Dienstag, 26. August 2014

Hans räumt die Trümmer weg: Kurzbesprechung ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL

...UND ÜBER UNS DER HIMMEL
Deutschland 1947
Regie: Josef von Báky
Darsteller: Hans Albers (Hans Richter), Paul Edwin Roth (Werner Richter), Lotte Koch (Edith Schröder)


Hans kehrt nach dem Krieg in seine Heimat zurück und findet seine Wohnung stark beschädigt vor. Davon lässt er sich keineswegs unterkriegen und macht sich gleich an den Wiederaufbau. Er ist guter Dinge, denn einerseits wird ihm mitgeteilt, dass sein Sohn Werner bald ebenfalls zurückkehren wird, andererseits bandelt er mit der Kriegswitwe Edith an, die in der benachbarten Wohnung lebt. Lebensmittel bekommt Hans vom Schwarzmarkt, und rasch merkt er, dass er durch eigene Schiebergeschäfte wesentlich besser die Renovierung seiner Wohnung finanzieren kann. Sein Sohn Werner sieht das bei seiner Rückkehr gar nicht gerne – eigentlich „sieht“ er es zunächst nicht, denn er ist kurzzeitig aufgrund nervlicher Belastungen erblindet. Einerlei: rasch drängt Werner seinen Vater Hans dazu, die Schiebergeschäfte sein zu lassen und wieder seine Vorkriegsarbeit als Kranführer aufzunehmen...

...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist der erste deutsche Nachkriegsfilm, der unter Lizenz der US-amerikanischen Besatzungsmächte produziert wurde. Er gilt zugleich auch als der erste deutsche Starfilm nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Hans Albers, der schon in den 1910er Jahren seine Leinwandkarriere begonnen und sich besonders im Laufe der 1930er Jahre zum Star und Publikumsmagneten entwickelt hatte, feierte hier gewissermaßen seinen richtigen Nachkriegs-Comeback nach knapp über zwei Jahren Abwesenheit von der Leinwand – seinen letzter Auftritt hatte er in GROßE FREIHEIT NR. 7 (ein „Überläufer“: gedreht noch während des Kriegs, Premiere im September 1945). ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist ganz und gar auf Albers zugeschnitten. Sein Charisma trägt den kompletten Film – dass jemand anders die Rolle des lebhaften, bodenständigen, charmanten und gewitzten Hans Richters spielen könnte, ist eigentlich undenkbar. Seine Darstellung wird gleichwohl ausgezeichnet von der dynamischen Inszenierung des ungarischen Regisseurs Josef von Báky unterstützt, der hier nach MÜNCHHAUSEN erneut mit dem Star zusammenarbeitete.

Das „Lexikon des Internationalen Films“ bezeichnet ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL als „durch oberflächlichen Optimismus und schwülstige Wiederaufbau-Tendenz gekennzeichnet“. Dem negativen Ton dieser Einschätzung mag ich mich nicht anschließen – der Film und Albers machen einfach zu viel Spaß! –, aber sie enthält dennoch eine treffende Aussage. ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist tatsächlich ein „optimistischer“ Film und er leistet alleine im Vorspannlied all das, wofür viele andere Trümmerfilme dieser Ära ihre ganze Laufzeit brauchen: den Übergang von der Larmoyanz zum puren Wiederaufbauoptimismus.

Es weht der Wind von Norden
Er weht uns hin und her
Was ist aus uns geworden
Ein Häufchen Sand am Meer
Der Sturm jagt das Sandkorn weiter
Dem unser Leben gleicht
Er fegt uns von der Leiter
Wir sind wie Staub, so leicht
Was soll denn werden, es muss doch weitergehen
Noch bleibt ja Hoffnung, für uns genug bestehen
Wir fangen alle von vorne an
Weil dieses Dasein auch schön sein kann
Der Wind weht von allen Seiten
Na lass den Wind doch wehen
Denn über uns der Himmel lässt uns nicht untergehen
Lässt und nicht untergehen

