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Freitag, 20. Januar 2012

Und noch ein DÖS-Abschluss

Zeit für DÖS

Wie schon beim Eingangsposting, wird auch mein Abschlussposting kürzer als das von Whoknows - ich bin nun mal kein Essay-Schreiber, und ich werde auch keiner mehr. Wirklich grundlegende neue Erkenntnisse hat mir die Aktion DÖS zwar nicht gebracht - ich war diesem Thema gegenüber schon immer aufgeschlossen -, aber doch einige interessante Einsichten. Etwa, dass Zbyněk Brynych, den ich als Fernsehregisseur schon sehr lange kenne und liebe, auch ein interessanter Filmregisseur zu sein scheint (die Überprüfung steht aber noch aus). Einiges neue habe ich über den Schweizer Film erfahren, vor allem natürlich von Whoknows, der das Thema auch schon vor der Aktion behandelte, aber beispielweise auch von gabelingeber. Etwas enttäuschend war dagegen die Ausbeute an österreichischen Filmen. Gab es da überhaupt längere Besprechungen (abgesehen von WIENERINNEN, den ich selbst im Angebot hatte)? Da hätte etwas mehr kommen können, liebe Kollegen aus dem Süden ...

Jetzt sollte eigentlich eine Liste von fünf Lieblingsfilmen kommen, die ich während der Aktion kennengelernt habe (die Nebenbedingung hat Whoknows etwas, äh, kreativ ausgelegt :-). Allein, ich komme auf keine fünf Filme, die dazu geeignet sind. Entweder kenne ich sie schon länger, oder sie haben mich nicht ausreichend überzeugt, um als Lieblingsfilme gelten zu können. Also belasse ich es einmal bei EIN GROSSER GRAUBLAUER VOGEL, der für mich wohl die Entdeckung des Jahres ist.

Hier die Liste meiner eigenen Besprechungen:

JONAS (Ottomar Domnick, 1957)
EIN GROSSER GRAUBLAUER VOGEL (Thomas Schamoni, 1970)
SAN DOMINGO (Hans-Jürgen Syberberg, 1970)
DAS STAHLTIER (Willy Zielke, 1934)
WIENERINNEN (Kurt Steinwendner, 1952)
VENEDIG (Kurt Steinwendner, 1961)

Wenn man mag, kann man noch BLUT AN DEN LIPPEN von Harry Kümel dazuzählen, der immerhin eine deutsche Co-Produktion, aber letztlich doch eher ein belgischer Film ist.

Da ich am Beginn der Aktion eigentlich nur mit zwei oder drei Artikeln von mir gerechnet habe, bin ich mit meiner Ausbeute quantitativ sehr zufrieden (die qualitative Beurteilung bleibt natürlich der Leserschaft vorbehalten). Im Hinblick auf die Aktion habe ich aber in den letzten Monaten DÖS-Filme vorgezogen, die sonst länger hätten warten müssen. Das lässt sich aber nicht dauerhaft fortsetzen, es wird also in Zukunft weniger DÖS pro Zeiteinheit von mir geben, auch wenn schon noch die eine oder andere DÖS-Besprechung folgen wird.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Aktion DÖS - Abschlussposting von Whoknows


Im März 2011 startete der Intergalactic Ape-Man seine "Aktion DÖS". Erstaunlich viele Blogs glänzten mit einem Eingangsposting und  zählten zehn ihrer deutschsprachigen Lieblingsfilme auf. Dass nur ein Bruchteil dieser Blogs auch längere Besprechungen liefern würde, war zu erwarten. Trotzdem durfte der Urheber der Idee eine stolze Ernte einfahren, und ich möchte mich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben. - Was mich erstaunte: Ich hatte lange den Eindruck, man versuche die Zeit des Dritten Reiches regelrecht aus dem Gedächtnis zu verbannen, während ich sie zum Teil bewusst, manchmal mich von ihr eingeholt fühlend (etwa die Besprechung von Imhoofs "Das Boot ist voll") als problematischen Teil unserer Geschichte in meine Beiträge miteinbezog. Später sollten weitere Blogger hinzukommen, die dies ebenfalls taten und zeigten, dass Filme aus dieser Zeit oft faszinierend sein konnten, ihre Tendenz und Entstehungsbedingungen aber dem über sie Schreibenden die (verbliebenen) Haare zu Berge stehen liessen. Ebenfalls interessant: Gerade einige der mit Pomp oder Anspruch internationale Bedeutung anstrebenden Werke (von Josef von Bákys „Münchhausen“, 1943, über Helmut Käutners sich an „Citizen Kane“ anlehnenden „Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs“, 1955, bis hin zu den Produktionen aus der Bernd Eichinger-Küche) fanden kaum Beachtung. Hingegen wurden neben Unumgehlichem kleine, oft nicht erwartete deutschsprachige Filme in den Mittelpunkt gestellt (sogar der „Neue Deutsche Film“ war mit Überraschungen vertreten). Einige der besprochenen Arbeiten interessierten mich weniger, andere nahm ich dankbar als lohnenswerte Entdeckungen, die ich mir bei Gelegenheit zulegen muss, entgegen.

