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Sonntag, 27. August 2023

Endliche Ehen und unsterbliche Liebe: Bericht vom 9. Festival des italienischen Genrefilms Terza Visione


Mittwoch, 19. Juli 2023


ab 19:15 Uhr

Das 9. Terza Visione fing mit einem ungewöhnlichen Format an. Da ein Umstieg mit der Bahn auf der Herfahrt statt geplanten 9 Minuten schlussendlich 3 Stunden dauerte, verpasste ich den ersten Film des "inoffiziellen" Eröffnungstags, Dario Argentos L'UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO. Dafür gab es als Einstieg ein Regisseursgespräch im Foyer des deutschen Filmmuseums. Der Gast, ja Stargast, war... Dario Argento, der für zwei Tage in Frankfurt am Main verweilte, um die ihm gewidmete Retrospektive des Filmmuseum Frankfurt zu besuchen. Diese schloss sich in einem Synergieeffekt mit dem Terza zusammen.
Es war die zweite Gesprächs-Session, und Argento sprach unter anderem über die Zusammenarbeit mit Ennio Morricone (der Score zu seinem ersten Film L'UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO wurde von Morricone und einigen seiner engsten Mitarbeiter recht spontan improvisiert), darüber, wie er als Gast und stiller Beobachter im Haus des Drehbuchautors Sergio Amidei (u. a. ROMA, CITTÀ APERTA und PAISÀ) das "Handwerk" lernte (die Essenz liegt darin, dass das Autorenteam zunächst mit "Smalltalk" sich menschlich synchronisiert, bevor es an die "harte" Arbeit geht), über seine Einflüsse (im Gegensatz zur gestellten Frage eher seine auf andere Regisseure, und nicht umgekehrt), über seine besondere Wertschätzung für Michelangelo Antonioni, über seine Begegnung mit Rainer Werner Fassbinder (den er als schweigsamen, aber extrem nervösen Mann wahrnahm) und über sein erstes prägendes Kinoerlebnis (die Stummfilmfassung von "Das Phantom der Oper").

Wie jedes Jahr wurde auch dieses Terza exklusiv mit analogen Filmkopien bestritten, geliehen aus über einem Dutzend Institutionen aus sieben Ländern.


ab 21:00 Uhr

IL FANTASMA DELL'OPERA ("Das Phantom der Oper")
Regie: Dario Argento
Italien 1998
98 Minuten, OmU
Paris, gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ein von Ratten aufgezogenes Findelkind haust in den Eingeweiden der Pariser Oper und meuchelt hier und da neugierige Kanalarbeiter weg. Das "Phantom" (Julian Sands – im Gegensatz zu anderen Varianten des Stoffs ohne Verstümmelung/Maske) verliebt sich dann aber in die Nachwuchssängerin Christine (Asia Argento) und ist nur allzu bereit, deren Karriere-Hindernisse aus dem Weg zu räumen...
Das gängige Narrativ zu Dario Argento ist, dass seine Regiekunst nach den 1980er Jahren einen allmählichen Niedergang erlebte, mit Variationen in der Frage, ob PHENOMENA und OPERA noch zu den "Guten" gehören. Wie schön, dass es mit Terza Visione auch immer den Blick über den Tellerrand gibt. IL FANTASMA DELL'OPERA, den ich 2019 beim Italo-Horrorfilmwochende in Nürnberg schon zum ersten Mal sah, erwies sich bei der Zweitsichtung sogar als etwas stärker als vor vier Jahren. Argento lehnte es im Filmgespräch zwar ab, ihn als "Liebesfilm" bezeichnet zu sehen, aber tatsächlich kommt er dem in Argentos Werk wohl am nächsten, gleichwohl es sicherlich keine besonders "gesunde" Liebe ist. Zumindest ist Christine hin- hergerissen zwischen einer "gesunden", gesellschaftlich respektablen aber offenbar eher sex- und keimfreien und zumindest bis zum letzten Drittel eher "kalten" Liebe zum Baron Raoul und der "ungesunden", gesellschaftlich verachteten, gefährlichen, latent von Gewalt geprägten aber eben auch extrem geilen und dreckig-animalischen Liebe zum Phantom.
Ein Liebesfilm steckt in IL FANTASMA DELL'OPERA, aber auch andere Atmosphären stecken drin: gerade in der Nebenfigur des operneigenen, unfassbar dreckigen und schmierigen Rattenjägers (gespielt von dem renommierten ungarischen Theaterschauspieler Bubik István) lebt Argento offensichtlich auch eine geheime Liebe zum Slapstick aus und erinnert daran, wieviel Humor er eben auch hat. Bubik wirft sich voll rein in die Rolle, und es macht unglaublich Spaß, die kleinen Subplots um den Rattenfänger zu sehen: Höhepunkt ist die Jungfernfahrt des steampunkig-retrofuturistischen Gefährts mit Staubsauger und rotierenden Klingen, das er durch die unterirdischen Gänge der Oper steuert, um diese von Ratten zu befreien. Diese Liebesgeschichte, und dann noch dieser Humor: das hat der Gorebauer-Fraktion unter Argentos Fans sicherlich nicht gefallen.
Noch weniger dürfte ihnen gefallen haben, wie sehr gerade im letzten Drittel und im Showdown sich ein Wille zum entfesselten Melodrama zeigt, der schon sehr faszinierend ist: mit der Verfolgungsjagd auf das Phantom, der inneren Zerrissenheit Christines zwischen ihren beiden Liebhabern und der anschwellenden Musik Morricones zielt Argento direkt auf Herz und auch auf die Tränendrüsen der Zuschauer. Der Showdown straft alle Lügen, die ihn nur als seelen- und emotionslosen Technokraten perfekt choreografierter Gewaltszenen sehen wollen.
Zwei Details hatte ich von der Nürnberger Sichtung vergessen: die extravagante und unfassbare Szene in dem Hallenbad-Edelbordell. Da scheint sich ein Stück Jess Franco oder Joe D'Amato in den Film reingeschlichen zu haben, wenn da halbnackte oder ganz nackte Männer und Frauen (und eine Trans-Frau? ich bin nicht mehr ganz sicher) in einem Luxusbad essen, trinken, turteln und sich vergnügen. Der Baron, der nach einer Abfuhr von Christine sich dort auf andere Gedanken bringen möchte, entpuppt sich als Verzichter, aber auch als ungehobelter Krawallmacher: als eine junge Dame, die sich "bocca di velluto" (Samt-Mund) nennt, ihm mit eindeutigen Zungenbewegungen eindeutige Zeichen macht, sieht der Baron plötzlich Christine das machen – eine zu wilde Vision für ihn, weshalb er dann als Party-Pooper anfängt, zu randalieren.
Ganz vergessen hatte ich auch die großbürgerlichen Creeps, die mit teuren Pralinen versuchen, die Aufmerksamkeit von ungefähr 10-jährigen Ballettschülerinnen zu gewinnen (der Film wendet hier für kurze Zeit die Mechanismen des Rape-And-Revenge-Genres an, als einer dieser Creeps eine Schülerin zu tief in die unterirdischen Gänge der Oper verfolgt und es dort vom Fantom heimgezahlt bekommt).
Die Vorstellung lief im Rahmen der Argento-Retrospektive, war zugleich aber auch eine Hommage an den viel zu früh, Anfang 2023 verstorbenen Julian Sands: ein faszinierender Darsteller, dem immer etwas Jungenhaft-Verträumtes anhängt. Scheinbar unpassend für gewalttätige Dämonenfiguren wie hier (oder als Warlock) – und dabei doch passend, seine Figuren immer leicht verundeutlichend, ihre dunkel-abgründige Romantik betonend.


Donnerstag, 20. Juli 2023


ab 13:00 Uhr

URLATORI ALLA SBARRA
Regie: Lucio Fulci
Italien 1960
83 Minuten, OmU
Die "Schreier" des Titels sind eine Gruppe von Rock'n'Rollern (Joe Santieri, Adriano Celentano, Mina): protegiert und gastlich empfangen von einem Senator a.D., angeworben von der Jeans-Industrie zu Werbezwecken, teils angefeindet und angeworben von einem quotengeilen TV-Produzenten – aber immer mit einem flotten Song in petto.

I brutos: Auftritt als ländliche Sängertruppe

Ursprünglich war Fulcis OPERAZIONE SAN PIETRO aka "Die Abenteuer des Kardinal Braun" programmiert: eine Heist-Komödie mit Heinz Rühmann, Lando Buzzanca, Jean-Claude Brialy und Edward G. Robinson (sic!). Ich bin nicht mehr sicher, warum die Kopie unpässlich war (starker Rotstich?), jedenfalls war angesichts der Fülle an gedrehten Filmen ein Ersatz aus Lucio Fulcis früher Komödienphase rasch zu finden. Zur Erinnerung: Der "Godfather of Italian Gore Cinema" hat wesentlich mehr Komödien als Horrorfilme in seiner Karriere inszeniert. In seiner Einführung betonte der (pausierende) Ex-Terza-Co-Organisator Christoph, dass die erste Werksphase sehr zu unrecht vernachlässigt oder gar als unwichtig abgetan wird: das Narrativ, Fulcis echte Bestimmung sei der Horror gewesen und alles vorher könne man skippen, sei komplett falsch. Komödien waren für den Drehbuchautoren, Regieassistenten und schließlich Regisseur Fulci knapp 15 Jahre lang das zentrale Metier, in dem er auch seine Meisterschaft entwickelte.
Der geneigte Terza-Stammzuschauer wusste davon bereits einen Teil und erinnerte sich wohlig an LE MASSAGGIATRICI bei der Festival-Ausgabe von 2018. URLATORI ALLA SBARRA war Fulcis dritter Film und war sicherlich nicht so großartig wie LE MASSAGGIATRICI, aber dennoch ein launischer Start in den "offiziellen" oder "Post-Argento-Besuch"-Teil des Terza Visione. Nach einem Prolog, der in zwei Minuten eine Kulturgeschichte des Schreiens humoristisch darlegt, geht es auch mit den ersten Musiknummern los. Adriano Celentano ist dabei (die Premiere knapp einen Monat nach LA DOLCE VITA, in dem er nur einen kurzen Cameo hatte) sowie Mina und Joe Sentieri, zu dieser Zeit wohl größere Stars als Celentano. Besonders bemerkenswert für Jazz-affine Zuschauer: in der Rolle eines dauermüden oder schlafenden Amerikaners, der Teil der musizierenden Jugendtruppe ist, gibt es den Trompeter Chet Baker zu sehen, schon offensichtlich stark lädiert von seiner Heroinsucht.
Es gibt keinen Zweifel daran, dass URLATORI ALLA SBARRA ein schöner Gute-Laune-Film ist, zu Weihen à la LE MASSAGGIATRICI reicht es nicht. Vielleicht zersplittert er sich zu sehr in zu viele Episoden mit zu vielen Figuren und Subplots. Joe Sentieri war so etwas wie eine der Hauptfiguren: ich finde ihn aber intuitiv irgendwie antipathisch, und dass er fünfzehn Jahre älter ist als sämtliche anderen Mitglieder der Jugendbande ist und man dies auch sieht, wirkt seine Figur bestenfalls unglaubwürdig, schlimmstenfalls leicht creepy. Eine viel bessere Hauptfigur wäre da Turi Pandolfini als alter Senator a.D. mit eindeutigen Sympathien für die "Urlatori" (er ist sowieso schwerhörig, da sollen sie doch ruhig lauter spielen), die er bei sich in der Wohnung beherbergt. Auf der Antagonisten-Seite gibt es Mario Carotenuto als schmierig-intriganter TV-Sender-Chef, der zuerst Stimmung gegen die "Urlatori" macht, bevor er herausfindet, dass er sie auch einfach kommerziell ausbeuten kann: eine Figur, die man zu hassen einfach nur liebt!
Am Ende ist URLATORI ALLA SBARRA vor allem eine schöne Nummern-Revue. Besonders hervorzuheben dürfte Minas Nummer "Whisky" sein, in der sie in einer stilisierten Bar voller geifernder Verehrer die Vorzüge des Trinkens besingt. Pastoraler wurde es bei einer anderen Nummer: ein Cameo der Sänger- und Komiker-Gruppe "I Brutos" (darunter ein junger Aldo Maccione), die bei einem Picknick der Urlatori auf dem Land als singende Schäfer zu sehen sind und mit ihrem eskalierenden Minenspiel den Saal in eine Raserei aus freudigem Toben und lauten Lachkreischern brachte.






ab 15:30 Uhr

METTI, UNA SERA A CENA (wörtlich: "Sagen wir mal, eines Abends beim Abendessen", im Programmheft: "Warum nicht eines Abends bei Tisch")
Regie: Giuseppe Patroni Griffi
Italien 1969
125 Minuten, OmU
Der Autor Michel (Jean-Louis Trintignant) schreibt gerade an einem neuen Stück: darin soll es um eine mögliche Affäre zwischen seiner Frau Nina (Florinda Bolkan) und seinem besten Freund Max (Tony Musante) gehen. Ohne Michels Wissen gibt es diese Affäre schon lange. Doch auch Max' ehemaliger Liebhaber Rick (Lino Capolicchio) kommt ins Spiel und beginnt eine Affäre mit Nina – während Michel mit der entfernten Bekannten Giovanna (Annie Girardot) ins Bett landet.
Über historische Erfolge und Misserfolge von Filmen nachzudenken, ist manchmal schon interessant, gerade auf einem Festival wie dem Terza Visione. 2022 stellte sich bei LE CINQUE GIORNATE die Frage, was wohl aus Dario Argento geworden wäre, wenn sein Slapstick-Komödien-/Period-Politdrama erfolgreich gewesen wäre und nicht ein fulminanter Flop. 2023 stellte sich für viele im Publikum wohl eher die Frage, wie der von Argento geschriebene METTI, UNA SERA A CENA einer der erfolgreichsten italienischen Filme von 1969 werden konnte (und ein Film, der gerade Dario Argento als Co-Autor zum heißesten Scheiß auf dem Kinoautorenmarkt werden ließ)? Dario Argento war schließlich damals ein Nobody und würde erst ein paar Jahre später ein Superstar des italienischen Kulturlebens werden. Das Theaterstück, auf dem der Film basierte, war auf den römischen Bühnen ein Hit, aber reichte es, um das Kinopublikum zu ziehen? Jean-Louis Trintignant dürfte zu dem Zeitpunkt der berühmteste Schauspieler des Casts gewesen sein, aber ein Massenpublikumsmagnet, gerade in Italien? Die deutsche Wikipedia erwähnt die Musik von Ennio Morricone als Faktor für den Erfolg...
Wie die Antworten auch immer lauten: METTI, UNA SERA A CENA wurde von einem bedeutenden Teil des Terza-Publikums als Flop des Festvials gesehen, und ich geselle mich durchaus dazu (gleichwohl ich prinzipiell ein Freund davon bin, das Terza Visione mit "Grenzgängern" am Rande des klassischen Genre-Kinos zu erweitern). Im Grunde erzählt der Film eine recht simple Vierer-Beziehungsgeschichte mit einem fünften Rad, der das Gefüge noch mehr durcheinander bringt. Mit an den großen Kinoerneuerungsbewegungen geschulten Erzählweise zerlegt der Film die Chronologie, um das ganze Stück für Stück zusammenzusetzen. Nicht per se völlig unspannend, aber tatsächlich bleiben sämtliche fünf Hauptfiguren des Films eher reine Drehbuch-Behauptungen, durch überlange und sehr steife Dialoge nur notbehelfsmäßig zusammengehalten, als dass echte Charaktere lebendig wurden. Die achronologische, elliptisch-puzzleartige Erzählweise lässt alles noch eher steifer und konstruierter wirken, als dass es Dynamik bringt. Dass hier (mit Ausnahme des fünften Rad am Wagens, des von Lino Capolicchio gespielten Künstlers) allesamt gutbürgerliche Figuren ihr Ennui zwei Stunden lang spazieren führen und über Probleme der Ehe sich sehr, sehr verbos austauschen, lässt auch nicht gerade große Gefühle zu, besonders nicht, weil der Erkenntnisgewinn der langen Dialoge eher minimal ist. Ein bisschen hat mich das strukturell an Roman Polanskis CARNAGE erinnert: ein theaterhaftes (weil zu sichtbar von einem Theaterstück adaptiertes) bürgerliches Selbstvergewisserungsdrama.
Faszinierend dabei ist, dass die fünf tollen Darsteller da wenig ausrichten konnten. Jean-Louis Trintignant trägt ja grundsätzlich immer ein wenig Ennui in seiner Mine mit sich – in den meisten Rollen schafft er es aber, das produktiv einzusetzen: nicht hier, wo er wirklich nur gelangweilt aussieht. Annie Girardot kämpft gefühlt die ganze Zeit gegen ihre schlecht geschriebene Figur und wirkt, als würde sie im falschen Film spielen. Lino Capolicchio, so wunderbar als Hobbyermittler in Antonio Bidos Venedig-Giallo SOLAMENTE NERO, wandelt wie ein aufgezogenes Stehaufmännchen durch den Film (aber sein gequälter Künstler, der viele Marotten hat, unter anderem eine Hakenkreuzfahne als Decke, ist schon ein sehr weinerliches Klischee). Nur Tony Musante und Florinda Bolkan ließen manchmal ihre Brillanz durchscheinen: wer beide aber in einer wirklich spektakulären, symbiotischen Chemie zusammen spielen sehen möchte, sollte lieber das wunderbare Venedig-Melodrama ANONIMO VENEZIANO mit den beiden als Protagonisten schauen.
Die Sichtungsumstände waren natürlich dem Film auch nicht sehr wohlgesonnen: die Kopie war mechanisch sehr mitgenommen (weil als Hit wohl extrem oft gespielt) und ein ziemliches Inferno aus Klebestellen und Fehlstellen. Die Live-Untertitelung hatte deshalb kaum eine Chance, über längere Zeit synchron zu bleiben, zumal angesichts des kaskadenartigen Schwalls an Dialogen: bei Rollenwechseln wurde zwei (oder drei?) Mal pausiert, um wieder Untertitelung und Film synchron zu bringen. Eine besonders dicke und/oder schlecht gemachte Klebestelle brachte dann auch die Kopie zum Stillstand: bei einem Einzelbild stehen geblieben, schmorte die Projektionslampe das stehengebliebene Einzelbild an, und nach der Manier von TWO-LANE BLACKTOP verbrannte ein Teil der Kopie vor unseren Augen – das Bild löste sich auf, und der entstehende Rauch war dabei deutlich auf der Leinwand mitprojiziert (und wirkte finster und bedrohlich). Als Sichtbarmachung von Materialität des Kinos (und ihrer Fragilität) war das ohne Zweifel ein besonderes Erlebnis. Es ist schon ein wenig schade, wenn dieser Vorfall quasi das Beste am Film war. Aber nein, so ganz stimmt das nicht, denn der große Show-Stehler des Films ist Ennio Morricones fantastischer Score, der aus einem wohl nur täuschend einfachen Motiv ein ganzes Gefühlsuniversum aufbaut (hier reinhören). METTI, UNA SERA A CENA war für diese Terza-Ausgabe allerdings auch der Startpunkt für eine ganze Reihe von Filmen, die problematische und krisenhafte Ehen thematisieren.


ab 20:00 Uhr

BUIO OMEGA (dt. Verleihtitel: "Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf")
Regie: Joe D'Amato
Italien 1979
93 Minuten, OmU
Es war einmal in den Alpen... Francesco (Kieran Canter) ist unsterblich in seine Verlobte Anna (Cinzia Monreale) verliebt, doch diese ist leider allzu sterblich und erliegt einer akuten Erkrankung – möglicherweise von Francescos besitzergreifenden Haushälterin Iris (Franca Stoppi) mit der beauftragten Voodoo-Hexerei einer lokalen Hexe ausgelöst. Der leidenschaftliche Tierpräparator wendet seine Kenntnisse der Leichenkonservierung auf seine ausgegrabene Geliebte an. Doch allzuviele Menschen wollen das selige Liebesglück zwischen ihn und Anna stören und müssen deshalb ins Jenseits befördert werden...

