Dienstag, 5. Januar 2016

Furien, Magier und andere Bekanntschaften: 2015 im persönlichen Rückblick


Und wieder einmal ein Jahr voller Filme rum!

Zunächst einmal zum Negativen: ich habe 2015 wieder weniger Filme gesehen als im Vorjahr, allerdings auch aus einem erfreulichen Grund (dank des ersten Vollzeitjobs meines Lebens). Ich bin auch seltener ins Kino gegangen, und besonders auch seltener zu aktuellen Filmen: nach meiner Zählung waren es gerade mal 13 Stück (zumindest außerhalb von Filmfestivals und der einen Bond-PV). Mein Desinteresse an vielen der gezeigten Filme ging hier eine unheilige Symbiose mit meinem verknappten Zeitbudget ein, zumal ich, trotz eines Umzugs, immer noch Bewohner einer cinematographischen Wüstenregion bin. Dafür habe ich einiges auf DVD nachgeholt (und in diesem Format auch einige der besten Filme des Jahres gesehen). Und in der Filmwüste namens Thüringen gibt es dennoch eine kleine Oase für durstige Cinephile: die regelmäßigen Stummfilmaufführungen im Lichthaus-Kino und im Café Wagner mit meinem Lieblingsstummfilmbegleiter- und stummfilmprogrammkurator Richard Siedhoff (hier habe ich insgesamt 28 Filme gesehen, davon einige zugegeben doppelt).

Nun wieder aus den 1920er Jahren gen 2015, passenderweise, wenn man so will... Der beste, wunderschönste, berührendste, begeisterndste und natürlich zugleich actionreichste Film des Jahres war MAD MAX: FURY ROAD, dem es gelungen ist, Franchise-Aufwärmung, intim-emotional-feministisches Autorenkino, bombastisches Blockbuster-Entertainment und eine Neudefinition des Actionfilms nicht nach der Tradition des 1980er-Jahre-Actioners, sondern nach der Tradition des Stummfilms, unter einen Hut zu bringen. Den zweiten Platz in meiner Jahresbestenliste erhält ein anderer Actionfilm, nämlich JOHN WICK... was danach kommt, wußte ich nicht so genau zu ordnen. Deshalb habe ich meine Bestenliste 2015  es sind nun 13 Filme  nicht nummeriert, sondern in thematische Blöcke geordnet.


Top 2015


Aktion!

MAD MAX: FURY ROAD (George Miller: Australien / USA 2015)
In einer postapokalyptischen Wüste entführt die Kriegerin Imperator Furiosa einen Fuhrpark inklusive den Frauen des Diktators Immortan Joe, um in die Freiheit zu fahren. Der Tyrann setzt alles daran, um die Frauen zurück zu bekommen, doch diese erhalten Unterstützung von Max Rockatansky.
1. Ich schlafe mittlerweile in einem MAD-MAX-T-Shirt...
2. Es gibt ein Video, das Buster Keatons THE GENERAL mit der Musik aus MAD MAX: FURY ROAD unterlegt. Die „Analyse“ geht dabei nicht weiter als bis zur Feststellung, dass das irgendwie rockt. Ich finde allerdings, dass sich hier tatsächlich eine wesentlich intensivere Beschäftigung lohnen würde. MAD MAX: FURY ROAD knüpft thematisch zweifelsohne an MAD MAX 2 an, ästhetisch und in seiner Struktur in vielerlei Hinsicht aber auch an den großartigsten Actionfilm aller Zeiten, nämlich eben THE GENERAL. Wo von manchen Mangel an Plot festgestellt wird, herrscht eine zielgerichtete Konzentration auf pure Bewegung, auf den nackten Geschwindigkeitsrausch, wie in Keatons Meisterwerk. Wie THE GENERAL ist MAD MAX: FURY ROAD eine einzige, große, lange Verfolgungsjagd, die im letzten Drittel die Richtung ändert.
3. Einer der großartigen Filme, deren Titelfigur eigentlich eine Nebenfigur ist. Spontan fällt mir noch JOHNNY GUITAR ein. Was irgendwie auch passend ist: ein Film, in dem die männliche Titelfigur de facto die meiste Zeit passiv ist und der eigentlichen Heldin mehr oder weniger als Helfer dient. Charlize Theron ist großartig!

JOHN WICK (Chad Stahelski / David Leitch: USA 2014)
John Wick, ein ehemaliger Profikiller, stürzt in tiefe Trauer, als seine Frau stirbt und ihm als letztes Geschenk einen Hund hinterlässt. Der Sohn eines Mafiabosses und seine Freunde sind der Meinung, es sei eine gute Idee, diesen Mann zu verprügeln, seinen Hund zu töten und sein Auto zu klauen. War es aber nicht...
Roger Ebert hat einmal gesagt, BODY HEAT sei deshalb so toll und erfrischend, weil man beim Anschauen das Gefühl bekommt, zum ersten Mal in seinem Leben einen film noir zu sehen (wie recht er hatte!). In gewisser Weise kann man bei der Sichtung von JOHN WICK das Gefühl erhalten, zum ersten Mal im Leben einen Actionfilm zu schauen. Oder eine Parallelmontage. Oder vielleicht sogar vergessen, dass Keanu Reeves einmal im MATRIX-Franchise mitspielte (bei der Stahelski als Stuntman mitwirkte). Mit unglaublicher Präzision und Konzentration erschaffen hier zwei ehemalige Stunt-Koordinatoren und Second-Unit-Regisseure aus dem Stand einen Film, der tatsächlich nur aus Aktion, aus Handlung besteht. Der Begriff „formalistisch“ hat immer einen etwas seltsamen Beigeschmack, passt hier aber perfekt. Alle Nebenerklärungen werden rein visuell erklärt: der Polizist, der bei John Wick klingelt, im Hintergrund eine Leiche sieht und sich lieber dezent zurückzieht; das merkwürdige Hotel, das für bezahlte Killer ein Refugium bildet und nach eigenen Regeln funktioniert, die nicht erklärt, sondern einfach gezeigt werden; John Wick, der wie ein Wahnsinniger in seinem Sportwagen Runden dreht und so sein Inneres nach Außen kehrt; der kurze Austausch mit dem Türsteher, in dem klar wird, dass er John Wick vorbeigehen lassen muss, um leben zu können... Oder wie in der Szene im „Red Circle“ (herzlichen Gruß an Jean-Pierre Melville) die Schnittfrequenz mit zunehmendem Adrenalinpumpen zunimmt, der Film aber in jeder Sekunde visuell übersichtlich bleibt. Überhaupt: Die Actioninszenierung lässt einen Jahre und Jahre an fürchterlichen Schnittgewitter-Exzessen vergessen. Hier sitzt jeder Schlag und jeder Schlag tut auch weh!
Fazit: Unterschätze niemals einen Second-Unit-Director!

SIMINDIS KUNDZULI / CORN ISLAND (George Ovashvili: Georgien / Deutschland / Frankreich / Tschechische Republik / Kasachstan / Ungarn 2014)
In einem georgisch-abchasischen Grenzfluss wachsen von Frühling bis Herbst immer kleine und äußerst fruchtbare Inseln. Ein alter abchasischer Bauer und seine Enkelin beginnen, dort Mais anzubauen...
SIMINDIS KUNDZULI sieht auf den ersten Blick nicht wie ein Film aus, der in eine Rubrik „Aktion“ passt. Doch tatsächlich besteht auch dieser Film nur aus Handlung. Gefilmt in traumhaften Cinemascope-Bildern, die Plot lieber links liegen lassen, um ganz in Aktion aufzugehen (wie ALL IS LOST im letzten Jahr, mit nur wenig mehr Dialog). 
Mehr zu diesem Film meinerseits hier.

COLT 45 (Fabrice Du Welz: Frankreich / Belgien 2014)
Ein junger idealistischer Polizist baut in seiner Freizeit gerne Spezialmunition. Er gerät in unangenehme Situationen, als ein Krimineller, der sich als Polizist ausgibt, ihm einen Mord unterjubelt, seine Spezialpatronen für Raubzüge mittels Erpressung abnimmt und ihn dann indirekt dazu zwingt, gegen sich selbst zu ermitteln.
Mit großer Könnerschaft mengt Fabrice Du Welz harte Action, Cop-Thriller und film noir zusammen. Dabei gelingt es ihm, gleichermaßen körperlich wie psychologisch ausgefeilt zu inszenieren, voller Brutalität und Paranoia. Gleich von den ersten Bildern an dominiert eine Atmosphäre des Todes und der absoluten Unsicherheit. Was William Friedkin einst in der letzten Viertelstunde von TO LIVE AND DIE IN L. A. macht, praktiziert Du Welz in Ansätzen schon nach dem ersten Drittel. „Wenn man ein Talent wie das Ihre hat, herrscht man in der Hölle, man dient nicht im Paradies!“, sagt eine Figur zu Beginn des Films. Du Welz ist wahrlich ein teuflischer Choreograf.


Fleisch

GERMAN ANGST (Jörg Buttgereit / Michal Kosakowski / Andreas Marschall: Deutschland 2015)
Ein junges verwahrlostes Mädchen hält einen Mann (ihren Vater?) gefangen... Ein polnisches, taubstummes Pärchen wird von Nazis attackiert und nutzt dann einen mysteriösen Talisman... Ein Mann gerät in einen gefährlichen Fetisch-Geheimbund...
Nicht weniger als die „dämonische Leinwand“ wieder nach Deutschland zu bringen wollten die drei Macher des besten deutschen Filmes des Jahres, und das ist ihnen wahrlich gelungen! Alle drei Teile von GERMAN ANGST sind auf ihre eigene Weise fantastisch.
Jörg Buttgereits „Final Girl“ ist weniger Film als eine assoziative Bilderpoesie des Grauens, geschaffen aus einer Wohnung, einem jungen Mädchen, einem Meerschweinchen und einem gefesselten Mann. Michal Kosakowski hat hingegen etwas gedreht, was ich als politisches Filmessay bezeichnen würde: ein Versuch über Erinnerung, deutsche Verbrechen im 2. Weltkrieg, Schuldverdrängung, Täter-Opfer-Verdrehungen und (aktuelle) politische Gewalt in Deutschland. Die ARD hat wohl einen Film über die NSU gedreht, aber ich denke, dass Kosakowskis „Make A Wish“ wesentlich mehr über dieses Thema zu sagen hat, als es GEZ-gefördertes Polit-Entertainment im Talkshow-Vorlage-Modus je könnte. Dem schmerzhaftesten (Teil-)Film des Jahres folgt das verhältnismäßig konventionellste Segment von GERMAN ANGST: die schauerliche, anbetungswürdig schöne und detailverliebte body-horror-Erzählung „Alraune“ von Andreas Marschall.
Mehr zu GERMAN ANGST meinerseits gibt es hier zu lesen.

WELCOME TO NEW YORK (Abel Ferrara: USA / Frankreich 2014)
Ein in Politik und Finanzwelt bedeutender Mann vergewaltigt ein Zimmermädchen in New York. Infolgedessen wird ein Prozess gegen ihn geführt.
Ein Skandalfilm, der gar keiner ist. Die Verwurstung einer aktuellen Begebenheit, der alles Marktschreierische komplett fehlt. Die Verfilmung der „DSK-Affäre“ als intime Studie über Obsessionen und Zwänge. BAD LIEUTENANT im Katermodus. Selten habe ich einen Film gesehen, der so unvoyeuristisch ist – aber eben auch so gnadenlos in seinen distanzierten Beobachtungen.
Eine Jahrhundertleistung von Gérard Depardieu, der hier so körperlich ist wie nur selten: als schreiendes, stöhnendes, schaufendes, röchelndes, grunzendes Riesenbaby. Nur zu leicht könnte Ferrara seine Hauptfigur der Lächerlichkeit und der moralischen Empörung (auch eine Form der Triebabfuhr) preisgeben. Doch er hat sich für den schwierigen Weg entschieden: einen Menschen zu zeigen, der im Gefängnis seines eigenen Lebensmilieus und seiner klassenbedingten Mentalität steckt. Beobachten und nicht urteilen, ergründen und nicht verdammen, verstehen und nicht verteufeln möchte der Film – ein so schmerzhafter wie fruchtbarer Prozess. So ist WELCOME TO NEW YORK auch ein extrem demokratischer Film: er sagt dem Zuschauer nicht, wie er sich zum Gezeigten verhalten muss, sondern überlässt ihm seiner eigenen, qualvollen Wahl.

THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN (Alfonso Gomez-Rejon: USA 2014)
Ein Serienkiller, der offensichtlich einen historischen Serienkiller nachahmt, beginnt in Texarkana sein blutiges Handwerk zu verrichten. Ein Mädchen, das sich unter anderem gerne die Fingernägel in Türkis färbt, begibt sich auf die Suche... 
THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN präsentiert sich an der Oberfläche wie ein fantasieloses Remake im neunmalklugen Meta-Modus, entpuppt sich aber als äußerst eleganter Neo-Giallo. Thematisch ist er ein typisch US-amerikanischer Slasherfilm, aber in seinem obsessiven Gestaltungswillen, um nicht zu sagen Gestaltungswahn, wirkt er zutiefst italienisch und erinnert entfernt an den 1970er-Giallo der Argento- oder Martino-Tradition: extrem stilisierte, fast psychedelische Farbsetzung, dutch angles, das Alternieren zwischen komplexen Plansequenzen und assoziativen, fast subliminalen Montagen, vermeintliche Point-Of-View-Sequenzen, die die Kamera zur eigenen, tobenden Figur erheben.
Nicht, dass THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN ein schlechter Titel ist, aber ich nenne ihn privat gerne „La ragazza con le unghie in turchese“.

COMPULSION (Egidio Coccimiglio: Kanada 2013)
Eine psychisch labile Frau, die am liebsten eine TV-Köchin wäre, versucht sich mit ihrer Nachbarin, einer magersüchtigen Schriftstellerin, anzufreunden und beginnt sie zu stalken.
COMPULSION ist das Remake eines koreanischen Films, den ich nicht kenne und stammt zwar aus dem Jahr 2013, wurde aber erst 2015 in Deutschland veröffentlicht (direct-to-video). Man könnte den Film als überkandidelt-sleazigen, lesbischen Hagsploitationfilm mit Kannibalenhorror-Elementen bezeichnen, aber das würde ihm wahrscheinlich nicht gerecht werden. Der Film ist voller grotesker Elemente und ist auch immer haarscharf an der Grenze zum Camp: Heather Graham, die sich auf dem gedeckten Esszimmertisch von ihrem Freund lecken lässt, dessen Papagei abschlachtet und brät, in hochhackigen Schuhen durch eine imaginäre Kochsendung stolziert und über die Auswahl und Zubereitung der richtigen Zutaten in einer Manier spricht, die an schweinisches Dirty Talk erinnert. Doch schlussendlich ist COMPULSION vor allem auch ein trauriger Film über Vereinsamung und Entfremdung. Was diese beiden Frauen machen, mag vielleicht teilweise grotesk sein (und oft extrem beunruhigend), aber der Blick des Films auf sie ist von Zärtlichkeit und Mitgefühl geprägt.


Lachmuskeln & Liebe

SHE‘S FUNNY THAT WAY (Peter Bogdanovich: USA / Deutschland 2014)
Ein (eigentlich glücklich verheirateter) Broadway-Schriftsteller bucht eine Prostituierte und gibt ihr ein kleines Vermögen unter der Bedingung, dass sie ihren momentanen Beruf für immer aufgibt. Später bewirbt sie sich als Schauspielerin für sein Stück...
Bogdanovichs neuer Film wurde (leider) als eine Art Schmalspurverschnitt von Woody Allen gesehen. Wie grundfalsch: Allen war schon immer ein Zyniker, während sich Bodganovich als Humanist, fast schon naiver Moralist zeigt. Er kann die Zuschauer zum Lachen bringen, auch ohne seine Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Insofern wünsche ich mir sogar umgekehrt, dass Allen mehr Bogdanovich in seine Arbeit einfließen lassen würde.

BROS BEFORE HOS (Steffen Haars / Flip Van der Kuil: Niederlande 2013)
Zwei Brüder versprechen sich gegenseitig, niemals eine feste Beziehung mit einer Frau einzugehen. Bis der eine sich dann verliebt... in die neue feste Freundin seines Bruders...
Wie einst in den radikalen Satiren NEW KIDS TURBO und NEW KIDS NITRO gelingt es Haars und Van der Kuil, zwei (wenn nicht sogar drei) Filme in einem zu zeigen: eine Parodie auf die romantische Komödie – und eine aufrichtige romantische Komödie (und eine Reflexion über gestörte Frauenbilder). Er sieht Liebe nicht durch eine rosarote Brille, sondern durch die Brille existentieller Absurditäten und stellt das Lustige neben das Vulgäre, das Zotige neben das Zärtliche, bis die Grenzen anfangen, sich aufzulösen. Am Ende eröffnen Haars und Van der Kuil ihren beiden Protagonisten gar einen Ausweg aus ihrer eigenen mentalen Beschränktheit: eine humanistische Wende im Schaffen der beiden holländischen Extrem-Satiriker?

LOVE IS STRANGE (Ira Sachs: USA / Frankreich / Brasilien / Griechenland 2014)
Ben und George heiraten. Nichts wirklich Aufsehenerregendes in den 2010er Jahren, besonders bei zwei älteren Herren, die schon seit über 40 Jahren zusammen leben. Doch George verliert seinen Job in einer katholischen Musikschule und durch dieses Ereignis etwas aus der Bahn geworfen gestaltet sich die Ehe der beiden Männer etwas schwierig.
Trotzdem LOVE IS STRANGE so etwas wie eine Liebeskomödie ist, erscheint er mir außerordentlich „rein“. So absolut selbstverständlich er die Liebe der beiden älteren Männer akzeptiert, so respektvoll ist er gegenüber allen Figuren und gegenüber der Intelligenz des Zuschauers. Nichts wird erklärt, jede einzelne Figur nur über ihre Körperhaltung, ihre Mimik und ihre Aktionen gezeigt. Ellipsen sorgen dafür, dass der Film arm an Plot bleibt und mehr Zeit hat, sich Ben und George und ihren Bekannten zu widmen.


In jedem Traumzuhause ein Herzschmerz...

KREDITIS LIMITI
Die Betreiberin eines Tifliser Imbissladens wird von Gläubigern geplagt und begibt sich auf eine zermürbende Suche nach Geld...
Ein Horrorfilm über eine Frau, die in einer unaufhaltsamen Schicksalsmaschine gefangen ist, erzählt als urbane Komödie. Mehr über diesen formal meisterhaften Debütfilm schrieb ich hier in meinem goEast-Festivalbericht.

THE END OF THE TOUR
Der Rolling-Stone-Reporter David Lipsky interviewt einige Tage lang den berühmten Schriftsteller David Foster Wallace.
Fantastisches Schauspielerkino, in der die Zeit im Dialog fast schon fieberhaft wegfließt. Mehr über diesen tollen Nicht-Biopic schrieb ich in meinem Viennale-Festivalbericht.


Wenden wir uns der dunklen Seite der Medaille zu. Erfreulich ist, dass ich es dieses Jahr nicht schaffe, auf überhaupt 10 Titel zu kommen, sondern nur auf 4 Filme, und einen „Bonusfilm“ in Sachen schwere Enttäuschung.

Flop 2015

LEVIAFAN (Andrej Zvjagincev: Russland 2014)
Böser russischer Staat (heißt: schmierig-fetter Bürgermeister) unterdrückt den armen russischen Arbeiter (heißt: weinerlicher Alkoholiker mit Märtyrer-Fantasien).
Nach diesem Film und nach ELENA werde ich wohl kein Freund dieses sibirischen Regisseurs werden. Nicht einmal zwanzig Minuten braucht es, bis deutlich wird, worauf das ganze hinauslaufen soll, und in den restlichen zwei Stunden formuliert der Film dies bedeutungsschwanger und pompös aus, bestätigt sich selbst salbungsvoll, was er und der Zuschauer schon wussten. Die männerbündische Wodka-Romantik des Films und die Art, wie er Frauen systematisch zu Stichwortgeberinnen oder gar Plot-Verfügungsmasse degradiert sind mir richtig sauer aufgestoßen (wobei letzteres mich etwas an den unerträglichen DAS LEBEN DER ANDEREN erinnerte).
Mehr von mir zu diesem Rezeptionshaltungsbestätigungsfilm hier.

ELSER (Oliver Hirschbiegel: Deutschland 2015)
Werdegang und Folgen eines Attentats auf Hitler.
DER ÖNTERGANG 2, wenn man so will. Eine Hagiographie, die sich vor allem an der Gewalt, die ihre Hauptfigur erleidet, ergötzt.

LOST RIVER (Ryan Gosling: USA 2014)
Wirtschaftskrise, alleinerziehende Mutter, komische Sage, merkwürdiger Fetischclub etc.
Wer einen Film von Nicolas Winding Refn anschauen möchte, sollte lieber das Original nehmen. Dort gibt es wenigstens gekonnt inszenierte und teils sogar originelle Szenen.

IT FOLLOWS (David Robert Mitchell: USA 2014)
Ein Fluch, den sich Teenager beim Sex holen, geht um.
Ich habe wirklich keine Ahnung, warum dieser Film von manchen als Neuerfindung des Horrorfilms gehandelt wurde. Mich hat er angeödet und vor allem in seinen handwerklich perfekten, aber stets absolut sterilen Bildern gar abgestoßen.

Enttäuschung

FRANK (Lenny Abrahamson: UK / Irland / USA 2014)
Jon, ein Möchtegerne-Popstar, schließt sich der Band „Soronprfbs“ an, deren Chef Frank permanent ein Pappkopf trägt.
Ich glaube, mein größtes Problem mit diesem Film ist, dass der Titel HI, IT‘S ME, I‘M JON, AND I‘M HANGING AROUND WITH SOME FREAKY CRAZY GUYS AND ONE OF THEM WEARS A GIANT PAPIER-MÂCHÉ-HEAD ALL THE TIME AND IS CALLED FRANK AND I‘M GOING TO TELL YOU SOMETHING ABOUT ALL THIS besser gepasst hätte. Oder anders ausgedrückt: der Film bequemt sich darin, seine Außenseiterfiguren aus der Perspektive und mit den Augen des Mainstreams zu betrachten. Ob er dies sogar mit seinen Inszenierungsmethoden macht, müsste ich noch einmal prüfen (das wäre vielleicht gar nicht so uninteressant), aber er tut dies auf jeden Fall mit der Figur des Jon. FRANK distanziert sich bewusst von seiner eigenen Titelfigur, er traut sich nicht, sie seinen Zuschauern filterlos (oder böse ausgedrückt: „unzensiert“) zuzumuten. Das ist nicht nur schade, sondern auch ethisch fragwürdig, denn damit führt er Frank zugleich vor, macht ihn zum Freak und zur Witzfigur, mit der man dann aber gefälligst Mitleid zu haben hat, als herauskommt, dass er geistig behindert ist. Da wird er gar zur dramaturgischen Funktion degradiert. Im Finale eröffnet FRANK einen ganz kurzen Blick darauf, was er hätte werden können: in der abgestandenen Bar (wo sich allerdings auch der unerträgliche Jon aufhält) kommt Frank und beginnt mit seiner ehemaligen Band, einen Song zu improvisieren. Für diese etwa zwei Minuten meint man, FRANK würde endlich einmal sich seiner Titelfigur annähern. Diesen Film, den man in den letzten beiden Minuten schemenhaft erkennen kann, hätte ich sehr gerne gesehen. Aber schlussendlich entblösst sich FRANK wieder, als er die letzten Bilder wieder Jon schenkt. So bleibt eine bestenfalls mild-amüsante Komödie mit einer unausstehlichen de-facto-Hauptfigur und einigen sehr unangenehmen „Freak-ploitation“-Elementen.

