, bei der die junge Dame durch einen Innenhof (einen Schulinnenhof?) wandelt, habe ich als leichtfüßigen, für Quatschiges offenen, von Narrationsballast komplett ungebundenen Filmspaziergang empfunden.



Ab 14:45 Uhr


HK-Teaser: Ein saftiges Sittenbild aus Edos Opiumhöhle


PORUNO JIDAIGEKI: BOHACHI BUSHIDO ("Boachi Bushido: Code of the Forgotten Eight")

Regie: Ishii Teruo

Japan 1973

35mm, jap. OV mit engl. UT

Der Selbstmordversuch des Ronins Shino (Tanba Tetsuro) schlägt fehl, als er vom Clan der Bohachi gerettet wird. Die Bohachis leiten Edos Rotlichtviertel mit eiserner Hand und Terror und können Shino als Handlanger gut gebrauchen. Der findet schnell Geschmack an den sexuell-gewaltsamen Terror-Methoden der Bohachi.


Kampfsequenz im Prolog (hier in Farbe)


Ein ordentlicher Tritt ins Schienbein alles Anständigen, eine comichafte, psychedelische Feier von sexuellen oder mindestens stets sexuell konotierten Gewaltexzessen. Ein Herzstück des Films sind sicherlich die in Manier einer Trainings-Montage dem Neuankömmlich Shino erzählten Codizes der Bohachis, die ein wenig aussehen wie ein Regelwerk, das der Marquis de Sade bei einem imaginären Japan-Urlaub den Oberzuhältern von Edo geschenkt hätte: Verrat, Missgunst, bestialische Folter, sexuelle Unterwerfung und Erniedrigung.

Ishii drückt schon ordentlich auf die Tube, auf dass der geneigte Kongressbesucher stets etwas zu bestaunen hat. Ich kann nichts anderes sagen: ich hatte schon Spaß. Wirklich nachhaltig wirkte das ganze nicht, weil es mir dann vorkam, dass doch etwas zu viele Figuren austauschbar und die Hauptfigur (gespielt von Tanba Tetsuro, im Westen bekannt als Tiger Tanaka im Bond-Film YOU ONLY LIVE TWICE) eher rudimentär holzschnittartig und merkwürdig charismaarm wirkte. Vielleicht schwerwiegender ist, dass die gezeigte Kopie rotstichig war und die wahre Farbenpracht des Films nur erahnen ließ: gegen Ende wird Shino von einer Prostituierten mit Opium betäubt – er erlebt einen psychedelischen Farbenrausch, den man in dieser Aufführung nur erraten konnte.



Ab 17:00 Uhr


HK-Teaser: Eine Trouvaille aus dem Kleiderschrank der Verlorenen


SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN

Regie: Joseph W. Sarno

USA 1967

35mm (Interpositiv), engl. OV

Intrigen und doppelte Spiele in der New Yorker Modeszene...

...na ja, besser gesagt: einer Hinterhof-Klamottenklitsche. Abgesehen von einem Opening Shot, in dem tatsächlich ein klein wenig New York im Winter zu sehen ist, spielt SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN ausschließlich in einem leeren Studio, bei dem die Darsteller vor der gefühlt immer gleich flach ausgeleuchteten Studiowand agieren. Nur ein paar spärliche Möbel und die eine oder andere Wand-Deko (ein Gemälde mit galoppierenden Pferden bleibt da als kleiner kreativer Marker im Gedächtnis) zeigen an, dass die Räumlichkeit sich geändert hat.

SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN ist mein dritter Sarno-Film, und sicherlich der schwächste. A TOUCH OF GENIE sticht thematisch und atmosphärisch heraus in einer sehr bizarren Mischung aus jüdischem Borscht-Belt-Humor mit Slapstick-Elementen und Hardcore-Porno (er ist irgendwie faszinierend, nicht unbedingt in einem nur positiven oder nur negativen Sinne). DEEP INSIDE ("Das Strandhaus") ähnelt SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN in der eher ungelenken Inszenierung reduzierter Räume (gleichwohl die Lichtsetzung mir etwas kontrastreicher erschien), hat mich aber durch seine einlullende Abhäng-Atmosphäre gefallen: DEEP INSIDE will nichts Großes erzählen, sondern präsentiert nur ein paar Leute, die in einem Ferienhaus trinken, Karten spielen und Sex haben.

Hier scheint zumindest für mich das große Problem von SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN zu liegen: er versucht, eine halbwegs klassische A-Movie-Erzählung innerhalb eines B-Movie mit den inszenatorischen Fähigkeiten eines Z-Movie zu erzählen. Heißt: die Figuren erzählen in tristen Sets die Handlung in qualvoll langen Expositionsdialogen, manche Szene mit noch mal mehr Expositionsdialogen wird nur eingefügt, um die vorangegangene Szene dramaturgisch auszuerklären. Die Kamera bewegt sich im ganzen Film gefühlt vielleicht zwei bis drei Mal: die Figuren laufen in das Bild hinein, wenn sie reden müssen und entfernen sich aus dem Bild, wenn ihre Zeilen aufgesagt sind. In dieser immergleich bleibenden Form hat mich der Film ehrlich gesagt sehr schnell ziemlich genervt – wer geneigt ist, kann das auch als eine Form von Dilettanten-Avantgarde wahrnehmen, was ein nicht unbeachtlicher Teil des Publikums dann auch gemacht hat. Daher lade ich auch dazu ein, die größtenteils positiven Bewertungen einiger Kongressbesucher bei letterboxd hier zu lesen. SCARF OF MIST, THIGH OF SATIN war eine der großen archivalischen Entdeckungen dieses Hofbauer-Kongresses: der Film galt bis dato als verschollen, eine Interpositiv-35mm-Kopie wurde allerdings bei einem deutschen Filmarchiv vom Hofbauer-Kommando aufgespürt (insofern schmerzt es mich schon etwas, dass ich ihn nicht mag, aber ich wertschätze natürlich trotzdem, dass er gezeigt wurde).



ab 21:00 Uhr


WO DER WILDBACH RAUSCHT

Regie: Heinz Paul

BRD 1956

35mm, dt. OV

Der reiche Bauer Muralt, bei dem die meisten Dorfbewohner Schulden haben, liebt die Magd Maria. Doch diese liebt den Sohn des Bürgermeisters Lorenz und ehelicht ihn dann auch. Gekränkt schenkt Muralt dem Brautpaar eine übermäßig prunktvolle Kutsche und erscheint betrunken und pöblend zur Hochzeitsfeier. Muralts Ansehen im Dorf könnte nicht tiefer sinken – doch dann stürzt Lorenz bei einem Streit mit ihm auf einer Brücke über dem Wildbach in den Tod. Nach 20 Jahren Gefängnis kehrt Muralt zurück ins Dorf.

WO DER WILDBACH RAUSCHT war der diesjährige Vertreter des klassischen deutschen Heimatfilms auf dem Kongress – ein Genre, das vom Hofbauer-Kommando besonders geschätzt wird, weil es eben auch darum gehen soll zu zeigen, dass das gängige Urteil des Filmkanons (Heimatfilm = seichte idyllische Welten, die filmästhetisch eh nicht der Beachtung wert seien) auch überprüft gehört.