Liebe bis zum Tod – und auch danach: Francesco rettet seine tote Geliebte aus dem Friedhof

BUIO OMEGA ist ein berühmt-berüchtigtes Artefakt der Zensurgeschichte, vielfach zensiert, verstümmelt, verboten, beschlagnahmt. Gegner sehen ihn als schlechten B-Movie-Splatter-Schund, die lautstärksten Befürworter hingegen waren hingegen jahrelang die Gorebauer-Fraktion.
Seine "Freigabe" aus dem Kerker der deutschen Video-Nasties (die Indizierung wurde im Frühjahr 2023 aufgehoben) bietet nun die Möglichkeit, sich etwas unaufgeregter diesem Stück Kino- und Zensurgeschichte zu nähern. Das Terza Visione war der ideale Rahmen, um BUIO OMEGA als das zu entdecken (für viele im Publikum auch: wieder entdecken), was er wohl im Grunde immer war: ein kleines Meisterwerk, gleichzeitig derangiert-abseitiger Horrorfilm und dunkelromantisch-morbider Liebesfilm.
Die wunderbare, längere Einführung von Terza-Co-Organisator Sven und Joe-D'Amato-Spezialist Arthur war für D'Amato-Junioren und Buio-Jungfrauen wie mich wahrscheinlich ebenso erhellend wie für größere Kenner des Films und seines Regisseurs und Kameramanns. Sven erhellte die Ursprünge des Stoffs im traditionellen Gothic-Horror und in der filmischen Vorlage IL TERZO OCCHIO mit Franco Nero, geschrieben und inszeniert von Mino Guerrini (dessen Remake BUIO OMEGA ist). Arthur verwies auf die vielfältigen Motive und Themen des Films: auf seine Qualitäten als emotional ergreifender Liebesfilm über eine bislang nicht "konsumierte" Liebe, auf seine Andeutungen von Klassenkampf, auf die Versuche des Protagonisten nicht im engeren Sinne nekrophil tätig zu werden sondern andere Personen als "Proxys" für den (ersten!) Sex mit der geliebten Anna zu benutzen, auf die "dynastische" Dimension der Geschichte im Rahmen eines Adeligenhauses, auf die Bedeutung der vielen im ganzen Haus verteilten ausgestopften Tiere, von denen zwei als "nicht-heimisch" hervorstechen, auf die eigensinnige Erzählstruktur, die den Zuschauer immer mehr dazu auffordert, Leerstellen selbst zu befüllen. Und was ich persönlich sehr hilfreich fand: der Hinweis, auf das Medaillon zu achten, das als einer von mehreren roten Fäden sich durch die Hälfte des Films zieht.
Sven und Arthur wiesen darauf hin, dass BUIO OMEGA ein untypischer Horrorfilm sei. Wahrscheinlich ist es eh richtiger, von einem Hybrid aus Horror-Schocker, schwelgerisch-verträumtem, zärtlichem Liebesfilm, schwarzer Komödie, absurder Groteske, rohem Sleaze, Essay über Adel und Dekadenz sowie berauschendem Melodrama zu sprechen. Das Herausragende dürfte wohl darin liegen, dass alle Elemente funktionieren. Wenn Francesco riesige Säureflaschen ("Salzsäure" und "Schwefelsäure" deutsch beschriftet) wie Penisverlängerungen vor sich haltend in die Badewanne schüttet, während Iris daneben die Leiche der unglücklichen Autostopperin in Stücke hackt, dann ist das in seiner schieren ekligen Bestialität so unfassbar wie grotesk. Wenn die Leichenrestepampe dann im Gartenloch verbuddelt ist und Iris in der Küche dann erst mal zwei Suppenteller aus dem Regal holt, zeigt sich BUIO OMEGA von seiner schwarzhumorigsten Seite (nach getaner Arbeit erst mal gut futtern!) – ein Lacher ging durch den Saal, der gleich im Halse erwürgt wurde, als dann Iris den liebevoll zubereiteten Gulasch auf eine so viehische Weise verschlingt, dass selbst Bud Spencer und Terence Hill im Vergleich wie feine Pinkel wirken. Auch das feierliche Verlobungsdinner mit den offenbar schwer inzestgestörten Familiengästen (einer nimmt sein Gebiss raus und säubert es mit dem Taschentuch) ist von einer Komik und einer wilden Bissigkeit, die Buñuels Bourgeoisie-Satiren hinter sich lässt. Daneben gibt es immer wieder die Momente, in denen Francesco in schwelgerischer Liebe selbstvergessen mit seiner (toten) Anna verbringt: liebevolle Blicke, kleine Gesten der Zärtlichkeit (ein schönes Detail: Iris, als sie der frisch verstorbenen Anna noch wohlgesonnen ist, lackiert ihr die Fingernägel). Irgendwo dazwischen Francesco, der sich von Iris in einem Moment verzweifelter Trauer die Brust geben lässt (ein Motiv, das auch in D'Amatos IL PIACERE wiederkehren würde) oder der zur rasenden Bestie geworden der Autostopperin anfängt, einzeln die Fingernägel auszureissen. Paradox eigentlich: D'Amato-typisch schreitet der Film in einem meditativen, kontemplativen Rhythmus vor sich hin – und ist doch auch eine wilde Achterbahn der Gefühle.
Dass BUIO OMEGA sich mit Filmen wie L'ANTICRISTO und COSA AVETE FATTO A SOLANGE? den Kameramann teilt, sieht man ihm auch an: er ist elegant fotografiert, in vielen Szenen hat er fast was von Postkartenmotiven – die idyllische südtirolische Berglandschaft voller satter Grüns, malerischer Panoramen, pittoresker Waldflecken und schmucken Häusern reibt sich wunderbar an den unfassbaren Vorgängen. BUIO OMEGA ist auch ein Film, der die Wirkmächtigkeit des Kuleschow-Effekts mithilfe einer toten Figur aufzeigt: während Anna im mütterlichen Bett regungslos liegt (sie ist ja schließlich tot!), macht sich Iris an Francesco ran und holt ihm einen runter, während Francesco eher von Annas Präsenz als von Iris Tätigkeiten wirklich angeregt wird; eine Montage von Anna, dann Francesco, der einen Orgasmus bekommt und dann wieder Anna lässt die Zuschauer glauben, dass die verblichene Geliebte von Francescos Höhepunkt zu einem seligen Lächeln gebracht wird. Pure Kinomagie.


ab 22:45 Uhr

EVA MAN
Regie: Antonio D'Agostino
Italien/Spanien 1980
78 Minuten, OmU
Eva (Eva Robin's) ist sowohl Frau als Mann – und daher die ideale Testperson für Professor Popovs (Ramón Centenero) neu konzipierten "Sexmaker", der das Lustempfinden auf Knopfdruck steigern kann. Doch auch üble Gangster haben es auf die Maschine abgesehen und wollen Eva entführen. Mit der Kampfbereitschaft Evas und ihrer wackeren Freundin Ajita (Ajita Wilson) haben die Böswatze allerdings nicht gerechnet!

Ajita und Eva beschützen gemeinsam den Sexmaker

Trans-Personen, die im italienischen Genre-Kino der 1970er Jahre marginalisiert waren (und eigentlich auch im internationalen Kino sämtlicher Couleurs), bekommen in EVA MAN eine liebevolle Bühne als zentrale Protagonistinnen, als positive Heldinnen, als charismatische Ikonen, als durchschnittlichen Sterblichen bei weitem überlegene Sex-Göttinnen.
EVA MAN ist ob seines niedrigen Budgets ein durchaus rumpeliger Film: im Gegensatz zu Eva, die sowohl als Frau wie auch als Mann bestens performt, funktioniert er nicht in all seinen Facetten. Der Versuch, einen SciFi-geprägten Thriller mit Gangster-Subplot zu erzählen, geht ziemlich gehörig in die Hose, denn für Spannung und Action und auch für solides narratives Erzählen hatte Antonio D'Agostino offenbar überhaupt kein Händchen. Da trübt der Film in teils sehr steifen Szenen mit Expositionsdialogen zum Füßeeinschlafen vor sich hin, und ein Portrait von Sigmund Freud an der Wand im Büro als Marker dafür, dass Professor Popov wirklich ein Wissenschaftler ist, versprüht zwar einen netten Charme, vermag den stocksteifen Erzählstil aber nicht wirklich zu kaschieren.
Als relaxter Sexfilm, als entspannter Abhängfilm und als filmische Bühne für die Style- und Sexikonen Eva Robin's und Ajita Wilson ist EVA MAN absolut großartig. Wenn beide in Zeitlupe, begleitet von einem loungigen Score des ehemaligen Morricone-Gitarristen und -Pfeifers Alessandro Allessandroni händchenhaltend und halbnackt durch einen mediterranen Garten Freudesprünge machen und dann in den Pool tauchen, um dort minutenlang voller Lebensfreude herumzutollen und zu planschen, dann ist der Film ganz bei sich.
Als Exploitationfilm ist EVA MAN von Didaktik und Thesenkino natürlich meilenweit entfernt und trotzdem hat er auch etwas Utopisches: die Art und Weise, wie er das (nicht nur) sexuelle Charisma seiner beiden Trans-Hauptdarstellerinnen feiert, so völlig unverkrampft und ohne jegliche thematische Schwere, dürfte zu dieser Zeit recht einzigartig gewesen sein. Die, die hier bloßgestellt und lächerlich gemacht werden, sind die transphoben Gangster und Handlanger. Der "Fiancé" Evas macht irgendwann nach zwei Dritteln der Laufzeit die Entdeckung, dass seine Geliebte einen Penis hat und von dem Dreier, den Ajita und Eva ihm vorschlagen, schreckt er zunächst zurück. "Kümmer du dich doch um die weiblichen Teile, dann kümmere ich mich um die männlichen" schlägt Ajita sinngemäß vor – und der "Fiancé" legt sein Zurückschrecken ab und gibt sich dann mit Eva und Ajita dem sinnlichsten und schönsten Sex im ganzen Film hin.


Freitag, 21. Juli 2023


ab 12:30 Uhr

LA CONTROFIGURA (wörtl. "Der Stellvertreter", "Der Double", dt. Verleihtitel: "Liebe ist wie ein Sturm")
Regie: Romolo Guerrieri
Italien 1971
89 Minuten, dF
Bei einem Urlaub in Nordafrika wollen sich Giovanni (Jean Sorel) und Lucia (Ewa Aulin) eigentlich entspannen. Doch der Architekt wird immer wieder von Eifersuchtsanfällen geplagt, wenn der hübsche Amerikaner Eddie (Sergio Doria) sich zu sehr in der Nähe befindet. Kurze Ruhepausen von seiner Eifersucht findet Giovanni in einer gewaltsamen Affäre mit Lucias Mutter Nora (Lucia Bosé). Zeichen eines drohenden, tödlichen Unheils kündigen sich an und verstärken sich nach der Rückkehr nach Rom.
Giallo ist eben auch viel mehr als Serienkiller mit schwarzen Lederhandschuhen – wie der herausragende LA CONTROFIGURA demonstrierte. Der Prolog* – Jean Sorel fährt in eine Garage, wird von einem Mann angeschossen, fällt in Zeitlupe um und beginnt sich zu erinnern – schafft eine erwartungsvolle Grundstimmung, aber besonders im ersten Drittel ist der Film vor allem erst einmal ein Ehekrisen-Drama, ausgetragen von Jean Sorel und Ewa Aulin an einem malerischen und einsamen marokkanischen Badestrand. Er, Giovanni, ist vor allem ein Arschloch, der seiner Frau die ganze Zeit versucht einzureden, dass sie dumm sei, sie, Lucia, vor allem eine Frau, die offenbar Mühe hat, ihren Urlaub in Präsenz eines solchen Mannes zu genießen (verständlicherweise). Taucht auf: ein mysteriöser und sehr attraktiver fremder Mann am Strand; eine anderes Ehepaar (Silvano Tranquilli und die wunderbare Marilù Tolo); und Lucias Mutter (Lucia Bosé). Das bringt nicht nur Jean Sorels Hormonhaushalt durcheinander (und offenbart seine rapey Tendenzen), sondern zersplittert auch den Film rasch in ein großes Puzzle aus Erinnerungs- und Fantasie-Fragmenten, das sich weder für chronologische oder geografische Kontinuität interessiert noch dafür, ob es sich um Realität, Erinnerung, paranoide Einbildung oder Wunschfantasie handelt.
Im Grunde genommen also etwa das, was METTI, UNA SERA A CENA auch macht, bloß als "richtiger" Genrefilm mit mehr nackter Haut, mehr Sex-Szenen und mehr blutiger und tödlicher Gewalt – und vor allem wesentlich virtuoser und fesselnder inszeniert. All das zusammengehalten von Armando Trovajolis wunderbarem Score, der im Gegensatz zu Morricones in METTI, UNA SERA A CENA nicht nur wunderschön ist, sondern auch dramaturgisch gekonnt eingesetzt: Trovajoli arbeitet mit einer Palette, die wunderschöne Lounge-Musik am Rand des Kitsches und verstörende Dissonanzen umfasst – beide Atmosphären kommen stellenweise gleichzeitig zum Zuge, um die unter der Idylle der nordafrikanischen Sonne lauernden Abgründe zu illustrieren. Jederzeit kann die Stimmung umkippen, genauso wie dissonante Klavierakkorde den sanft einlullende Lounge-Klangteppich "beschmutzen".
LA CONTROFIGURA dürfte wesentlich komplexer erzählt sein als METTI, UNA SERA A CENA, ohne dabei verkopft-bleiern zu wirken. Die Vorführung beim Terza hielt allerdings eine besondere Überraschung bereit: die letzten zwei Akte wurden vertauscht angeliefert und abgespielt, die puzzle-artige Struktur des Films wurde noch weiter aufgebrochen und durcheinander geworfen mit wohl einigen interessanten Effekten. Ein industrieller Ofen in einer Ziegelei wurde so sofort zum makabren Ort der Entsorgung einer Leiche – und war später "wieder" harmlos und doch "aufgeladen" bei der "normalen" Tagestätigkeit zu sehen (während in der richtigen Reihenfolge der Ofen zunächst als "trivialer" Produktionsort präsentiert wird, der später "produktiv" zur Leichenentsorgung verwendet wird). Eine oder zwei Sequenzen waren nun noch weniger klar als "Realität" oder "Fantasie" auszumachen. Der erste Aktwechsel führte ohne jegliche Exposition die Figuren Tranquillis und Tolos ein, so dass nicht nur ich, sondern viele andere Zuschauer das Gefühl hatten, hier bereits einen Akttausch schon erlebt zu haben – während der "wirkliche" Akttausch für mich und für viele andere zunächst unbemerkt blieb und erst aufgedeckt wurde, als dem "gefühlten" Ende des Films (rein visuell, ohne die Musikbegleitung, nur als kurze Schwarzblende ohne "Ende"-Einblendung oder Credits bemerkbar) mehr Film folgte.
*Interessantes Detail: die gezeigte deutsche Kopie enthielt im Vorspann nur den deutschen Titel des Films "Liebe ist wie ein Sturm", sämtliche Credits fehlten komplett. Es scheint so, als hätte man im Kopierwerk vergessen, die deutschen Credits einzufügen, was dazu führte, dass wir eine etwa dreiminütige, ungeschnittene Einstellung auf die Motorhaube eines fahrenden dunkelblauen Citroën DS sahen, mit zahlreichen Spiegelungen vorbeirauschender Gebäude auf der Motorhaube und mit Armando Trovajolis meisterhafter Musik untermalt.


ab 16:00 Uhr

UN AMORE (wörtlich: "Eine Liebe", dt. Verleihtitel: "Junge Haut")
Regie: Gianni Vernuccio
Italien/Frankreich 1965
95 Minuten, OmU
Antonio (Rossano Brazzi), ein wohlhabender Architekt, der auch jenseits seines 40. Geburtstags noch bei Mutti lebt, verliebt sich in die Tanzschülerin Laïde (Agnès Spaak), die er über ein... Institut zur Anbahnung von Bekanntschaften kennenlernt. Als Antonio mehr als nur eine Gelegenheitsbekanntschaft will, wird es kompliziert, denn Laïde scheint mehr als nur einen Verehrer zu haben.

Laïde und Antonio: kein Traumpaar

 
UN AMORE ist eine Variation des Themas "Junge Frau verführt reiferen Mann in die Narrerei". Ich muss zugeben, dass mich der Film ein bisschen kalt gelassen hat. Das Terza Visione ist aber zum Glück auch ein Ort des vielseitigen Austauschs und beim anschließenden Gespräch am geselligen Abendessentisch eines Frankfurter Apfelwein-Restaurants erläuterte ein Co-Zuschauer in sehr schlüssigen Argumenten, warum er den Film so toll fand:
Zunächst war da einmal die Stärke, dass der Film seinen Figuren viel Raum zu Ambivalenzen lässt, wenig Schwarzweiß und dafür viele Grauschattierungen lässt: UN AMORE ist kein Film über ein Flittchen, das einen armen alten Herrn ins Verderben führt noch ein Film über einen alten Wüstling, der ein unschuldiges Mädchen verführt – beide durchleben eine Dynamik von Situationen, die für beide Unangenehmes beinhaltet. Es ist auch ein Film, der letztendlich nicht an eindeutigen Klärungen interessiert ist: wieviel von dem, was Laïde Antonio auftischt, wirklich wahr oder erlogen ist, interessiert ihn weniger als tatsächlich das fragile Gefüge ihrer Beziehung, und wie beide FIguren mit der Situation umgehen. Dabei hat UN AMORE besonders ein Talent für Situationen der "social akwardness": die Silvesterfeier im Dreier mit Laïde, ihrem "Cousin" Marcello (Gérard Blain) und ihrem "Onkel" Antonio nimmt in ihrer Schmerzhaftigkeit fast schon Züge eines schwarzen Horrorfilms an.
Dann ist UN AMORE auch ein wirklich toll fotografierter Film. Besonders hervorstechend sind Visionen und Träume Antonios, bei denen Figuren durch ein komplett mit weißem Licht durchflutetes Nichts wandeln und Gegenstände (etwa die Armlehne eines Stuhls) nur sichtbar werden, wenn sich Antonio im dunklen Anzug davor platziert.
UN AMORE ist auch ein Film der vielen kleinen Ideen – und hier etwas, was ich schon während des Films super fand: Laïde lässt Antonio für ein Mittagessen einfach stehen, und übergibt ihren kleinen Schoßhund in seine Obhut, damit sie sich mit ihrem "Cousin" Marcello vergnügen kann. Antonio ist also versetzt worden für das Mittagessen. Dann halt eben Mittagessen mit dem Hund So sitzt er dann auch einsam in einem Restaurant, auf einem Stuhl neben ihm das Schoßhündchen. Ein extravagant großes Steak wird vom Kellner auf einem mobilen Grill fertig gebraten: Antonio gönnt sich offenbar was Schönes. Das Steak wird auf ein Teller gehievt, und das Ganze dann dem Schosshündchen vor die Nase platziert. Der Hund ist mit dem Stück Fleisch, das etwa zwei mal so breit ist wie er selbst, sichtlich überfordert.


ab 20:00 Uhr

PIZZA CONNECTION
Regie: Damiano Damiani
Italien 1985
116 Minuten, dF
Der Mafia-Hitman Mario (Michele Placido), der als Tarnung einen Pizzaladen in New York führt, bekommt den Auftrag, in der alten Heimat, in Palermo, einen Staatsanwalt zu ermorden. Dort versucht er, seinen jüngeren Bruder Michele (Mark Chase) für seinen Attentatsplan zu rekrutieren.

Brüder und Rivalen beim Männlichkeitstest: wird Michele auf das Pony schießen?

 

Nachdem ich mit UN AMORE nicht so ganz warm geworden bin, hielt sich meine Begeisterung bei PIZZA CONNECTION leider noch etwas mehr in Grenzen. Allerdings bin ich generell eher nicht ein guter Ansprechpartner, wenn es um italienische Polizei- und Mafiafilme der 1970er geht, die Subgenres des italienischen Genrekinos, mit denen ich wahrscheinlich im Allgemeinen am wenigsten anfangen kann (auch wenn ich wohl gerade die sehr "extremen" Vertreter goutiere: sei es Deodatos UOMINI SI NASCE POLIZIOTTI SI MUORE, Fulcis LUCA IL CONTRABBANDIERE oder Bianchis QUELLI CHE CONTANO).
PIZZA CONNECTION hat sich für mich wie ein wenig gelungener Hybrid aus melodramatischem Familien-Drama und ultratrockenem Mafia-Procedural angefühlt. Angereichert mit einigen rohen Sleaze-Spitzen (der Subplot um die Zwangsprostitution von Micheles Teenager-Liebe durch ihre drogenverseuchte Familie) für den Melo-Teil und sehr arm an Action-Attraktionen für den Procedural-Teil (um nicht zu sagen, dass da teilweise sogar durch Ellipsen bewußt alle Thrills abgeblockt werden). Beide Hauptfiguren haben mich auch eher kalt gelassen.
Sehr bizarr: der Prolog und der Epilog spielen beide in New York City. Und beide dürften wohl meine liebsten Teile des Films sein, vielleicht, weil beide Teile für sich kleine geschlossene Perlen des Spannungskinos sind, mit jeweils einem Auftragsmord, der langsam vor unseren Augen vorbereitet und durchgeführt wird.


ab 22:45 Uhr

STRIDULUM (US: THE VISITOR, dt. Verleihtitel: "Die Außerirdischen")
Regie: Giulio Paradisi
Italien/USA 1979
101 Minuten, EF
Das Böse from outer space versucht, die Erde zu knechten. Barbara (Joanne Nail) kann das Böse vererben, ohne selbst böse zu sein, und deshalb soll Raymond (Lance Henriksen), deren Lebensgefährte, Manager eines Basketball-Teams und Henchman des irdischen Stakeholders (Mel Ferrer) der außerirdischen Macht, mit ihr den Antichristen zeugen. Dieser soll zusammen mit seiner bereits achtjährigen großen Schwester Katy (Paige Conner), einem echten Satansbraten vor dem Herren, das auf Geburtstagsfeiern schon für makabre "Unfälle" sorgt, das Böse in der Welt verbreiten. Doch Jerzy Colsowicz (John Huston), der nicht aus Warschau oder Krakau kommt, sondern von den außerirdischen Absolut-Guten, steigt auf die Erde hinab, um gegen das Böse zu kämpfen, unter anderem mit der Unterstützung von Barbaras Haushälterin (Shelley Winters).

Katy: Süßes Gesicht, mörderische Absichten

 
Ein sehr bizarrer Cocktail aus Star-Power (John Huston, Mel Ferrer, Lance Henriksen, Shelley Winters, Glenn Ford, Sam Peckinpah, Franco Nero), Rip-Off-Elementen (THE EXORCIST, THE OMEN, ROSEMARY'S BABY, CARRIE, THE FURY, CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND und Strukturelemente der Polit-Paranoia-Thriller der 1970er Jahre stecken drin), einem faszinierend teurem Look (in dem Film steckte wohl viel mehr Geld drin als bei den meisten anderen Filmen dieses Terzas), völlig wahnsinnigen Ideen (u. a. Franco Nero als Jesus-Double from outer space mit einer knallgelben Wikinger-Damenperücke) und einer kompletten Ungerührtheit dabei – ja, das mögen vielleicht etwas zu viele Zutaten sein, damit das wirklich rund wird, aber faszinierend war STRIDULUM doch auf jeden Fall.
Die wirklich hart verstrahlten Elemente konzentrieren sich vornehmlich auf den Prolog. John Huston als eine Art Gottfigur beschwört Wolken in einer Art Outer-Space-Wüstenlandschaft und erzählt dann einer Gruppe von glatzköpfigen Kindern in weißen Uniformen (sie sollen "gut" sein, sehen aber eher wie eine Gruppe von gehirngewaschenen potentiellen Selbstmord-Attentätern aus) eine komplizierte Geschichte über den Kampf zwischen Gut und Böse, die wohl nicht nur ich, sondern wahrscheinlich auch niemand sonst im Saal im Detail verstanden hat, weil sie so verschlungen-verzweigt und mit unzähligen Namen vollgestopft war. Das darauffolgende Basketballspiel, bei dem Barbara und Katy sowie Raymond eingeführt werden, ist da wieder etwas weltlicher und baut sehr geschickt eine sehr ominöse Spannung auf: dass Katy das vorher von Huston beschworene Böse ist, wird an ihrem Blick klar. Die Auflösung, der Twist der Szene allerdings ist wieder... bizarr? Mel Ferrer wird dann später als weltlicher Vertreter des intergalaktischen Bösen präsentiert – als Vorsitzender einer Gruppe ominöser Geschäftsmänner, die Lance Henriksen in einem riesigen, prunkvoll-pompösen Verschwörungsgruppen-Saal erwarten und von ihm fordern, endlich Barbara zu begatten, damit das Böse sich potenzieren kann.
"Ripoffs" haben oft den Vorteil, dass sie ihren Stoff komplett verdichten können, bis es anfängt zu krachen. Das würde es am übernächsten Tag bei LADY TERMINATOR zu sehen geben, wo die Südseekönigin auf Rachefeldzug jeglichem Terminator das Fürchten lehren sollte und auch hier ist es so: Paige Conners Katy lässt Damien aus THE OMEN (oder auch die bereits besessene Regan aus THE EXORCIST) im direkten Vergleich wie ein süßes kleines Kind wirken, dem man den Kopf tätscheln und einen Keks in die Hand drücken möchte. STRIDULUM ist Terrorkinder-Kino der Extraklasse und das ist vielleicht der klarste rote Faden des Films. Katy sagt nicht nur zu Polizisten (gespielt von Glenn Ford) liebreizende Sätze wie "Go fuck yourself", schlägt nicht nur ihrer Mutter vor, "mit Raymond Liebe [zu] machen, damit ich bald einen kleinen Bruder bekomme" (und schleicht sich dafür zu später Stunde an das mütterliche Bett), sondern schlägt auch ganz alleine eine Bande von Halbstarken auf einer Mall-Schlittschuhbahn, lässt einige von ihnen gar durch die Fenster nahe gelegener Restaurants krachen.
Es gibt etwa 15 bis 20 Minuten vor Ende die vielleicht merkwürdigste Szene im ganzen Film, ganz ohne extravagante Dekors und total verrückten Ideen: es ist einfach nur ein etwas längerer Dialog zwischen John Huston und Shelley Winters. Hier kommt raus, dass die Haushälterin offenbar durchaus irgendwie mit den Kräften des Guten verbündet ist. Ein etwas überraschender Twist, aber das ist es nicht: der Dialog zwischen Huston und Winter ist von einer fast jenseitigen Zärtlichkeit, eine elektrisierende Chemie ist spürbar, als würden sich hier zwei austauschen, die schon seit Jahrzehnten intim sind. Sie sprechen ziemliche Banalitäten, die irgendwie von Abschied handeln, aber durch die Präsenz und das Mimenspiel der beiden Darsteller wird hier fast eine Art romantischer Sub-Liebesfilm innerhalb des Films angedeutet. Andere Co-Zuschauer sahen darin sogar ein Verhandeln von Altern im Hollywood-Starsystem. Wie dem auch sei: auf eine eigensinnige Weise war diese nur scheinbar banale Szene wohl der magischste Moment von STRIDULUM.


