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Freitag, 19. August 2011

Kurzbesprechung: Buddenbrooks (1959)


Buddenbrooks
(Buddenbrooks, Deutschland 1959)

Regie: Alfred Weidenmann

Es ist sicher ein Ding der Unmöglichkeit, Thomas Manns 1901 erschienenem Roman “Buddenbrooks”, der über vier Generationen hinweg den “Verfall” einer Lübecker Kaufmannsfamilie schildert und - weit mehr als eine Abrechnung mit der eigenen Familie - für das ganze Jahrhundert von grosser Bedeutung sein sollte, mit dem Medium Film auch nur annähernd gerecht zu werden. Die am meisten um Werktreue bemühte Adaption sollte 1979 Hans Peter Wirth ermöglicht werden, der den Stoff als elfstündige Miniserie für das Fernsehen umsetzte, allerdings in Danzig drehen musste. - Wer sich den “Buddenbrooks” in etwas kürzerer Form und einen “lockeren” Umgang mit der Vorlage in Kauf nehmend annähern möchte, vom pompösen Ausstattungsstück, das uns Heinrich Breloer 2008 bot, jedoch abgeschreckt wurde, sollte vielleicht wieder einmal an Alfred Weidenmanns Verfilmung aus dem Jahre 1959 denken.

Weidenmann verzichtet wie später auch Breloer auf die erste Generation und beginnt mit dem widerlichen Schleimer Bendix Grünlich, der sich mit seinem Backenbart an Antonia Buddenbrook (Tony genannt) heranmacht, um vom Reichtum ihres Vaters zu profitieren. Im weiteren Verlauf konzentriert sich der Film auf den “innerlichen Verfall” der Familie und weist nur grob darauf hin, dass man auch zunehmend von der Geschäftsmaxime “Sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber verrichte nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können” Abstand nimmt. Wichtige Figuren und Episoden (Tonys Aufenthalt im Internat) werden nur grob gezeichnet oder ignoriert. Es kommt auch - wiederum wie bei Breloer, der sogar einzelne Szenen hinzuerfand - zu gewissen Umstellungen: So stirbt nicht Sohn Hanno als letztes Familienmitglied, sondern Thomas bei seiner Vereidigung zum Senator (statt im Strassendreck nach der Zahnbehandlung). --- Immerhin konnte Weidenmann, der wie viele Regisseure der 50er Jahre auffällig braune Flecken an seiner "weissen" Weste vorzuweisen hatte, auf die Mitarbeit von Erika Mann, die das Drehbuch absegnen musste, zählen. Erika durfte - kein Witz! - ihre Stimme sogar dem Papagei in der Zahnarztpraxis leihen.

Das grosse Plus an diesem Film: Es scheint, als hätten die späten 50er das ideale Staraufgebot für eine Verfilmung von “Buddenbrooks” geliefert. Weidenmanns äusserst unterhaltsame Version, die überdies mit ausgezeichneten Decors aufwartet, ist bis auf die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt: Man bewundert sogar einen Joseph Offenbach, der als Bankier Kesselmeyer Grünlich mit hellem Lachen dessen Bankrott verkündet. Hanns Lothar, der als Christian Buddenbrook sein “That’s Maria!” singend am Ende in der Klapsmühle landet, ist ein unvergessliches Erlebnis, ebenso Robert Graf als Tonys geldgieriger Bewunderer und erster Gatte. Die ältere Generation ist mit Lil Dagover und Werner Hinz würdig vertreten; ich halte im Gegensatz zu manchen Kritikern auch Hansjörg Felmy in der Rolle des Thomas Buddenbrook für überzeugend (er kann natürlich gar nicht sämtliche Facetten der äusserst komplexen, sich in inneren Monologen entfaltenden Romanfigur abdecken). Und Nadia Tiller ist als geheimnisvoll musizierende Gerda eine Schönheit, die wie ein Fremdkörper in der bodenständigen Familie wirkt. --- Einzig Liselotte Pulver will mir als im Film stark hervorgehobene Tony nicht gefallen. Das liegt nicht daran, dass sie Schweizerin ist; es hat vielmehr damit zu tun, dass Lilo zwar über ein erstaunlich breites Rollenspektrum verfügt, jedoch schlicht keine Figur spielen kann, die im Roman äusserst ironisch angelegt ist, über die man sich also hinter vorgehaltener Hand hämisch lustig macht. Man identifiziert sich mit jeder Schnute, die Lilo als Tony zieht, lacht mit ihr, wenn sie sich naiv aufführt - aber man lacht nie über das eigentlich einfältigste Familienmitglied, das sich sogar noch für weise hält. Und das ist schade. - Man fragt sich bei dieser Gelegenheit, ob sich keine weniger bekannte Darstellerin finden liess, die die Tony besser verkörpert hätte.

Ansonsten halte ich die 1959er Version für ausserordentlich gelungen, geradezu erstaunlich professionell gemacht für die Zeit. Ich schaue sie mir immer wieder mit grossem Vergnügen an, was wohl nicht so ganz zu einem literarischen Puristen passt. Aber, um es mit Permaneder zu sagen: “Es is halt a Kreiz!”. Man kann seinen Prinzipien nicht immer treu bleiben.