Was mir die Aktion nebenbei brachte: Es kam nolens, volens zu einer Annäherung an Regisseure, denen ich mich lange Zeit aus kaum nachzuvollziehenden Gründen verweigert hatte: Plötzlich sehe ich mich etwa veranlasst, Werner Herzog eine Chance zu geben. Filme, wie sie mein Co-Admin besprach, erinnerten mich auch an weit zurückliegende Sichtungen, über deren Wert ich auf einmal nachzudenken begann. Dabei fiel mir auf, wie dankbar Regisseure, deren Filme in diesem Jahrtausend etwa in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ ausgestrahlt wurden,  sein dürfen, weil man diese häufig zusätzlich auf einer DVD begutachten kann. Denn ich rätsle jetzt plötzlich darüber, ob zum Beispiel Hartmut Griesmayers „Fallstudien“ (1979), ein Film, der den Alltag in einem Bordell schildert, den hohen Stellenwert wohl behalten würde, den er in meiner Erinnerung hat. Dieses Rätsel wird sich nicht auflösen, weil die Rarität nicht „gebrannt“ erhältlich und an eine Neuausstrahlung kaum zu denken ist. Ähnlich geht es mir mit ein paar Schweizer Filmen, etwa Mark Rissis "Die schwarze Spinne" (1983) oder Urs Odermatts "Der Tod zu Basel" (1990).  – Dies als kleine Aufforderung, lohnenswerte deutschsprachige Filme vor dem Vergessen zu bewahren und dem Filmfreund als DVD zugänglich zu machen.

Nun zu den fünf „Lieblingsfilmen“: Ich bemerkte schon im Eingangsposting, dass es sich bei meinen zehn ausgewählten Filmen eher um für die jeweilige Zeit bedeutende Ereignisse als um Lieblingsfilme handle. Die geforderte  Betonung auf „Lieblings-„ am Ende der Aktion macht die Sache ausserordentlich schwierig.  Ich müsste etwa als Anhänger des Genres Murnaus „Nosferatu“ (1922) nennen, auch den im Rahmen dieser Aktion überaus geschätzten „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931), dessen Bedeutung mir nicht entgeht. Aber sind dies nach vielen Sichtungen immer noch Filme, die ich der Liste meiner nun rund dreissig Titel umfassenden Lieblingswerke vorziehen würde? Muss ich nicht in diesem Moment erst recht auf Subjektivität beharren? – Hier eine recht willkürliche Auswahl aus meiner schon qualvoll zusammengeschrumpften Liste:


Menschen am Sonntag (Deutschland 1930)
Die von jungen Amateurfilmern gedrehte Collage einer Grossstadt am Sonntag wirkt so poetisch und zugleich authentisch, dass man sich ihrer Unbeschwertheit hingeben möchte und einfach vergessen will, was aus diesen Menschen und dem Land, in dem sie lebten, wenige Jahre später werden sollte. Ein letzter Traum, den ich immer wieder voller Hingabe mitträume – ohne darauf zu achten, welche Szenen „inszeniert“, welche spontan wirken.


Der Untertan (DDR 1951)
Eine Literaturverfilmung gehört einfach in die Liste des ehemaligen Literaturstudenten. Ich schwankte lange zwischen Staudtes Meisterwerk und Schlöndorffs Musil-Adaption, die zu einem der frühen Erfolge des Neuen Deutschen Films werden sollte und die ich bei Gelegenheit besprechen möchte. Die einzigartige Heinrich Mann-Verfilmung erhielt letztlich den Vorrang, weil sie auch als hinterlistige frühe Abrechnung mit dem buckelnden und verehrenden Nationalsozialisten angelegt ist. Für mich zusätzlich reizvoll: Heinrich Mann wurde als ehemaliger Sozialist in der frühen  BRD wie andere heute anerkannte Schriftsteller im Gegensatz zu seinem Bruder gemieden. Wenn es also etwas gibt, wofür wir der DDR dankbar sein müssen, so ist es das Aufrechterhalten der Erinnerung an ihn und manche seiner Zeitgenossen.