Samstag, 22. Juli 2023


ab 14:00 Uhr

LA CORONA DI FERRO ("Die eiserne Krone")
Regie: Alessandro Blasetti
Italien 1941
109 Minuten, OmU
Der mittelalterliche Tyrann Sedemondo (Gino Cervi) versucht nach seinem Putsch die Territorien zu konsolidieren und muss dabei sowohl eine legendäre Krone wie auch seinen eigenen kleinen Sohn in eine weit entfernte Todesschlucht verbannen. Die Krone ist tief versunken und der kleine Junge totgeblaubt – doch dieser kehrt 20 Jahre später als junger Mann (Massimo Girotti) zurück, um an einem Tournier zur Verlosung der Hand von Sedemondos Tochter teilzunehmen.
LA CORONA DI FERRO wurde vor der "großen" Ära des italienischen Genrekinos produziert, die im Mittelpunkt des Terza Visione steht. Ein Vorläufer des Peplums mit einigen Motiven des Mantel- und Degenfilms und einigen mystisch-mythologischen Fantasy-Elementen – das ganze vornehmlich als Mittelalter-Schlachten-Epos, der seine Entstehungszeit in der faschistischen Ära zwar nicht ganz zu verstecken vermag, andererseits viel Pathos und Pomp durch lockere Verspieltheit, Freude an witzigen Ideen, purem Quatsch und einer Begeisterung für schiere Schauwerte zu vermeiden weiß.
 Skepsis und Freude hielten sich bei mir etwas die Waage. Trotzdem die Erzählung wahrscheinlich nicht sonderlich kompliziert sein sollte, wirkte sie für mich verwirrender als manch ein verschlungener Giallo. Viele Texttafeln (grafisch schön aufbereitet als aufgeklapptes Buch, um die märchenhafte Stimmung zu betonen) arbeiteten manchmal sehr oberflächlich, manchmal überakribisch detailliert Exposition ab. Die Dramaturgie des Films navigierte sehr brüsk zwischen harten Ellipsen und vielen Szenen, die mühsam (aber nicht immer schlüssig) eine Brücke zwischen verschiedenen Sinneinheiten bilden sollten. Kurz: ich hatte große Mühe, der Geschichte zu folgen – dadurch aber auch viel Muße, um mich an den vielen schönen Setpieces zu erfreuen. LA CORONA DI FERRO war schon ein "Blockbuster", ein Prestige-Projekt der Zeit und das viele Geld, das in diesen teuren Film gesteckt wurde, sieht man ihm auch durchaus an: opulente, detailreiche, glitzernd-verführerische Set-Designs, denen dem Ton des Films entsprechend weniger daran gelegen ist, ein "realistisches" Bild des Mittelalters zu zeichnen als viel mehr eine kleine Traumwelt zu erschaffen.
Auf der Schauspielerseite auch ein wenig Ambivalenz. Einerseits fand ich den Haupthelden, Arminio, gespielt von Massimo Girotti, eine ziemlich nervtötende Figur und auch die Königin eher blass gespielt von Elisa Cegani. Aber das macht nichts, wenn dafür Gino Cervi (bekannt als Peppone aus den französisch-italienischen Don-Camillo-Filmen mit Fernandel) den König Sedemondo als ruppig-rabiaten und unkultivierten Raufbold spielt, der ständig seine Umgebung mit der Beschimpfung "bestià" bedachte (beispielsweise seine Dienerschaft "Dammi da bere, bestià!" anschnauzend, wenn er zwischendurch jetzt, sofort (!) saufen möchte). Und eine noch bemerkenswertere Darstellung gibt es von Luisa Ferida als militante Kämpferin und "henchwoman" Tundra, die in langen Stiefeln und kurzen Hotpants eine Prise Domina und eine Messerspitze Femme Fatale in ihre Figur bringt. Was für eine wunderbare alternde Grande-Dame hätte sie in der Giallo-Welle der späten 1960er und frühen 1970er werden können, aber sie wurde 1945 zusammen mit ihrem Lebensgefährten Opfer einer summarischen Hinrichtung durch anti-faschistische Partisanen.


ab 16:30 Uhr

NEROSUBIANCO ("Attraction")
Regie: Tinto Brass
Italien 1969
76 Minuten, dF
Barbara (Anita Sanders) wird am Hyde-Park von ihrem Ehemann Paolo aus dem Auto gelassen. Während er noch Geschäfte machen muss, wird ihr Spaziergang durch Swinging London zu einem wilden Trip zwischen Sex, Pop und Politik.

Ein kurzes Cameo des Regisseurs: Tinto Brass als Gynäkologe

 
Mit NEROSUBIANCO feierte das Terza in seiner neunten Ausgabe seine Tinto-Brass-Premiere, und zwar nicht mit einem seiner erotischen Werke der mittleren oder späten Phase, sondern mit einem Film aus seiner frühen Phase, als er noch der experimentellen, avantgardistischen Seite des europäischen Neue-Welle-Kinos nahe stand. Ein Grenzgänger-Film also am Rande dessen, was man noch Genre-Kino (ja gar narratives Kino) nennen kann, eine knapp 80-minütige "Psychedelic Pop Art Experience", wie ein Filmplakat versprach. Ein Film, der wohl leider bei einem großen Teil des Terza-Publikums durchfiel.
Eine gewisse Neigung für Experimentalfilm dürfte wohl nicht schaden, um NEROSUBIANCO zu goutieren. Es ist ein harter, wilder und mit schwindelerregender Intensität geschnittener Ritt durch Swinging London, durch Popart- und Comic-Bilder, durch krieseliges Dokumentar-Found-Footage, begleitet von einem kakophonischen Sound-Design und tranceartige Voiceovers, die ab und zu Platz machen für Song-Einlagen der Band Freedom.
NEROSUBIANCO ist wie gesagt am Rande dessen, was man noch narrativer Film nennen kann, aber Spuren von roten Fäden gibt es dennoch. So steckt auch (schon wieder!) ein Ehekrisen-Drama in diesem Film: Barbaras Ehe mit Paolo ist offenbar erkaltet, nicht unbedingt in abgründige Untiefen als vielmehr in gelangweilte Routine gefangen. Der Spaziergang durch Swinging London bietet ihr die Möglichkeit, mal abseits ihrer Routine nach Eindrücken und Inspirationen zu suchen.
NEROSUBIANCO ist tatsächlich eher eine "Experience" als ein "normaler" Film. Ich bin gerne mit Barbara durch Swinging London gebummelt und habe mich gerne von dem Bilder- und Sound-Strom mitreissen lassen, besonders auf einer großen Kinoleinwand. An vieles kann ich mich schon nicht mehr genau erinnern, dafür ist der Film auch viel zu voll und dicht, aber das ist okay. Wenn Godard sich etwas mehr für nackte Haut, Sex und Erotik interessiert hätte und ein bisschen mehr Spaß und Jux in ihm gesteckt hätte, dann hätten manche seiner Filme vielleicht so aussehen können wie NEROSUBIANCO.


ab 20:00 Uhr

BLINDMAN ("Blindman, der Vollstrecker")
Regie: Ferdinando Baldi
Italien/USA 1971
102 Minuten, dF
Ein blinder Revolverheld (Tony Anthony) ist hinter einer Gruppe von 50 "Mail Order Brides" her, die er zu ihrer Bestimmung eskortieren muss und die ihm von mexikanischen Militärs und amerikanischen Banditen abgeknüpft wurde.

Auch ohne Augenlicht schlägt sich der Revolverheld gegen Banditen und Militärs

 
Wie einst PER UN PUGNO DI DOLLARI sich vor dem japanischen Kino verbeugte (wobei das japanische Vorbild selbst von Dashiell Hammett inspiriert wurde), so transponierte BLINDMAN nun die Figur des blinden Samurais in den wilden Westen. So wie mein Verhältnis zu Leones erstem Western 2017 (kurz vor meinem ersten Terza) erkaltete, konnte ich mich für BLINDMAN leider nicht wirklich erwärmen. Die Titelfigur hat mich weitestgehend kalt gelassen: ob es an der Art, wie die Figur geschrieben war (über weite Strecken scheint der Film mit seiner Blindheit nichts anzufangen) oder am Darsteller (und Co-Produzent und Co-Autor) Tony Anthony selbst lag, der für mich merkwürdig blutleer wirkte – ich bin mir unschlüssig. Auch die Erzählweise des Films, die sich für mich ein bisschen zu sehr wie "Und dann passiert das, und dann das, und dann das, und dann das..." anfühlte, hat mich nicht wirklich mitgerissen. Ist der ganze Film zu zynisch-ironisch-distanziert und hat mich deshalb kaum involviert? Die Mail-Order-Brides schienen mir fast vollkommen belanglos in der Erzählung zu sein, wie ein Element, das halt so im Drehbuch steht – ebenso gut hätte es auch eine Viehherde oder irgendein seltenes Gewehr oder ein Goldschatz sein können. Oder für den Hofbauer-Kongress-Stammgast: das hätte auch eine zünftige Geschichte über Zwangsprostitution im sleazigen Wilden Westen (statt in einer europäischen Großstadt im sleazigen Noir-Ambiente) sein können, aber dann halt nicht (und wozu dazu den blinden Revolverhelden)... Und Ringo Starr als Bruder des Hauptbösewichten scheint mir auch leicht verschenkt.
Nun, irgendwie nicht mein Film, auch wenn das eher Jammern auf hohem Niveau ist: er plätscherte nett vor sich hin. Es gibt jedoch ein kleines Detail, das ich gerne besonders hervorheben möchte. Von dem Gebrüder-Duo der Bösewichte wird knapp nach der Hälfte einer von Blindman getötet. Als der Bruder zusammen mit seinen Schergen die Leiche entdeckt, folgt keine formelhafte Beschwörung von Rache, sondern ein emotionaler Moment der Trauer. Ein Mann hat hier seinen Bruder gewaltsam verloren, ist davon sichtlich gerührt und diese Rührung überträgt sich auch auf seine Schergen und auf die Zuschauer: für eine kurze Zeit steht der Film hier still und räumt der Trauer Platz ein. Das wird mir wohl länger im Gedächtnis bleiben als sämtliche Schießereien und Kämpfe und erzählerischen Wendungen und Kniffe.


ab 22:30 Uhr

PROFUMO (dt. Verleihtitel: "Lorenza")
Regie: Giuliana Gamba
Italien 1987
98 Minuten, OmU
Lorenza (Florence Guérin) hat genug davon, von ihrem allumfassend besitzergreifenden Ehemann Guido (Luciano Bartoli) sexuell erniedrigt und terrorisiert zu werden. Sie flieht und startet ein neues Leben mit dem Gärtner Eddie (Robert Egon Spechtenhauser). Als Guido gewaltsam gegen das frischverliebte Paar vorgeht, täuscht Lorenza ihren Tod vor und heckt einen Racheplan aus, bei dem sie Guido von seinen eigenen Methoden kosten lässt.
PROFUMO war nicht nur für mich eines der großen Highlights des Terza Visione 2023. Mit dem 1980er-Sleaze-Saxofon-Thema (interessante Variation: Altsaxofon statt dem üblichen Tenor-Saxofon – und später davon wieder eine Variation mit Bassklarinette) verführte mich der Film schon, bevor überhaupt das erste Bild zu sehen war und führte uns dann nach den Credits in ein bizarr-groteskes Bordell, bei dem die Grenzen zwischen Kundin / Prostituierte, Security-Angestellter / Freier, Vergewaltigung / Rollenspiel, Körper / Gegenstand ins Strudeln gebracht wurden – ein absolut meisterhafter Prolog, der bereits viele Themen und Motive des Films enthält und in ein... nun, schon wieder, Ehe-Drama führte (und den thematischen roten Faden dieses Terzas seit METTI, UNA SERA A CENA fortspann).
Besonders spannend erscheint mir, wie der Film mit seinen Sets umgeht, man könnte sagen: neureich-dekadenter 80er-Barock, mit Inneneinrichtungen, die allesamt sehr teuer, dabei aber auch erstickend, leblos, leer, seelenlos, minimalistisch um des Minimalismus willen aussehen, hermetisch gegen Tageslicht abgeschirmt, reduziert auf totale Funktionalität (in Guidos riesigem Arbeitszimmer gibt es praktisch nur einen riesigen Schreibtisch mit einem Computer drauf, daneben steht ein Fernrohr, mit dem er die Nachbarn bespannt) oder auf reine Repräsentation (eine Hotel-Lounge mit schweren, erstickenden Teppichen und überteuerten Designer-Möbeln). Lorenza wandelt in ihrem Zuhause und in ihren Hotels durch kalte Landschaften, die sehr gut dem emotionalen Zustand ihrer Ehe entsprechen. Befreiung gibt es hier teilweise am Strandhaus, an dem sie vor ihrem Ehemann entfliehen kann und eine Affäre mit dem tollpatschigen aber süßen Junior-Hausmeister und -Gärtner anfängt, aber wahrscheinlich nur, weil mehr Sonnenlicht zu sehen ist, wenn sie und ihr Toyboy am Strand auf dem nassen Sand Sex haben.
Ich verdanke PROFUMO auch, dass ich in meinem Leben nie wieder eine Dose Coca-Cola mit unschuldigen Augen werde sehen können. Es fängt harmlos an: Lorenza und Edward, am Rand des Pools am Strandhaus, schütteln die Dosen und spritzen sich gegenseitig mit Cola voll, aber die phallische Dose und vor allem ihr Inhalt werden danach von Lorenza auf sehr kreative Weise in ihr Liebesspiel eingebaut. Da kann Christie aus NINJA III: THE DOMINATION ihren V8-Tomatensaft einpacken! Es wird geträufelt und geleckt, dass einem Sehen und Hören vergeht und die Kinnlade runterklappt. Und dann verschwimmen – wie im Prolog angekündigt – wieder die Grenzen und Zehen nehmen die Funktion von Penissen ein...
Motive aus Filmen wie Lucio Fulcis furiosem Melodrama am Rande des selbstzerstörerischen Wahnsinns IL MIELE DEL DIAVOLO, Brian De Palmas Meditation über Voyeurismus und die Inszenierung von Verführung als Performance BODY DOUBLE und Yves Boissets genre- und gender-fluiden Identitäts-Psychogramm LA TRAVESTIE waren für mich bei PROFUMO spürbar: allesamt Filme, die ich letztes Jahr zum ersten Mal gesehen habe, auf unterschiedliche Weisen (aber stets sehr hohem Niveau) für meisterhaft halte und in deren Reihe ich jetzt ohne zu zögern PROFUMO stellen würde. Eine Frau, die von einer latent gewalttätigen Beziehung in die Enge getrieben wird; die performative Inszenierung von Körpern zur Irreleitung sehgieriger Voyeure; das geschlechtsübergreifende Spiel mit verschiedenen Identitäten.
Besonders letzteres führt in der zweiten Hälfte des Films zu schier unglaublichen Momenten, als Lorenza das Geschlecht "wechselt" und sich mit Kurzhaar-Perücke und Maßanzug als Yuppie inszeniert (die Ähnlichkeit mit Nicole aus Boissets LA TRAVESTIE war verblüffend) und Edward mit ein bisschen Makeup und Stöckelschuhen in eine passende "Trophy-Wife" verwandelt wird – und beide ihre Performances zunächst in der Öffentlichkeit ausprobieren, bevor sie dann auch gewalttätigen Sex (Lorenza nimmt Edward hart von hinten) hinter der Gaze des Vorhangs proben, der für Fernrohr-Voyeure das Spektakel verundeutlicht und umso anregender macht.
Die überaus charismatische Florence Guérin legt hier nicht weniger als eine Jahrzehnt-Performance ein und hat weit mehr als ein schönes Äußeres zu bieten. Schade, dass ein Großteil des damaligen (und wohl auch heutigen) Publikums niemals auf die Idee käme, Schauspieltalent in einem kostengünstigen Sexfilm zu sehen. Und wie gut, dass es da eben Terza Visione gibt. Oder kurz: gemeinsam mit BUIO OMEGA war PROFUMO der große, alles überragende Höhepunkt dieses Terzas.


Sonntag, 23. Juli 2023


2022 wurde beim Terza Visione der "internationale Tag" eingeführt: gezeigt wurden Genrefilme nicht-italienischer Produktion. Der Blick "über den Tellerrand" soll die Perspektiven auf das italienische Genrekino erweitern und die transnationalen Verflechtungen des Genrekinos im internationalen Kontext verdeutlichen. Also gewissermaßen den Dialog zwischen Subgenres eines einzelnen Landes erweitern zu einem Dialog des Genrekinos jenseits von Ländergrenzen.
Als Anhänger der Programmierung von italienischen "Grenzgängern" (also Filmen am äußersten Rande dessen, was noch "Genrekino" genannt werden kann) fand ich die Idee schon letztes Jahr sehr schön und gelungen. Dieses Jahr wurde das allerdings sogar noch weiter getoppt, angefangen mit einem "Übergangsfilm", nämlich einer italienischen Bearbeitung der US-amerikanischen Version eines japanischen Films...



ab 12:45 Uhr

GODZILLA
Regie: Luigi Cozzi, Ishiro Honda, Terry Morse
Italien/Japan/USA 1977
97 Minuten, OmU
Am 6. August 1945 wird Hiroshima durch die Atombombe zerstört. Knapp zehn Jahre später ist es ein ungeheuerliches Monster, das Tokyo zerstört. Und der amerikanische Journalist Steve Martin (Raymond Burr) muss das hilflos mit ansehen.

Raymond Burr als ultimative Popart-Ikone des Reaction-Shots

 
GODZILLA, auch als "Cozzilla" bezeichnet (die für den Film geschaffene Produktionsfirma trug tatsächlich diesen Namen), ist ohne Zweifel die bizarrste Entdeckung des diesjährigen Terzas. Luigi Cozzi, großer Liebhaber von US-Monsterfilmen der 1950er Jahre, wollte nach dem großen Erfolg von KING KONG 1976 aus diesem etwas Kapital schlagen und eigentlich "nur" irgendeinen Monsterfilm neu verleihen. Es wurde GODZILLA, doch statt des originalen japanischen Films wurde die US-amerikanische Version genommen, die nachgedrehte Szenen mit Raymond Burr enthielt. Aber ein Schwarzweiß-Film im Jahre 1977 wieder in die Kinos zu bringen, das ging doch nicht – außerdem war der mit 80 Minuten zu kurz. So schnitt Cozzi dokumentarisches Material zu den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki in den Film, dazu noch ein paar Schnipsel aus weiteren japanischen Monsterfilmen und hier und da noch Second-Unit-Material aus anderen Filmen (u. a. aus Frankenheimers THE TRAIN) und in einem umständlichen Verfahren (wohl teilweise mit Einzelframe-Bearbeitungen) wurden mit Gel gefärbte Schablonen genutzt, um aus dem Schwarzweißfilm einen "Farbfilm" zu machen. Und das ganze für den italienischen Markt noch italienisch synchronisiert, zumindest die meisten Szenen – aber nicht alle: einige japanische Dialoge sind unbearbeitet im Film verblieben.
Ein Kommerzprojekt also, das sich vom Erfolg von KING KONG ein schönes Scheibchen abschneiden wollte und die Kolorierung als Prozess mit dem klangvollen Namen "Spectorama 70" vermarktete... und das aus heutiger Sicht eher teilweise wie abstrakte Videoinstallationskunst aussieht. Oder wie das Programmheft beschrieb: wie ein "postmoderner Experimentalfilm".
Luigi Cozzis GODZILLA hat wohl viele Zuschauer im Publikum ganz fürchterlich gelangweilt, und ich kann durchaus verstehen, warum das so ist. Auch die Aussage "Muss ich mir niemals wieder antun" kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Mich hat der Film allerdings vollkommen fasziniert. In seiner Einführung erwähnte Sven den Gedankengang, dass GODZILLA in dieser Fassung quasi zu den Ursprüngen des Kinos als Jahrmarktattraktion zurückkehrte. Tatsächlich hatte der Film ein komisches Feeling: teilweise wie ein Artefakt des Ur-Kinos in seinen ersten 20 Jahren; teilweise sehr in seiner Entstehungszeit verankert mit dem Disco-gefärbten Elektroscore (von Vince Tempera und Fabio Frizzi); teilweise wie ein undefinierbares retrofuturistisches Etwas, das unaufhaltsam vor sich hinwaberte und den Zuschauer wahlweise K.O.-mäßig langweilte oder unaufhörlich hypnotisierte.
Die Kolorierung sieht eben nicht aus wie eine Stummfilm-Virage, mit einer einheitlichen Farbe, sondern unterschiedliche Areale des Bilds werden mit gelben, oder grünen, oder blauen, oder magentafarbenen, oder roten Schattierungen eingefärbt, teils einzeln, teils mit drei oder vier Farben gleichzeitig. Das Verfahren führte auch zu einem leichten Schärfeverlust der einzelnen Bilder, machte sie noch etwas weicher. Traumartiger auch: GODZILLA scheint man weniger zu sehen als zu träumen. Auch wenn stellenweise die Einfärbungen dramaturgischen Rahmenbedingungen folgten (ein sagen wir mal teilweise gelblich eingefärbtes Bild wird teilweise in Blau eingetaucht, nachdem eine Figur in einem Raum den Lichtschalter ausknipst) – den größten Teil der Laufzeit tut sie es nicht! Jedes einzelne Bild wird hier zu einem Ereignis gemacht (an dieser Stelle frage ich mich, ob Andy Warhol wohl GODZILLA gemocht hätte) und das machte für mich den Film so spannend: jede nächste Szene, jedes weitere Bild war potentiell eine Überraschung. Verblüffend sind nicht die Bilder mit ihrem Inhalt an sich, sondern eher, dass halbwegs vertraute Bilder mit bekannten Monsterfilmmotiven derartig verfremdet werden (durch die Kolorierung, durch den Score, durch die italienische Synchro), dass etwas komplett Neues entstand, das wesentlich weiter geht als nur elektronische Musik zu einem Stummfilm, sondern vielleicht eher vergleichbar ist mit Bill Morrisons Collagen degradierter alter Filmkopien. Es zählt natürlich für alle Filme, die beim Terza liefen, aber für diesen Film wohl noch mehr: es ist ein Werk, das man definitiv im Kino auf einer guten 35mm-Kopie sehen sollte.
Der Film nimmt durchaus Gesten eines engagierten Plädoyers gegen die Atombombe ein – er tut es mit diskutablen Mitteln, die man je nach Neigung als völlig geschmacklos oder sehr interessant ansehen kann, denn der Prolog zerrt den Subtext des originalen GODZILLA gnadenlos in den Scheinwerfer: eine Einblendung datiert uns auf den 6. August 1945, es folgen dokumentarische Bilder des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, inklusive materiellen Zerstörungen und auch Bildern von Schwerverletzten und Leichen, das ganze mit einem Score untermalt, der hybrid zwischen Disco und Industrial schwankt. Der Begleittext im Programmheft spricht von "Mondo-Qualitäten", in der Einführung zum Film wurde die Lust an Gewalt erwähnt. Im Kontext der 1970er Jahre sprechen wir von einer Zeit, in der Bilder von Hiroshima und Diskurse um Hiroshima eher Teil von Subgruppen (Friedensbewegung) oder von "intellektuelleren" Kunstformen (sagen wir dem Autorenkino) waren, und nicht etwas, was in den Mainstream der Popkultur vorgedrungen war.
Und dazwischen Raymond Burr, in der amerikanischen Fassung von GODZILLA so etwas wie der "kulturell nähere" Erzähler, der wahrscheinlich auch dort schon viel vor sich hin starren musste: hier wird er zu einer Pop-Art-Ikone des Reaction-Shots. (Oder zum Meta-Kommentar über die amerikanische Präsenz in Zeiten der Atombombe und des Kalten Kriegs, wie andere Zuschauer danach meinten). Tokyo wird von einem Monster in kleine Stücke kaputt gehauen und getreten, ein Liebes-Dreieck mit großem Melo-Einschlag entfaltet sich vor seinen Augen zwischen zwei japanischen Männern und einer Frau, aber er kann nur fassungslos da stehen und starren, während gelbe, blaue, magentafarbene Schleier ihm durch das Gesicht flimmern.
Der Film endet mit der mahnend-fragenden Einblendung "Fine?" über einem knallroten Bild. Die Antwort war auf gewisse Weise "ja". Am Ende des Kassensturzes war der Film mittelmäßig erfolgreich in Rom und Mailand: kein Flop, aber auch kein richtiger Hit. Cozzi hat mit GODZILLA ein komplett eigenes Subgenre geschaffen – und dessen (wahrscheinlich) einziger Vertreter. Ruggero Deodatos LA MOGLIE DI FRANKENSTEIN, Lucio Fulcis DEVIAZIONE PER L'INFERNO, Umberto Lenzis LA COSA DA UN ALTRO MONDO, Alberto De Martinos IL PENSIONANTE – das wäre doch was gewesen! Später machte wenigstens Dario Argento IL FANTASMA DELL'OPERA, aber der war "nur" ein "normaler" Film.


ab 16:30 Uhr

COŽ TAKHLE DÁT SI ŠPENÁT ("Wie wäre es mit Spinat?")
Regie: Václav Vorlíček
ČSSR 1971
86 Minuten, OmU
Zemanek und Liška sind kleine Fische, die in ihrer Fabrik für organisierte Schieber einmal zu oft stehlen, einige Zeit absitzen und dann schon an den nächsten Coup gelangen: ein Ganove (Jurai Herz, der Regisseur von DER LEICHENVERBRENNER), der auf Friseur umgesattelt ist, möchte eine für die Rinderzucht konzipierte Verjüngungsmaschine als Verjüngungskur für zahlungskräftige Kunden missbrauchen. Leider hat die Verjüngungskur ungeahnte und schwere Nebenwirkungen, wenn die bestrahlten Subjekte vorher Spinat gegessen haben...