Von einer selbstmitleidsgetränkten Selbstbeschreibung als völlig hilflose Opfer unkontrollierbarer Kräfte („Er weht uns hin und her“) bis zum strahlend-naiven Appell an den Wiederaufbau („Wir fangen alle von vorne an“) in zwei Minuten! Eric Rentschler bezeichnete das Wegräumen der Trümmer und den bestimmten Gang in eine bessere Zukunft als „manifest destiny“ des Trümmerfilms. ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist ein besonders schöner Beweis für diese These: so schwungvoll und lustig werden Trümmer in kaum einem anderen Film der Ära weggeräumt. In der Vergangenheit rumzustochern würde den Spaß am Wiederaufbau jedoch zu sehr verderben: sich etwa daran zu erinnern, dass die Trümmer die Folgen eines genozidalen Kriegs waren, der von Deutschland entfesselt wurde und schließlich teils nach Deutschland zurück... „wehte“. Ein junger Mann, der in der Nachbarschaft Hans‘ lebt, grübelt immer wieder über seine Vergangenheit als Soldat, bereut, dass er nur „Richtung halten, Stellung halten, Schnauze halten“ gelernt hat und nun im zivilen (Postnazi-?) Leben nichts kann. Dieses Grübeln bekommt ihm gar nicht gut, denn am Ende des Films erhängt er sich in einer Polizeizelle, in die er nach einer Schwarzmarktrazzia gekommen ist (das ganze passiert offscreen). Hans hingegen macht es richtig: wenn er sich schon an die Vergangenheit erinnert, dann nur an die schöne Zeit des privaten Glücks mit Ehefrau und Kleinsohn vor dem Krieg (vor der Nazizeit?).

„No past to hide, no guilt to process, no ghosts to slay“, so Robert R. Shandley in seinem Buch Rubble Films: German Cinema In The Shadow Of The Third Reich über die Grundkonstellation von ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL. Die einzige Schuld, die tatsächlich bewältigt werden muss, ist Hans‘ Beteiligung am Schwarzmarkt. Da wir hier von Hans Albers sprechen (es scheint kein Zufall zu sein, dass seine Persona dank des gemeinsamen Vornamens geradezu mit der Figur zusammenschmilzt), ist das alles nicht so schwierig: Hans hört einfach mit dem Schwarzhandel auf, übergibt seine Schwarzhandelkollegen bzw. nunmehr Ex-Schwarzhandelkollegen der Polizei und arbeitet fortan legal als ehrlicher Kranführer, während mit Edith eine nette Frau zu Hause glücklich sein kann, täglich am Herd auf seine Rückkehr warten zu können. So einfach kann Schuldbewältigung sein – und so vergnüglich verpackt.


...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist in Deutschland auf DVD erhältlich: Ton und Bild sind sehr gut.

8 Kommentare:

  1. Hm, ich weiß nicht so recht. Es ist schon länger her, dass ich den gesehen habe, aber wenn ich mich recht erinnere, sah ich das damals so ähnlich wie das LdIF. Jedenfalls hat mir RAZZIA, das noch ein paar Monate früher entstandene DEFA-Produkt zum Thema Schwarzmarkt, besser gefallen. Da gibt es zwar auch viel Botschaft als störendes Beiwerk, aber wenigstens eine Krimi-Handlung, bei der es zur Sache geht.

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    1. ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist halt in erster Linie eine Komödie mit Albers und Moralkeule-Anhang („Schwarzmarkt lohnt sich nicht“). Gerade habe ich bei der Inhaltsangabe von RAZZIA bemerkt: dort heißt die Schwarzmarktbar „Alibaba“, in ...UND ÜBER UNS DER HIMMEL ist es das „Haiti“. Interessant, dass in beiden Filmen unabhängig voneinander das verführerische Verbrecherische so mit „Exotismus“ markiert wird.
      Irgendwann folgt vielleicht die Besprechung von CHEMIE UND LIEBE, meinem bisher liebsten Film der deutschen 45-49-Übergangsphase: eine antikapitalistische Sci-Fi-Utopie-Dystopie-Screwball-, Verwechslungs-, Sex-, Industriespionage-komödie, die so aussieht, als hätten sich Lang, Ophüls und Eisenstein um den Regiestuhl geprügelt. Dafür brauche ich aber länger... und wahrscheinlich wieder 50.000 Zeichen ;-)

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    2. Ich glaube, dass solche zwielichtige Spelunken und Nachtclubs ziemlich oft exotische Namen haben. Das setzt sich mindestens bis in die 60er Jahre fort (z.B. "Mekka" in DAS GASTHAUS AN DER THEMSE, "Sansibar" in TIM FRAZER JAGT DEN GEHEIMNISVOLLEN MISTER X).