 
 Das Brot des Bäckers (Deutschland 1973)
Zwei Schweizer Regisseure, deren grösstes Werk in den 70er Jahren entstand, buhlten um meine Gunst. Eigentlich hätte ich mich für Kurt Früh entscheiden müssen, der seine späte traurige Ballade „Dällebach Kari“ (1970) auch in der Schweiz drehte. Erwin Keuschs Filmdebut wirkt jedoch noch heute so aktuell und überzeugend, dass es letztlich den Vorrang erhielt. Es soll zugleich insistierend an etwas erinnern:  Solche Filme müssen als DVD zu haben sein, wenn man eine einseitige Erinnerung an den deutschen Film jener Zeit verhindern will. „Das Brot des Bäckers" ist überdies ein Meisterwerk, das internationale Beachtung erhielt und sie auch heute noch verdient.


Heimat – Eine deutsche Chronik (Deutschland 1984)
Edgar Reitz‘ im Jahre 1919 einsetzende Alltagsgeschichten aus einem Dorf im Hunsrück sind, wie ich schon in meinem Eingangsposting erwähnte, ein filmisches Ereignis der Sonderklasse. Diese deutsche Chronologie en miniature, die auf raffinierte Weise zwischen Schwarzweiss und Farbe wechselt, wird in den nächsten Jahrzehnten niemand überbieten können. Trotzdem sollte ihr Versuch, sich am Alltäglichen, nicht am Pompösen zu orientieren, für Filmemacher unserer Zeit ein Vorbild sein – und es ist gut, dass viele dies erkannt haben.

Todesspiel (Deutschland 1997)
Heinrich Breloers Doku-Drama über die Rote Armee Fraktion und den berüchtigten Herbst des Jahres 1977 mit der Schleyer-Entführung und Mogadischu ist auch eher zufällig in meiner Liste gelandet. Dass Breloers Talent für Semi-Dokus ungleich grösser ist als das für Spielfilme, bewies er mit seinem desaströsen „Buddenbrooks“ (2008). Hier geht es mir jedoch vor allem darum, dass ich die Geschichte der Rote Armee Fraktion seinerzeit lediglich  über Fernsehreportagen und Tagesschaumeldungen mitbekommen konnte. Deren Einseitigkeit wurde spätestens dann erkannt, wenn man einen brüllenden Franz Josef Strauss vor dem Mikrophon sah. Lange Zeit blieb der Eindruck bestehen, ich würde nie mehr als Bruchstücke über die wirklichen Hintergründe der Abläufe erfahren, die ich mit so grossem (jugendlichem) Interesse verfolgte. Die späte Aufarbeitung als Doku-Drama  faszinierte mich deshalb überaus, und ich bin noch heute dankbar dafür. Sie „erhellte“ mir ein wichtiges Stück deutscher Geschichte.

Jetzt müssten mindestens  zehn, fünfzehn weitere Filme erwähnt werden, angefangen bei „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ (1937), an den mich Manfred Polak erinnerte, vorläufig endend beim provozierenden, weil realistischen „Eierdiebe“ (2003), dessen Regisseur der verheerenden Versuchung Hollywood nicht widerstehen konnte. Ich freue mich über Filmschaffende, die verstehen, wie wichtig es ist, dass sie ihre Arbeit in Deutschland fortsetzen und vom scheinbar unbedeutenden Alltag, von eigenen kleinen Erfahrungen ausgehen, um in ihnen das vorhandene Material für eine gute Geschichte zu entdecken. Eine solche Herangehensweise machte den deutschen Film immer gross und wird es weiterhin tun. Die Schweiz, die in diesem Jahrtausend mehrfach mit viel Schmalz vergeblich um Oscars und internationalen Ruhm buhlte, zeigt: So geht es nicht.