Der Geist eines hungrigen Säuglings im Körper einer Erwachsenen in einem Nobel-Restaurant: das kann nicht gut gehen!

 
Wer sich schon immer gefragt hat, wo der Missing Link zwischen Howard Hawks' MONKEY BUSINESS und HONEY, I SHRUNK THE KIDS liegt: in der Tschechoslowakei, genauer gesagt im Barrandov-Filmstudio!
COŽ TAKHLE DÁT SI ŠPENÁT war der Ersatzfilm für den ursprünglich geplanten PANE, VY JSTE VDOVA! ("Mein Herr, Sie sind eine Witwe!") des gleichen Regisseurs (Václav Vorlíček, Regisseur des in Deutschland berühmten Märchenfilms DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL) und des gleichen Drehbuchautors (Miloš Macourek), deren siebenter gemeinsamer Film. Beide begannen ihre Zusammenarbeit 1966 und konnten nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nahtlos weiterarbeiten, um populäre Komödien zu drehen.
Aller Anfang ist schwierig, und so begann "Wie wäre es mit Spinat?" auch eher zäh, mit einer eher schwerfälligen Exposition, die die beiden kleinen Betrüger Liška und Zemanek erst einmal in den Knast bringt, um sie dann auf ihrer neuen Arbeit auf eine Verjüngungsmaschine treffen zu lassen. Daneben werden auch die anderen Charaktere, darunter die Chefin einer argentinischen Rinderzuchtfarm auf Geschäftsreise, eher wenig elegant in den Film geführt. Dann aber fängt es an, für die Figuren richtig schief zu laufen – und der Film selbst beginnt, Fahrt zu nehmen. Nach einer geruhsamen Nacht neben der geliebten Frau bzw. Freundin wachen unsere beiden Gauner als Kinder auf: sie werden nun von Kinderdarstellern gemimt, die von den ursprünglichen Darstellern synchronisiert werden – kleine Jungs also, die mit röhrenden Stimmen und erwachsenem Jargon sprechen.
Im letzten Drittel gewinnt der Film eine Dynamik, eine Beschleunigung, schließlich eine Rasanz, ein Niveau an totaler Eskalation der Gags und der puren Action und der Lust an Chaos und Zerstörung, die sich durchaus mit Hollywood und Hawks messen können. Das Set: Eingangsbereich, Speiseaal und Küche eines Prager Hotels. Die Protagonisten: die zwei nunmehr gealterten Ganoven, ein körperlich aber geistig nicht gealterter weiblicher Säugling, ein jähzorniger Koch und viele Gäste. Die Action: eine komplette Verwüstung des Speisesaals und der Küche, mit Verfolgungsjagden über und unter die Tische, mit Verschüttung und Verschmierung unzähliger creme-haltiger Saucen und Desserts, mit einer obsessiven Jagd nach den letzten Resten von Spinat (notfalls auch vom Jackett-Rücken am Träger, der eben in einen Spinatbottich gefallen ist, abzukratzen und abzulecken), Verwechslungen von bratfertigen Lämmern und Säuglingen und dazwischen werden noch Leute geschrumpft. Eine filmische Lachexplosion erster Güte!


ab 20:00 Uhr

PEMBALASAN RATU PANTAI SELATAN ("Lady Terminator")
Regie: Tjut Djalil
Indonesien 1989
82 Minuten, EF
Es gelingt einfach keinem Mann, die Südseekönigin zu befriedigen. Deshalb murkst sie jeden Sexpartner ab. Nur einer schafft es, ihr die Schlange zwischen den Beinen zu entwinden und daraus einen Dolch zu zaubern. Die Südseekönigin nimmt übel und schwört Rache für in 100 Jahren. Ihr Fluch fällt auf eine Doktorandin der Anthropologie (Barbara Anne Constable), die vom Geist der Königin besessen wird und in den Straßen Jakartas ein Blutbad nach dem anderen veranstaltet. Können der Polizist Max und die Sängerin Erica sie stoppen?

In rasender Zerstörungswut durch Jakarta: Barbara Anne Constable als "Lady Terminator"

 
LADY TERMINATOR gehörte mit seinem verheißungsvollen Plakat ("She mates. Then she terminates" plus Barbara Anne Constable mit großer Wumme gleich fünf mal) und seinem eher exotischen Ursprungsland zu den heiß erwarteten Filmen des internationalen Tags. Die Versprechen wurden mehr als eingelöst: in kompakten, knapp 80 Minuten dürfte der Film mehr knallige Action und blinde Zerstörungswut auffahren als die kompletten sechs Teile von TERMINATOR zusammengenommen – und dazwischen auch mehr ruppigen Sleaze. Die Szene, als die Titelheldin (ja-ja, eigentlich Antagonistin) in ein Polizeirevier einfällt und es Raum für Raum, Korridor für Korridor, Stockwerk für Stockwerk in nicht weniger als eine monströse Schlachteplatte kaputt und tot schießt, war alleine schon der Eintritt wert. Der Film weiß dann auch ganz genau, was er an der charismatischen Barbara Anne Constable hat, die er in ihrer leider einzigen Filmrolle leicht von unten gefilmt in eine Action-Ikone verwandelt, in eine tödliche Göttin der Zerstörung. (Als sie noch nicht besessen ist, mimt sie die tollpatschige, leicht naive Anthropologie-Doktorandin. Nach ihrer Inbesitznahme durch die Südseekönigin ist sie eine komplett andere Person. Bei aller Action ist LADY TERMINATOR zumindest für die Hauptfigur auch Schauspielerkino, gleichwohl Max' Christopher J. Hart wie ein Jeff Daniels mit eingefrorenem Gesicht und vergessenem Text wirkt).
Der internationale Anspruch der Produktion zeigt sich nicht nur in den Darstellern, mit einigen anglo-amerikanischen Protagonisten sowie rein indonesischen Side-Kicks und Komparsen, sondern auch in einigen geschickt eingefügten Second-Unit-Shots von New York (man sieht die Twin-Towers), die die geografische Verortung verundeutlichen: die Discos, Malls, Hinterhofgassen, Straßen und mehrspurigen Schnellstraßen scheinen aber offenbar alle in (Süd)ostasien zu liegen – ihre kalte Großstadtdschungel-Anonymität bilden den idealen Boden für rasante Verfolgungsjagden zu Fuß und mit dem Auto.
Faszinierend ist auch, dass PEMBALASAN RATU PANTAI SELATAN (also wörtlich "Die Rache der Südseekönigin") kein reiner TERMINATOR-Ripoff ist, sondern eher Motive aus James Camerons Film in eine mythologische Horror-Märchengeschichte einbaut. Und die ersten paar Minuten erinnern dann auch eher an Softerotik-Sleaze-Hobel italienischer Provinienz als an US-SciFi-Action der Zeit: glitschig-schmieriger Sex, fotografiert in edel glitzernden (aber doch sichtbar billigen) Dekoren, mit einem bösen Ende für den von der Südseekönigin berittenen Mann, der seinen Penis von der Schlange abgebissen bekommt, die sich in ihrer Vagina befindet und dem dann nichts anderes bleibt, als sich selbst mit Blut voll zu spritzen (same procedure as 100 years ago, als dann die besessene Anthropologin schmierige Hotelbedienstete und in Punk-Klamotten gekleidete Halbstarke verführt).
Wenn eines, dann zeigt LADY TERMINATOR dass gutes Exploitationkino international ist. 34 Jahre, eine bewegte Zensurgeschichte mit leicht ummontierter internationaler Fassung und 11.000 Kilometer zwischen Jakarta und Frankfurt am Main ändern nichts daran, dass der Film an diesem Sonntagabend sich ganz direkt in die Herzen des Publikums hineinballerte.


ab 22:15 Uhr

LE FRISSON DES VAMPIRES ("Das Schaudern der Vampire" aka "Sexual-Terror der entfesselten Vampire")
Regie: Jean Rollin
Frankreich 1971
95 Minuten, OmU
Isla und Antoine haben frisch geheiratet und möchten die Cousins der Braut in deren Schloss besuchen. Gerüchte über deren Tod erweisen sich als falsch – oder auch nicht: die beiden Exzentriker sind Vampire geworden und ihr vampiristisches Entourage übt auf Isla einen wesentlich größeren Reiz aus als die Aussicht auf den Vollzug der ersten Ehenacht mit ihrem Gemahl.

Das Brautpaar und die Dienerinnen der Vampire

 
Die letzten Terzas endeten immer auf einer jenseitigen Note: Fulcis L'ALDILÀ und QUELLA VILLA ACANTO AL CIMITERO 2021 und 2019. Dieses Jahr wurde der Ausklang mit Jean Rollin weitergeführt, nachdem LA ROSE DE FER 2022 das Terza im Jenseits eines Friedhofs beziehungsweise am jenseitigen Strand von Pourville beendet hatte. Einen Friedhof gibt es auch in LE FRISSON DES VAMPIRES und er endet auch am Strand von Pourville.
Rollin ist gewissermaßen der Ozu des europäischen Vampirfilms: ein Teil seiner Filme mit ihren vielen ähnlichen Vampir-Titeln wirken zusammengedacht fast wie ein einziger Film, und so hat mich das letzte Drittel von LE FRISSON DES VAMPIRES, den ich 2018 kennengelernt habe, merkwürdig auf dem falschen Fuß erwischt, weil ich wohl Teile mit dem Ende (oder zumindest längeren Passagen) von LE REQUIEM DES VAMPIRES verwechselt habe. So fühlte ich mich im letzten Drittel "wie im falschen Film" – letztendlich ein Meckern auf sehr hohem Niveau, das bestätigt, dass ich LE FRISSON etwas weniger mag als REQUIEM und ihn in Kenntnis von mittlerweile ein paar Rollins nicht mehr zu den Tops zähle.
Aber es ist natürlich immer noch Rollin. Über LE REQUIEM DES VAMPIRES schrieb ich einst: "Karge französische Landschaften, in denen die Figuren ganz klein und verlassen erscheinen; leicht verfallene, mystisch aufgeladene Friedhöfe; ein Schloss, das man ohne Mühe als denkmalgeschütztes historisches Gebäude identifizieren kann, das aber Rollin mit der Kamera in eine Art Paralleldimension hebt. Abgesehen von einem Klecks Kunstblut hier und da und einer gelegentlichen Beleuchtung in Primärfarben entfaltet sich Rollins Vampirmär völlig ohne Spezialeffekte, denn für den Franzosen ist das Kino selbst der Spezialeffekt." Und wo merkt man letzteres besser als in einem Kino?
Völlig außerweltlich war Rollin dennoch nicht. Ihn als politischen Regisseur zu bezeichnen, würde wohl nicht vielen auf den ersten Blick einfallen, aber LE FRISSON DES VAMPIRES zeigt wieder seine Sympathie für die Verstoßenen, die Freaks, die Außenseiter, die Marginalisierten, die außerhalb der gängigen gesellschaftlichen und sexuellen Normen stehen, während die spießigen, geradlinigen Alpha-Männchen mit ihren kleinbürgerlichen und engstirnigen Vorstellungen als Antagonisten wirken – und auch mal bloßgestellt und ins Lächerliche gezogen werden, etwa in der fantastischen Bibliotheksszene, in der Antoine wie von unsichtbarer Hand die ganzen Bücher über den Kopf geworfen bekommt. LE FRISSON DES VAMPIRES war auch der ideale Abschluss für das Thema, das sich, angefangen mit METTI, UNA SERA A CENA, durch das ganze Festival zog: Ehe in der Krise. Denn Rollin erzählt hier auch die Geschichte einer dysfunktionalen Ehe und einer Frau, die außerhalb dieser pappigen und unwürzigen Ehe und ihrer Restriktionen (Antoine ist furchtbar besitzergreifend, auch wenn er seine "erste Nacht" nicht bekommt) von den köstlichen Früchten des nicht-heteronormativen Sex, des Vampirismus und des Lebens außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft kostet.
Des weiteren schrieb ich über Rollin einmal: "Seine Filme fließen wie Träume vorbei. An nicht alles kann man sich erinnern und wenig scheint vernünftig zu sein – aber nach dem Aufwachen scheint die Realität noch etwas öder, und mit dem nächsten Schlaf lockt eine süße Versuchung!"
Und ich bin sicher: das nächste Terza wird mit vielen weiteren süßen Versuchungen locken!

Ende am Strand von Pourville

 

Mittwoch, 3. Oktober 2018

Tutto è film: Bericht vom 5. Terza-Visione-Festival des italienischen Genrefilms (Teil 2)








Samstag, 28. Juli

14.00 Uhr

IL SOLE NELLA PELLE ("Ein Sommer voller Zärtlichkeit")
Regie: Giorgio Stegani
Italien 1971
92 Minuten (Deutsche Fassung)
Die Schülerin und Industriellentochter Lisa (Ornella Muti) liebt den etwas älteren italienisch-französischen Hippie Robert (französisch auszusprechen – gespielt von Alessio Orano). Da dieser das Leben eher locker, gitarrenspielend und singend angeht, wird er von Lisas Vater (Chris Avram) als Gammler angesehen – und Ausländer ist er ja auch noch. Deshalb brechen die beiden jungen Menschen zu einer kleinen Insel auf, um dort ihre Liebe auszuleben, doch der Vater hat ihnen längst die Polizei (unter anderem Luigi Pistilli) an den Hals gehetzt.
Der als großers Liebesfilm angekündigte Film des Terza Visione 2017 (LA SPOSINA) hatte mich damals nicht vollends überzeugt. Stattdessen gab es nun in diesem Jahr IL SOLE NELLA PELLE, und dieser Film war wirklich einer der konsequentesten, bittersüßesten und schönsten Liebesfilme, die man sich denken kann – vollkommen der Liebe seiner beiden Protagonisten ergeben, in jedem Moment, 24 Bilder pro Sekunde.
Die Liebe wird gleich zu Beginn des Films entflammt, als Lisa und Robert aneinander vorbei gehen und sich in die Augen blicken. Zunächst braucht es überhaupt keine Worte dazu. Die Annäherung findet dann in "Polynesien" statt, einem illegalen FKK-Camp außerhalb der Stadt, wo Lisa zusammen mit einigen Mitschülern mitgeht, weil es da eben Nackte zu sehen gibt. Dort findet sich Robert dann auch nackt, eine sanfte Melodie spielend, hinter einem Wasserfall sitzend, der wie ihn wie ein Vorhang verdeckt. Schließlich spaziert er ein Stück mit Lisa, seine Gitarre als natürlichen Lendenschutz vor sich tragend – und lässt sich lieber freiwillig von der Polizei verhaften, als wegzurennen. Mit Lisa ist es anders. Mit ihr würde er bis ans Ende der Welt rennen oder eben in einem Boot zu einer kleinen Insel wenige Kilometer vor der Küste segeln, um dort mit ihr auf ewig ohne Polizei und ohne kapitalistischen Druck zu leben.
Der größte Kontrahent von Lisas und Roberts Liebe ist nicht in erster Linie die Polizei, sondern Lisas Vater: ein Mann, der sich für äußerst progressiv und liberal hält, solange seine Tochter von den ihr gewährten Freiheit gefälligst keinen Gebrauch macht. Vor allem ist er ein Mann, der nicht gemerkt hat, dass seine Tochter größer geworden ist und der sie nach wie vor gerne als "unschuldige" Sechsjährige sieht, die ihre Arme nach ihrem Vater ausstreckt, sobald sie ihn sieht. Konsequenterweise sieht der Vater immer wieder Rückblenden dieser Szenen vor seinen Augen, wenn er seine Tochter mit Robert sieht, durch ihr leeres Zimmer geht oder sie schließlich nach Ende der Hetzjagd wieder zu sich nehmen will (es aber mit Druck tun muss). Er ist gewissermaßen der erste, der sie verdinglicht, indem er sie zu einer Erinnerung degradiert.
Wenn der Vater seine Tochter liebt (also in Form einer sechsjährigen, "unschuldigen" Erinnerung – nicht als real existierenden Menschen), so verabscheut er Robert: ein Freigeist ohne reguläre Tagesbeschäftigung, ein gitarrenspielender Hippie und ein Ausländer. Dass Robert zur Hälfte Italiener ist, zählt für ihn nicht. Als er ihn kennenlernt, taxiert er ihn ganz minutiös mit verwundertem und leicht angeekeltem Blick: eine geradezu obszöne Fleischbeschau; als würde er ein erlegtes, exotisches Tier betrachten.
Davor fliehen sie, Lisa und Robert, mit einem Segelboot Papas und bauen sich auf der Insel eine eigene, kurzlebige Utopie der Liebe auf (sie dauert nicht einen ganzen Sommer, wie der deutsche Titel suggeriert, sondern nur knapp 24 Stunden). Nun... ich hatte kurz nach dem Terza-Visione-Festival das große Vergnügen, den eher zweifelhaften THE BLUE LAGOON aus dem Jahr 1980 in einer 35mm-Vorstellung zu sehen (bei einer "öffentlichen Testsichtung", einer 35mm-Sneak also). Gemeinhin heißt es, das italienische Genrekino würde oft bei amerikanischen Vorbildern abkupfern, aber bei IL SOLE NELLA PELLE und THE BLUE LAGOON ist es offensichtlich anders rum. Hymnische Naturbilder, ein junges Paar, nackt an einem paradiesischen Strand, Rumturteln im Meer mit Unterwasserkamera: das gibt es in beiden Filmen und beide Filme wollen nicht weniger als die ganz großen Gefühle. THE BLUE LAGOON verbockt es kläglich (wenn auch oft auf faszinierende Weise), IL SOLE NELLA PELLE kriegt sie, die großen Gefühle. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Lisa und Robert als glaubwürdige Liebende aus Fleisch und Blut erscheinen, die ihre Liebe vor allem mit Blicken Ausdruck verleihen, und nicht als klotzige Pappkameraden, die eben noch als kleine Kinder fürchterlich nervig waren und sich nun in fürchterlich tumben Sätzen austauschen; daran, dass der italienische Film die Liebe seiner Protagonisten durchaus "unschuldig" filmt, ohne lüsternen Blick (den er ja immer wieder stark verurteilt), während der amerikanische Film niemals ganz den Verdacht zu tilgen vermag, Fantasien nach blutjungen nackten Mädchen befriedigen zu wollen; daran, dass italienische Komponisten, hier im Speziellen Gianni Marchetti, musikalische Halbgötter waren (hier ein Musikausschnitt – begleitet von einigen brutal beschnittenen pan-and-scan-Bildern aus diesem tollen Cinemascope-Film).
Die Utopie, die sie da auf ihrer kleinen Insel aufbauen, ist umhauend. Sie schwimmen ein wenig im Meer. Dann bricht sie ihre Scheu und zieht sich aus, um ihre Bluse auf dem heißen Sand zu trocknen. Und schließlich verschwimmt alles mit der großartigen Musik von Gianni Marchetti zu reinen Gefühlen: exzessiv ausgespielt in Bildern der Liebenden vor der paradiesischen Landschaft im Sonnenuntergang, Bilder, die manche Leute wohl als Kitsch bezeichnen würden, weil sie leider nicht das ganz große Gefühlskino darin sehen und bei diesem Anblick zerschmelzen.
Für kurze Zeit ist IL SOLE NELLA PELLE ein utopischer Film, aber er weiß, dass das nicht ewig dauern kann – ja noch nicht einmal 24 Stunden. Dann werden die Liebenden, die gerade spielerisch über den Strand rennen, von zwei Fischern entdeckt: beide vermuten gleich, dass der Junge das Mädchen wohl vergewaltigen will, aber sonderlich schockieren tut sie diese Annahme nicht, ja es scheint sogar fast ein Wunschgedanke zu sein (eine Dialektik aus Empören und Aufgeilen, die der Mondofilm SVEZIA INFERNO E PARADISO beim Terza Visione letztes Jahr auf viel rohere Weise nicht zeigte, sondern vielmehr gar selbst verkörperte). Wesentlich interessanter für die beiden Fischer ist, dass das verschwundene Segelboot des reichen Industriellen, auf das ein Finderlohn ausgesetzt ist, am Strand bereit zum Mitnehmen anliegt. Dass sie das Boot schließlich mitnehmen und der Küstenwache liefern, löst dann die große Hetzjagd nach den beiden Liebenden aus, die der deutschen Videoveröffentlichung des Films auch den Titel gegeben hat ("Zu Tode gehetzt"). Der Vermutung des Vaters, dass seine Tochter von Robert entführt und nun auf der Insel ununterbrochen vergewaltigt wird, schließt sich die Boulevardpresse nur zu gerne an, und organisiert gleich einen Helikopter, um Bilder davon zu machen. Als die Liebenden schließlich zurückgebracht werden, dürfen natürlich die geifernden "besorgten Bürger" als Zuschauerkolonne hinter der Polizeiabsperrung nicht fehlen. Dass es Lisa eigentlich ganz gut geht, dass sie nicht vergewaltigt worden ist, dass sie Robert so aufrichtig liebt, wie er sie liebt, will niemand sehen. Stattdessen wird sie in der schaurigsten Szene des ganzen Films, die einen wirklich fassungslos zurücklässt, zu einer ärztlichen Untersuchung geschickt: der Arzt schaut Lisa schon genüsslich altherrenschmierig an, während er langsam seinen Gummihandschuh überzieht...
Wenn alles anders gewesen wäre, hätte vielleicht der Kommissar (Luigi Pistilli), der die Suche nach den vermissten Liebenden organisieren muss, Lisas Vater sein können. Er spricht es nicht aus, aber man spürt unterschwellig, dass er für die beiden Liebenden auf der Flucht Mitgefühl hat, und wesentlich weniger Verständnis für Lisas arroganten Vater, der zudem meint, als reicher Industrieboss über die Polizei wie über eine Privatkavallerie verfügen zu können. Da er kein Chef sei, tue er nur das, was ihm sein Chef sagt, meint der Kommissar an einer Stelle etwas verbittert gegenüber dem Industrieboss. Luigi Pistilli (sowieso!) und Chris Avram sind ganz toll, und beide haben markant-charismatische Gesichter, die sich entfernt ähneln: in einem Dialog werden beide Gesichter in Nahaufnahme im Gegenschnitt gezeigt, ja gar parallelisiert, als würden sich die zwei Männer über ihren Status als Vater Lisas streiten. Wer der bessere Vater ist, kann jeder Zuschauer für sich entscheiden.
IL SOLE NELLA PELLE ist knallhart, weil er ganz genau weiß, dass die Liebe der beiden zum Scheitern durch äußere Umstände verurteilt ist. Aber er glaubt auch an die Schönheit ihrer Liebe. Die letzten Bilder überlässt er nicht den lüsternen Journalisten, die während einer verkommenen Fleischbeschau mit Nacktbildern (muss man sich so die Redaktionssitzungen der BILD bei der Auswahl der BILD-Girls vorstellen?) am Rande mitbekommen, dass Robert beim Versuch, zu Lisa zu fliehen, tödlich verunfallt ist. Die letzten Bilder des Films gehören in einer Rückblende den beiden glücklich Liebenden in einem Moment ihrer selbst geschaffenen Utopie.

