USA / Philippinen 1978
Regie: Cirio H. Santiago
Darsteller: James Iglehart (Doug Russell), Carmen Argenziano (Morelli), Leon Isaac Kennedy (McGee), Jayne Kennedy (Maria Russell)
Als Jim Jarmusch 1999 in GHOST DOG: THE WAY OF THE SAMURAI einen afroamerikanischen Samurai losschickte, um die Unterwelt einer US-Großstadt aufzumischen, klang das nach einem witzigen und originellen Konzept. Doch schwarze Samurais gab es schon länger. Im 16. Jahrhundert soll tatsächlich der afrikastämmige Diener eines italienischen Jesuiten, der Japan besuchte, in den Rang eines Samurai aufgestiegen sein und den Namen Yasuke angenommen haben. Einige Jahrhunderte später, um genauer zu sein in den 1970er Jahren, sprossen schwarze „Samurais“ geradezu aus dem Boden, als in einer der vielen Varianten von Exploitation-Crossovers Blaxploitation und Martial Arts Film zusammenfanden. THAT MAN BOLT (1973, mit Fred Williamson), BLACK BELT JONES (1974, mit dem Karateka Jim Kelly) und DEATH DIMENSION (1978, ebenso mit Jim Kelly) verbanden ostasiatische Kampfkunst-Action mit schwarzen Hauptfiguren, auch wenn es sich offenbar nicht um Samurais mit Schwertern handelte. Die Inhaltsangabe von BLACK SAMURAI (1977, wieder Jim Kelly) suggeriert nicht wirklich, dass der Titel wörtlich sein Versprechen einhält, hat aber in seinem imdb-Eintrag zumindest die Stichworte „samurai“, „sword fight“ und „katana sword“ gelistet.
Anders bei VENGEANCE IS MINE (der Film hat mit Imamura Shoheis ein Jahr später veröffentlichtem Film nichts zu tun. Auf die verwirrende Titelvielfalt komme ich noch zu sprechen – ich nutze einheitlich diesen Titel, weil meine Fassung ihn trägt), in dem tatsächlich ein schwarzer Samurai zum Schrecken der Unterwelt von Los Angeles wird. Doch wie kommt es dazu?
Drei (noch) fröhliche Veteranen nach dem Deal |
In Los Angeles zurück beginnen die beiden fiesen Armeeveteranen, sich in die Geschäfte der Unterwelt einzumischen. Sie beseitigen Konkurrenten durch Einschüchterungen, massive Zerstörungen und schließlich durch Mord. Derweilen wird Russell an den Strand einer fast einsamen Insel gespült. Zwei Japaner in abgerissenen Soldatenuniformen entdecken den für tot gehaltenen, aber nur schwerverletzten Mann, bringen ihn in ihre Höhlenunterkunft und pflegen ihn gesund. Als Russell wieder Bewusstsein erlangt, glaubt er seinen Augen kaum. Sugoro stellt sich als Oberst der Kaiserlich Japanischen Armee vor (die 1945 aufgelöst wurde). Ichikawa, ein einfacher Soldat, ist sein Diener. Beide landeten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Insel, wurden aber nach der Kapitulation vergessen und leben seit etwa drei Jahrzehnten zivilisationsfern wie Robinsons. Wie kampfbereite Robinsons freilich: Sugoro ist überzeugt, dass der Zweite Weltkrieg noch in Gange ist.
Russell wird von zwei japanischen Soldaten gefunden Morelli und McGee mischen die Unterwelt von L. A. auf |
Seine Ehefrau, die ihn für tot hält, verliert derweilen ihren Job als Nachtclubsängerin und findet auch keine andere Anstellungen – dem Zuschauer wird rasch klar, dass McGee, der als großer Boss die wichtigsten Nachtclubs von L. A. kontrolliert, Maria wohl auf eine schwarze Liste gesetzt hat, nur, um ihr dann „großzügig“ Arbeit anzubieten, wenn sie bloß „netter“ zu ihm wäre. Auf der weit entfernten tropischen Insel stirbt derweilen Ichikawa bei einem Unfall. Kurz danach landet eine Einheit der philippinischen Armee auf der Insel. Für Sugoro ist dies ein Grauen, für Russell eine große Chance – ersterer begeht Seppuku, letzterer kann, mit zwei Samurai-Schwertern im Handgepäck, in die USA zurückkehren.