***

Mit diesem Abschlussposting endet für mich die “Aktion DÖS“. Gleichzeitig sehe ich mich unabhängig von ihr – wie wohl diverse andere Teilnehmer auch – in der Pflicht, weiterhin deutschsprachige Filme zu besprechen, mögen diese auch nicht mehr wie in den letzten Monaten als geballte Ladung anrücken. Unser Intergalactic Ape-Man wäre dankbar für die geregelte Fortsetzung seiner Schöpfung in irgendeiner Form gewesen. Er erhielt Absagen, unter anderem auch von mir, in den er ein wenig Hoffnung gesetzt hatte. Ich musste meine Absage mit dem Argument begründen, über das ein paar Leser bereits Bescheid wissen: Als HIV-Langzeitüberlebender mit entsprechender Krankengeschichte wäre ich ein höchst ungeeigneter, weil unzuverlässiger „DÖS“-Leiter. Der Sinn meines Daseins beschränkt sich auf das Ärgern des werten Lesers.

Vielleicht ist es auch ganz gut, jetzt einen Endpunkt zu setzen und die Aktion als Anregung zu betrachten. Würde man sie künstlich am Leben erhalten, könnte dies von einigen als Zwang betrachtet werden, dem sie sich entziehen möchten. Die Situation ist aber so, dass ich sicher nicht der einzige bin, der sich in den letzten neun Monaten eine rechte Anzahl DÖS-Filme (weniger aus der Schweiz, da unsere Produktion so beeindruckend nicht ist) zugelegt hat, die besprochen werden wollen, der verschiedene Stränge aufnehmen und intensiver verfolgen möchte. In meinem Fall steht zum Beispiel ein Aufarbeiten des deutschen Films der letzten acht bis zehn Jahre noch an.

Das wär‘s für den Moment. Ich danke dem Intergalactic Ape-Man für seine spannende Anregung und den Aufwand, dem er sich ausgesetzt hat. Möge die Beschäftigung mit dem deutschsprachigen Film anhalten und weitere Blogger reizen! Leute, wir sind wer! Und mit den Massenproduktionen aus Hollywood nehmen wir es noch lange auf.

Gruss Bruno 


Donnerstag, 31. März 2011

Aktion deutscher Film, zum zweiten


Whoknows hat die Aktion hier ja schon vorgestellt, deshalb kann ich meine Einleitung kurz halten. Ich finde es relativ müßig, eine Abhandlung darüber zu schreiben, was mir am deutschsprachigen Film gefällt oder nicht gefällt, deshalb verzichte ich darauf und werde dafür auf die Filme und Serien meiner Liste näher eingehen. Hier nochmal der Link zur Kommandozentrale auf dem Planeten der intergalaktischen Affenmenschen:

http://intergalactic-ape-man.blogspot.com/2011/03/jetzt-mitmachen-aktion-deutscher-film.html

Zunächst meine offizielle Liste, die in die Endauswertung eingeht. Ohne interne Wertung, sondern chronologisch geordnet. Alle außer FILM OHNE TITEL sind auf DVD erhältlich.

1. DER BLAUE ENGEL (1930)
Ein Hollywood-Regisseur macht einen Ausflug zur UFA, dreht einen Klassiker, kreiert dabei einen Star, und nimmt den Star gleich wieder mit nach Hollywood, um einen Weltstar daraus zu machen. Aber abgesehen von all dem handelt es sich um ein atmosphärisch ungemein dichtes und emotional wuchtiges Drama, in dem Emil Jannings genauso wie Marlene Dietrich brilliert, und die Musik von Friedrich Hollaender tut ein Übriges.

2. UNTER DEN BRÜCKEN (1945/46)
Helmut Käutner rettete den Poetischen Realismus vom Frankreich der 30er ins Deutschland der 40er Jahre herüber. Unter schwierigen Bedingungen in den letzten Kriegswochen 1945 entstanden, hatte UNTER DEN BRÜCKEN erst 1946 Premiere, es handelt sich also um einen "Überläuferfilm". Ich hätte auch GROSSE FREIHEIT NR. 7 nehmen können, die Entscheidung für die BRÜCKEN ist relativ willkürlich. Aber GROSSE FREIHEIT NR. 7 wurde schon in anderen Blogs genannt, außerdem spielt UNTER DEN BRÜCKEN in einem ähnlichen Milieu wie L'ATALANTE, und das ist einer meiner Lieblingsfilme.