Der Blog Bahnhofskino hat in einem Podcast zum Festival drei Filmeinführungen aufgezeichnet, hier zu finden (zweiter Podcast). Ab Minute 4:30 ist Carolin Weidners wunderbare und poetische Einführung zu IL SOLE NELLA PELLA zu hören.


16.00 Uhr

ERCOLE AL CENTRO DELLA TERRA ("Vampire gegen Herakles")
Regie: Mario Bava, Franco Prosperi
Italien 1961
91 Minuten
Herakles (Reg Park) bricht mit seinem besten Kumpel Theseus (George Ardisson) in die Unterwelt auf, um dort einen Stein zu finden, der seiner schwer verwirrten Geliebten den Verstand zurückgeben kann.
Für einige Zuschauer gehörte ERCOLE AL CENTRO DELLA TERRA zu den meist erwarteten Filmen des Festivals. Bava, der große Meister der farbenprächtigen Tableaus, die nach 200 Mal mehr Geld aussahen, als sie tatsächlich gekostet haben. Etwas später am Abend (wahrscheinlich nach TUTTO È MUSICA), während des Sonnenuntergangs über der Frankfurter Skyline, witzelten wir in einer kleinen Gruppe darüber, dass Bava diese Skyline wahrscheinlich mit 10.000 Lire und ein bisschen Spucke noch wesentlich schöner in einem Studio hätte nachbauen können.
Nun, so leid es mir tut, aber ERCOLE AL CENTRO DELLA TERRA ist in meiner Erinnerung etwas verblasst, ohne, dass ich ihn wirklich schlecht gefunden hätte. Ich hatte anfänglich große Mühe, reinzufinden, was vielleicht daran lag, dass die Pause nach IL SOLE NELLA PELLE mit kaum 10 Minuten leider viel zu kurz war und mir der Film noch völlig "unverdaut" auf der Seele lag. Irgendwie war ich noch nicht in der passenden Stimmung, um zwei Muskelmännern dabei zuzuschauen, wie sie in der Exposition Dutzendschaften von Pappkameraden weg prügeln. Hinzu kam eine etwas anstrengende Comic-Relief-Figur, die das Duo aus Herakles und Theseus ergänzt (ohne es zum Trio werden zu lassen). Zu sich schien der Film dann anzukommen – oder besser gesagt: ich zum Film, als Herakles und Theseus in der Unterwelt ankamen. Hier entwickelte sich dann eine ziemlich faszinierende Abfolge beeindruckender, jenseitiger Bilder aus einer fremden Welt, mit großer Künstlichkeit und Kunstfertigkeit im Studio kreiert, bevölkert von ätherisch schönen Botinnen des Todes und furchterregenden Monstern. Das Steinmonster war besonders schön, und wenn ich sie nicht im Sekundenschlaf geträumt habe, so gab es Wesen, die ein wenig an Zombies erinnerten (also: an jene Zombies, die sieben Jahre später in NIGHT OF THE LIVING DEAD zu sehen waren, oder zumindest ein Jahr später bei CARNIVAL OF SOUL).
Die Rückkehr von Herakles und Theseus aus der Unterwelt gelingt nur, weil Theseus ein Mädchen aus der Unterwelt mitnimmt, was den Zorn der Götter auf die Menschen leitet. Von da an wird ERCOLE AL CENTRO DELLA TERRA zu einer Art Liebesdrama in der Zwickmühle: ohne das Unterweltmädchen, das Theseus liebt, wäre die Rückkehr von der Reise in die Unterwelt nicht gelungen, die nur dazu diente, Herakles wieder seine Geliebte zu geben – wie kann nun ausgerechnet Herakles seinen Freund Theseus dazu bringen, zum Wohle der Menschheit, die mit zornigen Plagen der Götter überzogen wird, auf seine Liebe zu verzichten? Das ist schon sehr gut eingefädelt, aber da verschwimmt der Film dann auch schon etwas in meinem Gedächtnis: das letzte Drittel ist für mich ziemlich verrauscht, weil mich eine temporäre Müdigkeit in eine Abfolge von Sekundenschläfchen stürzte. Die oft etwas träumerischen Bilder, die Bava so gekonnt zu einem tranceartigen Flow inszeniert, verleiten im Zweifelsfall doch dazu, Morpheus keinen zu großen Widerstand zu leisten. Vom Showdown habe ich nur kursorisch etwas mitbekommen. Nur noch, dass am Ende alles wieder gut wird, weil Theseus seine genauen Erinnerungen an die Geliebte verloren hat, sich dafür aber einfach die Verlobte des Comic-Relief-Sidekicks schnappt, der sich daraufhin sofort im Meer ertränkt – Herakles, Theseus und dessen künftige Frau mit einem glücklichen Lachen zurücklassend.


20.15 Uhr

TUTTO È MUSICA
Regie: Domenico Modugno, Tonino Valerii
Italien 1963
97 Minuten
Alles ist Musik, so erklärt der Schlagersänger Domenico Modugno, der sich selbst spielt (später aber auch andere Figuren), am Anfang des Films. In kleinen Episoden mit melancholischen Trinkern, suizidalen Gentlemen, freiheitsliebenden Pferden, gewieften Touristenführern, adeligen Mördern im Knast und verliebten Kindern wird das dann auch demonstriert.
Was für ein unglaublicher Wahnsinnsfilm! TUTTO È MUSICA erscheint auf dem Papier wie ein Ego-Projekt des berühmten Schlagersängers Domenico Modugno, der mit "Volare" Ende der 1950er Jahre einen internationalen Hit hatte; wie ein Film, der nur dazu dient, Modugnos größte Hits zu bebildern (was er größtenteils tatsächlich auf extrem eigensinnige Weise tut). Modugno wirkte hier gleichermaßen als Regisseur, Autor, Produzent, Komponist, Sänger, Komparse (er tritt auch als er selbst auf) sowie als Darsteller. Vom stromlinienförmigen Projekt der Egobefriedigung könnte der Film allerdings kaum weiter entfernt sein. TUTTO È MUSICA war in seiner Merkwürdigkeit, seinem schieren Wahnsinn und seinem Anspruch, ausschließlich seiner eigenen Logik unterworfen zu sein, vielleicht das Pendant des diesjährigen Terza Visione zu Giulio Questis ARCANA im letzten Jahr. TUTTO È MUSICA ist ein "Musicarello", ein Schlagerfilm, ein Musical, aber in Form eines Episodenfilms vereint er auch Elemente des autobiografischen Essayfilms, des harten Melodramas, des experimentellen Großstadtessays, des frühen Mondofilms, der Fellin'esken Fantasie, des fiktiven Tierfilms, des wüst-grotesken Slapsticks, des Knastfilms, des späten Neorealismus und des Coming-of-Age-Films. Wie Christoph im Programmheft unvergleichlich schön und treffend geschrieben hat: TUTTO È MUSICA erwecke den Eindruck "eine altersgewiefte, als Abschreibungsprojekt realisierte und daher etwas verheimlichte Wahnsinnstat eines amerikanischen Studioregisseurs zu sein, der im europäischen Altersexil begeistert die bisweilen lästigen Vorschriften narrativer Kontinuität die Kellertreppe hinunterpfeffert und in seinen kinematografischen zweiten Frühling aufbricht". Modugnos großer Hit "Volare" wurde zwischen 1958 und heute über 100 Mal in Filmen und Serienepisoden verwendet, doch TUTTO È MUSICA blieb leider Modugnos einziger Film als Autor-Produzent-Regisseur... (Tonino Valerii, der offiziell als Co-Drehbuchautor und Regieassistent genannt wird, wurde von Modugno tatsächlich als Regisseur angeheuert und dürfte für einen großen Teil der Regie verantwortlich zeichnen – Modugno dürfte trotzdem der Haupt-"auteur" des Films sein).
Es beginnt mit einer Autofahrt durch das süditalienische Apulien und durch das Dorf, aus dem Modugno stammt. Bilder eines Dorfes, das staubtrocken in der Sommerhitze daliegt, wunderschön, aber eigentlich nicht im engeren Sinne touristisch attraktiv: wenn man die Autos wegnimmt, hätte man hier auch Szenen eines Italowesterns drehen können. Ein Off-Kommentator (Modugno selbst?) präsentiert uns mit einem starken Dialekt und anfang in einem merkwürdigen Sprechgesang den Ort als Geburtsort Modugnos vorstellt, der als kleiner Junge schon gerne sang und Akkordeon spielte, damit dann aber irgendwann den Dorfbewohnern auch etwas auf die Nerven ging, so dass er eben sein Glück in Rom versuchte (hier der Vorspann des Films) So geht es auch nach Rom, wo Modugno (als er selbst) uns in einem Tonstudio empfängt, kurz die Tür zum Aufnahmeraum aufmacht, wo gerade "Volare" gespielt wird und dann erklärt, dass nicht nur das hier, sondern dass im Grunde alles Musik sei: Straßengeräusche, Lärm im Büro und in der Fabrik. Danach gibt es ein wenig von dieser Musik zu sehen und hören, weil sich der Film dann auf die Straßen und in die Fabriken und Werkstätten Roms begibt. Geräuschvolle Alltagsimpressionen werden in einer rhythmisch-musikalischen Montage aneinander gereiht. Hier ist ein Ausschnitt davon zu sehen, aber tatsächlich dauert das ganze mehrere Minuten, und ist damit viel "zu lange" für etwas, was man in einem "normalen" Schlagerfilm erwarten würde: wer einen Modugno-Hit nach dem anderen haben wollte, der kriegt hier erst mal etwas, was man wohl als eine Art römische Musique-concrète-Stadtsinfonie bezeichnen könnte, die Dziga Vertovs ČELOVEK S KINOAPPARATOM wesentlich näher steht als einem Popmusik-Clip.
Da das mehrere Minuten geht und eine ziemlich große Tour ist, durch die uns der Stadtführer Domenico führt, ist er danach auch etwas müde, legt sich auf eine Bank, schläft ein – und träumt von seinem eigenen Hit "Volare". Der Text des Lieds dient dabei als wörtliches Drehbuch für den Traum: blaue Farbe fließt über die Leinwand, Herbstlaub und Ballons fliegen durch die Luft, und dann erhebt sich Domenico in die Lüfte und beginnt zu fliegen! Ganz hoch, in den Himmel, bis er schließlich im Weltall ist und die Erdkugel von weitem sieht. Dann kommt er auf die Erde zurück und beginnt, durch Rom zu fliegen, die Arme freudig ausgestreckt wie ein Hohepriester der guten Laune. Wenn der Film vorher schon interessant war, dann war dies spätestens der Moment, bei dem ich mich vollkommen verliebt habe. Wer einen Eindruck davon haben möchte (auf der großen Leinwand sieht das noch mal wuchtiger aus), kann diesen Ausschnitt hier sehen. 1963 erhob sich ein anderer Leinwand-Held in einem anderen, auch etwas experimentellen italienischen Film in die Lüfte, nämlich der Protagonist von OTTO E MEZZO, als er zu Filmbeginn einem lästigen Stau entkommen möchte. Fellinis Film hatte seine Premiere sechs Monate vor Modugnos, es wäre also durchaus im Rahmen des Möglichen, dass die Idee bei Fellini entliehen wurde, und dann auf ganz eigensinnige Weise umgesetzt wurde. Zu weiteren Fellini-Querbezügen gleich mehr.


Nach dem Fliegen kehren wir wieder auf den Boden zurück, und zwar zu einer Straßenwahrsagerin und ihrem Begleittrompeter, die nach einem Streit mit einem Kunden von der Polizei weggejagt werden. Deshalb tun die beiden, die offenbar nicht nur Geschäfts-, sondern auch Ehepartner sind, das nahe liegendste: sie fahren an den Strand und machen ein Picknick. Die Tischmanieren, die sie dabei an den Tag legen, sind ein wenig besser als die von Jed in LA BANDA J. & S. – CRONACA CRIMINALE DEL FAR WEST (das ist auch schwer zu unterbieten), aber fein ist etwas anderes: da wird hemmungslos reingebissen, gekleckert, Ölsardinen werden mit den Fingern aus der Dose geholt und öltriefend in den Mund gesteckt. Dazu läuft (aus dem tragbaren Radio der beiden) ein Lied von Modugno, in dem hemmungslos schmalzig die Liebe zweier wesentlich jüngerer Personen und deren wunderbare körperliche Vorzüge (schöne Augen, schöne Lippen etc.) besungen wird. Ein Kontrastprogramm der Superlative, der natürlich zum Lachen anregt, aber zumindest für mich war es ein zärtliches Lachen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die beiden etwas älteren Liebenden bloß gestellt werden sollten, sondern der Kontrast zwischen idealisierter Liebe und Alltagsliebe: die Wahrsagerin und der Trompeter haben sich lieb, sind schon lange zusammen und brauchen sich nicht mehr voreinander zu genieren. Das ist irgendwie auch rührend. Beim darauffolgenden Verdauungsschläfchen wird allerdings deutlich, dass in den Träumen des Trompeters für idealisierte Erotik immer noch Platz ist: schöne Strandnixen tauchen plötzlich vor seinen Augen auf und halten am Strand eine verführerische Tanz-Show ab. Da kommt plötzlich ein junger, athletischer Mann auf und nimmt dem Trompeter die Strandschönheiten weg – aber Moment: nein! Ein Jumpcut reicht, um den jungen Mann durch ihn selbst zu ersetzen – doch dann wacht er auf. Aus lauter Wut, dass es nur ein Traum war, isst er seine Trompete auf (sic!). Bei dieser Episode von TUTTO È MUSICA kam mir intuitiv der Begriff "fellinesk" in den Sinn, doch Fellinis erster wirklich "fellinisker" Film war OTTO E MEZZO aus dem gleichen Jahr. Modugno und seine Co-Autoren konnten also zu dem Zeitpunkt noch nicht besonders viele "fellineske" Filme gesehen haben. Das bekräftigt aber nur weiter, wie eigensinnig und unglaublich TUTTO È MUSICA ist.
Wer denkt, dass TUTTO È MUSICA jetzt allgemein zur fellinesken Komödie wird, hat sich gründlich geirrt. Jetzt geht es nämlich in eine Taverne, wo eine bereits stark betrunkene Männerrunde sexistische Witze zum Besten gibt, die man, je nach Neigung, für nur mäßig witzig oder aber völlig widerwärtig halten kann. Domenico Modugno (wie wir gleich sehen werden: als eigene Figur, nicht als er selbst) sitzt dabei und sieht betrübt aus. Gehen ihm die anderen auf die Nerven? Vielleicht. Die Runde löst sich auf, und Modugnos Trinkerfigur beginnt durch die nächtlichen Gassen Roms zu torkeln und stimmt dabei ein zünftiges Trinkerlied an. Das Lied verwandelt sich nach und nach in ein Liebeslied – bis wir schließlich merken, dass der Trinker hier eine Tote besingt, nämlich seine kürzlich verstorbene Geliebte. Kenner von Modugnos Liedgut (also wahrscheinlich tatsächlich viele zeitgenössische Zuschauer in Italien) werden das wahrscheinlich frühzeitig erkannt haben, aber für die meisten Terza-Visione-Besucher dürfte das ein echter Schock gewesen sein. Der traurige Trinker torkelt weg, und dann erscheint ein eleganter Mann im Frack (wieder Modugno), der ebenfalls durch das nächtliche Rom spazieren geht, im Off von dem Lied "Vecchio frac" begleitet, und sich schließlich (off-screen) in den Tiber stürzt. Sein Hut und sein Frack treiben in der aufgehenden Sonne auf dem Fluss... Nach dem emotionalen Zusammenbruch in der Trinkerepisode schien das wie eine logische Fortführung.
Wer erwartet, dass es jetzt wieder fröhlicher werden müsste, hatte Recht, aber nur für sehr kurze Zeit. In der nächsten Episode ist ein weißes Pferd die Hauptfigur. Es lebt bei einer Pferderennbahn, aber es ist kein Rennpferd, sondern "nur" ein Arbeitstier zum Transportieren von Gerätschaften. Das passt dem Pferd keinesfalls und deshalb bricht er eines Morgens aus, um sich mit einem echten Rennpferd einen Wettkampf zu liefern. Wer das für banal hält, hat den Film natürlich nicht gesehen: wieder in Verbindung mit einem Lied von Modugno inszeniert TUTTO È MUSICA dieses Wettrennen als ganz großes Moment der Befreiung, als Emanzipation eines "Underdogs" (eines "Underhorses" sozusagen) von seiner festgelegten Rolle. Doch das dauert nicht lange, denn als ihm Hürden aufgestellt werden, um ihn zu stoppen, verletzt sich das Tier. Der Besitzer will ihn, sehr schweren Herzens, an einen Schlachthof verkaufen, doch ein Käufer schaltet sich dazwischen, bietet einen (scheinbar) extrem guten Preis an und verspricht, das Pferd nicht schlachten zu lassen. Stattdessen führt er nach dem Kauf das Pferd weg – und verkauft es kurz darauf für das Doppelte des Preises. Der scheinbar gutmütige Pferdeliebhaber war also "nur" ein Geschäftsmann, und man könnte das Tier durchaus als kapitalistisch Ausgebeuteten, als Wesen, das schamlos verdinglicht wird. Was darauf folgt, lässt einen dann allerdings bereuen, dass das Pferd nicht "rasch" zum Schlachthof geführt wurde. Denn der neue Käufer bringt es zu einer Mine, und dort dient unser unglücklicher Held als "blindes Minenpferd": mit zugebundenen Augen muss es tagaus, tagein schwere Lasten durch die Bergschächte ziehen, während Modugno das ganze mit einer herzzerreissenden Ballade begleitet. Nach Jahren Arbeit ist das Pferd, wie wir von Modugnos Gesang erfahren, komplett erblindet, und auch ansonsten gesundheitlich komplett ruiniert. Blind und hinkend kann es draußen einen letzten Galopp auf dem Feld machen, bevor es von einem Minenarbeiter mit einem Kopfschuss getötet wird.
Herzzerreissender wurde es beim diesjährigen Terza Visione höchstens noch am nächsten Tag beim "lacrima movie" L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA. Die Pferde-Episode von TUTTO È MUSICA ist tatsächlich ein knallhartes Melodrama und nimmt keine Gefangenen. Bemerkenswert erscheint mir, dass während der ganzen Episode, soweit ich mich erinnern kann, kein einziges Mal ein menschliches Gesicht zu sehen war: wir sehen immer nur die Beine, oder Rückenansichten, oder verdunkelte Gesichter in der Mine. Dadurch wird natürlich die Identifikation mit dem Pferd gesteigert, die Hilflosigkeit seiner Situation, in der er von feindlichen Figuren umgeben ist, noch verstärkt. Wird hier die Mechanik von Kapitalismus vielleicht noch verdeutlicht: das Opfer ist ein Individuum, der Täter ist ein (gesichtsloses) System?
Die nachfolgende Episode "verdoppelt" auf gewisse Weise die Pferde-Episode. Sie fängt an als etwas, das wie später Neorealismus aussieht, etwas, das aus Viscontis LA TERRA TREMA und Rossellinis STROMBOLI bekannt ist: in einer etwas archaischen Küstengegend brechen einige Fischer zu ihrem Tageswerk auf. Das ist auch ganz in der neorealistischen Tradition semidokumentarisch gefilmt, ganz offensichtlich handelt es sich nicht um Schauspieler, sondern um echte Fischer. Und es sind echte Apulier. Die 35mm-Kopie des Films aus der Cineteca Nazionale hatte keine festen Untertitel, es mussten welche extra für das Festival angefertigt werden. Trotz der Unterstützung durch italienische Muttersprachler das meiste von dem, was die Fischer auf ihrem Boot einander zuschrieen, nicht übersetzt werden – eine Nutzung von Dialekt, neorealistischer als die Neorealisten. Im Unterschied zu den neorealistischen Fischerszenen kommen hier keine Netze, sondern Harpunen zum Einsatz: das Ziel ist der Schwertfisch. Auf dem Meer wechselt der Film seine Perspektive. Modugnos begleitendes Lied handelt von zwei verliebten Schwertfischen, deren Liebe gewaltsam auseinandergerissen wird, als einer der beiden von Fischern getötet wird, worauf der andere sich umbringt, indem es sich an den Strand spülen lässt. Während Modugno singt, jagen also die Fischer den Schwertfisch und erlegen es. Nachdem sie wieder ans Ufer zurückgekehrt sind, geht das Lied zu Ende und der andere Schwertfisch wird angespült. Während man bei der Pferde-Episode am Ende deutlich sehen konnte, dass das eben erschossene Pferd atmete, also lebte (was der emotionalen Wirkung freilich keinen Abbruch tat), wird hier tatsächlich on screen ein Tier getötet, über ein Jahrzehnt, bevor das in italienischen Kannibalenfilmen zu sehen war. Das ist höchst unerfreulich und unangenehm anzusehen. Es gilt aber gewissermaßen die Regel: je größer und individueller das Tier, umso unangenehmer ist eine Jagd anzusehen (100 kleinere Fische im Netz bei Visconti oder Rossellini waren natürlich auch getötete Tiere). Innerhalb der Filmwelt von TUTTO È MUSICA ist die Episode genau so angelegt wie die Geschichte mit dem Pferd: mit dem Lied Modugnos reflektiert der Film ganz genau, was hier eigentlich passiert und stellt sich emotional auf die Seite des gejagten Fisches (wobei hier die Fischer trotzdem nicht als Bösewichte dargestellt werden, sondern eben als einfache Arbeiter, die ihre Arbeit tun). Einige Zuschauer sahen in dieser Episode einen frühen Mondo-Film innerhalb des Films, aber da ich mich mit diesem Genre so gut wie gar nicht auskenne (abgesehen von meiner Begegnung mit SVEZIA INFERNO E PARADISO letztes Jahr), kann ich dazu nichts weiter sagen.
Um fischähnliche Wesen geht es am Rande in der nächsten Episode, die einige Zuschauer sehr gefürchtet haben, weil hier das berühmt-berüchtigte Komikerduo Franco & Ciccio auftrat. Die ersten Bilder scheinen harmlos. Wir befinden uns wieder an einer Küste. Ciccio erwacht in seinem Zelt, steht auf, und beginnt sich auf einem Camping-Gaskocher ein Ei zu braten. Ein Hund fängt an zu bellen. Schnitt auf eine naheliegende Hundehütte. Aus der Hütte kommt nicht ein Hund gekrochen, sondern Franco – angekettet mit Hundehalsband, bellt er weiter und benimmt sich wie ein Hund. Ciccio schreit ihn an und plötzlich wird deutlich, dass Franco nicht etwa ein Hund im Menschenkörper ist, sondern Ciccios Sklave. Nach avantgardistischen Städtemontagen, einem musikalischen Menschenflug durch Rom, verzweifelten Selbstmorden, surrealistischen Situationen, brutal getöteten Pferden und Fischen sollte es natürlich nicht mehr überraschen, in diesem Film, der eigentlich ein populärer Schlagerfilm von 1963 sein "soll", auch noch ein sadomasochistisches Szenario zu sehen – zumal zwischen zwei Männern (oder nicht ganz? Aber dazu gleich mehr!). Sklavenähnlich angekettete und unterworfene Menschen im italienischen Kino dürften viele mit Pasolinis SALÒ O LE 120 GIORNATE DI SODOMA in Verbindung setzen (natürlich ist der Kontext dort ein komplett anderer): das war allerdings 12 Jahre später und von einem Filmemacher inszeniert, der nicht als populärer Schlagersänger, sondern als furchtloser intellektueller Provokateur bekannt war.
Jedenfalls: in vielen Auftritten agierten Franco und Ciccio als gleichberechtigte Figuren, hier ist klar, welcher der beiden der dominante ist. Ab und zu lässt Ciccio seinen Sklaven Franco auch von der Kette, zum Beispiel, wenn es darum geht, alten Schrott als seltene etruskische Antiquitäten an deutsche Touristen zu verkaufen. Das sind natürlich Wanderer: sie singen ein fetziges Lied, das in Deutschland 25 Jahre früher bestimmt gut zum Ambiente gepasst hätte, marschieren stolzen Schrittes, wie sie es 22 Jahre vorher getan hätten, und der Anführer der Gruppe ist ganz in Schwarz gekleidet und erinnert nicht von ungefähr an Mitglieder einer gewissen deutschen paramilitärischen Organisation der Vergangenheit. Trotzdem: ein ideales Opfer für die Händel von Ciccio und Franco. Franco, dessen Figur in diesem Auftritt mit besonders wenig Intelligenz ausgestattet ist, stellt sich bei einem Geschäft mit einem deutschen Touristen ziemlich blöd an und verliert dabei einen Teil des Haushaltsgelds der beiden. Währenddessen erklärt der Anführer der deutschen Gruppe seinen Wanderern die Geschichte einer Sirene, die Männer durch ihren Gesang dazu bringt, sich die Küstenklippen runterzustürzen. Ciccio stellt sich dazu, korrigiert einige Details, und versucht dann erfolglos, dem Mann eine "antike etrsukische Vase" zu verkaufen, was ihm nicht gelingt. Nächtens wird der deutsche Touristenführer von einer Sirenenstimme geweckt, er geht zum Strand und erblickt dort eine Sirene – doch im letzten Moment hält ihn Ciccio zurück mit der Warnung, dass es nur eine Illusion sei. Der Deutsche ist erschüttert, will die Sirene unbedingt wieder sehen, und zwar um jeden Preis. Das wiederum passt Ciccio ganz gut in den Kram, der 50.000 Lire, davon einen Vorschuss von 20.000 verlangt ("Warum diese 20.000?" – "Das ist eine Vorschrift!" – "Ah, gut."). Nach Konsultation einer Wahrsagerin kann es wieder los gehen. Nachts ruft die Sirene, aber als der Deutsche zu ihr rudert, erblickt er... Franco, der als Sirene gekleidet ist. Der Deutsche ist empört, nimmt aber Franco trotzdem mit, um ihn zur Polizei zu bringen – so sagt er zumindest. Schnitt. Später, am helllichten Tag (wie viel später, ist unklar), sammelt Ciccio Muscheln am Strand, als er Sirenenstimmen hinter einer Düne hört. Dort angekommen, erblickt er Franco, wieder als Sirene, der im Gegensatz zu vorher mit einer echten Frauenstimme singt, und neben ihm (oder ihr?) liegen drei kleine Sirenenkinder im Sand. Was als hartes Sadomaso-Beziehungsdrama anfing, hat sich durch ein bisschen Slapstick durchgearbeitet und endet schließlich, mit einem überraschenden kleinen Gender-Switch, im Bereich der Fantasy – oder des völlig Absurden, je nach dem, wie man es sehen möchte. Was hat das eigentlich noch mit dem Rest des Films zu tun? Na ja, Domenico hat es doch am Anfang des Films schon erklärt: tutto è musica! Der entfesselte Wahnsinn von TUTTO È MUSICA sollte hier tatsächlich seinen Gipfelpunkt finden. Hier gibt es die Episode in drei Teilen (erster, zweiter, dritter) zu sehen, ohne Untertitel, aber auch ohne sie "versteht" man bestimmt da eine oder andere.