Russell "fragt" sich zu McGee und Morelli durch... ...und findet seine Familie wieder. |
Dieser findet erst einmal seine Familie wieder und sieht zum ersten Mal überhaupt seinen Sohn. Eigentlich eine ideale Gelegenheit, um mit Maria und Nachwuchs aus der Stadt zu verschwinden. Doch Russell denkt nicht daran: es ist für ihn eine Frage der Ehre, seine beiden Fast-Mörder zu jagen und hinzurichten. Er drängt zur Eskalation: einer Begegnung mit Russells Schwert entkommt McGee mit einem Ohr weniger, während Morelli dabei seinen Kopf verliert. McGee entführt daraufhin Maria und ihren Sohn in seine mexikanische Fluchtvilla. Russell folgt ihm dorthin und richtet ihn und all seine Gehilfen mit dem Schwert. Gerächt will der schwarze Samurai mit seiner Frau und seinem Sohn in die Zukunft ziehen, wird jedoch von einem korrupten Polizisten in McGees und Morellis Dienst aus dem Hinterhalt erschossen.
Die lange Inhaltszusammenfassung macht es vielleicht klar: VENGEANCE IS MINE ist ein unheimlich dichter Film, der beeindruckend viele Elemente in sich vereint. Das Herz und die Seele des Film ist meiner Meinung nach die Sequenz, die ich der Anschaulichkeit halber als „interkultureller Buddymovie meets Veteranendrama im Robinsonade-Gewand“ bezeichnen würde. Hier finden sich verschiedene Personen wieder, die sich einander verstehen, gerade weil sie sich teilweise missverstehen. So murmelt Russell, noch an der Schwelle zum Tod, im Delirium immer wieder „those motherhumpers“. Ichikawa fragt seinen Offizier, was der Amerikaner sagt, und Sugoro meint, das sei ein Englisch, das er nicht verstehe. Als die beiden japanischen Soldaten den Vietnamveteranen fragen, wer ihn so schwer verletzt habe, weicht er unwillig aus und murmelt wieder etwas von „those motherhumpers“:
– (Sugoro) You said that in your sleep. What does that mean?
– (Russell) Nothing. Some friends of mine.
– (Ichikawa) They do that to you? They no friends. We your friends! We motherhumpers!
Spätestens hier wird klar, dass die drei Männer in Frieden auf der verlassenen Insel zusammenleben werden – auch wenn sie sich gegenseitig oft nicht verstehen.
Interkulturelle und intergenerationelle Veteranen-WG |
Sugoro weigert sich zunächst, Russell zu unterrichten: „It‘s no use to learn how to fight. Learn how to live.“ Außerdem sieht er, dass der Amerikaner nur die Schwertkampfkunst erlernen möchte, um sich zu rächen, während für den Japaner diese in erster Linie eben das ist: eine Kunst. Schließlich willigt er ein: aus Langeweile, aus Sympathie für den jungen Vietnamveteranen und wohl auch, weil er relativ sicher ist, dass nie jemand sie auf der Insel finden wird. Auch ein Punkt, in dem sich der Amerikaner und der Japaner uneinig sind. Und ein wunder Punkt Sugoros: nachdem er Russell kennen lernt, möchte er erst recht nicht entdeckt werden. Weil er sich eingestehen muss, dass der Krieg offenbar wirklich verloren ist und er somit Jahrzehnte lang in einer Blase lebte. Weil er zu sehr Angst vor dem Japan hat, das er entdecken könnte. Als sein Diener Ichikawa stirbt, erkennt er erst, was er an ihm hatte: der einzige Mensch, mit dem er in einem Zeitraum von Jahrzehnten gesprochen hatte. Lieber stirbt er auf der Insel, als sich der „neuen“ Welt draußen zu stellen.
Der Weltkriegsveteran als kampfbereiter Robinson |
VENGEANCE IS MINE erzählt auch, ich möchte fast sagen „nebenbei“ und „mit links“, eine klassische Geschichte vom Aufstieg und Fall einer Gangsterbande. Die beiden Heimkehrer Morelli und McGee erfüllen sich ihren eigenen amerikanischen Traum, indem sie mit rücksichtsloser Gewalt oder mittels Korruption alles niedermachen, was sich ihnen in den Weg stellt oder stellen könnte. Dabei ist es interessant, dass beide im Grunde schon bestraft werden, bevor das Schwert Russells sie richtet. Morelli ist stets gestresst, besorgt, unruhig und schließlich paranoid. Von Glamour des Paten-Lebens ist nichts zu spüren. Währenddessen hat McGee materiell alles, was er sich wünscht, kann aber die einzige Frau, die er wirklich haben möchte, nicht besitzen – nicht einmal mit Erpressung. Denn Marias Liebe zu ihrem Doug ist stärker.