3. FILM OHNE TITEL (1948)
Ein Film aus einer Übergangsperiode: Die Zeit des Trümmerfilms (DIE MÖRDER SIND UNTER UNS, IN JENEN TAGEN, ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN) neigte sich dem Ende entgegen, die Zeit der Verdrängungs- und Beschwichtigungsfilme begann. FILM OHNE TITEL ist eine Komödie, er hat Charme, ist selbstbezüglich (es geht um einen Film im Film), aber er hat noch den Impetus der Trümmerfilme. Rudolf Jugerts erster Film atmet von der ersten bis zur letzten Minute den Geist Helmut Käutners. Kein Wunder: Käutner hat produziert und am Drehbuch mitgearbeitet, und Jugert war zuvor jahrelang sein Regieassistent, u.a. bei ROMANZE IN MOLL, GROSSE FREIHEIT NR. 7, UNTER DEN BRÜCKEN und IN JENEN TAGEN. Er hätte durchaus eher selbst Regie führen können, aber er lehnte es bis Kriegsende ab, um keinen Propagandafilm drehen zu müssen. Die Hauptrolle im FILM OHNE TITEL spielt Hilde Knef, die mit ihren unabhängigen Frauenfiguren (wie in DIE MÖRDER SIND UNTER UNS und ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN) der weibliche Star der unmittelbaren Nachkriegszeit war, bevor ihre Karriere in Hollywood versandete und Biederfräuleins wie Sonja Ziemann und Ruth Leuwerik Oberwasser bekamen.

4. JONAS (1957)
Ottomar Domnicks avantgardistischer Geniestreich. Alles nötige habe ich schon hier geschrieben.

5. DAS INDISCHE TUCH (1963)
Ich war schon immer ein Fan der Edgar-Wallace-Filme, und DAS INDISCHE TUCH ist von jeher mein Favorit - wegen Hans Clarins irrem Blick, weil Kinski sein übliches Rollenklischee gleichzeitig ausfüllt und konterkariert, weil Ady Berber, der deutsche Tor Johnson, mitspielt, weil der Wallace-Touch mit dem 10-kleine-Negerlein-Motiv kombiniert wird, und was weiß ich warum.

6. DER KOMMISSAR (1969-76)
Eine Zeitreise in die erste Hälfte der 70er Jahre, als "political correctness" noch ein Begriff von einem anderen Stern war. Irgendwelche Leute haben nachgezählt, wie viele Biere und Schnäpse getrunken und wie viele Zigaretten geraucht wurden, und kamen auf enorme Zahlen. Die Fälle und die Lösungen waren immer auf das menschliche Drama fokussiert; Gerichtsmediziner, Kriminaltechniker, lästige Staatsanwälte oder dubiose Kollegen vom BKA und ähnliches Beiwerk gab es nie. Stattdessen hat Kommissar Keller einfach gemacht, was er wollte. Trotz, oder vielleicht eher wegen der Reineckerismen ("Sag ich etwas falsches?" "Nein, Du sagst nichts falsches"; "He, Sie!" "Wer, ich?" "Ja, Sie!") und Herbert Reineckers Hang zum Moralphilosophen immer unterhaltsam, mit einer Armada längst verblichener Schauspielgrößen, die ihre Rollen immer ernst nahmen. Der kürzlich verstorbene Helmut Ringelmann beschäftigte nicht nur Altmeister wie Wolfgang Staudte, er gab auch Michael Verhoeven die Chance zu einer seiner ersten Regie-Arbeiten, und er ließ Zbyněk Brynych bei seinen leicht bekloppten, surreal angehauchten Manierismen gewähren. Bravo! Obwohl der Kommissar auch in Grünwalds Villen ermittelte, später Derricks bevorzugtes Biotop, spielen die meisten Fälle in der Mittel- oder Unterschicht, bis hin zum Proletariat, das in irgendwelchen Kellerlöchern haust. Und immer wieder gab es Ausflüge in und Verständnis für die jugendliche Subkultur. Obwohl Reinecker dabei regelmäßig in Klischees abrutschte, blieb er mir deshalb immer sympathisch.

7. AGUIRRE, DER ZORN GOTTES (1972)
Vom majestätischen Anfang, als die Karawane zur Musik von Popol Vuh die Anden herabsteigt, bis zum delirierenden Schluss, als Thomas Mauchs Kamera das Floß mit den Affen umkreist, ein grandioser Film, der von einem irrlichternden Klaus Kinski beherrscht wird. Unter sehr schwierigen Bedingungen komplett vor Ort im südamerikanischen Dschungel gedreht. Nur ein Besessener wie Werner Herzog konnte so etwas zuwege bringen.

