(Peter's Friends, Grossbritannien 1992)
Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Kenneth Branagh, Stephen Fry, Emma Thompson, Alphonsia Emmanuel, Hugh Laurie, Imelda Staunton, Rita Rudner, Tony Slattery u.a.
Es ist eigentlich eine traurige Sache: Da wurde 1993 ein derartiges Theater veranstaltet, weil Tom Hanks in “Philadelphia” einen schwulen HIV-Infizierten spielte, (“Er enttabuisiert das Thema!!!”), dass so mancher Film, der eindrücklicher (weil nicht marktschreierisch) auf HIV zu sprechen kam, im Lärm um die Schnulze von Jonathan Demme unterging. - Um eine Sache klarzustellen: Ich habe nichts gegen Tom Hanks, denke sogar, er habe den Oscar für “Forrest Gump” verdient und nachher die Hollywood-Karriere (potentielle Blockbuster) eingeschlagen, die man von Leuten wie ihm erwarten darf. Schliesslich hatte ihm “Philadelphia” überhaupt erst gezeigt, wie man sein Image als Komödiant los wird und sich fortan dem Bereich des Verlogenen (man denke etwa an “The Terminal”, 2004) und seinen angenehmen Seiten zuwenden kann . Denn “Philadelphia” ist ein verlogener Film, ein durch und durch kalkulierter Kassenschlager, dem bloss die Aufgabe zukam, den Themenbereich HIV und AIDS als gefälliges Süppchen aufzukochen und neben dem Filme, die sich der Wahrheit anzunähern versuchten (etwa “Les nuits fauves”, 1992, oder “And the Band Played On”, 1993) natürlich nicht bestehen konnten.
Kenneth Branagh’s “Peter’s Friends” gehört sicher nicht wirklich zu diesen Filmen; man könnte ihn höchstens als recht gelungene Ensemble-Arbeit bezeichnen, die HIV lange Zeit unausgesprochen im Raum stehen lässt und sich der nicht einfachen Aufgabe widmet, eine Gruppe alter Freunde von einer selbstbezogenen Hysterie zur Stille finden zu lassen. - Stephen Fry, sowohl als Schriftsteller als auch als Drehbuchautor und Schauspieler ein schwules Multitalent, spielt einen ehemaligen Cambridge-Studenten, der seine Freunde aus vergangenen Tagen für ein Neujahrswochenende auf seinen kürzlich vom verstorbenen Vater geerbten Landsitz einlädt. Von der einstigen Eintracht zeugt jedoch nur noch ein Foto, das die verschworene Clique im Anschluss an eine Kabarett-Nummer zeigt, mit der sie ein älteres Publikum zu schockieren beliebten. - Denn mittlerweile sind zehn Jahre vergangen (sie ziehen im Vorspann anhand wichtiger und weniger wichtiger Ereignisse wie Ausschnitte aus einer Wochenschau an uns vorüber), und aus den Freunden sind neurotische, auf ihre eigenen echten oder eingebildeten Probleme fixierte Gestalten geworden, die Peter’s Nachdenklichkeit, seine Andeutungen, er wolle das Haus eventuell verkaufen, gar nicht wahrnehmen. Anonyme Alkoholiker,
sexuell unbefriedigte Frauen und zerrüttete Ehen beherrschen die Szene, und es gelingt Peter inmitten dieses Jahrmarkts verzweifelter Eitelkeiten nicht einmal, einen Toast auf alte Zeiten auszusprechen. - Denn da muss Andrew, der einmal Schriftsteller werden wollte und nun als Serien-Schreiber in Hollywood arbeitet, eine glückliche Ehe mit einem zickigen Star vorgaukeln, die sexgierige Sarah ihren noch verheirateten Liebhaber bei jeder Gelegenheit zu Höchstleistungen antreiben, Mary, die den Tod eines ihrer Kinder nicht überwinden kann, ständig zu Hause anrufen - während die einsame Maggie nichts anderes im Kopf hat als den bisexuellen Peter, in den sie schon immer verliebt war, zwecks späterer Heirat ins Bett zu locken. Mit der Zeit lassen sich Spannungen nicht mehr unterdrücken, Feindschaften kommen auf, und der Gastgeber veliert zunehmend an Bedeutung. Als die Situation mit einem völlig betrunkenen Andrew zu eskalieren droht, erzählt Peter seinen Freunden endlich, weshalb er sie noch einmal sehen wollte. Dieses stille, zögernde Erzählen (eine Meisterleistung von Fry) bringt die selbstbezogene Bande ebenso zum Schweigen wie den Zuschauer. - Denn so, auf diese zögernde, wenn auch sachliche Art spielt es sich wohl auch in Wirklichkeit ab; nicht mit aufwühlenden Prozessen, die aus schwulenfeindlichen Anwälten vehemente Verteidiger und aus dem kampfbereiten Tom Hanks einen leicht übertriebenen Todkranken machen, der zu allem Elend noch mit Antonio Banderas seinen letzten Tanz tanzt.