2015: Ein persönlicher Kanon aus Erstsichtungen


Von den unerfreulichsten nun zu den erfreulichsten Filmen und zu meinem persönlichen Jahreskanon 2015. In den letzten Jahren listete ich immer 52 Filme (für jede Woche quasi einen). Dieses Jahr sind es etwas weniger, nämlich 45. Wer den Verlust der sieben Filme nicht verkraften kann, sei auf die anschließende, speziell für diesen Jahresrückblick neu entwickelte Rubrik „Wiedersehen macht Freude“ verwiesen.

1 FOR FOR FAKE (Orson Welles: Frankreich / Iran / Bundesrepublik Deutschland 1973)
Um einen experimentell-avantgardistischen Film zu drehen, der gleichzeitig derartig locker, beschwingt, von Lebensfreude durchdrungen ist, muss man wahrlich ein großer Meister sein. Wie eine entspannte Plauderei in einem Café, allerdings mit fantastisch verschlungener Bild- und Tonmontage.

2 LA SEMANA DEL ASESINO (Eloy de la Iglesia: Spanien 1973)
Der Slasherfilm als doppelbödige Faschismus- und Konsum-Satire. Mehr von mir zu diesem außergewöhnlichen Film hier.

3 MAD MAX 2 (George Miller: Australien 1981)
Faszinierend in seiner merkwürdigen Abstraktion: die erste Hälfte ist ein Actionfilm auf Beobachterposten. Ein Protagonist, der andere Figuren dabei beobachtet, wie sie Sachen machen: nicht aus Voyeurismus, sondern weil er einfach nur Benzin möchte, um weiterzufahren. Insofern erzählt MAD MAX 2 gewissermassen vom zeitweiligen Stillstand der Titelfigur mit den Mitteln der puren Bewegung...

4 BRICHA EL HASHEMESH / ESCAPE TO THE SUN (Menahem Golan: Israel / Frankreich / Bundesrepublik Deutschland 1972)
1. Hier ein Ausschnitt aus einem Festivalbericht, der leider nicht veröffentlicht wurde (einen in diesem Blog veröffentlichten findet man hier) und den ich hier etwas ausführlicher zitiere, weil ich mangels Sichtungsmöglichkeiten leider wohl nicht so schnell wieder über diesen Film schreiben werde:
„BRICHA EL HASHEMESH ist ein Film, der jegliche Vorstellungen über gutes oder schlechtes Filmemachen, über guten und schlechten Geschmack zerstört und der gängige Ideen darüber, wie man eigentlich „ernsthafte“ Themen inszenieren sollte, wuchtig beiseite wischt (nach dessen Sichtung konnte man sich fragen, wie SCHINDLER‘S LIST von Menahem Golan inszeniert wohl ausgesehen hätte). Wer sich auf BRICHA EL HASHEMESH einlässt, findet kein Zurück mehr und wird vielleicht sogar sein cineastisches Weltbild erschüttert sehen. [...]
Antisemitismus in der Sowjetunion der 1960er und 1970er Jahre: Golan hat sich eines durchaus ernsthaften Themas angenommen. Was er daraus gemacht hat, lässt aber Hirne schmelzen, Augen platzen und Herzen in Unterhosen rutschen. BRICHA EL HASHEMESH ist überhitzte polemische Agitation, manisches Melodrama, naiv-sensationalistischer Abenteuertrash und sadomasochistische Passionsgeschichte in einem. Ein Film, der sich immer wieder genüsslich in purem Sleaze, hemmungslos pathetischem Kitsch und inszenatorischen Spielereien suhlt, nur um dann zwischendurch in langen Expositionsdialogen zu schnarchen [...].
Menahem Golan war definitiv ein Verrückter, ein Durchgeknallter, aber einer von den Guten, die die Welt besser machen. Für Filme wie BRICHA EL HASHEMESH wurde das Kino erfunden.“
2. Beim Liebster-Award sagte ich, dass ich nicht als Produzent tätig sein möchte. Ich korrigiere: ich würde gerne eine Zeitreise machen, Steven Spielberg das Projekt SCHINDLER‘S LIST wegnehmen, vorher noch Cannon Films vor dem Ruin retten und Menahem Golan SCHINDLER‘S LIST als Cannon-Produktion inszenieren lassen. Das Resultat wäre trashiger, sleaziger, durchgeknallter und (noch?) perverser als Spielbergs Film und würde wohl bis heute als peinliche Geschmacklosigkeit und cineastische Entgleisung gelten. Aber er wäre wohl auch ehrlicher, mutiger, offener, ambivalenter, erkenntnisreicher und wahrscheinlich auch schmerzhafter und authentisch emotionaler...
3. Ich glaube nicht, dass ich diesen Film wirklich „verdaut“ habe. Es ist eher so, dass er weiterhin an mir rumnagt.

5 ARTIFICIAL INTELLIGENCE: AI (Steven Spielberg: USA 2001)
À propos Filme, die an mir rumnagen...
Steven Spielberg und Stanley Kubrick: was hätten die beiden zusammen noch für Filme machen können. In jeglicher Hinsicht haben sie sich nicht nur ergänzt, sondern ihre oft konträren Eigenschaften auch noch verstärkt (im Negativfall hätten sie sich neutralisiert): Spielberg‘scher Kitsch wird durch Kubrick‘sche Analyse in ungeahnte emotionale Höhen getrieben, Kubrick‘sche Analyse wird durch Spielberg‘schen Kitsch zu erschreckenden Erkenntnissen getrieben.
Das wird besonders in der Schluss-Szene deutlich, als ein schwer traumatisierter Roboter in einem Kinderkörper seine lebenslange ödipale Fantasie endlich auslebt, indem er mit einem digitalen Klon seiner Adoptivmutter ins Bett geht und damit nicht nur die Menschheit, sondern auch jegliche Erinnerung an die Menschheit auslöscht. Ein perfides „unhappy happy ending“, auf den Jonathan Rosenbaum hinwies. Rosenbaum selbst fand den Film wohl nicht weniger verstörend als ich und weiß wohl auch nicht so recht, wie er damit umgehen sollte...

6 BIGGER THAN LIFE (Nicholas Ray: USA 1956)
Ray gelingt hier nicht nur eine bitterböse Satire über pervertierte Familienwerte, sondern hat auch einen der größten Psychopathen-Filme (über einen Mann, der seine Hypermännlichkeitsfantasien gewaltsam auslebt) – kaum zu glauben, dass ein Werk von einer solchen emotionalen Gewalt im Hollywood der 1950er Jahre entstanden ist. Auch einer der größten Cinemascope-Filme überhaupt.

7 HUSTLE (Robert Aldrich: USA 1975)
Es gibt in HUSTLE einen kleinen Moment, wo Phil Gaines beschlagnahmtes Geld abzählt, dann zu einem Rom-Kalender schaut. Er wollte immer schon mit einer geliebten Nicole nach Rom. Und schaut auf das Geld, überlegt sichtlich, ob er ein bisschen davon „abzweigen“ soll. Und zählt dann sichtlich desillusioniert weiter (jetzt, wo ich das schreibe, weiß ich tatsächlich nicht, ob das wirklich in dem Film ist). HUSTLE, den Oliver Nöding als Robert Aldrichs „deprimierendsten Film“ bezeichnete, ist voller solcher „kleiner“ großer Momente. Ein unterschätzter Film von einem der unterschätztesten und größten Regisseure aller Zeiten!

8 THE TRAGEDY OF OTHELLO: THE MOOR OF VENICE (Orson Welles: USA / Italien / Marokko / Frankreich 1952)
„Movies should be rough“, sagte Orson Welles einmal. Eigentlich kaum zu glauben, dass ein Film mit einer solchen Bild- und Tonmontage von 1952 ist: als solcher könnte man ihn als Vorläufer von F FOR FAKE sehen.

9 LORENZO‘S OIL (George Miller: USA 1992)
Jonathan Rosenbaum schrieb einmal einen ausführlichen Artikel mit dem Titel „Mise en scène as miracle in Dreyer‘s ORDET“. Den gleichen Artikel würde ich gerne über LORENZO‘S OIL lesen, denn tatsächlich inszeniert Miller am Ende von LORENZO‘S OIL nichts anderes als ein Wunder. Ich (als Atheist) wüsste spontan auch keinen anderen Film, der Wissenschaft und Glauben so überzeugend versöhnt. Nein, noch radikaler: sie überhaupt nicht als Gegensätze begreift, sondern als potentielle komplementäre Elemente.

10 CANNIBAL HOLOCAUST (Ruggero Deodato: Italien 1980)
Mit SALÒ versprach Pasolini, den vielleicht ultimativen Film über Faschismus und menschliche Niedertracht zu drehen. Ein Versprechen, das nur teilweise eingehalten wurde. CANNIBAL HOLOCAUST ist dieser Film. Ein „Endpunkt-Film“ in jeglicher Hinsicht, bei dem ich mich frage, ob Elem Klimov ihn für seinen eigenen „Endpunkt-Film“ IDI I SMOTRI als Inspiration sah?

11 CRUISING (William Friedkin: USA / Bundesrepublik Deutschland 1980)
Ein Film über Selbstaufgabe, der sich irgendwann im letzten Drittel sogar selbst aufgibt, sich fast auflöst...

12 YUKCHEUI YAKSOK / PROMISE OF THE FLESH (Kim Ki-young: Republik Korea 1975)
Ich weiß nicht mehr, wer Roger Fritz‘ MÄDCHEN: MIT GEWALT als „Rape Culture: der Film“ bezeichnete, aber dieser schockierende Titel hat sich YUKCHEUI YAKSOK eher verdient. Eine Frau wird wiederholt von Männern ausgetrickst und vergewaltigt, bis sie eines Tages durchdreht und einen Angreifer in Notwehr tötet. Doch selbst als Gefangene, die Freigang hat, um das Grab der Mutter zu besuchen, ist sie nicht gefeit vor sexuellen Angriffen, wenn die Wärterin, die sie begleitet, sie einem jungen Passagier zum Frass vorwirft. Das Fürchterliche: mittlerweile hat sie ihr Schicksal akzeptiert und gibt sich in einem perversen Stockholm-Syndrom-Twist dem ganzen hin.
Kim Ki-young ist der transgressive koreanische auteur par excellence, doch einen schockierenderen Film als YUKCHEUI YAKSOK habe ich von ihm bislang noch nicht gesehen.

13 ENGEL, DIE IHRE FLÜGEL VERBRENNEN (Zbyněk Brynych: Bundesrepublik Deutschland 1980)
Ein toller Hotelfilm über die Beschissenheit, jung in einer Welt voller alter Menschen zu sein, die sich im Zweifelsfall gar zu Lynchmobs zusammenrotten.

14 UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ (Romano Scavolini: Italien 1972)
Es gibt wohl nur wenige Filme, bei denen wirklich jede auftretende Figur stirbt. Und das, nachdem alle sich in einer wilden Feier selbst entblösst haben. Und diese Musik!

15 MURDER BY CONTRACT (Irving Lerner: USA 1958)
Ein Profikiller stolziert durch die Welt, als hätte er den Begriff „Coolness“ erfunden, und bricht umso krachender zusammen, nachdem er sein neues Opfer kennenlernt. Der Prototyp des „coolen“ Profikillerfilms und zugleich schon seine Dekonstruktion.