Mit seinen starken schwarzen Figuren (Held, love interest, einer der Antagonisten) stellt sich VENGEANCE IS MINE teilweise in die Tradition der Blaxploitation-Filme der frühen 1970er Jahre. Doch interessanterweise ist er wenig selbstreferentiell. Schwarzsein wird im gesamten Film kaum wirklich thematisiert: weder in den philippinischen Szenen, noch auf der Insel, noch in den Teilen, die in L. A. spielen. Sugoro etwa verachtet am Anfang latent den Gestrandeten, aber nur deshalb, weil er US-Amerikaner ist. Schwarze, Weiße, Latinos – in L. A. bringt Russell ohne Unterschied jeden Gangster um, der sich ihm in den Weg stellt. Einen einzigen Hinweis gibt es am Anfang, als McGee zögert, einen „der seinen“ („of my own kind“) zu töten – aber meint er damit einen Schwarzen, oder einen Armeekameraden? Morelli antwortet ihm mit: „Don‘t give me that brother-shit. The only brother is the man on the dollar bill. And he ain‘t black.“ Deutlich markanter ist wohl die Tatsache, dass ganz am Ende ein weißer Polizist einen nur mit kalter Waffe bewaffneten Schwarzen aus der Ferne mit einem Gewehr hinrichtet. Es ist ein unglaublich starkes Schlussbild (festgehalten in einem freeze frame), das thematisch an das Ende von NIGHT OF THE LIVING DEAD erinnert. Hier stellt sich auch die Frage, ob das eben Gesehene nicht komplett in einer blasenartigen Parallelwelt spielte und dieses Finale eine Rückkehr in eine reale US-amerikanische Welt markiert, in der Schwarze am kürzeren Hebel saßen. Es könnte einiges darauf hin deuten, dass besonders philippinisch koproduzierte Exploitationfilme lockerer mit ihren schwarzen Figuren umgingen als rein US-amerikanische Blaxploitationfilme oder gar Mainstreamfilme: schließlich wurden sie mehrheitlich auf den Philippinen gedreht, mit philippinischen Filmemachern und philippinischen Drehteams in einer Umgebung, in der es keine US-amerikanische Realität gab.
Als Rachefilm ist VENGEANCE IS MINE in den ersten zwei Dritteln relativ generisch, entpuppt sich aber in der letzten halben Stunde als „gebrochen“ (was ihn vielleicht nicht so sehr von anderen Rache- und Vigilantenfilmen der Zeit abhebt, die oft wesentlich ambivalenter waren, als Zuschauer und Zensoren zugeben mochten). Der tiefere Sinn von Russells Rachefeldzug wird infrage gestellt, als er seine Frau und seinen Sohn wieder findet. Es folgt nämlich kurz darauf eine „happy family“-Montage in Zeitlupe, die einen Bruch zum vorher Gesehenen markiert und einen Neuanfang suggeriert, der dann aber nicht kommt. Warum bleibt Russell trotz des wieder gefundenen Glücks stur und setzt dieses mit seinem fortgesetzten Rachedurst in Gefahr? Warum geht er nicht mit seinen Liebsten einfach weg? „It‘s a matter of honor“ antwortet er, als ihn das Maria fragt. Dass er weiter an seinem Racheplan schmiedet, zeigt schlussendlich, dass er nicht wirklich verstanden hat, was Sugoro ihm auf der Insel sagte. „It‘s no use to learn how to fight. Learn how to live!“ sagte ihm der Japaner zunächst. „You never win combats in anger“ hörte Russell später vom Weltkriegsveteranen. Tatsächlich agiert Russell wie ein Amokläufer im Autopilotmodus, von Hass zerfressen und von Zorn kontrolliert – also im Grunde nicht so, wie ein Samurai handeln sollte. Dass er am Ende gewaltsam stirbt, scheint in diesem Licht eine bittere Zwangsläufigkeit zu haben – er wollte nicht leben, sondern kämpfen.