Dass “Peter’s Friends” insgesamt trotzdem nicht wirklich zu überzeugen vermag, liegt daran, dass der Film - ein Charakteristikum, das britische Ensemble-Filme oft zu ihrem Vorteil ausnutzen - trotz der tragischen Untertöne (Tod des Vaters, Tod des Kindes, Alkoholismus etc.) etwas leichtfüssig daherkommt, was die einzelnen Figuren einseitig gezeichnet wirken lässt und den Eindruck erweckt, die Drehbuchautoren hätten sich nicht recht entschliessen können, ob sie nun das Script für eine reine Komödie oder doch für etwas anderes schreiben sollten. Auf diese “Schwäche” spielt wohl Desson Howe auch an, wenn er einigen überschwänglichen Rezensionen entgegensetzt: “With a smattering of one-liners, and a dash of ironic spirit, “Peter’s Friends” is a diverting, if modest affair.” Auch der Vorwurf, man habe sich etwas auffällig am amerikanischen Film “The Big Chill” (1983) orientiert, in dem sich eine einst befreundete Studentenclique nach dem Selbstmord eines ihrer Kommilitonen wieder trifft und ihre Neurosen kultiviert, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Solcher Kritik ist höchstens entgegenzusetzen, dass es die “One-Liners” in sich haben und vom harmonisch zusammenspielenden Ensemble (einige Darsteller hatten tatsächlich zusammen die Universität Cambridge besucht!) auf unnachahmliche Weise vorgetragen werden. So seufzt etwa die auf Peter begierige Maggie vor dessen Schlafzmmertür: “Fill me with your little babies!”, worauf sie dieser - was wohl nur ein Stephen Fry vermag - mit einem “Oh, how can I put this delicately? It’s just that I’m not really in the vagina business” zu trösten versucht. Auch Andrew’s Bemerkung zur Abwesenheit seiner Star-Gattin ist schwarzer britischer Humor vom “Feinsten”: “Carol will be down in a minute. She’s just gluing her hair on.” - Kommt hinzu: Kenneth Branagh ist als Regisseur für Ensemble-Filme grundsätzlich besser geeignet denn als reiner In-Szene-Setzer seiner “einzigartigen” Persönlichkeit (weshalb etwa auch seine Inszenierung von “Much Ado About Nothing”, 1993, als wesentlich gelungener bezeichnet werden muss als sein mühsamer “Hamlet”, 1996, von “Mary Shelley’s Frankenstein”, 1994, ganz zu schweigen). - Am Ende überwiegt jedoch das ungute Gefühl, sowohl die Schicksale der einzelnen Figuren als auch das am Schluss doch ausgesprochene Thema HIV seien etwas zu ernst für die Unentschlossenheit, die sich in “Peter’s Friends” bemerkbar macht - und von der uns höchstens einige bewusst von einer gehörigen Portion Kitsch begleitete Szenen (etwa das im Taumel der Wiedersehensfreude gemeinsam am Klavier vorgetragene “The Way You Look Tonight”, das die Verschworenheit der Vergangenheit erneuern soll) ablenken.
Freunde nostalgischer 80er Jahre-Musik kommen übrigens voll auf ihre Kosten: Von Cyndi Lauper's "Girls Just Want To Have Fun” über Tina Turner's “What’s Love Got To Do With It” bis zu “Everybody Wants To Rule The World” von den Tears For Fears” werden so ziemlich alle Songs durchgespielt, die die Protagonisten, aber auch mich auf schon beinahe deprimierende Art an jene Zeit erinnern, in der man sich jung nennen durfte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn Du einen Kommentar hinterlässt und mit einem Google-Account eingeloggt bist oder deinen Namen (und ggf. Website) eingibst, werden diese Daten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z.B. deine IP-Adresse, auch bei anonymen Kommentaren) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.
Wenn Du über einen Google-Account eingeloggt bist, kannst du durch Ankreuzen der Checkbox "Ich möchte Benachrichtigungen erhalten" die Kommentare zu diesem Post abonnieren. Benachrichtigungs-Emails werden bei weiteren Kommentaren automatisch an die Email-Adresse verschickt, mit der Du im Google-Account eingeloggt bist. Das Abonnement kann jederzeit wieder gekündigt werden über den Link "Abmelden" in der Benachrichtigungs-Email.