16 HEIMAT: HERMÄNNCHEN, 1955/56 (Edgar Reitz: Bundesrepublik Deutschland 1984)
Der grausame Faschismus, die absolute Niedertracht, die ätherische Zärtlichkeit, die tiefe Traurigkeit, die (un)gezügelten Gefühlsausbrüche, die Reitz‘ HEIMAT ausmachen, finden in dieser fast 140-minütigen Episode (die am besten als „unabhängiger Film“ funktionieren könnte und praktisch so konzipiert ist) ihren Glanzpunkt.

17 BABE: PIG IN THE CITY (George Miller: Australien 1998)
Ein kleines Schwein auf der Suche nach Erlösung und Vergebung. Ausführlicheres dazu von mir in meinem Viennale-Festivalbericht.

18 CONFESSIONS OF AN OPIUM EATER (Albert Zugsmith: USA 1962)
Einer der Einträge in Jonathan Rosenbaums alternativer Liste der besten 100 US-amerikanischen Filme. Vincent Price stolpert darin durch ein Gebäude, das wie eine riesige surrealistische Installation wirkt. Zwischendurch stolpert er raus in der wohl merkwürdigsten Slow-Motion-Szene, die je gedreht wurde.

19 BLOW OUT (Brian De Palma: USA 1981)
Hören, sehen, schreien, töten.

20 HISTOIRES EXTRAORDINAIRES: TOBY DAMMIT (Federico Fellini: Italien / Frankreich 1968)
Entfaltet besonders nach den schnarchigen Episoden Vadims und Malles seine ganze unbändige Energie. 

21 THE OUTLAW (Howard Hughes / Howard Hawks: USA 1943)
Jane Russells Busen sorgte für einen Riesenskandal. Nach der Sichtung des Films kann ich nur vermuten, dass Hughes ihn als Ablenkung für das Hays-Office benutzte. 62 Jahre vor BROKEBACK MOUNTAIN (und 11 Jahre vor dem subtextual lesbischen JOHNNY GUITAR) hat Hughes einen Western über eine homosexuelle ménage-à-trois gedreht. Ein Film voller lustvoller männlicher Blicke auf männliche Lustobjekte. Das Hollywood der 1940er Jahre ist voller Überraschungen.

22 DREILEBEN – ETWAS BESSERES ALS DEN TOD (Christian Petzold: Deutschland 2011)
Der Titel ist Programm: statt Tod gibt es eine stürmische Liebe, die dennoch vom nahenden Tod überschattet wird.

23 BAD TIMING (Nicolas Roeg: UK 1980)
Puh... verstörend... und verunsichernd...

24 PRAXIS DR. HASENBEIN (Helge Schneider: Deutschland 1997)
Eine Perle des abseitigen, anderen Kinos. Schneider schafft ein kleines Universum voller kleiner, lebendiger Details, in dem der Alltag das Absurde und das Absurde Alltag sind. Sein Blick auf Arbeitsroutinen, Trivialitäten, Feierabendentspannung und Spaziergänge ist voller Zärtlichkeit geprägt. Der wiederholte Besuch im Krämerladen ist die schönste filmische Huldigung eines kleinen Alltagsrituals, die ich bislang sehen durfte.

25 THE DAMNED (Joseph Losey: UK 1963)
Wie eine Vorlage zu Kubricks DR. STRANGELOVE und A CLOCKWORK ORANGE, aber gewissermassen radikaler: was sind schon die Umtriebe eines selbstverliebten Straßenschlägers, wenn „respektable“ Militärs und Beamte kleine Kinder als Geiseln festhalten.

26 EVENT HORIZON (Paul W. S. Anderson: UK / USA 1997)
In Provokationslaune würde ich ihn den besseren ALIEN nennen.

27 SEIJU GAKUEN / SCHOOL OF THE HOLY BEAST (Suzuki Noribumi: Japan 1974)
Auch ein Dario Argento kann mal von einem japanischen Nunsploitation-Film inspiriert werden.

27 SNIPER (Luis Llosa: USA / Peru 1993)
Südamerikanischer Söldner-Actioner als intime Reise ins eigene Ich.

28 12 ANGRY MEN (William Friedkin: USA 1997)
Wo Sidney Lumet ein moralisches Lehrstück in Sachen gelebter Demokratie inszenierte, dreht William Friedkin einen Film über existentielle Verunsicherung, über die Erkenntnis, dass es im Leben keine Sicherheiten gibt – überhaupt keine. Das letzte Bild gehört konsequenterweise einem alten müden Mann, dem man zutrauen könnte, aus dem nächsten Fenster zu springen.

29 X312: FLUG ZUR HÖLLE (Jess Franco: Bundesrepublik Deutschland / Spanien 1971)
Oder wie ein „straighter“ Actionfilm von Jess Franco aussieht. Mehr von mir hier.

30 IT‘S A GIFT (Hugh Fray: USA 1923)
Der australische Stummfilmkomiker Snub Pollard startet mit einer Art Rip-Off von Buster Keatons THE SCARECROW: ein Haus voller platzsparender Gadgets, die nach dem Aufwachen das Leben erleichtern. Mit einem riesigen Magneten in der Hand hängt er sich in einem kleinen Gefährt sitzend dann auf der Straße an vorbeifahrenden Autos heran, und fliegt dann irgendwann sogar weg (metaphorisch und wörtlich).

31 NOT WANTED (Elmer Clifton / Ida Lupino: USA 1949)
Unterdrückte Frauen holen sich das zurück, was ihnen gehört, die Erste. Mehr zu diesem seltenen Film hier in meinem Viennale-Festivalbericht.

32 TAGEBUCH EINER VERLORENEN (Georg Wilhelm Pabst: Deutschland/Weimarer Republik 1929)
Unterdrückte Frauen holen sich das zurück, was ihnen gehört, die Zweite. Vergewaltigt, verstoßen, verschmäht und in die Prostitution getrieben holt Louise Brooks aus, um ihren Peinigern ihre Heuchelei um die Ohren zu schlagen. Nebenbei enthält der Film eine Sequenz, die man wohl als Vorläufer von Women-in-Prison-Exploitation zählen kann. Und eine unvergessliche Louise Brooks (was alle mit der Dietrich haben?).

33 MS. 45 (Abel Ferrara: USA 1981)
Unterdrückte Frauen holen sich das zurück, was ihnen gehört, die Dritte. Und Gewalttätigste. Und Ambivalenteste. Diese schönen Rehaugen, dieser grausame, schweigsame Mund...

34 THE FROZEN NORTH (Buster Keaton, Edward F. Cline: USA 1922)
Mordlust und Lustmorde... Buster Keaton schleicht sich durch den surrealistischsten seiner Filme auf der Suche nach ein bisschen mehr „ultra-violence“. Hemmungslos raubt er Leute aus, vergewaltigt, mordet, nachdem er sich vorher noch mit ein paar Drogen (namentlich einem Schluck aus einer Cola-Flasche) aufgegeilt hat. Und verbeugt sich dabei auch noch vor dem Mann, den man zu hassen liebt.
Keaton hatte natürlich immer eine morbide Seite, eine Faszination für das Düstere (man denke nur an das ultrasarkastische Ende von COLLEGE oder das fatalistische Finale von COPS). Hier, in diesem filmischen Alptraum, diesem Strudel aus Irrsinn und Gewalt, den man unter Umständen auch als den ersten „Acid Western“ überhaupt bezeichnen könnte, finden Keatons morbide Fantasien ihren unvergesslichen, grausamen und schockierenden Höhepunkt.

35 HALLOWEEN III: SEASON OF THE WITCH (Tommy Lee Wallace: USA 1982)
Ein Film, der eindrücklich zeigt, dass kommerziell ausgeschlachtete Feste etwas Gruseliges haben – und bizarr aufgeräumte Suburbia-Siedlungen ebenso.

36 DOTTIE GETS SPANKED (Todd Haynes: USA 1993)
„Coney Island Baby“, der zärtlich-bittersüße Song aus dem gleichnamigen Album von Lou Reed, der von dem schmerzhaften Prozess des coming out erzählt, ist mir bei der Sichtung dieses Films eingefallen. Ein kleiner TV-Film über einen Jungen, der einfach nur mal seine liebste Fernsehmoderatorin kennen lernen möchte und dabei schon unfreiwillig Geschlechterrollen hinterfragt.

37 STEPFATHER, die Trilogie
THE STEPFATHER (Joseph Ruben: UK 1987)
STEPFATHER II (Jeff Burr: UK / USA 1989)
STEPFATHER III (Guy Magar: UK / USA 1992)
Nach der Sichtung aller drei Filme würde ich sie tatsächlich als Gesamtkunstwerk mit Einheitscharakter sehen, trotz Variationen. Jetzt, einige Wochen später, vermischen sich die Motive der drei Filme zu einer Einheit. Natürlich: der erste Teil zeigt einen Zustand, der zweite Teil eine Entwicklung und der dritte fasst alles noch einmal konzentriert zusammen. Ich habe sie weniger als wirkliche Slasherfilme denn viel eher als potentielles Sequel zu Nicholas Rays BIGGER THAN LIFE verstanden (falls Ed Avery am Ende seine Familie wirklich ermordet hätte). Ein großer, dreiteiliger Film über sekundäre Familientugenden, die nur dann einen Wert haben, wenn sie eine menschliche Basis haben (und ansonsten zum Alptraum werden).

38 UNSTOPPABLE (Tony Scott: USA 2010)
Zwei Typen retten den Tag, weil sie es tun können und es einfach tun müssen. Tony Scotts und Denzel Washingtons letzter großer „Sieg über das Unvermeidliche“.

39 LAS ACACIAS (Pablo Giorgelli: Argentinien / Spanien 2011)
Die Reise des Truckers Rubén, der alleinerziehenden Mutter Jacinta und ihrer kleinen Tochter Anahí ist ruhiger und weniger aufregend als Franks und Wills Zugreise, doch sie ist nicht weniger emotional. Am Schluss wird kein Tag gerettet (weil es keinen Bedarf gibt), aber doch der Keim einer potentiellen Freundschaft (und vielleicht mehr) gelegt.

40 THE BLOOD OF HEROES (David Webb Peoples: Australien / USA 1989)
Ein wunderschöner MAD-MAX-2-Ripoff. Trotz seiner leicht fernsehartigen Ästhetik (das Format 1.33:1 trägt ein wenig dazu bei) ist es ein wunderbar konzentrierter Film, der seinen Figuren (postapokalyptische Gladiatoren) erlaubt, sich vollkommen über ihre Handlungen zu definieren (und darauf verzichtet, die Regeln des Spiels zu erklären).

41 ČOVEK I ZVER (Edwin Zbonek: Jugoslawien / Bundesrepublik Deutschland 1963)
Mensch und Bestie, oder Kain und Abel durch die Brille der „Schwarzen Welle“. Mehr von mir dazu in meinem goEast-Festivalbericht.

42 THE KID BROTHER (Ted Wilde, J. A. Howe, Harold Lloyd, Lewis Milestone: USA 1927)
Am beeindruckendsten ist sicherlich die Lust und Selbstverständlichkeit, mit der besonders in den Außenszenen die Kamera bewegt wird. Siehe besonders die Kransequenz, als Harold immer höher an einem Baum hochklettert, um die eben getroffene junge Frau noch Sachen zuzurufen.

43 UND SOWAS NENNT SICH LEBEN (Géza von Radványi: Bundesrepublik Deutschland 1961)
Ein Becher voller Säure in das Gesicht von Papas Kino ein Jahr vor dem Oberhausener Manifest: voller Jugendlicher, die sich saufend, feiernd und vögelnd ins Leben stürzen und die von ihren Vätern, die dasselbe im Verborgenen machen, dafür heuchlerisch gerügt werden. 11 Jahre vor Michael Winners THE MECHANIC diese schockierende Szene, in der ein junger Mann in aller Seelenruhe dem Selbstmord seiner Freundin beiwohnt.