Mehrmals wurde bei Einführungen dazu ermutigt, das italienische (Genre)kino durchaus auch als sehr engmaschige und komplizierte Geschichte personeller Verflechtungen zu sehen. TUTTO È MUSICA war tatsächlich nicht die erste Zusammenarbeit zwischen Franco & Ciccio und Domenico Modugno. Der Schlagersänger spielte auch in anderen Filmen der Zeit als Darsteller mit und traf auf Franco Franchi und Ciccio Ingrassia schon 1960 in der Komödie APPUNTAMENTO A ISCHIA von Mario Mattoli (einer der ersten Kino-Auftritte der beiden Komiker), später in L'ONORATA SOCIETÀ von Riccardo Pazzaglia und in Vittorio De Sicas All-Star-Film IL GIUDIZIO UNIVERSALE (womit retrospektiv wieder eine personelle Querverbindung zum Neorealismus da wäre), bevor er sie als Autor und Regisseur in seinem eigenen Film begrüsste. 1968 trafen Franco, Ciccio und Domenico wieder aufeinander im Episodenfilm CAPRICCIO ALL'ITALIANA, in der Episode "Che cosa sono le nuvole?", die von Pier Paolo Pasolini geschrieben und inszeniert wurde.
Aber zurück zu TUTTO È MUSICA. Die folgende Episode demonstriert nicht nur, was für ein toller Schauspieler Domenico Modugno eigentlich war, sondern hat auch eine formelle Besonderheit: alle Darsteller sprechen in einem apulischen Dialekt (das wohl zur Sprachfamilie des Neapolitanischen gehört). Ich verstehe ein wenig Italienisch, vorausgesetzt, es wird deutlich artikuliert und "hochitalienisch" ausgesprochen, aber was in der Knastepisode von TUTTO È MUSICA gesprochen wird, hätte ich kontextlos nicht als "Italienisch" erkannt, und ich habe die Vermutung, dass norditalienische Kinozuschauer, zum Beispiel in Mailand, einige Mühe gehabt haben dürften, diese Episode zu verstehen. Das ist keine Nebenfigur, die für eine Minute mal mit süditalienischem Einschlag spricht (wie der eine Portier in Bavas LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO), sondern eine komplette Episode. Möglicherweise eine spezielle "Insider-Episode" für eine spezifische Sprachgruppe der Zuschauerschaft? Diese Episode war für die Erstellung der Untertitel wohl jedenfalls wieder eine große Herausforderung, die dann relativ lückenlos gemeistert wurde.
Jedenfalls die Knastepisode: in einem apulischen Gefängnis im 19. Jahrhundert treffen sich zwei Männer, die sich bereits "draußen" kannten. Ich weiß nicht mehr im Detail, wie die einzelnen Schritte eskalieren, aber schlussendlich bringt der eine den anderen um, weil dieser der Liebhaber seiner Frau war – oder so ähnlich. Großes Kino ist hier vor allem, dass beide Männer von Domenico Modugno gespielt werden und vermutlich wäre ich nicht der einzige im Saal gewesen, dem das vielleicht entgangen wäre, wenn das in der Einführung nicht explizit erwähnt worden wäre. Sicher, Schminke, Licht und die Tatsache, dass beide Männer selten gemeinsam im Bild zu sehen sind... aber trotzdem. Davon abgesehen ist die Episode wunderschön und sehr atmosphärisch fotografiert, in einer relativ geräumigen, aber doch zappendusteren Gefängniszelle. Eine kurze, schnelle und sehr intensive Rachegeschichte, die schließlich mit vergossenem Blut endet.
In der letzten Episode wird es schließlich noch mal sehr gefühlvoll. Wir befinden uns auf einem abgelegenen Landgut, die britische Touristen (Papa, Mama und ein kleiner Sohn) als Urlaubshaus genutzt haben. Jetzt wird noch der letzte Tee im Garten getrunken, und die beiden Erwachsenen nehmen von dem Hausmeister des Guts Abschied. Den kleinen, etwa zehnjährigen Sohn, interessiert das nicht, denn er will die etwa gleichalterige junge Tochter des Hausmeisters wieder sehen – nur noch ein letztes Mal. Und so reisst er aus, sucht das junge Mädchen, das er auch im Haus findet. Es dürfte in diesem Moment bereits angefangen haben zu regnen, und beide rennen zu einer geschützten Stelle im Park, wo sie sich küssen, sich ihre Liebe gestehen und er ihr verspricht, dass er eines Tages zurückkehren wird. Schließlich muss er zu seinen Eltern zurück, steigt in das Auto, das losfährt. Das junge Mädchen rennt im strömenden Regen hinterher, während er durch das Rückfenster winkt. Es ist herrlich, es ist fast zu viel des Guten. Ein guter künstlicher Regen (und der hier ist künstlich) ist immer extrem fotogen. Verliebte Leute, die durch den Regen rennen, sind natürlich noch fotogener. Wenn noch Modugno im Hintergrund lautstark "Piove" anstimmt, und es auch noch um Kinder geht, dessen trauriges Schicksal es ist, noch nicht über ihr eigenes Leben bestimmen zu dürfen, dann fügt sich das zu ganz großen Gefühlen zusammen. Nach einer wilden, aufrüttelnden, schockierenden, urkomischen, deprimierenden, brettharten, absurden und euphorischen Kino-Achterbahn der Gefühle entlässt TUTTO È MUSICA die Zuschauer nun mit einer bittersüßen Note in die Nacht...

Knapp eine Stunde Pause bis zum nächsten Film – gerade genug, um das alles ein klein bisschen verdauen zu können.

Wer die Einführung zu dem Film von Christoph Draxtra und Roberto Curti hören möchte, kann das wieder in dem Podcast zum Festival vom Bahnhofskino machen, zu hören ab Minute 10:50 (das dauert etwa eine Viertelstunde).


23.00 Uhr

LIBERI ARMATI PERICOLOSI ("Bewaffnet und gefährlich")
Regie: Romolo Guerrieri
Italien 1976
97 Minuten
Die junge Lea (Eleonora Giorgi) warnt den Kommissar (Tomás Milián), dass ihr Freund Luis (Max Delys), Joe (Benjamin Lev) und Mario aka "der Blonde" (Stefano Patrizi) einen Überfall auf eine Tankstelle planen. Dort hinterlassen die drei jungen Männer ein Blutbad. In einer ständig fortschreitenden Eskalationsschraube zieht die Bande in Mailand, den Vorstädten und dem umgebenden Land eine Blutspur.


Junge Menschen auf der Flucht, verfolgt von einem eigentlich verständnisvollen Polizisten, der leider nichts anderes tun kann, als seine Arbeit zu erledigen: das gab es heute auch in IL SOLE NELLA PELLE und insofern schloss LIBERI ARMATI PERICOLOSI für diesen Tag einen Kreis. Doch statt zärtlicher Liebe gab es blinde Zerstörungswut und entfesselte Mordlust.
LIBERI ARMATI PERICOLOSI ist ein tieftrauriger, deprimierender, fatalistischer und bedrückender Film geworden, ein echter Herunterzieher (das Titellied, das während des Films leitmotivisch in instrumentalen Varianten wiederholt wird, trägt viel zur Melancholie bei – eine Version hier). Der Juvenile Delinquent wurde in den 1950er Jahren, etwa mit James Dean, zum glamourösen Sexsymbol, doch gab es bei aller Rebellion auch immer den Notausgang einer Rückkehr in die Gesellschaft (siehe gerade das Ende von REBEL WITHOUT A CAUSE). 20 Jahre, eine gescheiterte 68er-Bewegung und (in Europa) ein Dutzend terroristischer Anschläge später ist von dem Glamour nicht mehr viel übrig geblieben, kein Notausgang mehr, nur Zerstörungswut und Gewalt in einer unaufhaltsamen Eskalationslogik.
Das Trio aus Mario, Joe und Luis, alle Söhne gutbürgerlicher, wohlhabender Familien, hat eine sehr klare Rollenverteilung, die sich im Laufe des Films nicht wirklich ändert. Joe ist sicherlich der lauteste und aufbrausendste der drei: die Lust an Zerstörung und Mord steht ihm geradezu ins Gesicht geschrieben, er hat sichtlich große Freude daran, in der Gegend herum zu ballern und ständig hat er einen dummen Spruch auf den Lippen und vergleicht das Trio und ihre Situationen mit diversen Filmen (von PER UN PUGNO DI DOLLARI bis THE GREAT ESCAPE). Doch schnell wird deutlich, dass er die Psyche eines nicht besonders gut entwickelten Fünfjährigen hat und sich überhaupt wie ein großes Kind benimmt. Der äußerlich meist ruhige, fast etwas melancholische Professorensohn Mario mit seinem fast schon engelhaften Gesicht ist der eigentliche Urheber der Eskalation, der zentrale Gewalttäter der Bande: er erschießt zunächst kaltblütig den Tankwart und läutet damit die Eskalation der ganzen Geschichte ein. Im weiteren Verlauf des Films wird er ein über ein halbes Dutzend weiterer Menschen, manchmal in Gefechten, oft aber auch völlig ohne Not kaltblütig ermorden. Joe redet ständig erregt davon, Leute zu erschießen – Mario schweigt und schießt, sichtlich ohne Freude, ohne einen Kick davon zu bekommen. Das ist vielleicht sogar noch erschreckender als wenn er offensichtlich sadistisch wäre: es ist für ihn so banal wie freudlos, und genau so werden seine Morde inszeniert.
Luis ist der passive Dritte im Bunde. Bis zum Ende tötet er niemanden, sondern bleibt, meist hinter dem Autolenkrad, schweigender Zeuge von Marios und Joes Massakern. Doch ohne ihn würde nichts gehen. Mehr als Joes Dauerfeuer an Sprüchen ist es Luis' Passivität, die Mario ermöglicht, immer weiter zu machen. Nach dem Überfall auf die Tankstelle will Mario eine Bank überfallen (wo er dann einen weiteren Menschen tötet), und kurz vorher bietet er Luis an, aus der Sache auszusteigen und einfach wegzufahren. Als Mario und Joe nach dem mörderischen Banküberfall zurückkehren, sitzt Luis immer noch hinter dem Lenkrad und fährt sie dann auch willig weg.
Der Fluchtfahrer ist ja spätestens seit den 1970er Jahren zu einem eigenen Sub-Typus des Actionhelden geworden: Walter Hill hat ihm in THE DRIVER einen eigenen Film gegeben (später Nicolas Winding Refn in DRIVE), mit THE TRANSPORTER hat er gar ein eigenes Franchise bekommen. Eine fast mythologisch überhöhte Figur, die gleichzeitig "innen" und "draußen" ist, involviert in Verbrechen ohne daran direkt teilzunehmen, ein Outlaw mit eigenem Ehrencodex, gewißermaßen ein mit Sünden beladener Engel (zumindest scheinbar ein Wesen aus dem Jenseits). Luis in LIBERI ARMATI PERICOLOSI kann extrem gut Auto fahren und ist daher der ideale Fluchtfahrer. In einer wilden Verfolgungsjagd mit zwei Polizeiautos (dem einzigen etwas leichteren Moment im ganzen Film) geht er voll und ganz in seinem Element auf – und genau in diesem Moment erhält er von Mario einen bewundernden, anerkennenden Blick, der besagt "Bravo. Du gehörst zu uns!". Luis' Freundin, Lea, die an dieser Stelle mit im Auto sitzt, dürfte dieser Blick nicht entgangen sein.
LIBERI ARMATI PERICOLOSI beginnt damit, dass Lea das Trio an den Polizeikommissar (Tomás Milián) verrät, ihm den Plan des Überfalls auf die Tankstelle darlegt – ihm aber gleichwohl zusteckt, dass die Bande nur zwei Spielzeugpistolen aus Plastik hat (ob sie lügt oder nicht, bleibt dem Zuschauer selbst überlassen). Weniger als um Mario und Joe geht es ihr natürlich darum, Luis zu "retten". In der zweiten Hälfte des Films wird Lea von der Bande auf Drängen Marios mehr oder weniger entführt. Zunächst versucht sie noch Luis "auf den richtigen Weg" zurück zu bringen, scheitert aber daran. LIBERI ARMATI PERICOLOSI ist auch deshalb so deprimierend, weil er am Rande auch ein Film über eine junge Liebe ist, die ob der unvereinbaren Charaktere der Liebenden zerbricht. Nach einem besonders bestialischen Mord Marios verfällt sie in schreiende Hysterie, während Luis ungerührt bereits zum nächsten Auto läuft, um es zu startklar zu machen. Als Mario einen fliehenden Autobesitzer in den Rücken schießen will, hält sie ihn davon ab, während Luis passiv zuschaut. Nur als Mario Lea befiehlt, sich auszuziehen und sich als Ablenkungsmanöver unter den Blicken eines Polizeihubschraubers auf offenem Feld küssend und fummelnd auf sie legt, zeigt Luis echte Betroffenheit. Er wollte sie aus der ganzen Sache raushalten. Um ihre "Unschuld" macht er sich mehr Sorgen als um die Menschen, die Mario tötet. Hier löst sie sich auch langsam von ihm und macht dann später auch mit ihm "Schluss": Er sei der kränkste der drei.
Zu keinem Moment gibt es eine schlüssige Erklärung dafür, warum die drei jungen Männer auf Mordtour gehen, und zweifellos gehört das zu den Stärken des Films (und dürfte dafür sorgen, dass er in Deutschland auch in den nächsten Jahrzehnten nicht vom Index runterkommt – aber in letzter Zeit geschehen ja Wunder). Die Gewalt bricht motivationslos und "überfordernd" auf den Zuschauer ein. Klar, da ist natürlich das männerbündische Element, das Eskalationen fördert, aber als alleinige Erklärung reicht das nicht aus. An einer Stelle sagt ein befreundeter junger Mann zu Mario, dass diejenigen, die keinen hoch bekommen, gerne Befehle geben und tatsächlich scheint Marios Frustration darüber, dass Luis eine nette, schöne Freundin (und eben Bettgenossin) wie Lea hat, und er offenbar nicht, geradezu greifbar zu sein. Aber auch das kann keine alleinige Erklärung sein. In einer relativ langen Dialogszene hält der Kommissar den versammelten Eltern der drei Gewalttäter eine Art "Moralpredigt", in denen er ihnen vorwirft, nicht genug mit ihren Kindern geredet bzw. ihnen nicht zugehört zu haben. Geld verdienen – oder sich um die Kinder kümmern: da könne man nicht beides tun, antwortet einer der Väter und wirft dem Kommissar gleich noch vor, weltfremd zu sein. Wer so denkt, sollte wahrscheinlich wirklich besser nicht mit Kindern reden (oder überhaupt welche haben). Insofern hat der Kommissar da sowohl recht wie auch unrecht. Mehr als eine "Moralpredigt" bricht in diesem Moment vielleicht die Frustration des Kommissars heraus, dass er nur Symptome gegebenenfalls mit Gewalt beseitigen kann. Fast wünscht man sich, dass der Kommissar seinen Beruf in einer besseren Welt ausüben könnte, oder vielleicht besser Sozialarbeiter geworden wäre. (Diese Szene trägt meiner Meinung nach deutlich die Handschrift des Drehbuchautors Fernando Di Leo: in seinem selbstgeschriebenen MILANO CALIBRO 9 gibt es einen ähnlichen Schlagaustausch über die Ursachen von Verbrechen zwischen dem quasifaschistischen Law-and-Order-Kommissar Frank Wolff und seinem Untergebenen Luigi Pistilli, der soziale Ungleichheit, kapitalistische Ausbeutung und Rassismus als Ursachen von Verbrechen ansieht).
Miliáns Rolle als Kommissar ist sehr bodenständig. Er war gerade in einer Phase, in der er gerne mit Perücken, wilden Hüten, Verkleidungen in extravaganten Rollen spielte und musste von Regisseur Romolo Guerrieri mit viel schmeichelnden Worten zur Rolle des namenlosen Kommissars überzeugt werden. Milián gab es bei diesem Terza Visione auch in einer sehr extremen Rolle (in LA BANDA J. & S. – CRONACA CRIMINALE DEL FAR WEST) zu sehen, aber in LIBERI ARMATI PERICOLOSI kann man ihn ebenfalls nur bewundern. So unscheinbar seine Rolle auch sein mag: es ist bemerkenswert, wie viel Melancholie und Fassungslosigkeit Milián nur mit seinen Augen ausdrücken kann...
Ganz und gar nicht unscheinbar ist Stefano Patrizi als Mario "il biondo". Ohne ihn könnte ich mir diesen Film gar nicht vorstellen. Mit seinem engelhaften Äußeren, das zwischen den brutalen Gewaltausbrüchen immer Ruhe, sanfte Melancholie und sogar etwas Trauriges ausstrahlt, reißt er den ganzen Film an sich. Manchmal scheint es so klar auf der Hand zu liegen, dass er in einer anderen Welt ein netter Mensch sein könnte. Die eliminatorische Zerstörungswut, die immer wieder eruptiv aus ihm ausbricht, bleibt bis zum Ende sein Geheimnis. Am Ende richten sich die zwei übrig gebliebenen Verbrecher selbst, und der Polizist kann nur noch fassungslos und traurig vor sich hin blicken.