Und tatsächlich ist WO DER WILDBACH RAUSCHT nicht weniger als ein ebenso bretthartes wie meisterhaft inszeniertes Melodrama. Manche Zuschauer bezeichneten den Film in der darauffolgenden Pause sogar als bayerischen Western. Für mich noch auffälliger sind die Szenen in Muralts prachtvollem Haus, die weniger nach Heimatfilm oder nach Western aussehen als dass sie mit ihrer alles in intensive, dunkle Schatten tauchenden Low-Key-Fotografie irgendwo zwischen Gothic-Horror und Film Noir schwanken. Ein gemeinsames Abendessen mit Muralt und seinem Oberknecht Wolf könnte, wenn man sich die beiden Männer in großstädtischen Anzügen und nicht in bayerischen Trachten denkt, auch die Besprechung zweier Gangster in einem amerikanischen Noir sein.

Was den Gothic-Horror betrifft: eine Pferdekutsche, die Muralt der Braut als protziges Geschenk vorfahren lässt, wird von den Dorfbewohnern aus dem Dorf ins freie Feld gekarrt. Dort steht es herrenlos in der Dämmerung – eine einzelne Einstellung voller unterschwelliger Bedrohlichkeit, die sich erbarmungslos in den Kopf einbrennt (solche Einstellungen von omimösen "leblosen" Gegenständen, die bedrohlich in der Gegend rumstehen, kennt man besonders von John Carpenter – der das über zwanzig Jahre später gemacht hat).

Muralt, der arrogante "Geld-Adelige" des Dorfes, ist trotz einer gewissen Lächerlichkeit, auch trotz einer gewissen Bedrohlichkeit am Ende vor allem eine sehr tragische Figur. Im Laufe des Films wurde er (trotz seiner Schwächen, Fehler und zweifelsohne seiner Abgründigkeiten) für mich zum Helden, oder zumindest zum großen tragischen Anti-Helden des Films: trotz seines ganzen Gelds ein Außenseiter, ein "Freak". Die Dorfgemeinschaft hingegen: an der Oberfläche freundlich, idyllisch, "einfach" lebend – und wenn das Blut hochkocht ein wilder zorniger (Lang'ianischer) Lynch-Mob, das den Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus offensichtlich nicht wieder gekittet hat. Einige Szenen zeigen auch, wie die "autochtonen" Einheimischen einen zugezogenen italienischen Dorfbewohner (aufgrund seines handwerklichen Könnens – war er der Dorfschneider? – eigentlich ein unverzichtbares Mitglied der Gemeinde) absolut aus dem Nichts als "Spaghettifresser" beschimpfen. Eine Szene, die möglicherweise als eine Art Comic-Relief gedacht war, aber das Profil der Dorfgemeinschaft als Missgunst-Gemeinschaft schärft.

Vergewaltigung, eine von Paranoia, Hass, Rassismus und toxischer Männlichkeit zerfressene und zersetzte Dorfgemeinschaft, die jegliche Abweichung erbarmungslos bestraft oder mit Gewalt verfolgt, unterschwellig inzestuöses Begehren, Lynchfantasien – zumindest WO DER WILDBACH RAUSCHT ist keineswegs die eskapistisch-seichte Friede-Freude-Eierkuchen-Unterhaltung mit idyllischem Dorfleben, auf die der Heimatfilm immer wieder reduziert wird. Die Erzählstruktur von WO DER WILDBACH RAUSCHT ist gleichzeitig sehr episch und elliptisch, eine Zeitspanne von zwanzig Jahren wird tatsächlich mit nur einem einzigen Schnitt und ohne jegliche Texttafel, Voice-Over oder sonst irgendwelche chronologischen Marker überbrückt. Einige Co-Kongressniki fanden das erzählerisch nicht besonders elegant gelöst, ich fand es auf eine faszinierende Weise bizarr, fast schon leicht exzentrisch. Passend zu diesem kleinen Prachtstück, einem der großen Höhepunkte dieser Kongress-Edition.



Speaking of Höhepunkte...



ab 23:15 Uhr


HK-Teaser: DEUTSCHLAND INTIM: WENN DIE SEKTKORKEN KNALLEN aka #SCHMÜF: Der außerordentlich schmierige Überraschungsfilm


Man könnte auch sagen: ein infernalisches Double-Feature aus Weihwasser und Sperma, Messwein und Natursekt


Kurzvorfilm:

CHRISTEN UND KIRCHEN: DIE TAUFE

Regie: Jürgen Grünler

BRD 1983

16mm, dt. OV

Was bedeutet eigentlich eine Taufe? Was ist die Konfirmation? Eine Gruppe jugendlicher Christen geht in diesem kurzen Dokumentarfilm diesen Fragen auf den Grund.

Bundesdeutscher 80er-Trist-Mief bildet das Hauptaroma dieses irgendwie charmanten Bildungs-Kurzfilms rund um Jugendliche, die in Konfirmationsvorbereitungskursen diskutieren. Eine gleichzeitig sehr unpassende und dann doch wieder sehr sehr passende Einführung zum Hauptfilm.

Die logische Überleitung: was machen denn diese Konfirmanden und Konfirmandinnen nach ihrer Konfirmation? Vielleicht... ausreißen?


Hauptfilm:

BIGGI – EINE AUSREISSERIN

Regie: Charles Köhn

BRD 1980

35mm, dt. OV

Biggi reisst aus und erlebt bei einem reichen Ehepaar, später in einem Bordell einige erotische Abenteuer.

Die Ankündigung "außerordentlich schmieriger Überraschungsfilm" war keineswegs zuviel versprochen, denn diese völlig unfassbare filmische Total-Eskalation namens BIGGI – EINE AUSREISSERIN lieferte eine der denkwürdigsten und sicherlich die verstrahlteste Vorstellung des 20. Hofbauer-Kongresses. Ein völlig wahnsinniger Film, dem mit gängigen Rezeptionsmitteln wohl kaum beizukommen ist. Ein beachtlicher Teil des Publikums tobte geradezu vor schierer Freude, vor totaler Unfassbarkeit, vor ungläubigem Staunen (oder feuerte Biggi auch mal begeistert an, wenn sie auf ihre Sexpartner*innen urinierte) während ein anderer Teil mit Brechreiz und Gehirnkernschmelze kämpfte.

Die Schublade "Porno" ist auf jeden Fall zu klein für BIGGI – EINE AUSREISSERIN. Der Film ist eher eine Odyssee durch den versifften Unterleib des bundesdeutschen 80er-Trist-Miefs, ein Eintauchen in Dreck, Schmier, Vulgarität und literweise, wenn nicht gar hektoliterweise Pisse – und das ganze auch nicht als existentialistisch-transgressive Depri-Nummer, sondern als eine sich vergnügt, frisch-frech-fröhlich und lachend gebende Riesen-Gaudi (inklusive eines "Happy-Ends", bei dem Biggi wieder von ihren Eltern in einer tristen Straße mit grauen Reihenhäusern empfangen wird, der Vater, am hellichten Tag, stilecht mit einem geöffneten Bier in der Hand).