44 CHANGELING (Clint Eastwood: USA 2008)
Man ist doch von Fetzen aus den Boulevardmedien geprägt und so hätte ich nicht erwartet, dass Angelina Jolie eine so tolle Schauspielerin ist. Außerdem weiß ich nicht, was alle mit MYSTIC RIVER und GRAN TORINO haben...

45 HEREAFTER (Clint Eastwood: USA 2010)
...deshalb setze ich den jetzt auch auf die Liste. Ein Film, der in den Untiefen von New-Age-Kitsch fischen könnte, was Eastwood mit seiner klassischen, ruhigen, nüchternen und unsentimentalen Regie gekonnt verhindert.


Wiedersehen macht Freude


1 RIO BRAVO (Howard Hawks: USA 1959)
etwa 7., 8. oder vielleicht 9. Sichtung; zum ersten Mal seit mehreren Jahren
Faszinierend: ein Film, der in so vielerlei Hinsicht nicht funktionieren kann – und der dank Hawks‘ makelloser Inszenierung dennoch perfekt und absolut makellos ist, ohne dabei gezwungen zu sein. Grandiose Filmkunst!

2 HATARI! (Howard Hawks: USA 1962)
Sichtungszahl auch kurz vor zweistellig, noch ein Tick länger nicht mehr gesehen
Man muss schon ein absoluter Großmeister sein, um im Urlaub einfach mal so nebenbei ein Meisterwerk zu drehen. Bemerkenswert, wie mit Ausnahme vielleicht der letzten 10 Minuten der Film vollständig plotfrei ist. Da ist nur eine Handvoll Leute, die in der Safari arbeiten und sich Abends dann entspannen.

Bei (kontrafaktischen) Erstsichtungen in diesem Jahr wären die beiden Filme wohl direkt in der Top-10 meines Kanons gelandet. Ich muss mich mehr mit Hawks beschäftigen!

3 UNFORGIVEN (Clint Eastwood: USA 1992)
dritte oder vierte Sichtung, ich glaube nach über 10 Jahren Pause
Von den vier großen Eastwood-Westerns hatte ich zu diesem stets die größte Distanz und es nie geschafft, wirklich reinzufinden. Das ist mir jetzt endlich gelungen. Gehört nun definitiv zu meiner Eastwood-Top-10.

4 HELLRAISER (Clive Barker: UK 1987)
zweite Sichtung, erste vollständige Sichtung nach einer massakrierten Fassung im TV vor vielen Jahren (noch in der Schulzeit)
Auf solche Weise hat Ingmar Bergman niemals Entfremdung in der Ehe inszeniert.

5 LE JOUR SE LÈVE (Marcel Carné: Frankreich 1939)
zweite Sichtung nach einer unerfreulichen Erstsichtung Anfang 2013...
...wo ich den Film als bestenfalls mittelmäßig bezeichnet hätte, besonders im Vergleich zu LE QUAI DES BRUMES. Beängstigend, wie sehr Tagesform offenbar die Filmrezeption beeinflussen kann.


(Keine) Retrospektiven (fertig)


Ich habe es dieses Jahr nicht geschafft, abgesehen von einem Grenzfall, eine richtige abgeschlossene oder bestenfalls substantielle Retrospektive zu organisieren.

Kubrick von A bis Z
Der von einem guten Freund (meinem Gastgeber bei der Viennale) inspirierte Plan, mir alle Filme von Stanley Kubrick in kurzer Zeit anzuschauen und dabei auch Lücken (SPARTACUS, EYES WIDE SHUT) zu schließen, versandete komplett – bis auf eine Neusichtung von 2001: A SPACE ODYSSEY, die aufgrund meiner spätabendlichen Müdigkeit eher unglücklich verlief. Ein Projekt, das nun vielleicht 2016 doch noch aufgegriffen wird.

Paul W. S. - Der große Ästhet unter den Andersons
Paul W. S. Anderson ist so etwas wie der Prügelknabe für Leute, die mal einen Prügelknabenersatz für Michael Bay brauchen – meiner Meinung nach aber tatsächlich wesentlich interessanter als seine Namensvetter Paul Thomas oder Wes. Nach der Entdeckung von POMPEII im letzten Jahr wollte ich dieses Jahr tiefer in das Werk des vielgeschmähten Briten eintauchen. Doch auch hier versandete der Plan einer umfassenden Retrospektive, zumal ohne die RESIDENT EVIL-Filme (deren letzten beiden Beiträge wohl auf singuläre Weise abstrakt-expressionistische Tableaus erschaffen und dem Mainstream-Kino Experimentelles einhauchen).

gesehen (in Präferenz-Reihenfolge):
EVENT HORIZON
THE THREE MUSKETEERS
AVP: ALIEN VS. PREDATOR
DEATH RACE

Unersättliche Gier nach neuen Bildern: Orson Welles
Anlässlich des 100. Geburtstag Welles‘ und auch aufgrund der guten Erinnerung an Manfreds Artikel zu TOO MUCH JOHNSON begann ich eine kleine Retrospektive zum Regiewerk des Hollywood-Außenseiters... und blieb leider auf der Mitte des Wegs stecken. Denn was ist schon eine Welles-Retrospektive ohne THE MAGNIFICENT AMBERSONS und MACBETH. Und einer Neusichtung von CITIZEN KANE oder THE LADY FROM SHANGHAI.

gesehen (in Präferenz-Reihenfolge):
F FOR FAKE
OTHELLO
UNE HISTOIRE IMMORTELLE
TOUCH OF EVIL (zweite Sichtung)
FILMING OTHELLO
THE FOUNTAIN OF YOUTH
CHIMES AT MIDNIGHT

auteur down under: George Miller
Nach der Sichtung von MAD MAX: FURY ROAD im Kino wollte ich unbedingt die ersten drei Filme um Max Rockatansky nachholen. Und spätestens nach MAD MAX 2 alles verschlingen, was George Miller sonst noch gedreht hat. Was mir zumindest halbwegs gelungen ist, auch wenn ich TWILIGHT ZONE, HAPPY FEET 2 und die Doku zum australischen Film noch vermisse...

gesehen (in Präferenz-Reihenfolge):
MAD MAX 2 (2 Sichtungen)
LORENZO‘S OIL
MAD MAX: FURY ROAD (2 Sichtungen)
BABE: PIG IN THE CITY
MAD MAX (2 Sichtungen)
HAPPY FEET
MAD MAX BEYOND THUNDERDOME (2 Sichtungen)

Mehr Überlegungen von mir zu George Miller in meiner Besprechung von BABE: PIG IN THE CITY hier.

Double Features, 2015 ausprobiert und für gut befunden


Die Sleaze-Safari
NANA (Mac Ahlberg: Schweden / Frankreich 1970)
EVA NERA (Joe D‘Amato: Italien 1976)

Räuber und Gendarmen
MURDER BY CONTRACT (Irving Lerner: USA 1958)
HUSTLE (Robert Aldrich: USA 1975)

Familienzoff und andere Heiterkeiten (kuratiert von arte)
GRUPPO DI FAMIGLIA IN UN INTERNO (Luchino Visconti: Italien / Frankreich 1974)
GO GO TALES (Abel Ferrara: Italien / USA 2007)

Tod im Nirgendwo
GERRY (Gus Van Sant: USA / Argentinien / Jordanien 2002)
DARK STAR (John Carpenter: USA 1974)

noir, plus noir, le plus noir (zu empfehlen im Sommer bei mindestens 35 Grad)
LE QUAI DES BRUMES (Marcel Carné: Frankreich 1938)
BODY HEAT (Lawrence Kasdan: USA 1981)

down under postapokalyptisch
THE BLOOD OF HEROES (David Webb Peoples: Australien / USA 1989)
MAD MAX BEYOND THUNDERDOME (George Miller, George Ogilvie: Australien 1985)

Proletarisch den Tag retten
UNSTOPPABLE (Tony Scott: USA 2010)
BEVERLY HILLS COP (Martin Brest: USA 1984)

So, genug zurückgeblickt! 2016 wird ein spannendes Filmjahr. Und falls nicht, gibt es immer noch 120 Jahre Kinogeschichte zu erforschen...

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Tödliche Weihnachten

YOU BETTER WATCH OUT aka CHRISTMAS EVIL aka TERROR IN TOYLAND
USA 1980
Regie: Lewis Jackson
Darsteller: Brandon Maggart (Harry), Jeffrey DeMunn (Philip), Dianne Hull (Jackie)


Es ist Weihnachten im Jahre 1947. Die beiden kleinen Kinder Harry und Philip sitzen auf der Treppe mit ihrer Mutter und warten auf den Weihnachtsmann. Der schlüpft tatsächlich durch den Kamin, nimmt sich einen Schluck von der Bowle, die extra für ihn hingestellt wurde und legt die Geschenke unter den Baum. Später in der Nacht liegen Harry und Philip im gemeinsamen Schlafzimmer im Bett. Philip meint, dass der Weihnachtsmann Papa war, was Harry zornig ablehnt. Letzterer schleicht sich aus dem Bett ins Wohnzimmer und überrascht den Weihnachtsmann (nun ja, eigentlich seinen Vater), der gerade in einem anregenden Vorspiel mit der Mutter vertieft ist – was Klein-Harry so sehr verstört, dass er wieder nach oben rennt und nach dem guten alten Rezept Charles Foster Kanes eine Schneekugel zerstört (und sich dann mit einer Scherbe Schnitte in der Hand zufügt).

In der Jetztzeit geht es Harry wieder besser – mehr oder weniger. Sein Kindheitstrauma hat er mit einer extremen Weihnachtsobsession verarbeitet und seine Wohnung komplett mit Weihnachts-Kitschregalien eingerichtet. Harry schläft nicht in einem Pyjama, sondern in einem Weihnachtsmannkostüm. Er hat keinen Kalender, sondern eine Schiefertafel, die anzeigt, wie viele Tage bis Weihnachten noch bleiben. Seine Freizeit verbringt er gerne damit, die Kinder aus der Nachbarschaft mit einem Fernglas zu stalken, um dann in zwei verschiedenen dicken Büchern Eintragungen vorzunehmen: die guten Kinder bekommen „Bienchen“ im „Good Boys & Girls“-Band, die schlechten Kinder (etwa Jungs, die sich für Nacktmodelle in Schmuddelheftchen interessieren) werden hingegen im „Bad Boys & Girls“-Buch verewigt.

Vom Weihnachtstrauma zum Weihnachtsfetisch
und Voyeurismus
Seinen besonderen Lebensstil finanziert Harry mit einer passenden Arbeit: er ist in einer Spielzeugfabrik angestellt und geht dort seinen Kollegen auf die Nerven, in dem er sie immer wieder dazu ermahnt, sich für die Qualität der Erzeugnisse ins Zeug zu legen – zum Wohl der Kinder. Dafür bekommt er gelegentlich von einflussreicheren Arbeitskollegen Nacht- und Wochenendschichten zugeteilt.
Vielleicht ist dies der Grund, weshalb er die Thanksgiving-Einladung seines Bruders Philip ablehnt, der im Gegensatz zu ihm eine Familie gegründet hat (und der seinen älteren Bruder trotz Mahnungen seiner toleranten Ehefrau Jackie für einen Versager hält). Oder vielleicht war Harry nur davon angewidert, dass Philip mit seiner Angetrauten Sex im Wohnzimmer hatte (was Harry, der zufällig vorbei spazierte, beobachtete – oder sich vielleicht nur einbildete?). Oder vielleicht ist Harry einfach zu aufgeregt und gestresst, weil Weihnachten vor der Tür steht und er als selbsternannter Weihnachtsmann bald viel zu tun haben wird.