8. MÜNCHNER GESCHICHTEN (1974)
Helmut Dietls erste und beste Fernsehserie. Sie fängt perfekt den Zeitgeist der 70er Jahre ein und ist zeitlos, Münchnerisch und universell, zum Brüllen komisch und melancholisch, mit unvergesslichen Typen und ernsten Themen wie "Entmietung" und Verödung alter Stadtviertel zugunsten neuer Trabantenstädte. Die damaligen Jungstars um Günther Maria Halmer gehen mit den Charakterdarstellern, angeführt von der grandiosen Therese Giehse, eine perfekte Symbiose ein. Meine Lieblingsserie bis ans Ende der Zeiten (und danach auch noch).

9. IM LAUF DER ZEIT (1976)
Wim Wenders' vielschichtiges dreistündiges Roadmovie, mit geradezu archetypischen Szenen wie der Versenkung des Käfers in der Elbe, entstand als "work in progress": Der Film wurde chronologisch entlang der befahrenen Route gedreht, und abends entstand immer erst das Drehbuch für den nächsten Tag, so dass am Anfang niemand wusste, wie der fertige Film aussehen würde. Neben anderem auch ein melancholischer Abgesang auf die Kultur der Kleinstadt- und Dorfkinos.

10. DIE COMEDIAN HARMONISTS (1977)
Eberhard Fechner entwickelte für seine Dokumentarfilme eine faszinierende Technik. Seine Interviewpartner (meist Privatpersonen, nur hier ausnahmsweise frühere Prominente) wurden zu stundenlangem Erzählen motiviert und dabei von einer fest montierten Kamera gefilmt, meist von schräg vorn - die einen von rechts, die anderen von links. Aus den getrennt aufgenommenen Interviews schnitt Fechner dann scheinbare Dialoge zusammen, wobei sich die virtuellen Dialogpartner mal gegenseitig bestätigten und die Rede des anderen fortführten, mal widersprachen. Dabei wechselte der Redner oft mitten in einem Satz, ohne dass sich Brüche im Gesprächsfluss ergaben - eine geniale Leistung. In dieser Technik arbeitete Fechner von NACHREDE AUF KLARA HEYDEBRECK (1969) bis WOLFSKINDER (1991) an einer Chronologie des 20. Jahrhunderts aus der Sicht seiner Protagonisten. Zum dreistündigen Zweiteiler DIE COMEDIAN HARMONISTS befragte er alle vier damals noch lebenden und Angehörige der beiden bereits verstorbenen Mitglieder, und er behandelt nicht nur den Werdegang der Gruppe, sondern auch die weiteren Lebenswege der drei jüdischen und der drei nichtjüdischen Mitglieder. Fechners Film ist für mich weitaus faszinierender als Vilsmaiers Spielfilm zum selben Thema.


Soweit die offizielle Liste. Jetzt noch ein paar lobende Erwähnungen von Werken, die es knapp nicht geschafft haben.

ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN (1968)
Der Film von May Spils und Werner Enke über das Lebensgefühl der jugendlichen Schwabinger Bohème der 60er Jahre ist immer spontan - oder zumindest wirkt er so, und darauf kommt es ja an. Als legitime Nachfolger kann man am ehesten Klaus Lemkes Filme der 70er Jahre benennen.

DIE DELEGATION (1970)
Aus den nachgelassenen Notizen, Tonband- und Filmaufzeichnungen eines unter mysteriösen Umständen verunglückten Reporters (brillant: Walter Kohut) werden in einer Fernsehsendung dessen Recherchen der letzten Monate rekonstruiert. Mit den Mitteln einer Mockumentary, mit ähnlichen Kunstgriffen wie bei BLAIR WITCH PROJECT (nur geht es hier nicht um Hexen, sondern um UFOs), aber 30 Jahre früher, erzeugt Rainer Erler einen Sog, der einen in den Film hineinzieht wie eine echte Live-Reportage. Dabei bedient er sich passender Schauplätze in Europa, Nord- und Südamerika, geschickt eingebauten authentischen Materials (etwa von einem Kongress, an dem der Raketenpionier Hermann Oberth teilnahm), und Wackelkamera an den richtigen Stellen. Folgerichtig gab es besorgte Zuschaueranrufe beim Sender, wie Erler anlässlich einer Wiederholung zehn Jahre später berichtete. Mit Serien und Filmen wie DAS BLAUE PALAIS, PLUTONIUM und FLEISCH setzte Erler weitere Glanzlichter.

DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1973)
Heiner Carows DEFA-Kultfilm mit Angelica Domröse und Winfried Glatzeder. Besonders überrascht und begeistert hat mich die surreale Musical-Einlage in dem ansonsten realitätsnahen Liebesfilm. So kann (und soll gelegentlich) Film sein!