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    3. TIM FRAZER JAGT DEN GEHEIMNISVOLLEN MISTER X? Noch nie gehört ;-)

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    4. Ich kann mich auch nur dunkel erinnern, wo ich das gelesen habe ... :-)

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  2. Schöner Text - danke!
    Ich frage mich im Zusammenhang mit dem deutschen Nachkriegsfilm immer wieder, weshalb die Erwähnung Nazi-Vergangenheit in diesen Filmen oft derart peinlich vermieden wird.
    Scham? Schlechtes Gewissen? "After-Schock"? Wahrscheinlich, oder? Oder sassen die alten Nazis in den Filmstudios und kehrten ihren Dreck unter die Teppiche?
    Eine interessante Frage, die mich immer wieder beschäftigt.

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    1. Bitte schön!
      Der Umgang mit der Nazivergangenheit im deutschen Film unmittelbar nach dem Krieg ist in der Tat ein relativ komplexer Bereich, und manchmal verwirrend.
      Zumindest bei einigen der zentralen Filme fällt auf, dass von Nationalsozialismus nichts zu finden ist: da gibt es kein Regime, keine Regimestrukturen (und schon erst recht keine gesellschaftliche Basis). Allenfalls geht es um die Verfehlungen und Verbrechen einzelner, die man klar und eindeutig benennen kann, oder von diffusen und stark distanzierten Gruppen, die nichts mit dem „normalen“ Deutschen zu tun haben. Meistens geht es eher diffus um Krieg (und wie sehr die Deutschen darunter litten).
      In DIE MÖRDER SIND UNTER UNS z. B. leidet das Gewissen des Protagonisten, eines ehemaligen Wehrmachtsarztes, wegen eines Verbrechens, das ein ANDERER begangen hat. Den findet er im Nachkriegsberlin dann wieder, was seine Gewissensbisse in Rachegelüste umschlagen lässt. Das Verbrechen, das hier behandelt wird, ist das Verbrechen eines einzelnen, der es als verantwortliches Individuum in einer Armee (heisst: „irgendeiner“) während eines kürzlich zurückliegenden Krieges begangen hat. Eine scharfe Anklage gegen das Naziregime würde natürlich etwas anders aussehen. Geradezu verstörend ist die Figur, die Hildegard Knef spielt. Sie wird als Überlebende eines Konzentrationslagers präsentiert, benimmt sich aber im Grunde so, als wäre sie von einem erfrischenden Strandurlaub zurückgekehrt: keine Traumata, keine körperlichen Probleme, nur Aufbauoptimismus und vor allem den Drang, ein trautes Heim einzurichten (heisst: eine ideale Ehefrau am Herd zu werden). Auf einer bildlichen und auch narrativen Ebene suggeriert das implizit (und auf letztlich ziemlich kaltschnäuzige Weise), dass KZ-Insassen es im Krieg im Grunde besser hatten als Wehrmachtssoldaten an der Ostfront. DIE MÖRDER SIND UNTER UNS ist aber auch in seiner formalistischen Gestaltung sehr überwältigend, fast erschlagend, so dass diese ganzen „bizarren“ und „dissonanten“ Elemente bei der Erstsichtung vielleicht gar nicht auffallen. Verwirrend ist, dass hier niemand seinen Dreck unter den Teppich gekehrt hat: Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Staudte hat schon in der Nazizeit Filme gedreht, galt aber als sehr regimeferner Mann. Seine Thematisierung der Vergangenheit wurde im Laufe der 1950er immer expliziter, zunächst in ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (der auch glaube ich ohne Naziregime auskommt, jedoch explizit sagt, dass es aus der Vergangenheit heraus in der Gegenwart ein ungelöstes Problem gibt), dann in KIRMES, dann in HERRENPARTIE (beide nicht gesehen – aber HERRENPARTIE hat sogar für internationale Skandale gesorgt und Staudte endgültig den Ruf des „nationalen Nestbeschmutzers“ eingebracht).