So muss er zunächst sein Kostüm nähen, seinen weißen Bart vorbereiten und... aber was ist mit Geschenken? Die nimmt sich Harry einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an seinem Arbeitsplatz. Ein Werbespot seiner Firma hat schließlich die Spende von Spielzeugen an eine Klinik für behinderte Kinder versprochen. Doch bei einer Weihnachtsfeier des Betriebs hat Harry erfahren, dass dies nur ein reiner Image-Spot war. Der selbsternannte Weihnachtsmann weiß sogleich, wen er als erstes beschenken muss. Mit den geklauten Spielzeugen eilt er zur Klinik, wo er völlig verdutzten Angestellten eine ganze Kleinlasterladung an Spielzeugen übergibt. Die ganze Aktion hat er natürlich als Weihnachtsmann verkleidet ausgeführt.

Später will Harry den fiesen Marketing-Angestellten der Firma nach einer Weihnachtspredigt zur Rede stellen. Das geht schief, weil einige Kirchenbesucher sich über seine Aufmachung lustig machen und er gezwungen ist, drei von ihnen mit einem Spielzeugsoldaten und einer Spielzeugaxt zu töten. Nach dem Blutbad gerät Harry in die Weihnachtsfeier einer Familien-Assoziation, wo er nolens volens fröhlich tanzt und dann die anwesenden Kinder dazu ermahnt, brav zu sein, bei Nichtbefolgen dieser Anweisung allerdings Schlimmstes androht (letzteres verunsichert auch eine der erwachsenen Feiernden). Nach der Party besucht Harry dann noch seinen vorlauten Arbeitskollegen, der ihm immer wieder Nacht- und Wochenendschichten zugeschoben hat und verteilt wieder Geschenke: den Kindern des Kollegen legt er Päckchen unter den Weihnachtsbaum, den Kollegen selbst ermordet er im Schlaf, indem er ihn zunächst mit dem Geschenkesack zu ersticken versucht und ihm dann mit einem Dekostern die Kehle aufschlitzt.

Harry auf Weihnachtstour und vom Lynchmob verfolgt
Sein Bruder und seine Schwägerin machen sich Sorgen
Am Tag nach Heiligabend sind Harrys Blutbäder öffentlich geworden. Die Polizei warnt alle Bürger vor Leuten, die als Weihnachtsmänner gekleidet sind – was aufgrund unzähliger Denunziationen eine Massenverhaftung von Weihnachtsmännern nach sich zieht und im Kreise besorgter Kleinbürger gar zu einer hysterischen Lynch-Atmosphäre führt. Als Harry am Weihnachtsabend wieder durch die Gegend zieht, wird er von besorgten Eltern angegriffen: diese verwandeln sich in einen zornigen Mob im Blutrausch und verfolgen mit offensichtlichen Lynchabsichten den verkleideten Harry. Dieser flüchtet zu seinem Bruder, gibt ihm die Schuld an seinem exzessiven Verhalten, weil dieser in der Kindheit die Existenz des Weihnachtsmann verleugnet hat und fährt mit seinem weihnachtlich aufgemachten Van wieder weg. Vom Lynchmob verfolgt lässt Harry seinen Wagen durch ein Brückengeländer krachen. In den letzten Sekunden vor seinem Tod stellt er sich vor, wie er mit seinem Van in der Manier eines klassischen Weihnachtsmannschlittens in der Mondnacht davonfliegt.

YOU BETTER WATCH OUT, der auch als CHRISTMAS EVIL veröffentlicht wurde (nun auch kürzlich in einer neuen deutschen DVD-Edition), wird gerne als Vorläufer des Weihnachts-Slasherfilms bezeichnet. Das ist wohl nicht ganz falsch, allerdings haben sich bei mir während der beiden kürzlichen Sichtungen eher Assoziationen zu TAXI DRIVER aufgedrängt. Man stelle sich einmal vor, Paul Schrader hätte seine großstädtische Adaption von Robert Bressons JOURNAL D‘UN CURÉ DE CAMPAGNE nicht auf einen entfremdeten und einsamen Taxifahrer mit puritanischen Gewalt- und Vernichtungsfantasien übertragen, sondern auf einen entfremdeten und einsamen Spielzeugfabrikangestellten mit ebenso puritanischem Weltbild, starken Identitätsproblemen und einer schweren, ödipal motivierten Weihnachtsobsession. Es wäre vielleicht so etwas ähnliches wie YOU BETTER WATCH OUT herausgekommen. Die Vorstellung jedenfalls, beide Filme im Double Feature nacheinander zu schauen und zu vergleichen, scheint recht reizvoll.

Denn YOU BETTER WATCH OUT ist tatsächlich kein richtiger Slasher, sondern eher das „dichte“ Psychogramm einer verzweifelten, entfremdeten, traumatisierten Figur. Vielleicht mehr noch als TAXI DRIVER verweigert er sich jeglichem einfachen Zugriff. Er ist kein Thesenfilm, dessen „Botschaft“ schon nach drei Minuten deutlich wird, sondern präsentiert sich tatsächlich als Film über extreme soziale und emotionale Einsamkeit, das zwar klar satirische, gesellschaftspolitische Elemente enthält, dessen existentielle Traurigkeit und Schwere aber wesentlich mehr wiegt.

Ein faszinierender Hauptdarsteller
Es ist faszinierend, was YOU BETTER WATCH OUT den Zuschauern für eine Figur zumutet: ein Voyeur mit einem unerträglich puritanischen Weltbild und schlichtweg kranken Kontrollfantasien, dessen fast schon naives Bemühen, Gutes zu tun, zwar bemerkenswert ist, zugleich aber von der Unfähigkeit, eigenes Schlechtes zu erkennen, neutralisiert wird. Harry ist zugleich eine lächerliche Figur mit einem skurrilen Weihnachtsfetisch, der im Film zwischendurch an der Grenze zum Camp präsentiert wird und gleichzeitig auch ein brutaler und skrupelloser Mörder. Doch YOU BETTER WATCH OUT gibt Harry weder der Lächerlichkeit preis, noch verurteilt er ihn, sondern bemüht sich um analytisches wie auch emotionales Verstehen. Das gelingt nicht zuletzt an der grandiosen Darstellung Brandon Maggarts, der die Figur Harrys mit Haut, Haaren und Poren atmet und bis in kleinste Nuancen perfekt spielt. Als schüchtern-freundlicher Mann auf der Straße, als tüchtigen Arbeiter, als grimassierender Weihnachtsmann vor dem Spiegel, als vor Zorn und Abscheuimpulsen zitternde Zeitbombe, als Lebensmüden mit furchtbar traurigen Augen.

Eine Verurteilung von Harry ist auch gar nicht möglich im Angesicht dessen, dass der Film an der Niederträchtigkeit vieler anderer Figuren keinen Zweifel lässt. Das Mörderische siedelt YOU BETTER WATCH OUT durchaus bei Harry an, aber eben auch im durchschnittlichen, kleinbürgerlichen Milieu. Wenn der Weihnachtsmann am Schluss von einem wütenden und offenbar wahrlich tötungsbereiten Lynchmob verfolgt wird, stellt der Film (sicherlich wenig subtil) eindeutig die Frage, ob der Sonderling Harry wirklich viel schlimmer ist als der durchschnittliche „besorgte“ Nachbar. Diese Szenen, um wieder kurz auf Assoziationen zu sprechen zu kommen, erinnern wiederum an Fritz Langs Inszenierung entfesselter Mobgewalt, sei es in METROPOLIS, in M oder in FURY. Als ein kleines Kind dem in Serie mordenden Weihnachtsmann ein heruntergefallenes Messer mit Springklinge lächelnd reicht, scheint dies fast direkt auf M anzuspielen.

Im Gegensatz zu einigen Behauptungen, die man so im Internet findet, ist YOU BETTER WATCH OUT keineswegs Lewis Jacksons einziger Film, sondern sein dritter, allerdings auch letzter in einer Karriere mit nicht besonders hoher Output-Frequenz. THE TRANSFORMATION: A SANDWICH OF NIGHTMARES von 1974 ist bei der IMDb mit dem Tag „lost film“ markiert, wobei nicht ganz klar ist, ob sich das auf den Film selbst oder vielleicht auf ein Element des Inhalts bezieht (IMDb unterscheidet hier dummerweise offensichtlich nicht). 1970 hatte Jackson auch THE DEVIATES gedreht, der wohl auf den ersten Blick eine Sexkomödie war.

Eines der wenigen Bilder, die den Alternativtiteln CHRISTMAS
EVIL oder TERROR IN TOYLAND gerecht werden
YOU BETTER WATCH OUT ist in Deutschland als CHRISTMAS EVIL erschienen bei cmv laservision mit einem unglaublich hässlichen Cover, das einen Film mit genetisch mutierten Zombie-Weihnachtsmännern erwarten lässt. Frühere Editionen waren entweder stark limitiert, oder sind nun überteuert, oder nur im 1,33:1-Format erhältlich. Die cmv-laservision-DVD ist trotz des hässlichen Covers okay, mit guter Bild- und Tonqualität, allerdings ohne Untertitel für die englische Originalfassung. Sie enthält drei Audiokommentare: einmal mit dem Regisseur Lewis Jackson alleine, dann mit Lewis Jackson und Hauptdarsteller Brandon Maggart, und schließlich einen mit Lewis Jackson und John Waters, einem Fan des Films, der ihn als den „großartigsten jemals gedrehten Weihnachtsfilm“ bezeichnet. Übrigens lehnte Kathleen Turner, die später die Titelfigur in Waters‘ tollem SERIAL MOM spielte, die Rolle als Jackie, also Philips besonnene Ehefrau, ab. Die erwähnten Audiokommentare wurden für eine der vielen US-amerikanischen DVD-Editionen des Films eingesprochen. Im Vereinigten Königreich wurde er von Arrow Film veröffentlicht.
Etwas unklar – wie so oft – ist die Fassungsgeschichte des Films. YOU BETTER WATCH OUT ist nur einer der Titel, unter denen er erschienen ist. Ebenso wurde er unter den Titeln CHRISTMAS EVIL (unter dem auch die meisten DVD-Veröffentlichungen dies- und jenseits des Atlantiks fungieren) veröffentlicht, aber auch als TERROR IN TOYLAND. Der erste Titel, der auch (siehe den Screenshot des Titels) in meiner DVD-Fassung zu sehen ist, entspricht zumindest thematisch am besten dem Film, während letztere eher darauf zielen, ihn als Slasher oder Horrorfilm zu vermarkten und möglicherweise bei Neuaufführungen genutzt wurden. CHRISTMAS EVIL hat sich nun sogar durchgesetzt. Ob der Titelsalat auch mit der Existenz eines sogenannten „director‘s cut“ zu tun hat, ist mir unklar. Jedenfalls gibt es offenbar eine Fassung, die ich als „Nicht-director‘s-cut“ bezeichnen würde und die 100 Minuten dauert sowie eine „re-release“-Fassung von 95 Minuten (gemäß IMDb), die vielleicht (?) mit dem „director‘s cut“ identisch ist, der wiederum allerdings nur 94 Minuten dauert (bei DVDs aus PAL-Ländern wegen der Formatkonvertierung 90 Minuten) und auch auf allen DVD-Editionen enthalten ist. Auf der DVD von cmv laservision sind ungefähr 6 Minuten an „Deleted Scenes“ in der Bonussektion enthalten: ob es sich um tatsächlich ungenutztes Material handelt oder um die sechs Minuten, die aus der „originalen“ (?) 100-Minuten-Fassung herausgeschnitten wurden, ist allerdings unklar. Viele ungeklärte Fragen...