Der Film wurde sehr fachkundig und gewitzt von Christoph Huber eingeführt. Zu hören wieder im Podcast von Bahnhofskino, ab Minute 26:20.


Sonntag, 29. Juli

13.00 Uhr

LE MASSAGGIATRICI ("Mit Damenbedienung")
Regie: Lucio Fulci
Italien / Frankreich 1962
85 Minuten (Deutsche Fassung)
Die Mailänder Bauherren Parodi (Ernesto Calindri) und Manzini (Luigi Pavese) fahren nach Rom, um dort den Auftrag zum Bau eines Wohnheims zum Schutze der Jugend zu ergattern, der von einer christdemokratischen Sittenwächter-Organisation ausgeschrieben wird. Mit deren Präsidenten Paolini (Louis Seigner) und Sekretär Bellini (Philippe Noiret) werden Betragshöhen und "Prozente" verhandelt. Zur Zerstreuung wollen Parodi und Paolini gleichermaßen "Masseurinnen" besuchen. Die in Parodis Hotelzimmer verirrte "Masseurin" Marisa (Sylva Koscina) wird von Bellini entdeckt und muss fortan die "Ehefrau" des Bauherren spielen, die zufällig Haupteigentümerin des Bauunternehmens ist. Sittenwächter Paolini ahnt gar nicht, dass Parodis äußerst hübsche "Ehefrau" die "Masseurin" ist, die er die ganze Zeit erfolglos zu erreichen versucht. Richtig würzig wird die ganze Situation, als Parodis echte Ehefrau spontan in Rom auftaucht...


Lucio Fulci ist fast schon der heilige Schutzpatron des Terza-Visione-Festivals: mit jeweils einem Film war er bislang als einziger Regisseur bei allen fünf Ausgaben immer vertreten. Trotzdem war LE MASSAGGIATRICI für viele Zuschauer die vielleicht größte und schönste Überraschung beim diesjährigen Terza Visione. Udo Rotenberg vom Filmblog "L'amore in città" erklärte auf gewisse Weise in seiner Einführung vorab, woran das wohl lag: der Western LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU... IL TEMPO DI MASSACRO ("Django – Sein Gesangbuch war der Colt") von 1966 gilt im cinephilen Bewusstsein gemeinhin als "erster" "echter" Fulci-Film – war aber tatsächlich schon sein 17. Film als Regisseur. Die Filme, die er vorher gedreht hatte, waren größtenteils Komödien, die in der Tradition der populären italienischen Filmkomödie der 1950er Jahre standen (über diese sprach Udo sehr kenntnisreich und ausführlich), eng verbunden unter anderem mit dem Namen Totò. Der vielen als "Godfather of Gore" geläufige Filmemacher begann seine Kinokarriere in den 1950er Jahren als Autor und Regieassistent bei mehreren Komödien mit Totò. In seinem ersten abendfüllenden Film als Regisseur, I LADRI von 1959, spielte der berühmte Komiker auch die Hauptrolle. Bis zu seinem sogenannten "ersten" Film 1966 drehte Fulci weitere Komödien sowie Schlagerfilme, mit unter anderem Adriano Celentano sowie oft dem berüchtigten Komiker-Duo Franco & Ciccio in den Hauptrollen. Mit der Frühphase von Fulcis Regiewerk könnte man einen kompletten viertätigen Ableger des Terza Visione gut füllen.
LE MASSAGGIATRICI ist Fulcis sechster Film. Ein früher Film, vielleicht nur eine "Fingerübung" oder nur "routiniertes Handwerk", das möglicherweise nur als filmhistorischer Einblick interessant ist – so oder ähnlich haben einige von uns vielleicht gedacht und die Erwartungen nicht zu hoch veranschlagt. Denkst du! Zu sehen war eine wunderbare, herrlich witzige, teils erstaunlich gewagte Komödie mit einem perfektem Timing, viel Tempo, großartigen Einfällen und liebenswürdigen Charakteren, von A bis Z mit großem Schwung inszeniert. Ein kleines Meisterwerk. "Ein Trivialfilm-Juwel" in der Tat, wie es das Programmheft ankündigte.
Am Rande des Trottoirs auf und ab zu gehen... das war gestern! Die modernen "Masseurinnen" gabeln lieber ihre Kunden mit einem eigenen Auto auf, so zum Beispiel Milena (Valeria Fabrizzi) und Iris (Cristina Gaioni – die uns bei diesem Festival schon als Marietta in NELLA CITTÀ L'INFERNO begegnete). Durch Iris' große Naivität wird ihnen allerdings das Auto von zwei Kunden geklaut, und deshalb kaufen sich die zwei mit Marisa (Sylva Koscina) lieber eine Wohnung und betreiben dort ihr Studio für "Massagen und ästhetische Therapien".
LE MASSAGGIATRICI ist ein Film, der die Synonyme, die benutzt werden, um Unschönes oder gesellschaftlich Verstoßenes zu kaschieren, bis zum Extremen ausspielt – bis die Lachmuskeln krachen! Das eine denken – und nach dem anderen greifen. Das eine "A" nennen – und dabei B meinen. Alles ist Verwechslung in diesem Film, und jede Verwechslung führt gnadenlos zu großen Lachsalven und der nächsten verwechslungsanfälligen Situation. Das fängt mit Parodis Termin bei den "Masseurinnen" an: die Adresse, zu der er gefahren ist, ist richtig. Doch leider hat er sich auf der Etage in der Tür geirrt und landet bei einer... Masseurin, die ihren Ehemann, einen etwas weltfremden, Klassiker-zitierenden Linguistik-Professor (wunderbar: Nino Taranto) die Türe öffnen lässt. Parodi, der von diesem männlichen Empfang ganz verwundert ist, lässt sich auch von den weiteren Ausführungen des Professors nicht wirklich beruhigen: ja, spezielle Massagen, da sei der Herr richtig; nein, er sei nicht der Portier, sondern der Ehemann; ja, seine Frau arbeite mit seiner vollsten Zustimmung, er habe sie sogar ermutigt, und wenn er eine Tochter hätte, würde er ihr zu dem gleichen Beruf ermuntern; sei ja eine tolle Arbeit: zuhause, nicht zu ermüdend, ganz gutes Geld. Der Kunde, der vor Parodi da war, erscheint schließlich gehbereit, und der Bauunternehmer macht große Augen, als er einen Bischof erblickt, der gerade die oberen Knöpfe seiner Soutane zuknöpft. Das Behandlungszimmer selbst erstaunt Parodi noch mehr, mit diesem äußerst medizinisch aussehenden Bild eines menschlichen Körpers an der Wand und der schmalen, brettharten Liege, auf der die Behandlung stattfinden soll. Off-screen, während der Professor einen Nachhilfeschüler verabschiedet, kommt es schließlich zum großen Eklat zwischen Parodi und der Masseurin, aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen von "Massage"/Massage. Parodi wird hochkant aus der Wohnung geworfen, und nach einem regen Gespräch zwischen den beiden Ehepartnern geht der Professor schließlich zur anderen Seite des Gangs rüber, um den "Masseurinnen", die das Massage-Geschäft seiner Frau in Verruf bringen, ordentlich mal die Meinung zu geigen. Der geneigte Zuschauer, der sich in dem Moment immer noch vor lauter Lachen den Bauch halten muss, könnte vielleicht verpassen, wie gut LE MASSAGGIATRICI nicht nur geschrieben, sondern auch inszeniert ist. Ein Kommen und Gehen von handelnden Personen, die der nächsten die Klinke in die Hand geben: viele Szenen des Films sind so aufgebaut und fügen sich so oft fast nahtlos in einen stetigen Fluss. Präzise wie ein Uhrwerk, dabei aber ganz und gar nicht mechanisch. Mit einem flotten Tempo, dabei aber nie hektisch.


Der Professor geht also rüber und wird von der liebreizenden Iris empfangen – so liebreizend (sprich: leicht bekleidet), dass er ganz rasch seinen strengen Ton verliert. Für geschäftliche Verhandlungen sei der Advokat zuständig, so Iris, und schickt den Professor in den Salon. Von Akademiker zu Akademiker... da könne man bestimmt vernünftig verhandeln. Doch da steht der Professor nun vor der liebreizenden und sehr leicht bekleideten Milena, die von ihren Kolleginnen "der Advokat" genannt wird, weil sie Jura studiert hat. Dass eine studierte Frau mit Abschluss in einer als männlich geltenden Domäne bessere Karriereaussichten hat, wenn sie als "Masseurin" arbeitet, sagt viel über das Frauenbild der Gesellschaft aus, in der das so ist (der Film bleibt aber auch hier sehr implizit). Tatsächlich kann Milena ihr Studium auch gut als "Masseurin" anwenden, denn als der Professor ihr etwas vage androht, die Autoritäten zu rufen, kann sie ihm genau um die Ohren hauen, nach welchen Paragrafen und Absätzen welcher Gesetze ihre Tätigkeit eben nicht illegal ist (später wird sie einen Polizisten, der ohne Durchsuchungsbefehl das "Massage-Studio" betreten hat, ebenso gnadenlos zusammenfalten). Ende der Diskussion – und es klingelt sowieso (Sittenwächter Paolini steht an der Tür, um sein "Massagetermin" mit Milena wahrzunehmen, die zu diesem Zeitpunkt im Hotelzimmer aber gerade mit Parodis Ehefrau verwechselt wird). Da Milena den Gast empfangen muss, gibt sie Iris die Instruktion, sich in der Zwischenzeit um den Professor zu kümmern. Doch oh weh... da kommt es wieder zu einem Missverständnis! Iris, die sich gut um den Kunden kümmern möchte, schenkt ihm erst mal ein paar Gläser Cognac zur Entspannung ein, und als Milena wieder auftaucht, ist der Professor schon ganz blau – und nun aber tatsächlich in der Laune, sich eine "Massage" geben zu lassen. Doch das macht 30.000 Lire, Barzahlung, keine Ratenzahlung möglich! Da geht der Professor nun torkelnd fort, um seiner Frau, der Masseurin, mitzuteilen, wie unverschämt teuer doch so eine "Massage" sei...


Jetzt, wo ich das so ausführlich geschrieben habe, bewundere ich noch mehr, wie unglaublich gut LE MASSAGGIATRICI geschrieben, gespielt und inszeniert ist. Das eine führt natürlich zum nächsten, alles gleitet leicht vor sich hin, und das ganze ist von herzlichen Lachern gesäumt. Natürlich arbeitet der Film im Grunde auf relativ simple und geradlinige Weise seine Set-Pieces ab: Prolog – kurz in den Hotelzimmern der beiden Bauherren – längere Szene in den beiden Appartements – kurz im Hotel – die Verhandlungen der zwei Bauunternehmer, der "Ehefrau" und der zwei Sittenwächter in deren Büros mit erfolgreichem Vertragsabschluss – anschließend das "überkreuzte" Mittagessen, bei dem Bellini, Parodi und seine "Ehefrau"/Marisa/"Bellinis Ehefrau" sowie Manzini und "seine Ehefrau"/"Parodis Schwester"/Parodis Ehefrau in einem Restaurant essen und beide Gruppen nach einigen Ausweichmanövern Parodis doch zur großen Peinlichkeit des letzteren zusammentreffen – dann wieder im "Massage"-Studio – dann die Manöver, um die Leiche des leider im Kleiderschrank des "Massagezimmers" an Herzinsuffizienz dahingeschiedenen Präsidenten Paolini an zwei Nachtwächtern vorbei wieder an seinen Schreibtisch zu bugsieren...
Vier Drehbuchautoren waren gemäß Credits an LE MASSAGGIATRICI beteiligt. Oreste Biancoli schrieb schon seit den 1930er Jahren Drehbücher für Genrefilme: Melodramen, Komödien, Abenteuerfilme, Peplums. Seine berühmtesten Credits beinhalten eine Beteiligung als Autor an De Sicas LADRI DI BICICLETTE und an Julien Duviviers DON CAMILLO. Italo De Tuddo schrieb in den 1950er Jahren ebenfalls für das populäre Kino und verfasste unter anderem Drehbücher für mehrere Totò-Komödien (bei einer in Zusammenarbeit mit Fulci). Antoinette Pellevant hat gemäß IMDb nur fünf Credits als Autorin. Vittorio Metz ist hingegen wieder berühmter: ein vielseitiger Komödienautor für Theater, Varieté, Fernsehen und Kino, der oft für Alberto Sordi und Totò geschrieben hat. Bei letzterem kreuzten sich schon Mitte der 1950er Jahre die Wege mit Fulci. LE MASSAGGIATRICI war die erste von fünf Regiearbeiten Fulcis, an deren Drehbuch Metz mitschrieb (die IMDb hat ihn bei LE MASSAGGIATRICI allerdings falsch, nämlich als "Vittorio De Tuddo" gelistet, was viele weitere Quellen irrigerweise kopieren – worauf Udo bei einem Gespräch vor dem Film hinwies, sonst hätte ich wohl hier irgendetwas von einem unbekannten "Vittorio De Tuddo" geschrieben, obwohl sein Name in den Credits klar zu lesen ist). Man könnte vielleicht sagen, dass Vittorio Metz für den frühen Fulci der enge Drehbuchmitarbeiter war, der Dardano Sacchetti für seine mittelspäte Phase (1977-1984) war.
Auch die Darsteller sind durch die Bank weg alle großartig. Ernesto Calindri als Parodi, der am Anfang selbstsicher die Zeitung aufschlägt, um die "Börsenberichte" zu lesen (also: die "Massage"-Anzeigen) und später von einer peinlichen Situation zur nächsten vorsichtig, meist mit entglittenen Gesichtszügen lavieren muss. Der große französische Schauspieler Louis Seigner hat eine wunderbare Rolle als doppelzüngiger Moralapostel und sorgt dafür, dass man dem Cipriano Paolini trotz seiner Schwächen doch irgendwie sympathisch gewogen bleibt – Sylva Koscina als Marisa ist nun tatsächlich zum Dahinschmelzen und sorgt immer wieder für Lacher, wie sie sich vor Paolini, Parodi und Bellini ganz und gar nicht wie eine steife Unternehmergattin benimmt, sondern im Restaurant gutgelaunt einfach mal jeden Gang mit extraviel Mayonnaise bestellt. Philippe Noiret (hier noch bevor er richtig berühmt wurde) hielt LE MASSAGGIATRICI für den schlimmsten Film seiner Karriere und beweist, dass man Künstler ihre Werke meistens nicht selbst beurteilen lassen sollte: er ist natürlich ganz großartig als öliger, sich leicht unterwürfig gebender Sekretär, ein waschechter Heuchler (mit päpstlichem Dispens für den mageren Freitag und zugleich der ungezügelten Lust, sich von Marisa zusätzliche "Prozente" in Form einer "Massage" auszahlen zu lassen), mit kleinen tick-artigen Augenzwinkern, wenn er irritiert ist – und der schließlich als ganz geschickter Logistiker mit großer Autorität aufblüht, als es darum geht, die Leiche seines Chefs durch die halbe Stadt zu kutschieren und in sein Büro zurückzubringen. Nino Taranto als exzentrischer Professor habe ich schon erwähnt. Und nicht zuletzt noch die ultimative Salzprise in dieser schmackhaften Suppe: der Gastauftritt von Franco Franchi und Ciccio Ingrassia, die gemeinsam über ein Dutzend Filme Fulcis mit ihrer Präsenz veredelten (langsam aber sicher werde ich zu einem echten Fan der beiden).


LE MASSAGGIATRICI wird Kenner von Fulcis Filmen ab 1969 mit seinem herzlichen, lockeren, lebensbejahenden Ton überraschen: man verlässt den Kinosaal danach wie nach einer schönen Massage oder "Massage" – entspannt, gutgelaunt, fröhlich, mit einem optimistischen Blick auf die Welt und vielen schönen, angenehmen Gedanken. Sicherlich ist der Film auch ein bisschen frivol, ein bisschen gewagt und auch leicht satirisch im Unterton. Da gibt es diesen Moment, als der Präsident Paolini bei der Verhandlung mit Manzini, Parodi und deren "Ehefrau" riesige Augen im Angesicht ihrer schönen Beine macht, danach sehr penetrant darauf drängt, mit ihr als Haupteigentümerin im Privaten zu verhandeln, sie in Zweisamkeit stürmisch hofiert – aber da er abgesehen von einem kleinen Küsschen nicht wirklich zu seinem Ziel kommt, ruft er danach in einem lustvoll angeregten Zustand den "Massagesalon" an, um sich nach dem Verbleib von Marisa zu erkundigen und sofort einen Termin mit ihr klar zu machen. Das ist schon "dezent", aber doch für aufmerksame Zuschauer sehr eindeutig inszeniert. Natürlich gibt es satirische Untertöne gegen selbsternannte moralische Würdenträger, die von sich behaupten, dass sie immer nur an die Jugend denken – und das tatsächlich auf eine andere Weise tun, als sie es sagen. Selbstverständlich geht es, um jetzt ausnahmsweise in einem Satz Klartext zu sprechen, um Prostitution, um den verklemmten und heuchlerischen Umgang damit, um Korruption bei Bauprojekten, um illegale Parteispenden und um die unerträgliche Heuchelei selbsternannter Moralapostel. Aber das drängt sich keineswegs vordergründig auf, noch wird es gar an irgendeiner Stelle gar didaktisch. Diese Elemente schwingen mit und können "mitgenommen" werden. In erster Linie ist und bleibt LE MASSAGGIATRICI eine milde und leichtfüßige Komödie, die gegenüber den einzelnen Figuren recht versöhnlich bleibt und auch keine umfassende Systemkritik formuliert. Der Ton erinnerte mich etwas an LE BELLISSIME GAMBE DI SABRINA von Camillo Mastrocinque (für den Fulci auch einmal als Autor arbeitete) und der dieses Jahr beim Hofbauer-Kongress lief. (Fulcis spätere erotische Komödie bzw. schwarze Politsatire NONOSTANTE LE APPARENZE... E PURCHÈ LA NAZIONE NON LO SAPPIA... ALL'ONOREVOLE PIACCIONO LE DONNE von 1972, allen Slapstick-Einlagen zum Trotz, ist völlig anders im Ton, wird im letzten Drittel gar so grausig, dass einem fassungslos die Kinnlade herunterklappt und endet mit einer niederschmetternd bitteren, fatalistischen Note. Fulcis Erotikkomödie LA PRETORA von 1976 mit Edwige Fenech in einer Doppelrolle ist weniger hart als ALL'ONOREVOLE PIACCIONO LE DONNE, aber dennoch auch sehr fatalistisch in der Darstellung niederträchtiger Intrigen und mit einem zutiefst deprimierenden unhappy happy ending ausgestattet. Beide sind schon ganz andere Kaliber.)
Ich habe letztes Jahr angefangen, Lucio Fulci überhaupt richtig zu entdecken. LE MASSAGGIATRICI hat mir und wahrscheinlich vielen anderen Zuschauern beim Festival nun noch mal eine vollkommen neue Seite seines Schaffens offenbart und meine Bewunderung für den leider oft als Zombie- und Splatter-Opa belächelten Filmemacher noch mal gesteigert. Es gibt noch sehr viel zu entdecken!


16.15 Uhr

IL TERRORE DEI MARI ("Die Abenteuer der Totenkpfpiraten")
Regie: Domenico Paolella
Italien / Frankreich 1961
102 Minuten (Deutsche Fassung)
Venezuela im 17. Jahrhundert: französische Siedler werden auf Kommando des intriganten Polizeichefs massakriert. Zwei überlebende Brüder schwören Rache und werden Piraten.
In seiner einführenden Videobotschaft erklärte der Filmwissenschaftler Dario Stefanoni, dass IL TERRORE DEI MARI zu einer Reihe von Piratenfilmen gehörte, die "unabhängig" von den großen römischen Studios produziert wurden, nachdem der kleine Produzent Fortunato Misiano (?) Dino de Laurentis ein großes Schiff abgekauft hatte und es unter großen Mühen von Rom zum Garda-See hatte transportieren lassen. Auf dem immergleichen Schiff wurde dann am immergleichen Küstenstreifen des Garda-Sees eine ganze Serie von Piratenfilmen gedreht.
Ein bisschen enttäuschend war es dann schon, dass die Einführung Stefanonis das wahrscheinlich spannendste in diesem Filmblock bleiben sollte. So "unabhängig" IL TERRORE DEI MARI auch produziert wurde, so sehr fühlte er sich ein bisschen nach beliebiger Dutzendware an. Der Film ist größtenteils in meinem Gedächtnis verblasst und ich habe nur die vage Erinnerung, mich gepflegt gelangweilt zu haben. Interessant fand ich die Tatsache, dass der Hauptdarsteller, der ältere Bruder, der Held des Films, von einem Schauspieler gespielt wurde, der wie Ende 40 aussah. Tatsächlich war der Amerikaner Don Megowan zur Premiere des Films gerade mal 38 Jahre alt, aber trotzdem sprühte er nicht einen Hauch von Charisma oder Charme aus, den diese Rolle eigentlich hätte verlangen müssen (ich denke hier zum Beispiel an Brett Halsey als Cellini in IL MAGNIFICO AVVENTURIERO letztes Jahr).
Der Darsteller des jüngeren Bruders hätte wohl besser in diese Rolle gepasst: seine Figur drohte während des Films, zum Verräter zu werden. Mir schien das merkwürdig forciert – und dann doch relativ inkonsequent, weil das, wenn ich mich richtig erinnere, dann für eine gute Zeit wieder völlig ignoriert wurde. Ehrlich gesagt weiß ich überhaupt nicht mehr, ob der kleine Bruder den großen Bruder wirklich verrät oder doch nicht, weil mir das dann doch nicht interessant genug erschien. Stattdessen wurde wahnsinnig viel expositorischer Aufwand betrieben, um ein paar Komparsen dazu zu bringen, sich an einem Strand etwas zu kabbeln – was wiederum eher behäbig aussah.
Ich möchte aber jetzt nicht groß rumnörgeln und einfach nur bei dem Bild bleiben, den ich im Gedächtnis behalten habe. Beim Endkampf zwischen dem älteren Bruder und (ich glaube) dem Polizeichef geraten die beiden Kämpfer außerhalb des Sichtfelds, werden von einer Reihe Fässer oder etwas ähnlichem verdeckt. Die Kamera verharrt dann still, während wir den Kampf nur noch erahnen können. Plötzlich schießt die Hand des Unterlegenen in einem Sterbekrampf hoch und sinkt dann langsam wieder nieder...

Abendessen. Voller Verwunderung musste ich feststellen, dass es in Frankfurter Gaststätten offenbar ganz normal sein kann, kein Bier auf der Karte zu haben – sondern nur Apfelwein...


20.00 Uhr

L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA ("Der letzte Schnee des Frühlings")
Regie: Raimondo Del Balzo
Italien 1973
94 Minuten
Der Witwer Roberto (Bekim Fehmiu) ist als Anwalt äußerst erfolgreich, scheitert aber als alleinerziehender Vater kläglich: er holt seinen Sohn Luca (Renato Cestiè) nur zu den Ferien aus dem Internat, hat selbst dann keine Zeit für ihn und verschweigt ihm seine Beziehung mit Veronica (Agostina Belli). Ein Urlaub am Meer zu dritt schafft keine Abhilfe – und ein späterer, zweisamer Vater-Sohn-Skiurlaub wird jäh unterbrochen, als bei Luca nach einem Zusammenbruch Leukämie diagnostiziert wird.