Teenagerinnen, die es mit fetten alten impotenten Männern mit Mikropenissen treiben, ein etwas potenterer Butler mit schweren Flatulenzen, Gruppensex im Handwerkerkeller mit diversen Farben die so aussehen als wären sie nicht gerade gut für die Haut und die durcheinandergemischt nur ein unappetitliches Matschebraun (auch trotz beigemischtem Urin) ergeben, eine Kneipe mit einem Oberkellner der einfach in das Sektglas pinkelt um aufzufüllen – und das ganze ist nur die Bildebene. Die Tonspur (komplett nachsynchronisiert und in der Lippensynchronität nur selten präzise, was die bizarre Atmosphäre des Films noch steigert) ist eine Dauerbeschallung aus sexuellen, aber durch und durch unerotischen Vulgaritäten, ein Vokabular fast aus einer Parallelwelt, in der alles nur noch in Bezug zu harter Fickerei (von Sex kann kaum noch gesprochen werden) gesetzt wird. "Was für ein schöner Diamantenring, den er mir schenkt" – würde es in einer normalen Welt heißen, aber hier wird daraus "Da steckt der mir doch echt einen Diamanten auf meine Wichsgriffel". Man könnte wohl nur anhand dieses Films ein Lexikon der vulgärsten Sexbegriffe zusammenstellen. Nur an einer Stelle wurde es undeutlich: eine Schimmelbeschädigung hatte einen Teil der Tonspur angegriffen, so dass für einige Minuten die Dialoge zu einem kleinen, stockenden und rauschenden Musique-Concrète-Experimentalstück verfremdet wurden – "Schimmel-Avantgarde" sagte voller Begeisterung einer der Hofbauer-Kommandanten!

Wie haben denn eigentlich Besucher halbseidener Pornokinos damals, 1980, auf diesen Film reagiert? Haben sie sich empört die Hose wieder zugeknöpft und haben an der Kasse ihr Eintrittsgeld zurückverlangt? Oder sind sie in eine Art Trance oder Hypnose gefallen angesichts dieser Unfassbarkeiten? "Ein dadaistisches Meisterwerk" lautete das Fazit eines Hofbauer-Kommandanten direkt nach dem Film. Dem würde ich nicht viel entgegensetzen.

Vielleicht nur hinzufügen: ein außerordentlich denkwürdiger Moment ist der Beginn einer lesbischen Sexszene auf der Toilette in der Villa des gutbetuchten alten Lustmolchs mit dem winzigen Penis. Da in Deutschland Ordnung herrscht, hängt da auch eine Tafel mit einer Toilettenordnung mit fein säuberlich angeordnten, durchnummerierten Punkten. Keine zwei Minuten später sind die beiden Damen in der Badewanne und urinieren sich gegenseitig an, in völliger Missachtung der vorher sehr markant gezeigten Toilettenordnung. BIGGI – EINE AUSREISSERIN mag durchaus sehr anarchisch sein, aber das war eine Stelle, wo man doch vermuten musste: der Wahnsinn hat System!



Samstag, 7. Januar 2023


ab 14:15


DER KONGRESS TANZT

Regie: Erik Charell

Deutschland 1931

35mm, dt. OV

Die Wiener Handschuhmacherin Christel verliebt sich in ihrer Heimatstadt anno 1815 in einen äußerst charmanten Mann – der zufälligerweise der russische Zar Alexander I. ist. Metternich sieht in dieser Liebelei Potential, um seinen Gegenspieler von den Verhandlungen beim Wiener Kongress abzulenken. Doch die russische Gesandtschaft hat auch einen Zaren-Doppelgänger im Köcher. Turbulenzen und Liebe, Lachen und Weinen folgen, wie es das "nur einmal gibt".


Metternich (Conrad Veidt) lässt sich die Morgennachrichten direkt ans Bett bringen


DER KONGRESS TANZT dürfte einer der "kanonisiertesten" deutschen Filme sein, die jemals auf dem Hofbauer-Kongress liefen. Die Programmierung beim Kongress hob natürlich noch mal die archäosleazologischen Aspekte (aka "Frühschmier") hervor und ermöglichte, diesen ohnehin wunderbaren Film noch mal in einer wunderbaren Form, also im Kino und auf einer exzellenten 35mm-Kopie zu erleben: die fetzigen oder wahlweise bittersüß-romantischen Musiknummern ("Das gibt's nur einmal" – natürlich mehr als einmal vorgetragen, "Wien und der Wein"), die spritzig-perlende Lilian Harvey als verliebte Handschuhverkäuferin, ein herrlich schmieriger Conrad Veidt als intrigant-gerissener Metternich, Willy Fritsch wahlweise als romantisch-verträumter Zar Alexander oder als entweder gelangweilter oder in Zarenkostüm überforderter Sicherheits-Double Uralsky, das heimliche Herz des Films Otto Wallburg als Zarensekretär Bibikoff (mit seinem Begehren, Leute immer auspeitschen und nach Sibirien verfrachten zu lassen), und nicht zu vergessen die absolut fantastische Kamera (Carl Hoffmann), die absolut federleicht durch gigantische Komparsenszenerien gleitet und tänzelt (und das nicht nur in der atemberaubenden "Das gibt's nur einmal"-Kutschenfahrt).

DER KONGRESS TANZT sah ich zum ersten Mal bei einem geselligen Adventsabend des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der Uni Jena 2007 – der Film wurde von der Vertretungsprofessorin im Rahmen ihrer Vorlesung zu kulturgeschichtlichen Annäherungen an russische Diplomatiegeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert ausgewählt. Ein vergnüglicher Abend mit netten Kommilitoninnen und Kommilitonen, Glühwein und Plätzchen und DER KONGRESS TANZT auf dem Röhrenfernseher eines Seminarraums. Die Professorin wertschätzte im Anschluss auch den Wert der filmästhetischen Attraktionen über die trockene Faktenlage (in etwa: "In den Fakten nicht sehr akurat, aber trotzdem sehr unterhaltsam und schön... Nein, GERADE deswegen!").

DER KONGRESS TANZT ist auch ein Lichtblick des späten Weimarer Kinos bevor die Nazis der Freude ein Ende setzten. Ein großer Anteil der an zentralen Positionen vor und hinter der Kamera beteiligten Personen waren jüdischer Herkunft und mussten 1933 vor den Nazis fliehen. Bibikoff-Darsteller Otto Wallburg und Co-Drehbuchautor Robert Liebmann waren nicht weit genug bis ins sichere Hollywood geflohen und wurden in Auschwitz ermordet.



ab 16:45 Uhr


HK-Teaser: HEISSE SEHNSUCHT, KALTE KASTE. Schulmädchen-Liebesschicksale im indischen Ozean


GEHENU LAMAI ("The Girls")

Regie: Sumitra Peries

Sri Lanka 1978

35mm, singhalesische OV mit engl. UT

Ein junges Mädchen verliebt sich in einen Klassenkameraden aus einer höheren Klasse. Dieser wechselt nach seinem Abschluss die Seiten und wird Lehrer seiner Verehrerin – und schließlich auch ihr Geliebter. Die heikle Lehrer-Schülerin-Situation wird noch dadurch verschlimmert, dass sie zu einer niedrigeren sozialen Schicht gehört. 