Wenn ich all unseren Lesern diesen zutiefst pessimistischen, teils verstörenden, aber durchwegs faszinierenden Weihnachtsfilm ans Herz lege, möchte ich ihnen natürlich die kommenden Feiertage nicht verderben, ganz im Gegenteil. Ich selbst verabschiede mich mit diesem Text in die Weihnachtspause, werde Anfang Januar mit einem mittlerweile traditionellen persönlichen Jahresrückblick zurückkehren und wünsche all unseren Lesern frohe Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Montag, 7. Dezember 2015

Skandinavischer Hunger

SULT (Dänemark und Norwegen) / SVÄLT (Schweden), dt. HUNGER
Dänemark/Norwegen/Schweden 1966
Regie: Henning Carlsen
Darsteller: Per Oscarsson (Pontus), Gunnel Lindblom (Ylajali), Osvald Helmuth (Pfandleiher), Birgitte Federspiel (Ylajalis Schwester), Sverre Hansen (Bettler)

Pontus, der Protagonist
Christiania - auch Kristiania geschrieben, das heutige Oslo - im Jahr 1890. Hier fristet der junge und völlig erfolglose Schriftsteller Pontus sein kärgliches Dasein. Mit seiner linkischen und oft schroffen Art macht er sich wenig Freunde. Pontus' Anstrengungen, ein Manuskript bei einem Magazin unterzubringen, stoßen auf nur gedämpftes Interesse, aber auch seine Versuche, auf fachfremde Art zu Geld zu kommen, sind nicht von Erfolg gekrönt. Als die Feuerwehr "verlässliche junge Männer mit kräftiger Physis" sucht, reiht er sich mit seiner hageren Statur in die Schlange der Interessenten ein, wird aber schon wegen seiner Brille gleich wieder aussortiert. Er biegt kurz um die Ecke, nimmt die Brille ab und stellt sich wieder an - und fällt natürlich wieder durch. Seine Bewerbung als Buchhalter in einem Lebensmittelladen - für einen Hungerleider wie ihn fast das gelobte Land - scheitert, weil er im Bewerbungsschreiben aus schwächebedingter Unkonzentriertheit einen Zahlendreher produziert hat - für einen Buchhalter in spe ein fataler Fehler. So ist Pontus permanent pleite. Er hat alles, was sich zu Geld machen lässt, schon beim Pfandleiher versetzt, er hat Schulden bei diesem und jenem Händler, und er hat seit längerem die Miete nicht bezahlt. Und deshalb hat ihm die Hausverwalterin soeben den Rauswurf aus seinem schäbigen kleinen Zimmer verkündet. Aus der chronischen Armut folgt unmittelbar chronischer Hunger. Er ist abgemagert und von Schwächeanfällen bedroht. Gelegentlich stopft er sich sogar mühsam zerkautes Papier hinein, um wenigsten etwas im Magen zu haben, oder er erbittet beim Schlachthof Knochenabfälle für seinen (nicht existierenden) Hund, um noch die letzten anhaftenden Fleischreste abzunagen. Als er sich unmittelbar nach so einer "Festmahlzeit" übergeben muss, bricht er aus Verzweiflung in einen Weinkrampf aus.

Christiania/Oslo 1890 - bzw. 1965
Pontus' desolater körperlicher Zustand und seine Verzweiflung führen zu erratischem Verhalten. Teils aus bewusster Lust an der Provokation, teils aus zunehmender Verwirrtheit, redet er Passanten blöd an, wohlgenährte Wohlstandsbürger ebenso wie andere arme Schlucker, und er schwadroniert dann gelegentlich das Blaue vom Himmel herunter. Selbst Polizisten, die ihn wegen seiner abgerissenen Erscheinung ohnehin misstrauisch beäugen, nervt er mit blöden Fragen und Bemerkungen. Ernsthaften Ärger bekommt er damit aber nicht. - Ebenso wie von Armut und Hunger wird Pontus' Verhalten von einem an Arroganz grenzenden Stolz diktiert. Er tut alles, um vor anderen Menschen seine desaströse wirtschaftliche Situation zu verbergen. Als er seine allerletzten verwertbaren Habseligkeiten im Pfandhaus versetzt hat und eine einzelne Krone dafür bekam, schenkt er diese einem armen Kerl, der ihn zuvor angebettelt hat. Als der Bettler bemerkt, dass Pontus auch nicht mehr hat als er selbst, verweigert er jedoch die Annahme, doch Pontus weigert sich seinerseits, die Münze zurückzunehmen, und gerät darüber mit dem Mann in Streit. Als der Verleger des Magazins sich doch noch bequemt hat, Pontus' Manuskript zu lesen, ist er nicht abgeneigt, es zu drucken, verlangt jedoch Änderungen. Der seiner Meinung nach zu überspannt formulierte Text solle von Pontus entschärft und so für die Leser der Zeitschrift leichter verdaulich gemacht werden. Als Honorar stellt der Verleger zehn Kronen in Aussicht, verbunden mit der Frage, ob Pontus knapp bei Kasse sei. Dieser verneint wahrheitswidrig und lehnt damit auch einen sonst sicher gewährten Vorschuss ab, den er dringend hätte brauchen können.


Immerhin hebt der Ausblick auf das Honorar Pontus' Stimmung beträchtlich. Nachdem er nach seinem Rauswurf aus der Wohnung einige Zeit auf der Straße stand und auf einer Parkbank genächtigt hat, sucht er sich eine neue Bleibe. Doch er kann nur die Aussicht auf das Honorar bieten, und so erhält er das Zimmer, das noch kleiner und schäbiger ist als das alte, nur unter dem Vorbehalt, dass er gleich wieder rausfliegt, wenn sich ein anderer Interessent findet, der bereit ist, bar im Voraus zu zahlen. - Beim ziellosen Flanieren in der Stadt geht Pontus in einem Park zwei vornehmen Damen hinterher, zwei Schwestern, wie sich erweist, und er kaspert wieder einmal ohne besonderen Grund herum. Die ältere der beiden ignoriert ihn mit strengem Blick, doch die jüngere, der er den Fantasienamen "Ylajali" gibt (den tatsächlichen Namen erfährt man nicht), bekundet mit ihren Blicken ein gewisses Interesse an dem merkwürdigen jungen Mann. Als er ihr bald darauf allein wieder begegnet, öffnet sie sich weiter. Es wird offenbar, dass sie aus der verordneten Wohlanständigkeit ausbrechen will und einem Abenteuer nicht abgeneigt ist. Doch als sie ihn schließlich mit eindeutigen Absichten mit in die Wohnung nimmt, die sie für ein paar Stunden für sich allein hat, wird er ihr doch etwas unheimlich, sie bekommt im letzten Moment Angst vor der eigenen Courage und lässt ihn abblitzen - und das war es dann mit dieser Bekanntschaft.

Miese Absteige - dabei ist das noch die bessere der beiden Wohnungen
Unterdessen hat Pontus versucht, seinen Text zu überarbeiten, doch schnell wird klar, dass er aufgrund der Umstände gar nicht mehr in der Lage ist, irgendetwas Sinnvolles zu schreiben. Es wird keinen geänderten Text und damit auch kein Honorar geben. Und dann findet sich auch gleich jemand, der sein Zimmer will und bar bezahlt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit landet Pontus auf der Straße. Gerade, als er im Streit mit seiner Ex-Zimmerwirtin abziehen will, erscheint ein Bote und bringt ihm "von einer Dame" einen Umschlag mit einem Geldschein. Pontus weiß ebenso wie der Zuschauer, dass es sich nur um Ylajali handeln kann. Und wieder einmal steht er sich selbst im Weg. Statt das Geld als Notration für die nächsten Tage zu benutzen, knallt er es mit einer pompösen, pathetischen Geste der Wirtin entgegen und zieht dann ab, ohne sich wenigstens Wechselgeld herausgeben zu lassen. Es ist offensichtlich, dass er jetzt an einem Tiefpunkt angelangt ist. Wie soll es weitergehen? Einer plötzlichen, unerklärlichen Eingebung folgend, geht er (nicht ohne zuvor die Brille abzunehmen) im Hafen an Bord eines russischen Seglers, der seit einigen Tagen ankert und jetzt bereit zum Auslaufen ist, und er fragt, ob man ihn als Matrosen brauchen kann - und er wird tatsächlich genommen. Ein neuer Lebensabschnitt mit ungewissem Ausgang beginnt.


"Sult", auf Deutsch "Hunger", ist der 1890 erschienene erste Roman von Knut Hamsun (1859-1952), und er erregte auf Anhieb Aufsehen und hievte den Autor in die erste Riege der europäischen Literaten. In der Ich-Perspektive des brotlosen Schriftstellers geschrieben, war "Hunger" ein wichtiger Schritt zum stream of consciousness bei Autoren wie James Joyce. Der Roman enthält stark autobiografische Elemente - Hamsun hatte selbst 1886 als erfolgloser Schriftsteller und Journalist in Christiania gelebt und dort am Hungertuch genagt. 1920 erhielt Hamsun für seinen Roman "Markens Grøde" (Segen der Erde) als zweiter Norweger den Nobelpreis für Literatur (dieser Roman bildet auch die Vorlage für den gleichnamigen Film von 1921, der als der erste norwegische Renommierfilm gilt). Hamsun wäre so etwas wie ein norwegisches Nationalidol, wenn er nicht durch seine offene Sympathie für die Nazis seinen Ruf nachhaltig beschädigt hätte. Vollständig in Ungnade gefallen ist er nach 1945 aber dennoch nicht - dafür war er als Schriftsteller einfach zu bedeutend.

Andere haben es besser getroffen als Pontus
Den frühen Werdegang von Henning Carlsen (1927-2014) habe ich schon in meinem Text über seinen ersten Spielfilm DILEMMA geschildert. HUNGER war sein vierter Spielfilm, und er brachte Carlsen den Durchbruch zur ersten Garde der dänischen Regisseure. Der Film lief im Wettbewerb in Cannes, und es gab etliche Preise für Film und Hauptdarsteller. HUNGER war auch Dänemarks Beitrag zum Rennen um den Oscar, schaffte es aber nicht in die Endausscheidung. Dafür ist HUNGER als einer von zwölf Filmen im 2006 erstellten dänischen Kulturkanon enthalten (ebenso wie DITTE MENNESKEBARN). Neben seiner Tätigkeit als Regisseur war Henning Carlsen auch in diversen dänischen und europäischen Filminstitutionen tätig. 2011 legte er mit der García-Márquez-Adaption ERINNERUNG AN MEINE TRAURIGEN HUREN seinen letzten Film vor, 2014 ist er wenige Tage vor seinem 87. Geburtstag gestorben.


Die Initiative zu HUNGER ging allein von Henning Carlsen aus, der den Roman schon als Jugendlicher gelesen und geschätzt hatte. 1965 drehte Carlsen in Stockholm als seinen dritten Spielfilm KATTORNA. Der schwedische Darsteller Per Myrberg spielte darin eine Hauptrolle, und mit seiner hageren Figur gab er Carlsen die Eingebung, mit ihm in der Hauptrolle Hamsuns Roman zu verfilmen. Carlsen wandte sich an Hamsuns ältesten Sohn, der seinen literarischen Nachlass verwaltete, und erfuhr zu seinem Erstaunen, dass er der vierte Bewerber in kurzer Zeit war, während sich zuvor nie jemand für die Filmrechte interessiert hatte. Carlsen bot für die Rechte dieselbe Summe wie die Konkurrenten plus eine Krone, aber vermutlich bekam er den Zuschlag deshalb, weil er den Stoff als dänisch-norwegisch-schwedische Produktion zu verfilmen gedachte. Das kam dem Bestreben von Hamsun jr. entgegen, den schwer angeschlagenen Ruf seines Vaters mit internationaler Hilfe etwas aufzupolieren. Carlsen bekam also die Rechte, und er holte eine schwedische und eine norwegische Firma an Bord, während seine eigene Firma den dänischen Part stellte. Carlsen ist also auch einer der drei Produzenten des Films. Der finanzielle Beitrag wurde recht gleichmäßig zwischen den Ländern aufgeteilt, während für den künstlerischen Beitrag ein sinnvoller Kompromiss gefunden wurde: Dänemark stellte den Regisseur, die Drehbuchautoren (Carlsen in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Peter Seeberg) und den Kameramann (Carlsens Stammkameramann Henning Kristiansen, der insgesamt ungefähr ein Dutzend Mal für Carlsen gearbeitet hat) sowie mit Birgitte Federspiel eine renommierte Nebendarstellerin (sie hatte u.a. in Carl Theodor Dreyers ORDET die weibliche Hauptrolle gespielt); Schweden stellte im Wesentlichen die beiden Hauptdarsteller; und Norwegen schließlich den Autor der Vorlage, den Drehort und die Mehrzahl der Nebendarsteller und Komparsen.