Problematische Ehe und Rachedurst |
Diese Szene ist einer von mehreren Momenten, in denen Form und Inhalt vollkommen miteinander verschmelzen und nicht mehr zu unterscheiden sind. Grundsätzlich würde ich sagen, dass VENGEANCE IS MINE über weite Strecken relativ unauffällig, aber effizient und ökonomisch inszeniert ist. Aber das ist wohl nur ein Teil seiner formalen Brillanz. Regisseur Cirio H. Santiago, Kameramann Ricardo Remias und die Cutter Gervacio Santos und Robert E. Waters schaffen es in oft in wenigen Bildern, Figuren einzuführen, Situationen zu verdeutlichen und inhaltliche Zusammenhänge klar zu machen. Fast mühelos werden in der ersten Hälfte des Films Russells Heilung und sein Training zum Samurai, McGees und Morellis Aufstieg zu den Herren der Unterwelt von Los Angeles und Marias Trauer und sozialer Abstieg parallel erzählt. Was anderswo Stoff für drei ganze Filme ergeben würde, wird hier für den Zeitraum eines halben Films aufs Äußerste konzentriert. Exposition, Handlung, Figurencharakterisierung, Aufbau von Atmosphäre: in VENGEANCE IS MINE läuft dies oft alles gleichzeitig. Etwa in der dreieinhalbminütigen Szene im Nachtclub, in der Maria als Sängerin präsentiert wird:
1 ein matching cut zwischen der gleißenden, tropischen Sonne über Russells Kopf auf der Insel und dem Scheinwerfer im Nachtclub leitet die Szene ein und erstellt, trotz geographischer Distanz, eine Verbindung zwischen den beiden Liebenden her
2 das Lied, das Maria zum Besten gibt, erschafft den inhaltlichen Zusammenhang zur extradiegetischen Musik: sie singt nämlich das Titelthema
3 die Szene präsentiert einen zentralen Identitätspunkt Marias: sie ist eine talentierte und ambitionierte Sängerin, die auch ohne Ehemann selbstbewusst für ihren Lebensunterhalt sorgen kann
4 die Szene führt Marias beste Freundin als Figur ein (sie ist Kellnerin im Nachtclub)
5 die Szene führt eine Nebenfigur ein, die später als Freund von Marias bester Freundin erkenntlich wird und dann ein bisschen später auch als Handlanger McGees und Morellis
6 der Kreis wird geschlossen, als die Szene ausklingt, zu einem nachdenklichen Russell abblendet und die Titelmusik nur wieder extradiegetisch erklingt
Schwert- und Körperchoreografien |
Vielleicht ist es mittlerweile deutlich geworden, aber es schadet nicht, es explizit zu sagen: ich halte VENGEANCE IS MINE für ein Meisterwerk, und wenn der Film bekannter und gleichzeitig verschmähter wäre, dann stünde dieser Beitrag wohl in meiner inoffiziellen Rubrik „Aufzeichnungen zu einem verkannten Meisterwerk“. Wer steht hinter dieser Perle des Exploitationkinos?
Regisseur Cirio H. Santiago wurde 1936 in Manila geboren, und zwar praktischerweise gleich in das Filmgeschäft hinein. Sein Vater, Ciriaco Santiago, war der Begründer einer der großen Filmproduktionsgesellschaften auf den Philippinen, der 1946 gegründeten „Premiere Productions“. Cirio Santiago übernahm später selbst den Vorsitz der Firma. Seine Karriere im Film begann er offenbar im zarten Alter von 19 Jahren als Drehbuchautor und Produzent, inszenierte dann aber auch rasch eigene Filme.
Ende der 1950er Jahre begann auch das Zeitalter des US-amerikanisch-philippinisch koproduzierten Exploitationfilms, der seine Hochphase in den 1970er Jahren erlebte. Im Inselstaat war es für amerikanische Produzenten (unter anderem zum Beispiel Roger Corman) billiger, Filme zu drehen. Die Philippinen verfügten auch über eine langjährige Filmtradition und über eine große Filmindustrie mit einem breiten Reservoir an erfahrenen und fähigen Handwerkern (zu denen Leute wie Cirio H. Santiago gehörten). Mit Imelda Marcos verfügte das nicht ganz lupenrein-demokratische Land über eine First Lady, die sich sehr für Film interessierte und ein bisschen was vom Geld, das sie nicht in die eigene Tasche steckte, der Filmindustrie zukommen ließ. Auch die philippinische Armee war, wenn sie nicht gerade die Bevölkerung zum Schutz vor Kommunisten terrorisierte, gerne bereit, gegen Bezahlung Ressourcen und Komparsen für Filme zur Verfügung zu stellen. Philippinische Filmemacher profitierten dabei von der Möglichkeit, Filme für einen ausländischen Markt zu produzieren und genossen dadurch größere Freiheiten (besonders im Bereich der Zensur) als bei Filmen für den Inlandsmarkt.