Eine aus einer Retrospektive des Berliner Arsenal zu weiblichen Regisseurinnen mitgebrachte Rarität. Sumitra Peries arbeitete nach ihrem Abschluss an der London School of Film Technique (wo sie wohl die einzige Frau in ihrem Studiengang war) als Cutterin, unter anderem für die Filme ihres Ehemanns, dem Regisseur Lester James Peries. Ihr Debütfilm als Regisseurin GEHENU LAMAI war wohl erste von einer Frau inszenierte Film in Sri Lanka. In den 1990er Jahren arbeitete sie (ähnlich wie eine andere weibliche Pionierin ihres Kinolandes, Lana Gogoberidze) als Diplomatin in Europa, inszenierte aber weiterhin Filme bis Ende der 2010er Jahre. Die beim Kongress gezeigte Kopie stammte aus Peries' Privatbesitz und ist wohl besonders selten (vielleicht die einzige Kopie des Films). Wie mit der Kopie nach dem Kongress verfahren wurde, ist mir unbekannt: Sumitra Peries starb nämlich 12 Tage nach dieser Vorführung im Alter von 87 Jahren. Es ist also wahrscheinlich, dass dies die letzte öffentliche Vorführung dieses Films zu ihren Lebzeiten war.

Die Kopie war ehrlich gesagt "schwierig" und machte die Sichtungssituation auch eher sub-optimal: sie war sehr verwaschen, das Schwarzweiß extrem kontrastarm, die fest eingebrannten weißen Untertitel hatten keine Outline und verschwanden über weite Teile des Films in den fast immerzu blendend weißen Oberteilen der Figuren – wenn die Untertitel überhaupt erschienen, denn hier war wohl nach dem Motto "Wir fassen nur das wichtigste grob zusammen" verfahren worden und bestimmt ein Drittel, wenn nicht gar die Hälfte der Dialoge waren untertitelfrei. Manche Zuschauer gaben ganz auf und verließen die Vorstellung. Andere Zuschauer gaben dann wohl irgendwann die Mühe auf, den Untertiteln Aufmerksamkeit zu schenken und schauten den Film dann nur noch rein audiovisuell ohne Textverständnis – so zumindest ich nach wohl etwa 30 Minuten.

Und zu entdecken gab es in diesem leise (aber dennoch dialogreich erzählten) Liebesfilm visuell so einiges: eine extrem dynamische Kamera, die in langen Schwenks den Figuren folgt, durch Dickichte von Ästen oder kunstvollen verzierten Fenstergittern oder in Spiegelungen filmt, dazwischen immer wieder Zooms. Einige wenige ausgesuchte Closeups sorgten für besonders emotionale Momente. Das klingt nicht nach viel, aber trotzdem ich vor dem Film bei nicht mal der Hälfte in Sachen Textverständnis kapitulieren musste, hat mich der Film emotional immer wieder gepackt.

Ein Foto aus einer Vorführung des Films war auf dem Postkarten-Titelbild dieser Kongress-Edition vertreten, inklusive des perfekt zum Kongress passenden Untertitels "May be rubbish to you – but meaningful tu us."



ab 21:00 Uhr


HK-Teaser: DIE SPELUNKE DER FEURIGEN TRIEBE aka #BRÜF: Der brünftige Überraschungsfilm


AMARELO MANGA

Regie: Cláudio Assis

Brasilien 2002

35mm, port. OV mit UT

Leben, Essen, Lieben, Träume, Begehren, Obsessionen und Sterben verschiedener Hotel- und Kneipen-Wirte und -Gäste in einem Armenviertel von Recife.


Die resolute Kneipenwirtin Lígia und der zwielichtige deutsche Ex-Militär Isaac


Man stelle sich vor, Robert Altman hätte einen seiner Ensemblefilme nicht in der Country-Szene von Nashville, in den kleinbürgerlichen Vorstädten von Los Angeles oder in der Mode-Szene von Paris, sondern in den Elendsvierteln von Recife gedreht – und hätte sich vor Beginn jedes Drehtags noch einen starken Joint und eine halbe Pulle Cachaça reingepfiffen...

Die Struktur von AMARELO MANGA ("Mangogelb" – eine Haartönung, die man in diesem Film-Recife beim Straßenfriseur ordern kann) teilt sich mit Altmans Ensemblefilmen die lose, impressionistische, an zielgerichteter Narration wenig interessierte Erzählweise. Im Grunde ein "All character, no plot"-Film – und was für einer!

Warum nicht über die Figuren ein wenig diesen hochenergetischen, elektrisierenden Film erschließen? Es gibt zum Beispiel Lígia, die Besitzerin einer Eckkneipe, die uns in den Film einführt, deren Interaktionen mit ihren Gästen irgendwo zwischen warmer Herzlichkeit und einem sehr bestimmtem Abwehren sexueller Übergrifflichkeiten schwankt. Es gibt Wellington aka "Der Kannibale" (im Viertel so genannt, weil er wohl einmal einen Mann getötet hat), der Fleischereiarbeiter, der regelmäßig ein halbes Rind in das "Hotel Texas" liefert und eine Affäre mit der Kioskverkäuferin Daisy hat, von der seine Frau Kika, ein gläubiges Mitglied einer radikalen evangelischen Sekte, die Anfang der 2000er Jahre in Brasilien florierten, nichts weiß. Im "Hotel Texas" wohnt Isaac, ein "Deutscher" mit unklarer und dubioser Vergangenheit (in einem kurzen Kameraschwenk durch sein Zimmer, na ja, seine Absteige, sieht man eine Armeeuniform an der Wand hängen: NVA? Stasi?) und einem bizarren Hobby, das eine Pistole und aus dem Leichenschauhaus geschmuggelte Leichname benötigt. Eine andere Bewohnerin ist Dona Aurora, eine ältere Dame, die mit chronischen Lungenproblemen zu kämpfen hat und immer wieder auf ihr Zimmer muss, um dort an einem Sauerstoffgerät durchzuatmen. Gastronomisch verköstigt werden sie von Dunga, dem Hotelkoch, ein sehr exaltierter schwuler Mann, der offensichtlich ein Auge auf seinen Fleischlieferanten Wellington geworfen hat. Zum Essen kommt auch immer wieder ein "arbeitsloser" Priester, dessen "traditionelle" Kirche geschlossen wurde aufgrund der "Konkurrenz" durch radikale evangelische Sekten.