Beim Pfandleiher
Die beiden Hauptdarsteller bestimmten die Sprache des Films, HUNGER wurde also auf Schwedisch gedreht. Das dänische Kultusministerium, das ein gewisses Mitspracherecht hatte, forderte zunächst, auch eine dänische Sprachfassung anzufertigen, was die Produktion verkompliziert und verteuert hätte, aber zum Glück (wie Carlsen betont) wurde rechtzeitig von dieser Forderung Abstand genommen. Per Myrberg war seinerzeit an einem Stockholmer Theater unter Ingmar Bergman unter Vertrag, er erhielt von diesem aber die Erlaubnis, im Film mitzuspielen. Weil sich die Verhandlungen um die komplizierte Produktionsgemeinschaft hinzogen, fragte Myrberg an deren Ende erneut Bergman um Erlaubnis, erhielt sie abermals, aber gleichzeitig das Angebot, unter Bergman in einer Bühneninszenierung von "Der Florentinerhut" die Hauptrolle zu spielen - und er entschied sich für den renommierten Bergman und gegen den international noch weitgehend unbekannten Carlsen. Damit war dieser seinen Hauptdarsteller los, wegen dem er das ganze Projekt überhaupt losgetreten hatte. Carlsen hielt die Sache damit für gestorben. Aber seine schwedischen und norwegischen Cooperationspartner wollten die Flinte nicht ins Korn werfen. Sie schlugen vor, mit einem anderen Hauptdarsteller weiterzumachen, und jemand brachte Per Oscarsson ins Spiel. Carlsen war wenig begeistert, ging nur pro Forma auf den Vorschlag ein und überlegte sich, wie er aus der Sache rauskam. Doch schnell war er überzeugt, dass er einen noch besseren als den ursprünglich geplanten Hauptdarsteller gefunden hatte.

Ein Bettler ...
Per Oscarsson spielt in HUNGER vielleicht die Rolle seines Lebens. Gleichermaßen exaltiert und fein nuanciert kehrt er Pontus' Inneres nach außen und macht seine Stimmungsschwankungen, seine wirren Visionen und sprunghaften Handlungen greifbar und nachvollziehbar. Er ist einfach umwerfend, und er erhielt etliche Auszeichnungen für seine Leistung, darunter die in Cannes für den besten Schauspieler. Während er vorher schon in Schweden eine Marke war, stieg er nun auch zu internationaler Bekanntheit auf. Oscarsson war ein impulsiver Schauspieler mit Hang zur Improvisation, der ständig Regieanweisungen übertrat, doch Carlsen ließ ihn gewähren. Das kam Gunnel Lindblom aber wenig entgegen. Lindblom ist vor allem für ihre Zusammenarbeit mit Bergman bekannt. Über ein Dutzend Mal spielte sie unter Bergman für Film und TV, darunter Klassiker wie DAS SIEBENTE SIEGEL, WILDE ERDBEEREN, DIE JUNGFRAUENQUELLE, LICHT IM WINTER und DAS SCHWEIGEN, sowie mehrfach auch am Theater. Lindblom erwartete exakte Regieanweisungen, wie sie es vom Meister Bergman gewohnt war. Doch niemand konnte ihr sagen, was Oscarsson als nächstes tun würde, weil der es selbst nicht wusste. Aber am Ende passte das doch alles irgendwie zusammen, weil die unterschiedlichen Schauspielstile die unterschiedlichen Charaktere widerspiegeln: Hier der erratische, unberechenbare Pontus, da die zurückgenommene, gutbürgerliche Ylajali, die ihren Trieben nur sehr kurz freien Lauf lässt. - Per Oscarsson war auch abseits der Kamera für Überraschungen gut. 1966 ließ er in einer Fernsehshow die Hosen runter (die Unterhose behielt er immerhin an), und zur Vorbereitung auf HUNGER ging er zur Überraschung aller zu Fuß von Stockholm nach Oslo, wobei er tagelang mehr oder weniger verschollen war. Ende 2010 starben Oscarsson und seine letzte Frau bei einem Brand in ihrem Haus. Die Leichen konnten erst nach mehreren Tagen identifiziert werden.

... und noch ein armer Schlucker
HUNGER wurde im Herbst 1965 komplett in Oslo gedreht, teilweise an damals noch erhaltenen Originalschauplätzen, der Rest in einem Studio. Bevölkerung und Behörden waren dabei sehr kooperativ. Eigentlich erwartete sich Carlsen von diesem Ort zu dieser Jahreszeit schlechtes Wetter, wie es der Stimmung des Romans und des entstehenden Films entsprach. Doch Petrus machte ihm einen Strich durch die Rechnung - es schien dauernd die Sonne. So wurden von Gebäuden aus große Planen über Straßen und Plätze gespannt, um die Sonne abzuschatten. Auf einer Brücke, wo das nicht möglich war, sollte an einem Wochenende gedreht werden, doch es herrschte wieder mal schönster Sonnenschein. Aber für Montag war Regenwetter angesagt, und so erhielt das Team vom Osloer Polizeichef persönlich die Erlaubnis, am Montag früh zu drehen und zeitweilig einen erheblichen Stau zu verursachen.

Zwei Damen im Park
Carlsen stand bei der Konzeption des Films vor einigen Problemen, die Literaturverfilmungen im Allgemeinen und diese im Besonderen aufwerfen, und er hat sie mit Bravour gelöst. Hamsuns Roman besteht aus aneinandergereihten Episoden, die zusammen ungefähr ein Jahr umfassen, und die kaum dramatische Spannungsbögen umfassen. Mit seinem Coautor Peter Seeberg nahm Hamsun die nötigen Kürzungen und Zuspitzungen vor, was an sich nicht schwer war, weil es im Roman ohnehin mehr um die Innenwelt des Protagonisten als um die äußere Handlung geht. Seeberg schoss über das Ziel hinaus und entwarf für alle möglichen Personen Nebenhandlungen, die nicht im Roman stehen, aber Carlsen konnte ihn einbremsen und einen Konsens herstellen. Der Roman ist, wie schon erwähnt, in der 1. Person geschrieben. Carlsen wollte das irgendwie in den Film hinüberretten, ohne jedoch einen Inneren Monolog von Pontus als Off-Kommentar zu verwenden. Er löste das Problem gemeinsam mit Kameramann Kristiansen, indem die Kamera den ganzen Film über entweder regelrecht an Pontus klebt, oder aber seinen subjektiven Blick wiedergibt (oder zeigt, was er gerade denkt, träumt oder halluziniert). Ein weiteres Problem ergab sich daraus, dass der 1890 erschienene Roman auch in diesem Jahr spielt, also eine seinerzeit alltägliche Welt beschreibt. Der 1966 erschienene Film sollte nun - für den Zuschauer jederzeit glaubwürdig - auch im Jahr 1890 spielen, dabei aber ebenfalls den Eindruck von Alltäglichkeit erwecken. Deshalb sollte jeder Anschein eines Historienfilms oder Kostümschinkens vermieden werden. Neben der in solchen Fällen naheliegenden Entscheidung, in Schwarzweiß zu drehen (was natürlich auch finanzielle Vorteile birgt), kam Carlsen wiederum in Zusammenarbeit mit Kristiansen auf die Lösung, ausgiebig Linsen mit großer Brennweite zu verwenden, was gleichzeitig Nähe und Distanz erzeugt und den von Carlsen erwünschten Effekt ermöglicht. Außerdem wurden zwar bei den Aufnahmen alle anachronistischen Gegenstände aus dem Bildbereich entfernt oder verdeckt, ansonsten aber nahm sich Carlsen bei der Ausstattung zurück. So waren etwa bei der Szene, in der sich Pontus bei der Feuerwehr bewirbt, historische Feuerwehrwagen zugegen. Doch statt damit zu prunken, beließ sie Carlsen kaum sichtbar in einem Schuppen.

"Ylajali"
Einen wichtigen Beitrag zur zeitlosen Wirkung von HUNGER leistet die wunderbare Musik von Krzysztof Komeda. Carlsen hatte den polnischen Jazz-Pianisten und Komponisten einige Jahre zuvor in einem Jazzclub in Kopenhagen kennengelernt. Komeda ist Filmfreunden vor allem als regelmäßiger Tonsetzer für Roman Polanski bekannt - er schrieb schon die Musik für einige von Polanskis frühen Kurzfilmen, und dann für alle Spielfilme von DAS MESSER IM WASSER bis ROSEMARY'S BABY mit Ausnahme von EKEL. Doch auch für Carlsen wurde Komeda zum Stammkomponisten. Die beiden wurden Freunde, und Komeda vertonte Carlsens Spielfilme von HVAD MED OS? (1963) über KATTORNA und HUNGER bis zu SIE TREFFEN SICH, SIE LIEBEN SICH, UND IHR HERZ IST VOLLER SÜSSER MUSIK (1967). Komeda hätte die Zusammenarbeit mit Polanski und Carlsen (und weiteren Regisseuren wie Jerzy Skolimowski) fortgesetzt, wenn er nicht 1969 an den Folgen eines tragischen Unfalls verstorben wäre. Sein sparsam komponierter und sparsam eingesetzter Soundtrack für HUNGER wird dominiert von sphärisch-künstlich klingenden Streichern und minimalistisch angeordneten Klaviertönen. Mich hat diese Musik etwas an Scores von Giovanni Fusco für Resnais oder Antonioni erinnert.

Abendliches Rendezvous ...
HUNGER ist in den USA auf einer DVD mit englischen und französischen Untertiteln, sowie in Dänemark mit Untertiteln in gleich acht Sprachen, darunter Deutsch, erschienen. Beide Ausgaben bieten als Bonus ein 40-minütiges Video-Statement mit Carlsen, in dem er die Entstehungsgeschichte des Films nacherzählt sowie einige seiner künstlerischen Entscheidungen nachvollziehbar macht. Als weiterer Bonusfilm ist jeweils ein halbstündiges Gespräch enthalten, das (in gut verständlichem Englisch) Paul Auster und Hamsuns Enkelin Regine Hamsun 2002 über den Film und seine Begleitumstände führten. Eine französische DVD gibt es daneben auch noch. Und in Norwegen ist gar eine Box mit sechs DVDs (mit Untertiteln in verschiedenen Sprachen) erschienen, die fünf Hamsun-Verfilmungen (neben HUNGER u.a. der ebenfalls von Henning Carlsen inszenierte PAN sowie der oben erwähnte MARKENS GRØDE) sowie Jan Troells 1996 gedrehte Hamsun-Biografie mit Max von Sydow in der Titelrolle enthält. - 2001 drehte die Regisseurin Maria Giese mit HUNGER eine nach Los Angeles versetzte Version von Hamsuns Roman, und der aktuelle griechische Film TO AGORI TROEI TO FAGITO TOU POULIOU, den David kürzlich auf der Viennale sah, gilt als freie Übertragung des Stoffs in die Welt der griechischen Sparpolitik (ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt).

... mit unbefriedigendem Ausgang