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Sonntag, 28. Juli 2019

QĀF - wenn der heilige Berg Feuer spuckt

Seek your home beyond Mount Qāf
Which binds the earth with chains of fire.
Set out, my child, on those rivers of flame.


QĀF - THE SACRED MOUNTAIN, kurz QĀF
Großbritannien 1985
Regie: Jamil Dehlavi
Mitarbeit: Alain Gérente, André Bacquet

Eine Mondlandschaft aus erkalteter Lava
Das Grundkonzept ist einfach: Man nehme Bilder von blubbernder, fließender, spritzender Lava und unterlege das mit einer passenden Musik. Jamil Dehlavi hat das noch mit islamischer Mythologie und Kosmologie angereichert: Qāf ist in der altpersischen und altarabischen (vorislamischen) Kosmologie ein riesiges ringförmiges Gebirge, das das gesamte von Menschen bewohnte Gebiet umschließt. Kein gewöhnlicher Mensch kann das Gebirge überwinden, dahinter befindet sich eine menschenleere Ödnis, oder einfach das Nichts. Später wurden diese Vorstellungen in den Islam integriert. Neben dem Titel des Films dienen zwei kurze Gedichte des mit Dehlavi befreundeten Raficq Shaikh Abdulla, die als Einblendungen am Anfang und Ende den Film rahmen, zur Verzahnung der Bilder mit diesem mythologischen Überbau - die obigen drei Zeilen sind aus dem ersten der beiden Gedichte zitiert. Abdulla ist ein in Südafrika geborener, in England lebender Jurist, Autor und Dichter, und er hat auch zusammen mit Dehlavi das Drehbuch zu BORN OF FIRE geschrieben. Wenn man mit Mythologie und Kosmologie nichts anfangen kann oder will, so ist das hier auch kein Schaden - man kann auch einfach nur eine knappe halbe Stunde lang die hypnotischen Bilder und die Musik genießen, ohne sich irgendwelche Gedanken dazu zu machen. Einen Kommentar oder sonstigen gesprochenen Text gibt es in QĀF nicht. Für den Soundtrack bediente sich Dehlavi bei den Kraut- und Elektronikrockern Tangerine Dream, Klaus Schulze und Popol Vuh, und er hatte dabei ein gutes Händchen. Sie alle haben mit ihrer Musik auch andere Filme veredelt, Popol Vuh bzw. deren Mastermind Florian Fricke sind vor allem für ihre langjährige Zusammenarbeit mit Werner Herzog bekannt.


Der "Darsteller" des heiligen Bergs Qāf ist der Vulkan Piton de la Fournaise auf der Insel Réunion im Indischen Ozean. Am Anfang gibt es noch Luftaufnahmen des ruhenden Vulkans, von Dehlavi aus einem Helikopter gefilmt, die eine Lavawüste, fast eine Mondlandschaft zeigen, wie man es ähnlich von den Abhängen des Ätna kennt (vermutlich sind hier auch Bilder des erloschenen Piton des Neiges dabei). Dann kurz Nahaufnahmen von in wulstigen Formen erstarrter Lava. Nach der Einblendung des Filmtitels geht es dann ans Eingemachte: Rund 20 Minuten lang Lava in ihrer glutflüssigen Form - teilweise bei Nacht gefilmt, was natürlich besonders spektakulär aussieht. Der Piton de la Fournaise stößt ziemlich dünnflüssige Lava aus, die nicht nur träge dahinfließt, sondern gleich nach dem Austritt bei entsprechend hoher Temperatur ziemlich rasant den Berg hinabschießt - das sieht teilweise aus wie flüssiges Eisen, das im Hochofen abgestochen wird. In den letzten zwei, drei Minuten dann Wolken aus vulkanischer Asche und Dampf (wenn die Lava das Meer erreicht), und ganz am Schluss erscheint schemenhaft eine menschliche Gestalt aus den Wolken - ein von Abdullas Gedichten evozierter Reisender, der den Berg Qāf erreicht und (vielleicht) überquert.


QĀF wurde von Dehlavi zunächst auf eigene Rechnung gedreht und dann nachträglich vom Fernsehsender Channel 4 finanziert, der auch BORN OF FIRE produzierte. Als noch nicht klar war, dass der Hauptteil von BORN OF FIRE komplett in der Türkei entstehen würde, sah sich Dehlavi auch andernorts nach potentiellen Drehorten um, darunter auf Mauritius. Für die geplanten Vulkanbilder in BORN OF FIRE hatte er in den Archiven nichts gefunden, was ihn zufriedenstellte. In Mauritius erhielt er den Tipp, einen Abstecher nach Réunion zu machen, weil der dortige Vulkan ziemlich häufig ausbrach, und das setzte er in die Tat um. Zwar ruhte der Piton de la Fournaise gerade, aber Dehlavi lernte dort den französischen Vulkanologen Alain Gérente kennen. Ursprünglich Lehrer, entwickelte sich Gérente vom Hobby-Vulkanologen zu einer Koryphäe, und der Piton de la Fournaise wurde sein "Hausberg", den er mittlerweile seit Jahrzehnten fast kontinuierlich beobachtet. Gemeinsam mit Gérente erkundete Dehlavi schon mal das Terrain, und bei seinem Abschied trug er ihm halb scherzhaft auf, ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit zu verständigen, wenn der Vulkan ausbrechen sollte. Und nur ein oder zwei Wochen später war es soweit. Dehlavi wurde von einem Anruf aus dem Schlaf geholt, ließ alles stehen und liegen, und flog nach Réunion. Zusammen mit Gérente, und natürlich unter dessen fachkundiger Anleitung, filmte Dehlavi dann alles, was er brauchte. Er hatte nun erstklassiges Material, und weit mehr, als er für BORN OF FIRE brauchen konnte. Es wäre schade gewesen, das alles wegzuwerfen oder in einem Archiv versauern zu lassen. So entstand die Idee zu QĀF, und Channel 4 ließ sich nicht lumpen und bezahlte den Film. Er wurde 1985 vom Sender ausgestrahlt, und wie BORN OF FIRE gewann auch QĀF einige Festivalpreise.


QĀF - THE SACRED MOUNTAIN ist als Bonusfilm auf der englischen Blu-ray von BORN OF FIRE enthalten. Wer danach noch nicht genug von Lava im Allgemeinen und vom Piton de la Fournaise im Besonderen hat, wird von Alain Gérente bedient. Er hat seine im Lauf der Jahrzehnte entstandenen Aufnahmen in der mehrteiligen DVD-Reihe LES GRANDES ÉRUPTIONS DU PITON DE LA FOURNAISE veröffentlicht. Die Scheiben sind aber anscheinend nicht leicht aufzutreiben - bei Amazon gibt es sie jedenfalls momentan nicht, und Gérentes auf verschiedenen Seiten verlinkte Website existiert offenbar nicht mehr. Immerhin gibt es einen der Filme derzeit auf YouTube, wenn auch in recht mäßiger Bildqualität.