Wenn Lígia, die Kneipenwirtin, das Rückgrat des Films ist (mit ihr beginnt der Film und schließt der Film in einer Art Kreisbewegung im Epilog ab), dann ist Dunga, der Koch (und De-Facto-Geschäftsführer des "Hotel Texas" in Abwesenheit des eigentlichen Chefs – und dieser wird dann im Laufe des Films dann auch sehr "abwesend" sein) das emotionale Herz von AMARELO MANGA. In den ersten Momenten fast ein wenig eine "Tunten-Witzfigur", entwickelt er sich im Laufe des Films zu einer emotional sehr berührenden, charismatischen Hauptfigur, vielleicht auch, weil Darsteller Matheus Nachtergaele für mich ganz besonders herausstach – wohlgemerkt in einem fantastischen Ensemble von Darstellern.

Ein wichtiger Darsteller von AMARELO MANGA ist auch Recife: eine Stadt, die ich bislang nur vom Namen her kannte, und die mir nach dem Film wesentlich plastischer erscheint. AMARELO MANGA ist nicht nur ein Charakterfilm, sondern auch ein Stadtfilm, der immer wieder en passant das Gewusel auf den Straßen, die Architektur der Stadt und die beeindruckenden Panoramasichten (von einer eher ärmlichen Siedlung auf einem Hügel aus gesehen) zeigt – wenn er sich nicht gleich aus der "eigentlichen" Filmhandlung für eine Weile einfach mal komplett ausklinkt, um in semi-dokumentarischen Bildern vom pulsierenden Leben der Stadt oder in einzelnen individuellen Portraits von echten Charakterfressen der Straße zu schwelgen, deren Geschichte er vielleicht auch erzählen könnte...

In der englischen Wikipedia wird AMARELO MANGA als Low-Budget-Film bezeichnet, das sieht man ihm allerdings keineswegs an, mit seinen immer wieder spektakulären, schwebenden Overhead-Shots, die über Raumwände hinweggehen, seinen langen, kunstvollen Fahrten durch überfüllte Straßen oder durch die verschlungene Architektur des "Hotel Texas" – ein großartiges Filmset, das ein eigenes kleines Universum eröffnet.

Die Verbindungslinie ziehe ich daher bewußt zu Robert Altman, der einen sehr pessimistischen Blick auf die Menschheit hat, wenngleich er seine einzelnen Figuren auch in ihren Schwächen liebt – und nicht zum zynisch-kalten Post-Tarantino/Tarantino-Ripoff'ism-Kino (mit dem einige den Film fälschlicherweise assoziieren könnten). AMARELO MANGA ist keine Freak-Show, keine technokratische Fingerübung, sondern trotz einiger Härten ein warmer, ja warmherziger und auch ein sehr optimistischer Film. Die Essen im "Hotel Texas" sind bestimmt keine 5-Sterne-Büffets, werden aber voller Liebe zu den Figuren und zu kleinen Details gefilmt. Bei einem dieser Abendessen bekommt Aurora einen Hustenanfall: der "arbeitslose" Priester packt sie von hinten in einer Art Heimlich-Griff, aber offensichtlich nimmt er die Gelegenheit wahr, um ihre Brüste zu betatschen. Das anschließende Gespräch erhellt uns, dass Aurora wohl beim Essen immer wieder solche Anfälle hat – als chronisch lungenkranke Frau (sie muss in ihrem Zimmer regelmäßig Sauerstoff aus einem Gerät atmen) ist das nicht völlig abwegig, aber es scheint fast angedeutet zu sein, dass hier ein kleines Ritual der körperlichen Nähe und emotionalen Anteilnahme zwischen zwei einsamen Seelen in dieser Abstiege gefeiert wird. Und das Ende schließlich: Eine junge Frau, die sich offensichtlich aus den Griffen einer evangelischen Sekte ebenso gelöst hat wie aus einer tristen, kalten Ehe, läuft rasch und sehr bestimmt durch die Straßen, greift sich dabei an die Hand, streift ihren Ehering ab und wirft ihn weg, und (ohne auf den Klang zu reagieren, den der Ring macht, als er auf den Asphalt fällt – welch großartiges Detail!) läuft weiter schnurstracks auf ihr Ziel weiter... Was für ein Bild von neuentdeckter Lebenslust nach einer Zeit des persönlichen Stillstands.


Claudio Assis war 42 Jahre alt, als AMARELO MANGA seine Premiere hatte. Der Regisseur der Filme im nächsten Filmblock war etwa doppelt so alt...


ab 23:30 Uhr


Bruno-Sukrow-Programm


HEITER BIS WOLKIG

Regie: Bruno Sukrow

Deutschland 2010

digital, dt. OV

Sukrow filmt sich selbst in seiner Wohnung, also sprich: in seinem persönlichen Filmstudio. Er tritt in Dialog mit animierten Figuren, die er über seinen Couchtisch gehen lässt oder auch mit sich selbst: manchmal sprechen zwei Bruno Sukrows miteinander (wenn er sich doppelt), oder aber nur zwei halbe Sukrows, wenn der schwebende, beinlose Oberkörper sich mit dem "oberkörperfreien", sich auf der Wohnzimmercouch fläzenden Rumpf streitet. Dazwischen immer wieder kleine Inserts mit Naturimpressionen.


DIE WAHRE TITANIC

Regie: Bruno Sukrow

Deutschland 2010

digital, dt. OV

Die Titanic treibt in einem Bruno-Sukrow-Rhythmus durch einen blauen Pixel-Animationsrausch. Strandschönheiten sonnen sich am Deck, Heizer prügeln sich fröhlich im Heizraum und Abends steppt auf dem Parkett des Ballsaals der Bär, während sich der Eisberg immer mehr nähert... gibt es Rettung für ihn?


DER ALTE MANN UND DAS MEER

Regie: Bruno Sukrow

Deutschland 2010

digital, dt. OV

Welch perfekt programmierter Film, knapp ein Tag nach WO DER WILDBACH RAUSCHT. Die Geschichte der Freundschaft eines jungen Mannes zu einem älteren Fischer – der von der Dorfgemeinschaft (diesmal nicht in den bayerischen Alpen, sondern an einem tropischen Strand – aber alle Figuren sprechen ein sehr dialektal eingefärbtes Deutsch) verstoßen wird, als eine junge Frau plötzlich verschwindet und er des Mordes beschuldigt wird. Lynchmobs formieren sich, während nur der junge Freund und die Wirtin der Dorfkneipe (ach... die ganzen Kneipenwirtinnen bei diesem Kongress!) zu ihm halten.

Die eigensinnige Poesie Bruno Sukrows dringt in diesem dritten Film des Abends in immer größeren Dosen zum Bewußtsein durch: unfassbare Tableaus mit sich in einer Art hypnotischen Trance-Zustand bewegenden Figuren, zusammengesetzt aus teils animierten Bildern, teils aus Real-Standbildern – an den Kanten immer etwas roh (das Freistellen mancher Bildelemente ist nicht immer perfekt) und dabei doch voller Herz.