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    2. Genauso regimefern war Helmut Käutner, dessen Episodenfilm IN JENEN TAGEN genau das macht, was du ansprichst: jegliche Erwähnung „peinlich vermeiden“. Das fängt mit dem Titel schon an. Der Film will zwar Szenen „aus jenen Tagen“ zeigen, aber auch hier: kein Naziregime, keine Nazis, nur ein Krieg, der „plötzlich da war“. Hitler wird zum Beispiel in der ersten Episode „ähm... Dingsda“ (sic!) genannt, und eine (suggerierte) SA-Parade als „die da“ bezeichnet. Alle Anspielungen werden nur umständlich über drei Ecken gemacht. Hier findet sich auch das Element, das man als „Universalisierung“ der Opfer bezeichnen kann: eine ältere jüdische Frau will Selbstmord begehen und sich vorher von ihrem nichtjüdischen Mann scheiden lassen, der geht aber mit ihr lieber in den Freitod. Kein jüdisches Opfer ohne „Aufwiegung“ mit einem deutschem Opfer. Das Larmoyante, das ich angesprochen habe, hat mich besonders in der Rahmenhandlung verstört: zwei Arbeiter in einer Nachkriegsstadt, die lamentieren, dass es keine Menschlichkeit mehr gibt, weil sie gerade zu wenig zu essen, trinken und rauchen haben. Mit dem Wissen, dass Deutsche damals erst kürzlich weit über 10 Millionen Menschen systematisch ermordet hatten, wirkt das besonders kaltschnäuzig. Und sehr verstörend in Kombination mit dem humanistischen Grundton des Films.
      Um das ganze noch verwirrender zu machen: einer der wenigen Filme der Ära, die tatsächlich den Nationalsozialismus thematisieren und erwähnen, die andeuten, dass es ein Regime mit einer unterstützenden Massenbasis war, die kriegsbegeisterte Deutsche zeigen, die eindeutig sagen, dass der Zweite Weltkrieg ein Angriffskrieg Deutschlands war, die deutlich machen, dass Schuld nicht einfach wie ein Gegenstand „weitergereicht“ werden kann, wurde ausgerechnet von einem ehemaligen hochrangigen Nazikulturfunktionär gedreht! LIEBE 47 (1949), inszeniert von Wolfgang Liebeneiner, seines Zeichens einer von Goebbels Lieblingsregisseuren, Leiter der Fachschaft Film in der Reichsfilmkammer, Produktionschef der Ufa, „Ehrenprofessor“ von Goebbels Gnaden. Nach dem Krieg hat sich Liebeneiner bei der „Entnazifizierung“ sehr geschickt angestellt und konnte nach einer kurzen Pause weiterarbeiten. Und ausgerechnet er hat wohl den Nachkriegsfilm gedreht, der die Zuschauer mit dem meisten „Dreck“ konfrontierte. Es soll wohl bei Aufführungen zu tumultartigen Stürmungen aus dem Saal gekommen sein (hauptsächlich wegen der außergewöhnlichen, surrealistischen Traumszenen). LIEBE 47 wurde jedenfalls einer der fulminantesten Flops der unmittelbaren Nachkriegszeit.
      ...ÜBER UNS DER HIMMEL blickt wie gesagt kaum noch in die Vergangenheit. Da er aber überhaupt nicht erst diesen Anspruch formuliert, finde ich eigentlich auch erträglicher als IN JENEN TAGEN.
      Vielleicht noch zu den „alten Nazis in den Filmstudios“: die personelle Kontinuität war sehr stark. Einer der Gründe war nicht zuletzt, dass es keine massenhafte Rückkehr exilierter Filmkünstler gab: es sind wohl weit über 1.000, die nach 1933 Deutschland verlassen haben/mussten. Die Rückkehr war entweder sehr kurzzeitig (Billy Wilder, Peter Lorre) oder fand Jahre nach der unmittelbaren Nachkriegszeit statt (Robert Siodmak, Fritz Lang).
      P.S.: das paradoxe an Kurzbesprechungen ist, dass die Kommentare dann teils länger sind als der eigentliche Text.

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