Auf wenige Filme war ich dieses Jahr so gespannt wie auf L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA, denn von dem Melodrama-Subgenre des "lacrima movie" hatte ich noch nie zuvor gehört. Sogenannte Tränenfilme – im Programmheft und in der Einführung auch umschrieben mit Begriffen wie "hartes Melodrama", "sentimentales Rührstück" und gar "childploitation" – waren im Italien der 1970er so erfolgreich, dass man rückblickend geradezu von Blockbustern sprechen könnte. Wie Christoph in einer Einführung erklärte, wurden die "lacrima movies" in Italien als Familienevents behandelt und offenbar gingen tatsächlich zahllose Eltern zusammen mit ihren Kindern in Nachmittagsvorstellungen, um Filme zu schauen, in denen Kinder oder Teenager qualvoll an Krankheiten sterben.* Die bleiernen Jahre Italiens wurden hier nicht mit Rasiermessern zerschlitzt, mit Maschinenpistolen niedergemäht, mit Colts weggeballert, von Kannibalen gefressen, von üppigen Busen zerquetscht oder von vier Fäusten K.O. geschlagen, sondern mit reinigenden Tränen weggespült. Die Tränenfilme brachten allerdings nicht nur italienische Zuschauer zum Weinen, denn einige von ihnen gehörten zu den erfolgreichsten Exportschlagern der italienischen Filmindustrie und übten ihre sentimentalen Anschläge auch auf deutsche, britische, peruanische, brasilianische, argentinische, japanische und polnische Tränendrüsen aus. 
Ich selbst hätte spontan geraten, dass die "lacrima movies" die italienische Reaktion auf LOVE STORY waren, aber natürlich blickte das italienische Kino in den 1970er Jahren bereits auf eine lange Tradition des Melodramas zurück. Christoph nannte eindeutig Luigi Comencinis INCOMPRESO von 1966 als Vorbild. Mit dem enormen Erfolg von L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA wurden die Tränenfilme zu einem eigenen Subgenre. Raimondo Del Balzo drehte in seiner relativ überschaubaren Filmografie noch weitere "lacrima movies" (und zwischendurch einen Rape-and-Revenge-Film), sein LE PRIME FOGLIE D'AUTUNNO von 1988 gilt gemäß dem italienischen Wikipedia-Eintrag als einer der letzten Filme dieses Subgenres. Hier schloß sich sozusagen auch ein Kreis vom letzten Schnee des Frühlings zu den ersten Blättern des Herbsts.
Del Balzo stemmte das Subgenre allerdings keineswegs alleine, im Gegenteil: viele wesentlich bekanntere Regisseure haben auch einen "lacrima movie" in ihrer Filmografie. Ruggero Deodato zum Beispiel hat L'ULTIMO SAPORE DELL'ARIA gedreht, in dem ein ausgerissener Teenager für eine Schwimmer-Meisterschaft trainiert, aber von einem Gehirntumor heimgesucht wird (ein übrigens sehr sehenswerter Film, auch wenn ich ihn leider gekürzt, im falschen Bildformat, in scheußlicher Bildqualität und einer nicht gerade stilsicheren englischen Synchronisation gesehen habe). Sergio Martino drehte 1974 LA BELLISSIMA ESTATE, Luigi Cozzi ließ in seinem DEDICATO A UNA STELLA 1976 auch eine Leukämieerkrankung zuschlagen. Michele Massimo Tarantini, sonst eher auf commedie sexy abonniert, drehte 1978 einen Film mit dem schönen Titel STRINGIMI FORTE PAPÀ (wörtlich "Umarme mich fest, Papa"). Einen "lacrima movie" zu drehen war also nicht viel außergewöhnlicher, als einen Giallo, einen Poliziesco oder eine Erotikkomödie zu drehen. Im Zweifelsfall war der Tränenfilm in Italien und im Ausland sogar erfolgreicher als der Giallo. Heute ist davon fast nichts übrig geblieben. Das Melodrama im Allgemeinen hat es bei Liebhabern von "Genrefilmen" (wie man diese auch definieren mag) eh nicht so leicht, und beim "lacrima movie" kann man sicherlich ohne Bedenken von einem unterschlagenen Subgenre sprechen. CANNIBAL HOLOCAUST und I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE ("Torso") werden wahrscheinlich noch mindestens 50 Special-Editions erleben, bevor jemand L'ULTIMO SAPORE DELL'ARIA und LA BELLISSIMA ESTATE als DVD veröffentlichen wird. Umso besser, dass es das Terza Visione gibt!
Jetzt zum Film, der sich tatsächlich als eine weitere große Überraschung des Festivals entpuppen sollte. Der meisterhaft inszenierte L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA war, kaum zu glauben, Raimondo Del Balzos erster Film als Regisseur. Im Kern handelt er von einer gestörten Sohn-Vater-Beziehung, doch diese ist zunächst überhaupt nicht sichtbar, weil auch der Vater abwesend ist. Im Prolog, der chronologisch nach dem Filmende spielt, sehen wir Roberto um seinen toten Sohn trauern und die Platte auflegen, die ihm Luca geschenkt hat (sein letztes Geschenk), aber danach verschwindet er erst einmal aus dem Film. Luca, der ein Internat besucht, weil sich der Witwer Roberto als viel beschäftigter Anwalt nicht um ihn kümmern kann (bzw. will), wartet zu Beginn der Sommerferien darauf, dass Papa ihn abholt und nach Hause fährt. Stattdessen kommt der Onkel, der Bruder von Lucas verstorbener Mutter. Zuhause angekommen muss Luca auch schon zu Bett gehen, bevor Roberto zurück kommt, und steht am nächsten Morgen auf, wenn Roberto schon wieder auf Arbeit ist. Als Luca zusammen mit seiner besten Freundin Stefanella spontan den Vater im Gerichtsgebäude aufsucht, wimmelt der ihn auch schnell wieder ab. Knapp 25 Minuten Film vergehen, bevor Luca seinen Vater endlich mal für längere Zeit sieht und spricht.
Luca muss viel Zeit alleine verbringen. L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA ist voll von Szenen, in denen Renato Cestiè alleine durch das Haus läuft, am Strand spaziert, ein kleines Motorboot fährt oder sich alte 8mm-Familienfilme anschaut, um seine verstorbene Mutter wieder "lebendig" zu sehen. Letzteres ist nicht nur ein sehr schöner Moment, sondern gibt Luca auch ein Rätsel: nachdem die Bilder seiner Mutter durchgelaufen sind, folgen nach einigen Momenten unbelichteten Films Aufnahmen einer anderen Frau. Es handelt sich um die neue Freundin Robertos, Veronica – aber die Beziehung hat er seinem Sohn bislang komplett verschwiegen. Luca und Veronica sind, zunächst ohne es zu wissen, Leidensgenossen: auch Veronica wird von Roberto ständig versetzt, weil es auf Arbeit dann doch noch länger gedauert hat. Er ist ein Workaholic, wahrscheinlich aber auch jemand, der seine Arbeit als Schutzschild vor Emotionen und Verantwortlichkeiten nutzt. Irgendwie kann ich mir Roberto gut als einen der Väter vorstellen, die in LIBERI ARMATI PERICOLOSI vor dem Kommissar sitzen und sich rechtfertigen, dass man eben nur das eine (Arbeit) oder das andere (sich um das Kind kümmern) kann. Und wenn Luca nicht an Leukämie gestorben wäre, hätte er zehn Jahre später vielleicht zu einem Gewalttäter wie Mario oder Joe werden können (auch wenn Perugia nicht Mailand ist).
Die Krankheit Lucas platzt also keineswegs in ein Familienidyll hinein, sondern in eine äußerst komplizierte Beziehungskonstellation. Sie ist deshalb so kompliziert, weil Roberto sie kompliziert macht. Er gibt weder seiner Freundin noch seinem Sohn das Gefühl, für sie da zu sein. Wenige Minuten, bevor er mit Luca zu einem Strandurlaub aufbricht, teilt er ihm lakonisch mit, dass eine Freundin mitfährt. Auf eine gewisse Weise halte ich es für naheliegend, Lucas Krankheit durchaus als Symbol zu sehen, als drastische Zuspitzung und körperliche Manifestation der latenten Konflikte, unter denen er zu leiden hat. Die mangelnde Zuwendung und die falsche Art, mit der ihn sein Vater behandelt, haben ihn krank gemacht. Das "Signal" sieht Roberto erst, als es kein Zurück mehr gibt. In den letzten Minuten des Films spricht Luca einige Sätze aus dem Off, und sagt unter anderem, dass er auf gewisse Weise glücklicher in seiner Erkrankung war als vorher, weil er nun endlich mit seinem Vater zusammen war.
L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA ist ziemlich bemerkenswert aufgebaut, weil er in der ersten Stunde keinerlei Attacken auf die Tränendrüsen des Zuschauers ausübt, und an manchen Stellen sogar regelrecht heiter wirkt. Besonders die Momente, die Luca mit seiner besten Freundin Stefanella verbringt, sind außerordentlich vergnügt**. Sie fernsehen zusammen (wobei er sich mit seinem Wunsch in der Wahl des Programms durchsetzen kann – zu hören ist ein Actionfilm mit Autoverfolgung), spazieren durch die Stadt, kaufen sich an einem Automaten Zigaretten (scheitern aber daran, sich Feuer geben zu lassen) oder schauen sich die Nackthefte an, die Stefanella bei ihren Eltern geklaut hat. Zwischendurch erzählt sie ein bisschen aus dem Nähkästchen von den Problemen ihrer Eltern, dass die Mutter regelmäßig Besuch von einem "Onkel" bekommt, aber auch hervorragende Tortelloni mit Ricotta kocht. Überhaupt isst Stefanella für ihr Leben gerne, verputzt zwischendurch auch mal eine ganze Büchse Thunfisch aus Lucas Kühlschrank oder kreiert sehr außergewöhnliche Sandwiches: mit Marmelade, dann Käse (damit es nicht zu süß wird), dann noch mal Marmelade (damit es nicht zu sehr nach Käse schmeckt), das ganze gekrönt mit einem Topping aus Sardellenpaste. Sie ist dann auch die einzige, die normal mit Luca redet, als dieser schon sterbend im Krankenbett liegt. Ungeniert fragt sie ihn, was denn diese Schläuche in seiner Nase seien und teilt ihm mit, dass sein letzter Schulaufsatz gut benotet wurde, aber wahrscheinlich nur aus Mitleid, weil er krank ist. Natürlich hat sie trotzdem sehr genau verstanden, was da passiert: als sie wieder draußen auf dem Krankenhausflur steht, beginnt sie zu weinen.
Toll ist auch das Miteinander zwischen Luca und Veronica. Zunächst ist Luca absolut nicht gut auf sie zu sprechen, weil sie ohne Ankündigung einfach zum Strandurlaub mit seinem Vater mitgenommen wird. Sie wiederum fühlt sich äußerst unwohl, weil sie nicht auf diese Weise mit Luca Bekanntschaft machen wollte. Nach einem Angebot ihrerseits, doch Freunde zu werden, ignoriert Luca sie zunächst und entscheidet sich dann anders. Er legt ihr eine aufgesammelte Muschel als Geschenk in ihre Handtasche: das löst dann auch alle Probleme und im nächsten Bild springen beide quietschvergnügt durch ein strahlendes Sonnenblumenfeld. In knapp weiteren zehn Minuten wird klar, dass Veronica eigentlich ein viel besserer Elternteil ist als Roberto, weil sie Luca zuhört, sich auf ihn einlässt, sich Zeit für ihn nimmt (während Roberto auf einen "wichtigen" Anruf aus dem Büro wartet). Der Junge zeigt ihr im Vertrauen dann auch sein spezielles Versteck, das er an einem fremden Ort immer aufsucht, in diesem Fall ein Tunnelsystem am Strand. Dort findet sie Luca dann auch, als er in einem Anfall von Bockigkeit ausbüchst (nachdem er Veronica und seinen Vater bei einem leidenschaftlichen Kuss beobachtet hat).
In den letzten 20 Minuten brechen schließlich sämtliche Dämme. Einem kleinen Kind dabei zuzusehen, wie es an einer unheilbaren Krankheit regelrecht eingeht und qualvoll stirbt, ist natürlich an sich eine geballte Ladung Emotion. Da können selbst die härtesten Morde, Folterungen oder Vergewaltigungen in Gialli, Polizieschi oder Kannibalenfilmen nicht mithalten. Im Kino habe ich mit den Tränen gekämpft und hatte danach für gut eine halbe Stunde noch einen Kloß im Hals davon behalten. Zuhause, bei der Neusichtung auf DVD, den Film bereits kennend, sind dann wirklich Tränen geflossen. L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA kann man zweifelsohne als perfid manipulativen und auf Überwältigung setzenden Exploitationfilm sehen – aber die "Manipulation" funktioniert eben.
Zum Gelingen von L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA trägt nicht zuletzt Renato Cestiè als Luca bei. Natürlich ist da zunächst einfach ein süßer, kleiner, blonder Junge mit großen Augen. Tatsächlich kann Cestiè so gut schauspielern, dass aus einem kitschigen Kulleraugen-Junge ein echter Charakter wird und der Film lässt ihm dann auch genug Platz dafür. Luca guckt eben nicht nur süß oder manchmal traurig rein, sondern reagiert manchmal auch etwas bockig, oder luchst seinem Onkel gewieft Geld ab, indem er ihm eine für Papa gedachte Krawatte "schenkt", oder redet mit Stefanella über die Brüste ihrer Mutter (im Vergleich zu jenen im Nacktheftchen). Zwischendurch geht er an die Hausbar seines Vaters und gönnt sich einen ordentlichen Schluck aus der Wodkaflasche oder kauft sich zusammen mit Stefanella eine Packung Zigaretten. Hinter dem süßen Gesicht ist auch ein Junge, der es "faustdick" hinter den Ohren hat (also relativ gesehen). Ein "normaler" Junge eben, den man als Zuschauer zu lieben lernt, weil der Film ihn aufrichtig liebt und ernst nimmt. 
Und wie so oft im italienischen Film ist es eben auch die Musik. Franco Micalizzi hat den passenden Score komponiert mit einem Stück, das die Emotionen des Films noch mal bündelt und verstärkt (aber auch so schön anzuhören ist – siehe hier). 

* Ein Kommentator auf IMDb schreibt, als Kind mit der Sichtung von L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA gar traumatisiert worden zu sein. Nicht uninteressant finde ich den Aspekt, dass zumindest die beiden "lacrima movies", die ich bisher kenne, erwachsene Themen auf erwachsene Weise behandeln: elterliche Vernachlässigung, Heuchelei, Ehebruch, schwer gestörte Familienbeziehungen. Da wurde damals bestimmt manch einer Familiengruppe im Zuschauerraum auf unangenehme Weise der Spiegel vorgehalten.

** Sehr schockierend (ich glaube beim ersten Mal ist mir das vielleicht beim Mitlesen der Untertitel entgangen) ist allerdings Lucas Äußerung gegenüber Stefanella, dass sein Vater ihm eine schöne Krawatte und eine Schallplatte gekauft habe. Wir haben kurz vorher ja schließlich gesehen, dass Luca derjenige ist, der diese Geschenke für seinen Papa kauft. Er kompensiert die mangelnde Zuwendung seines Vaters gleich doppelt: indem er Geschenke kauft und dann erzählt, dass sein Vater ihm Sachen schenkt.


Einen schönen Text zur letzten Szene des Films, die nachts in einem Vergnügungspark spielt, hat Lukas Foerster auf seinem Blog geschrieben.

Del Balzos Film war auf eine gewisse Weise der härteste des diesjährigen Festivals, zumindest aber der emotional intensivste und herausforderndste. So wie ich in Gesprächen kurz darauf mitbekommen habe, war ich nicht der einzige, den der Film ganz schön mitgenommen hat. Die etwas längere Pause zwischen L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA und PROFONDO ROSSO war dann tatsächlich auch vonnöten, um den dicken Kloß im Hals "verdauen" zu können.


22.30 Uhr
PROFONDO ROSSO ("Rosso – Die Farbe des Todes")
Regie: Dario Argento
Italien 1975
126 Minuten
Der Jazzpianist Marc (David Hemmings) untersucht zusammen mit der Journalistin Gianna (Daria Nicolodi) den Mord an seiner Nachbarin und löst durch seine Untersuchungen bald weitere Morde aus.






Dies war nun meine dritte Sichtung von PROFONDO ROSSO und sicherlich die schönste: diesen Film im Kino sehen, auf 35mm, von einer wunderschönen, knackig frisch wirkenden Kopie – das kann ich auf meiner to-do-Liste hiermit abhaken. Auf eine gewisse Weise fand ich den Film dieses Mal wesentlich verwirrender und komplizierter als bei meinen letzten zwei Sichtungen, als hätte ich mich im Angesicht der großen Leinwand nun komplett "verloren", aber vielleicht war das auch auf meine mittlerweile einsetzende Tagesmüdigkeit gekoppelt mit einer allgemeinen Müdigkeit nach vier Tagen Festival zurückzuführen.
Einige Dinge sind mir trotzdem besonders klar deutlich geworden. Mehr als je zuvor habe ich gemerkt, wie großartig die Screwballkomödien-Momente des Films sind. Argento wird ja bisweilen vorgeworfen, ein kalter Formalist zu sein, aber er hat eben auch eine sehr humorvolle, menschliche und verspielte Seite (die ich kürzlich in seinem Vorgängerfilm QUATTRO MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO auch sehr deutlich "entdeckt" habe). 
Das lockere Zusammenspiel zwischen Hemmings und Nicolodi, die ausgedehnten Szenen, in denen sich die beiden witzige Dialoge wie in einer echten Screwballkomödie zuspielen, in denen Marc sich zum Affen macht, als er beim Armdrücken gegen sie verliert, in denen beide nachts in ihrem baufälligen Auto (ach... dieses Auto!) sitzen und darüber reden, welche der Mini-Schnapsflaschen aus ihrer Kollektion sie jetzt vernichten werden... um nichts auf der Welt möchte ich diese Momente missen! Sie sind gleichermaßen das Herz des Films und das Element, das ihm eine Seele gibt. Wenn Gianna gegen Ende des Films von einem Mordverdächtigen schwer verletzt wird, dann passiert das nicht mit der Beiläufigkeit, mit der in Gialli ab und zu Figuren getroffen werden. Das ist ein Moment, bei dem ich am liebsten laut "NEIN!" schreien möchte und das Gefühl bekomme, auch zu sterben, wenn sie stirbt (sie tut es zum Glück nicht). Als Marc – zeitgleich mit den Zuschauern – mitbekommt, dass ihr ein Messer im Bauch steckt, zu ihr eilt, sie festhält und das Gesicht streichelt, ist das stärker als jegliche verbale Liebeserklärung. Der logische "Ableger" von PROFONDO ROSSO wäre kein weiterer Giallo, sondern tatsächlich eine zärtliche, verspielte Liebeskomödie. (Oder vielleicht auch ein melancholischer Buddy-Movie mit Elementen eines Trinker-Melodramas, wenn aus der Beziehung zwischen Marc und Carlo ein eigener Film würde – wenn Marc dann eine weibliche Figur wäre, was er auf gewisse Weise schon ist, dann wäre das wieder ein Liebesfilm, diesmal mit eher tragischem als mit komischem Schwerpunkt).
In einem Filmforum bezeichnete jemand einmal die italienische Langfassung des Films unverständlicherweise als "Laberfassung". In der Export-Version für die USA fehlten über 20 Minuten Film (tatsächlich von Argento selbst geschnitten), darunter viele der eben angesprochenen Szenen mit Hemmings und Nicolodi. Ich habe diese Fassung zwar nicht gesehen, kann mir aber gut vorstellen, dass der Film dadurch wirklich kälter wirkt. Möglicherweise hat gerade das dazu beigetragen, dass Argento vielen als kalter Formalist gilt (selbst INFERNO, der gemeinhin als sein extremster, abstraktester Film gilt, hat viele Spuren eines verspielten, leicht absurden, tiefschwarzen Humors). Dabei beginnt PROFONDO ROSSO mit einem Plädoyer gegen kalten Formalismus, indem zunächst der Vorspann auf eine ziemlich verspielte Weise unterbrochen wird. Dann erklärt Marc einigen Musikern, die gerade eine Jazznummer gespielt haben, dass sie sehr gut, ja sogar zu gut, zu sauber gespielt haben, dass so etwas "dreckiger" rüberkommen sollte.
Mehr als vieles andere hat mich bei dieser Sichtung eine Szene beeindruckt, die mir vorher nicht als "Höhepunkt" aufgefallen war, nämlich Marcs lange Durchsuchung der großen Villa. Hier wird auf gewisse Weise der ganze Film noch mal symbolhaft verdichtet: ein Mann auf der Suche nach dem großen unbekannten Faktor. Besonders die Musik mit ihrer harten Basslinie packt und lässt nicht mehr los... also eigentlich tut sie es doch: sie setzt zwischendurch einfach aus, als Marc auf eine Glasscherbe tritt und setzt wieder ein, als er ein Fenster öffnet. Präzise und doch spielerisch. Abstrakt und doch sehr sinnlich. Eine puzzleartige Montage – und dann doch dieser feine, weiße Staub, der Marcs schwarzes Hemd zunehmend bedeckt; er, der mit einer Glasscherbe das versteckte Mauerbild frei kratzt und sich zwischendurch in den Finger schneidet. Das ganze endet schließlich damit, dass Marc etwas erblickt, aber nicht erkennt. Schaut, aber sieht nicht. Unvollständige Bilder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt. Wer ein Bild beschneidet, wird es nicht verstehen können. Als würde PROFONDO ROSSO hier seine eigene Editionsgeschichte voller Schnitte im Inhalt wie auch im Format vorwegnehmen. Nun... an diesem 29. Juli war er in seiner vollen, anbetungswürdigen Pracht zu sehen, zu bewundern, zu genießen!




Ein großes Dankeschön an die Organisatoren des Festivals! Besonders natürlich an Andreas Beilharz und Christoph Draxtra für das großartige Programm. Und an alle Helfer, die es braucht, um eine solch schöne Veranstaltung zu stemmen. Nächstes Jahr wird es bestimmt wieder großartig, ich freue mich schon jetzt!



Persönliches Ranking:

Außer Konkurrenz:
TUTTO È MUSICA
PROFONDO ROSSO

Meisterhaft:
IL SOLE NELLA PELLE
LE MASSAGGIATRICI

Großartig:
DANCE MUSIC
L'ULTIMA NEVE DI PRIMAVERA

Herausragend:
NELLA CITTÀ L'INFERNO
LOVEMAKER

Bockig – Eigensinnig – Liebenswert:
ESTRATTO DAGLI ARCHIVI SEGRETI DELLA POLIZIA DI UNA CAPITALE EUROPEA
LA BANDA J. & S. – CRONACA CRIMINALE DEL FAR WEST

Sehr gut:
LIBERI ARMATI PERICOLOSI

Gut:
ERCOLE AL CENTRO DELLA TERRA
SICARIO 77, VIVO O MORTO

Geht so:
IL TERRORE DEI MARI