GROLSCH

Regie: Bruno Sukrow

Deutschland 2018

digital, dt. OV

Im Weltall empfängt eine Gruppe von Aliens in ihrem Raumschiff ein Funksignal von der Erde. Der geübte deutsche Erdbewohner erkennt mühelos eine Bierwerbung der Marke Grolsch, die Aliens erkennen nur, dass das wohl ein ganz tolles Zaubergetränk ist, das sie auch mal ausprobieren müssen. Gesagt, getan: Kurs auf die Erde. Doch oh weh... aus Versehen legt das Raumschiff beim Flug gen Erde die Stromversorgung der Welt lahm.

Acht Jahre nach den vorher gezeigten Filmen gezeigt wirkte GROLSCH im kleinen Rahmen dieses Programms für einen Sukrow-Neuling wie mich wie sein Opus Magnum (es war ein mittellanger, etwa dreiviertelstündiger Film): der Humor, die Liebe, die Zärtlichkeit, die Poesie – vollkommen ausgereift zu einer singulären Handschrift. GROLSCH ist ein Alien-Sci-Fi-Film, eine Art Re-Imaginierung von INDEPENDENCE DAY, eine Screwball-Komödie, eine Anarcho-Komödie irgendwo zwischen Marx Brothers und Helge Schneider, eine Militär-Satire, ein Essayfilm über die Unbekümmertheit der Natur im Angesicht menschlicher Katastrophen, ja sogar ein Western steckt da drin! Liebevolle kleine Miniaturen und Sketche rund um die Welt (es geht ins Weiße Haus ebenso wie nach Polen, über Japan, Russland, das Ruhrgebiet und Hollywood) über die Menschen im Angesicht dessen, dass es keinen Strom mehr gibt: wenn man nicht kochen kann, kann man ja einen Obsttag einlegen, aber was ist mit dem Fernsehen? Während die Menschen in totale Ratlosigkeit versinken, bleibt die Natur davon unbekümmert: das sieht man besonders an den Enten, die es einmal als Real-Film-Insert gibt – und später als unbeholfen watschelnde Animationswesen.

Dabei ist es wirklich großartig, wie Sukrow im Grunde die latente Spannung über den ganzen Film erhält mit der Prämisse, nämlich: werden die Aliens an das Bier rankommen? Und wenn ja, wie? Und wie wird die Verkostung? So viel sei gesagt: Einer der großen magischen Momente dieses Kongresses war zu sehen, als die vier Aliens in einem tänzelnd-elastischen Gleichschritt marschierend Bierkästen zu ihrem Raumschiff tragen.



ab 1:30 Uhr (reale Startzeit irgendwann nach 2:00 Uhr)


HA LLEGADO UN ÁNGEL ("Ein steiler Zahn")

Regie: Luis Lucia

Spanien 1961

35mm, DF

Das Waisenkind Marisol (Marisol, bürgerlich Josefa Flores González) reist nach dem Tod ihrer Eltern in die Großstadt, um dort mit ihren nächsten Verwandten, also der Familie ihres Onkels, zu wohnen. Diese heftig zerstrittene Familie (der Onkel ist unter der Knute seiner tyrannischen Ehefrau, der älteste Sohn verbockt sein Studium weil er nur an Parties denkt, die Tochter geht mit einem Mann aus der ungefähr so alt aber wesentlich schmieriger ist als ihr Vater, mit dem Geld allgemein ist eher mau) ist von diesem "Glück" eher negativ überrascht, denn Marisol lässt keine Gesangseinlage verstreichen, um die Familie wieder auf den rechten Weg zu bringen. Und ihre Teilnahme an Kino und Gesangswettbewerben soll auch das mit dem Geld richten.


Marisol bezirzt auch harte Professorenherzen mit ihrer Stimme


In einer besseren Welt wäre Marisol nach Italien gegangen, um dort als Sidekick bei einem Film mit Franco Franchi und Ciccio Ingrassia mitzuspielen (am besten von Lucio Fulci inszeniert), denn eines ist sicher: mit ihren grotesken, ultraelastischen Gesichtsverrenkungen hätte sie neben Franchis mimischen Total-Eskalationen durchaus eine ganz gute Figur gemacht.

Einen populären Schlagerfilm aus Spanien in der Hochzeit des Franquismus zu sehen, war schon faszinierend: eine antiautoritäre, fast anarchische Brise und ein autoritärer Mief, totale Selbstauflösung in Spiel, Spaß, Freude und ein heftiger sozialer Druck in Richtung Konformität und Wohlordnung, eine Sympathie für Empowerment von Außenseitern und ein mit "traditionell" noch nett umschriebenes Verständnis von Geschlechter-Beziehungen stehen sich immer wieder gegenüber. Marisol ist schon ein kleiner Wirbelwind von Lebensfreude, Spaß und Ausgelassenheit, aber wenn sie ein kreischend hohes Lied frühmorgens anstimmt, um alle im Haus zu wecken und besonders ihren noch leicht angetrunkenen bzw. schon leicht verkaterten Cousin, der eben erst ins Bett wollte, dann wirkt sie eben auch gleichzeitig wie ein eisener Besen der strengen (in einem deutschen Kontext würde man sagen: "preußischen") Ordnung. Die Szene, in der Marisol zusammen mit einer Gruppe von musikaffinen Studenten (die sie im Prolog im Zug getroffen hat), in das Haus eines emeritierten Professors einfällt, um ihn mit schmissigen Songs zu erweichen, ist schon herzallerliebst und ein Höhepunkt des Films (ein Still aus dieser Szene war auch das zentrale Anteaserungsbild für den Kongress). Ein weiterer Höhepunkt ist Marisols gesangliches Nachsynchronisieren des familiären Fernsehers, nachdem eines der Familienmitglieder durch zu viel Rumspielen an den Geräteeinstellungen den Ton lahmgelegt hat. Gleichzeitig gibt es eine Szene, in der Marisols Cousin seiner Schwester ins Gesicht schlägt (vielleicht sogar mehrmals?) und der Film findet das offensichtlich ganz ungeheuer witzig – das ist dann schon eher bestialisch.



Sonntag, 8. Januar


ab 14:30 Uhr


HK-Teaser: Geheimnisvolle Qualen der Erotik


VON HAUT ZU HAUT

Regie: Hans Schott-Schöbinger

BRD 1970

35mm, dt. OV

Nicki (Sophia Kammara) und Karen (Dagmar Lassander) sind Zwillingsschwestern, die eine telepathische Verbindung haben. Das ist nicht immer von Vorteil, wenn die eine in einem vielleicht nicht ganz passenden Moment spürt, wie die andere mit ihrem Partner (Karen) bzw. ihrer Partnerin (Nicki) Sex hat. Richtig unangenehm wird es aber, als Nicki von einem mysteriösen Mann verfolgt wird.