DIE DÄMONEN (1977)
Fernseh-Vierteiler nach dem Roman von Dostojewskij, mit einem hochkarätigen Ensemble, angeführt vom faszinierenden Christoph Bantzer, in einer komplexen Geschichte (bei Dostojewskij natürlich kein Wunder). Leider nicht auf DVD. Die Verfilmung des Stoffes von Andrzej Wajda kenne ich nicht.


Womit wir schon bei den Werken wären, die ich mir auf DVD wünsche. Da gäbe es viel, aber ich beschränke mich mal auf das überschaubare Gesamtwerk von Ottomar Domnick, und zwar in guter Bildqualität (die DVD von JONAS hat ein ziemlich schlechtes Bild).

Was erwarte ich mir nun von der Aktion deutscher Film? Dass ich auf interessante Werke aufmerksam gemacht werde, von denen ich noch nichts (oder zumindest noch nichts konkretes) gehört habe. Dazu ist es nötig, dass es zu den Titeln in den Listen auch Erläuterungen gibt. Von reinen Auflistungen werde ich nichts haben.

Freitag, 25. März 2011

Aktion deutscher Film

 
Der Intergalaktische Affenmann ist - wie schon Charles Darwin darlegte - dem durchschnittlichen Menschen entschieden überlegen; und so erstaunt es auch nicht, dass mein Blogger-Kumpel von Intergalaktische Filmreisen auf die Idee kam, eine Aktion ins Leben zu rufen, deren Anfänge sich zwar bescheiden geben, die aber letztlich nichts anderes zum Ziel hat als dem Interessierten eine Art Nachschlagewerk über Blogger-Einträge zum deutschsprachigen Film aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (vom billigsten Schlagerfilmchen über Goebbels Ablenkungsstreifen bis zum jedem Hollywood-Blockbuster überlegenen Meisterwerk) zu bieten. Ein solches Nachschlagewerk wäre einmalig im Internet, behandeln wir doch den deutschen Film regelrecht stiefmütterlich. Woran dies liegen mag, ist schwer auszumachen, geben sich z.B. Franzosen oder Italiener ihrer einheimischen Produktion gegenüber bekanntlich wesentlich aufgeschlossener. Und wir brauchen uns hinter so manchem billigen Machwerk aus Tinseltown, dem sich viele Blogger inbrünstig widmen, nun wirklich nicht zu verstecken.

Es wäre deshalb schön, wenn die Idee des Intergalactic Ape-Man bei jenen Leuten, die immer mal wieder einen deutschsprachigen Film (lobend, kritisierend, vernichtend) besprechen, Anklang fände. Denn vorläufig geht es lediglich um gegenseitige Inspiration, um das Erinnern an sehenswerte Filme - um ein Eingangsposting, mit dem die "Aktion deutscher Film" ins Leben gerufen werden soll. Gleichzeitig dürft ihr einige eurer Lieblingsfilme (wie auch immer ihr den Begriff definiert) auflisten und an die deutschsprachigen Filme erinnern, über die ihr schon geschrieben habt. - Den genauen Ablauf und die Teilnahmebedingungen (sie lesen sich nur am Anfang schwer) findet ihr hier:

http://intergalactic-ape-man.blogspot.com/2011/03/jetzt-mitmachen-aktion-deutscher-film.html

Dies könnte der Beginn einer Aktion sein, die dem deutschsprachigen Film in seiner erstaunlichen Vielfalt ein Erscheinungsbild ermöglicht und die Schreiber zur vermehrten Beschäftigung mit ihm anregt. Was mich anbelangt, so habe ich mir auf jeden Fall vorgenommen, mich nach meinem Urlaub als Blogger möglichst jeden Monat (sei es auch nur als Kurz-Review) einem Film aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz zu widmen.

Dies sind zehn meiner "Lieblingsfilme", die ich anderen Teilnehmern ans Herz legen möchte - wobei es mir darum ging, nicht nur in erster Linie die gängigen Streifen anzubieten, sondern  an  Filme zu erinnern, die als "Zeitdokumente" zu betrachten sind:

1.) Die weisse Hölle vom Piz Palü (Deutschland 1929)
- Das gewaltige Bergdrama von Arnold Fanck und Georg Wilhelm Pabst, das daran erinnert, was vielleicht aus dem deutschen Film geworden wäre, hätte nicht eines Tages ein humpelnder Propagandaminister gierig die Hände nach ihm ausgestreckt