Eins vorweg: es machte mir tatsächlich mehr Spaß, über den Film im Nachhinein nachzudenken bzw. in Erinnerung an die Atmosphäre zu schwelgen als den Film tatsächlich zu sehen. Das muss aber nichts Schlechtes sein, denn wenn ich über Vergleichsreferenzen nachdenke, würde mir Aldo Lados LA CORTA NOTTE DELLE BAMBOLE DI VETRO aka MALASTRANA einfallen: auch ein Atmosphären-Film (ein "Giallo") in einer alten mitteleuropäischen Stadt, die aufgrund ihrer Gruseligkeit für die Figuren zu einer Art riesigen Freiluft-Gothic-House wird. VON HAUT ZU HAUT wurde in Passau gedreht, einer Stadt, die ich persönlich nicht kenne, die mir aber als eine Art eigenständiger Charakter im Film sehr nahe gebracht wurde. Mit seinen wunderbaren Scope-Bildern der oft größtenteils entvölkerten Altstadt-Gässchen erschafft Schott-Schöbinger eine ganz eigene, unheimliche Atmosphäre, die den ganzen Film ansteckt: natürlich bei spannungsgeladenen Verfolgungsjagden, aber gerade eben auch, wenn die beiden Protagonistinnen einfach nur durch diese Gassen schlendern. Wie Prag (bzw. Zagreb und Ljubliana) für MALASTRANA scheint auch Passau einen natürlichen Gothic-Horror-Einschlag zu haben, der sich voll und ganz auf die Zuschauer überträgt, wenn man ihn nur richtig mit der Kamera einfängt.

Der große, fantastische Höhepunkt des Films bezieht sich darauf, wie unpassend es manchmal ist, durch Telepathie den Sex der Schwester mitzubekommen (und mitzuspüren): eine der Schwestern steigt in einen Bus ein (stilecht mit einer Jägermeister-Werbung), fährt zunächst nichtswissend mit, beginnt dann zu stöhnen, weil ihre Schwester zeitgleich Sex hat, zieht die Aufmerksamkeit der anderen Mitfahrer auf sich und bekommt schließlich einen Orgasmus. Hier explodiert die Szene in eine Nahaufnahme ihres vor Lust verzerrten Gesichts, die von einem psychedelisch animierten Blätterornament überlagert wird.



ab 16:15 Uhr


HK-Teaser: HOW I COME


SHARON'S ROSEBUD

Regie: Richard Wilton

USA 1976

16mm, OV

Die Porno-Darstellerin Sharon Thorpe erzählt in einem intimen Interview von ihren Fantasien.

"Cinéma vérité goes porn" – so ungefähr beginnt SHARON'S ROSEBUD, mit einer sehr langen ungeschnittenen Einstellung, in der Sharon sich mit dem Off-Kamera-Interviewer unterhält. Die Steigerung der "ungeheuren Gefühle", um jetzt mal ein Bonmot des Hofbauer-Kommandos zu benutzen, war am Anfang sehr langsam, graduell, in kleinen Häppchen voranschreitend – und dadurch erst recht extrem sexy, gerade weil die Befragte sehr lange Zeit bekleidet bleibt und nur durch ihre Erzählung und suggestive Blicke Erotik erzeugt. Dann wurde Sharons Wortwahl zunehmend explizit, sie entkleidete sich langsam, dann kam der "Helfer", um sie zu lecken und schließlich ließ sie die Zuschauer an ihren Fantasien mittels eigener Filmepisoden teilhaben. In diesem langen Prolog entwickelt SHARON'S ROSEBUD eine unglaubliche Unmittelbarkeit und Intimität – die vierte Wand wird praktisch aufgelöst. So konnte ich auch nicht anders, als von "ungeheuren Gefühlen" selbst etwas tangiert zu werden.

Danach wird der Film leider etwas zu routiniert, entwickelt sich zu einer reinen Nummern-Revue und wirkte im Rahmen dieses Kongress-Wochenendes in der Anhäufung von Sexszenarien mit strammem Dirty-Talk wie die stilvollere und elegantere Ausführung von BIGGI – EINE AUSREISSERIN. Die Einheit von Zuschauer, Interviewer, Helfer, Interviewten und ihren Fantasien löste sich und baute wieder eine gut spürbare vierte Wand ein. Eher verstörend war das Auftauchen eines Nebendarstellers, der wie der verlorene Zwillingsbruder von Herbie Hancock aussah. Eher amüsant hingegen dass ich ab jetzt "Die Nadel im Heuhaufen suchen" durch "Die Karotte im Heuhaufen suchen" ersetzen werde – nachdem die Karotte in der Inzest-und-Gärtner-Fantasie beim Liebesspiel im Heuschober gefunden und kreativ in die Aktivitäten eingebunden wurde, wird sie danach dann auch praktischerweise als After-Sex-Snack verspeist.



ab 21:00 Uhr


LUJURIA TROPICAL ("Tropische Sinnlichkeit")

Regie: Armando Bó

Argentinien 1963

35mm, DF

Die freigeistige Norma (Isabel Sarli) lässt sich in einem Fischerdorf nieder und heiratet dort den lokalen Kneipenwirt. Das hindert sie nicht daran, sich auch mit dem lokalen Strand-Beau (gespielt von Regisseur Armando Bó) einzulassen. Der will Norma jedoch komplett für sich allein haben und stößt damit eine Spirale der zunehmend gewaltsamen Eskalation an.

Nach einer sehr zärtlichen Einführung von Hofbauer-Kommandant Christoph zum Filmzyklus des argentinischen Regisseurs Armando Bó und seiner Hauptdarstellerin und Ehefrau Isabel Sarli ging es an den südamerikanischen tropischen Strand, um Melodrama-Leidenschaften, unerschütterliche weibliche Selbstbehauptung im Angesicht männlicher Dummheit und natürlich die Pracht von Isabel Sarlis Körper zu erleben.

Im englischen Wikipedia-Eintrag wird der Film als "verschollen" bezeichnet, aber das ist ja ganz offenbar Quatsch, wenn wir ihn beim Kongress gesehen haben – allerdings muss man sagen in einer schon recht lädierten Kopie, die die leuchtenden, satten, tropischen Farbenpracht nur noch in Resten durch einen Schleier von Rotstich in sehr diversen Ausprägungen approximativ erahnen ließ (manchmal intensiver, manchmal kaum bemerkbar, als wäre die Kopie aus Kopien in unterschiedlichen Verfallsstadien zusammengestückelt worden). Das hat das völlige Eintauchen in den Film angesichts der fortgeschrittenen Kongressdauer und der damit einhergehenden Müdigkeit doch etwas für mich erschwert. Die zweite Hälfte des Films war für mich leider etwas stockend und anstrengend, ich habe aber die Vermutung, dass die leichte Trägheit durch das Abendessen eine unheilige Allianz mit der allgemeinen Müdigkeit nach vier Festivaltagen einging.

Insofern war es auch etwas einfacher, sich ganz auf ein, ja das wichtigste Element des Films zu konzentrieren: auf Isabel Sarli. Sie ist keine besonders expressive Darstellerin, aber was sie außer ihrer Schönheit mitbringt ist ein alles zerfetzendes Charisma, eine alles einnehmende Leinwandpräsenz, die alles um sie herum an die Wand drückt. Wie sie die Männer (die mehr oder weniger alle erbärmliche Würstchen sind) um sie herum zur Sau macht, wenn sie ihr blöd kommen, ist die reinste Freude. Eine absolute Naturgewalt, und wie Christoph in seiner Einführung sehr schön erklärt hat: die Kamera bestaunt sehr wohl voyeuristisch ihren Körper, aber den Film auf "male gaze" zu reduzieren, greift zu kurz. LUJURIA TROPICAL ist für einen Film von 1964 und einen Film aus einem katholisch geprägten Land, das man als eher traditionell-patriachalisch einschätzen würde, verblüffend progressiv, um nicht zu sagen geradezu anarchisch in einem Verständnis von Geschlechterbeziehungen. Sarli hält nicht die andere Wange hin, wenn man sie (körperlich oder metaphorisch) schlägt, sondern haut beherzt zurück. Und einige Jahre, bevor es en vogue wurde, ist es ein Film, der Monogamie (und zwar für ALLE Beteiligten) als eher dubioses (zumindest aber nicht alleinseligmachendes) Konzept der Lebensgestaltung ansieht. Alle Männer in dem Film wollen Sarli "besitzen" und LUJURIA TROPICAL zeigt zweifelsohne, dass sie alle erbärmliche Würstchen sind. Nur der Ehemann, der macht im Laufe des Films einen Lernprozess durch, möchte sie am Ende nicht mehr nur "besitzen".

Hätte wahrscheinlich ein tolles Double-Feature mit DIE DRESSIERTE FRAU gegeben.



ab 23:15 Uhr


HK-Teaser: Eine Lustreise durch die Aborte der Republik


DAS BUMSFIDELE HÄUSCHEN

Regie: Marijan Vajda

BRD 1971

35mm, dt. OV mit finn. & schwed. UT

Schulmädchen-Report, Hausfrauen-Report, Ehemänner-Report, Lehrmädchen-Report, Krankenschwestern-Report – die können alle schön einpacken, denn jetzt kommt der... Toiletten-Report! Wasserlassen, Stuhlgang, Rauchen, Selbstbefriedigung, Nacktheit und sonstiges Freudiges rund um das stille Örtchen.

Ein Freund des Hofbauer-Kommandos sah ein Plakat zum Film... in einer Toilette in Finnland! Empfehlung weitergeleitet, Kopie in Finnland recherchiert und ausfindig gemacht – und bereit ist der schmissige, bizarre, brüllend komische und verblüffende Rausschmeisser dieses Kongresses. Und schloß genre-mäßig den Kreis zum Reportfilm, der diesen Kongress eröffnete.

Gemäß der Einführung von Hofbauer-Kommandant Felix wurde Marijan Vajda (1920-1997) in seiner jugoslawischen Heimat aus dem Berufsverband der serbischen Regisseure hinausgeworfen wegen Geschmacklosigkeit und Inkompetenz. Vajda war gemäß den Daten bei IMDb schon seit 1951 tätig, vornehmlich als dokumentarischer Kurzfilm-Regisseur (von Filmen mit eher "trockenen" Titeln wie "Jugoplastika", "Die Industrie von Novi Sad", "Automechanik in Split", "Volksmuseen in Belgrad", "Nuklearreaktoren"), mit einer hohen Produktionsfrequenz, zwischen 1960 und 1962 gibt es drei Langfilme. Nach ganzen sieben Dokumentar-Kurzfilmen 1963 gibt es eine Lücke bis DAS BUMSFIDELE HÄUSCHEN 1971 (1976 dann sein letzter Film, die bundesdeutsch-schweizerische Koproduktion MOSQUITO DER SCHÄNDER). Auch wenn ich keine gesicherten Angaben dazu finde, scheint Marijan David Vajda, gebürtig 1950 in Belgrad, sein Sohn zu sein und war selbst als Regieassistent (u. a. bei Vajdas MOSQUITO DER SCHÄNDER, aber auch bei so unterschiedlichen Leuten wie Franklin J. Schaffner, Raúl Ruiz, Nicolas Roeg, James Mangold) und Regisseur tätig (OTTO – DER AUSSERFRIESISCHE sowie viele Filme und Episoden für das Fernsehen, u. a. POLIZEIRUF 110).

Wenn wir bei Vajda Sr. wieder zurückkehren zu Rausschmiss wegen Geschmacklosigkeit und Inkompetenz: für die Geschmacklosigkeit – sehr verdientermaßen! Und für die Inkompetenz: schwer verständlich. Was Vajda in DAS BUMSFIDELE HÄUSCHEN macht ist schon sehr erstaunlich: eine extrem gut gemachte Parodie des damals noch recht jungen Reportfilm-Subgenres, die so gut funktioniert, weil sie eben die Regeln und Funktionsweisen eines guten Genre-Vertreters vollkommen verinnerlicht hat; die Absurdität der Prämisse, Abenteuer durch verschiedene Klos Deutschland zu erleben, wird so weit getrieben und eskaliert, dass der Film teilweise fast schon die Anmutung eines Avantgarde-Films bekommt – der äußerst bizarre und absurde Humor, der Pointen manchmal verweigert und irgendwo zwischen Helge Schneider und einer tatsächlich recht osteuropäischen Form von Groteske schwankt, trägt seines dazu bei; und nicht zuletzt – Vajdas langjährige Erfahrung als Dokumentarfilmemacher kommt hier wohl zugute – wirkt der Film auch immer wieder wie eine Dokumentation bundesdeutscher Tristesse Anfang 1970er, nicht nur mit seinen dreckigen, schmuddeligen Klos, sondern auch mit verrauchten Eckkneipen, gänzlich unsanierten Hinterhöfen, maroden Zügen (na gut, das gibt es auch heute, aber in anderem Design), dazu – in besagter Kneipe – die faltigen Opa-Charakterfressen, die nicht nur lüstern jedem Rock hinterherschauen, sondern von früher, vom Krieg schwärmen.

Letzteres führte dann in einer kleinen Rückblende auch zu einer Episode, die das bereits leicht von den frühen Abreisen ausgedünnte Publikum zu rasendem Tosen brachte: das Gemeinschafts-Scheissen auf den Feld-Latrinen an der Front des (Ersten) Weltkriegs (ein Schild über den Latrinen verkündet "Für Kaiser, Volk und Vaterland"). DAS BUMSFIDELE HÄUSCHEN ist in der Erinnerung aufgrund seiner Programmierung als letzter Film nach einem langen Festival etwas verblasst, Details nicht mehr so präsent, aber diese Episode bleibt natürlich hängen! Eine Verfolgungsjagd, bei der Polizisten versuchen, Wildpinkler zu fangen, ist aufgrund des Pointen-Bonmots auch gut hängen geblieben: "Auch ein Hippie muss mal Pipi". Und besonders schön: eine unbekleidete Frau, die in ihrer Wohnung abhängt, eine Platte auflegt und dann mit einem roten Plastikvogel spielt, das von der Decke an einer Feder hängt – dieses einfach endlos auf- und abwippen lässt.