2.) Romeo und Julia auf dem Dorfe (Schweiz 1941)
- Düstere Verfilmung der Novelle von Gottfried Keller von Hans Trommer, die als sagenumwobenes Meisterwerk des Schweizer Films lange Zeit verschollen war und leider auch heute nicht auf DVD zugänglich ist







3.) HD-Soldat Läppli (Schweiz 1959)
 - Verfilmung eines wahrhaft anarchischen Bühnenstücks von Alfred Rasser, das den "braven Soldaten Schwejk" zum Schweizer macht, der während des Zweiten Weltkriegs diverse Vorgesetzte in den Wahnsinn treibt








4.) Rosen für den Staatsanwalt (Deutschland 1959)
 - Wolfgang Staudtes bissige Abrechnung mit den ehemaligen Nazis, die in den 50er Jahren ihre Karriere ungebremst fortsetzten








5.) Dällebach Kari (Schweiz 1970)
- Der späte Anschluss des "Regisseurs für das Kleinbürgertum" Kurt Früh an den Jungen Schweizer Film erzählt in Form einer Ballade die Geschichte eines Berner Coiffeurs, der sich das Leben nimmt








6.) Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt (Deutschland 1971)
- Wie alle Filme von Rosa von Praunheim aus künstlerischer Sicht höchst unbefriedigend, war das Plädoyer mit dem Motto "Raus aus den Toiletten, rein in die Strassen!" für die Entstehung einer  Schwulenbewegung in Deutschland von grosser Bedeutung - und veranlasste den BR, sich während der Fernsehausstrahlung auszuschalten




7.) Die Geschwister Oppermann (Deutschland/Schweden/Italien/Grossbritannien/Österreich/Schweiz  1983)
- Die aufwändige Romanverfilmung für das Fernsehen liess viele Leser erstmals erkennen, dass Lion Feuchtwanger als Romancier zu betrachten ist, der nicht hinter den Mann-Brüdern zurückstehen muss







8.) Heimat - Eine deutsche Chronik (Deutschland 1984)
- Wohl mehr als DAS deutsche Filmereignis seit 1945! Edgar Reitz begleitet ein kleines Dorf im Hunsrück und seine Bewohner durch über 60 Jahre deutsche Geschichte. Als Marathon in den Kinos vieler Städte gezeigt - und von der ersten bis zur letzten Minute fesselnd





 9.) Comedian Harmonists (Österreich/Deutschland 1997)
- Joseph Vilsmaiers Geschichte der berühmten Gesangsgruppe kommt zweifellos um einige Klitterungen nicht herum, glänzt  aber mit einem weitaus grösseren Unterhaltungswert als so viele Hollywood-Biopics - und erinnert an die  Melodien einer versunkenen Zeit








10.) Silentium (Österreich 2004)
- Was wohl nur die Österreicher in ihren besten Momenten können: den Dreck hinter Klerus und Kultur  auf so drastische Weise aufdecken. Hervorragende Romanverfilmung, benötigt eine Sichtung auch Untertitel








Und hier gibts noch eine - laufend erweiterte - Liste mit DÖS-Filmen, die von mir bereits besprochen wurden (sie zeigt auch, dass ich manche Veröffentlichungen sehenswerter Werke auf DVD vermisse):

 - Der zerbrochene Krug (1937)
- Gilberte de Courgenay (1941)
- Frauen sind doch bessere Diplomaten  (1941)
- Titanic (1943)
- Jetzt schlägt's 13(1950)
- Das Haus in Montevideo (1951)
- Feuerwerk (1954)
- Die Käserei in der Vehfreude (1958)
- Der Greifer (1958)
- Buddenbrooks (1959)
-Die Bande des Schreckens (1960)
- Das Glas Wasser (1960)
- Der junge Törless (1966)
- Die Frau in Weiss (1971)
- Lina Braake(1975)
- Das Brot des Bäckers (1977)
- Das Boot ist voll (1981)
- Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief (1997)
- Achtung, fertig, Charlie! (2003)
- Tod eines Keilers (2006)
- Welthund (2008)
- Auge in Auge - Eine deutsche Filmgeschichte (2008)
- Die Entdeckung der Currywurst (2008)
- Glauser (2011) 

Das wärs für den Moment! Nun hoffe ich, auch andere Blogger für die Aktion deutscher Film interessiert zu haben - denn: sie könnte durchaus zu lohnenden Ergebnissen führen und dem deutschsprachigen Film zu jenem Ansehen verhelfen, das er verdient.

Whoknows