Zeremonielle Übergabe des Todesinstruments |
2008 verstarb Santiago in Makati City – doch nicht, bevor die weltgrößte Recyclingtonne des Exploitationfilms, Quentin Tarantino, sich als Fan geoutet hatte. Pelle Felsch, der das Bookletessay zur weiter unten besprochenen deutschen DVD-Edition von VENGEANCE IS MINE geschrieben hat, weist auf die Parallelen in der Struktur von Santiagos Film und KILL BILL hin: „Verrat an der Freundschaft – Tod & Auferstehung – Ausbildung & Auftrag – Rache“. Die dramatische Übergabe des Schwerts an den Lehrling durch den Meister, die in VENGEANCE IS MINE an einem kargen Strand stattfindet, scheint Tarantino zu einer ähnlichen Szene in KILL BILL inspiriert zu haben. Auch in der deutschen Blogosphäre gibt es zumindest einen großen Fan: Sano Cestnik plädierte vor über vier Jahren bei „Eskalierende Träume“ in einer Besprechung von FINAL MISSION (1984) leidenschaftlich für mehr Cirio H. Santiago. Ein Aufruf, dem hier hiermit gefolgt bin.
Noch einige Worte zu den Darstellern: der charismatische James Iglehart spielte zunächst Nebenrollen in zwei Filmen Russ Meyers (BEYOND THE VALLEY OF THE DOLLS, THE SEVEN MINUTES), bevor er dann dem lockenden Ruf der Philippinen folgte und dort für Regisseur und Produzent Cirio H. Santiago die Hauptrolle in drei actionreichen Filmen spielte: SAVAGE!, BAMBOO GODS AND IRON MEN und eben VENGEANCE IS MINE. Dieser ist gemäß imdb auch sein letzter Film. Offenbar hat er sich danach aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Sein Sohn James Monroe Iglehart, der vierjährig auch in VENGEANCE IS MINE den Filmsohn spielt, ist später selbst Film- und vor allem Theaterschauspieler geworden.
Im Film Antagonisten, im wahren Leben Ehepartner: Jayne Kennedy und Leon Isaac Kennedy |
Im Gegensatz zu seinen Kollegen ist Carmen Argenziano ein umtriebiger Schauspieler geblieben und hat seit seinem Filmdebüt 1969 über 200 Rollen gespielt. Er tauchte einige Male im Umfeld von Corman-produzierten, teilweise in den Philippinen gedrehten Filmen auf, trat aber ebenso in THE GODFATHER: PART II auf. Hauptsächlich spielte er und spielt er Nebenrollen in Fernsehserien, zuletzt in CSI: NY oder DR. HOUSE. Über den Kameramann Ricardo Remias lässt sich rasch in Erfahrung bringen, dass er zum festen Mitarbeiterstamm Cirio H. Santiagos gehörte und über 20 seiner Filme fotografierte.
Und wer sind die Darsteller Sugoros und Ichikawas? Hier ist es tatsächlich schwierig, Namen zuzuordnen. Der Abspann von VENGEANCE IS MINE erwähnt unter „also appearing“ nur noch die Namen der Nebendarsteller ohne Rollennamen (interessant zu sehen: Produzent Robert E. Waters hat mindestens drei Verwandte als Darsteller untergebracht). Im Vorspann werden außer den bekannten Darstellern noch erwähnt: Jose Mari Avellana (bei imdb Joe, nicht Jose), Joonie Gamboa (bei imdb Joonee), Leo Martinez, und ein „guest star“ Roberto Gonzalez (bei imdb überhaupt nicht erwähnt).
freeze frame im Moment des Todes |
Hier ist nun der Ort, um noch einmal auf einen bizarren Fakt hinzuweisen: nämlich dass der besprochene Film keinen „richtigen“, oder zumindest keinen „festen“ Titel hat. DEATH FORCE ist gemäß der imdb der Originaltitel. Der Film lief jedoch, wie viele für Grindhouse-Auswertung produzierte Filme, eine zweite Runde Kino-Auswertung durch, dann offenbar mit dem Titel THE FORCE und FIGHTING MAD. Ein Filmplakat mit letzterem findet man bei imdb: witzig ist, dass Leon Isaac (ohne „Kennedy“) und Jayne Kennedy als Hauptrollen genannt werden. Das Plakat nimmt Bezug auf das Playboy-Cover mit Jayne und auf Leon Isaacs Rolle im Film PENITENTIARY, der im Dezember 1979 in den USA anlief. Wahrscheinlich dürfte also FIGHTING MAD der Titel für eine Neuauswertung des Films irgendwann 1980 gewesen sein. FORCE OF DEATH war offenbar der Titel des Films in Großbritannien. Pelle Felsch nennt im Booklet der deutschen DVD auch noch FIERCE als zusätzlichen Neuauswertungstitel in den USA. Gemäß Felsch ist VENGEANCE IS MINE eine komplette Neuschöpfung für die US-amerikanische DVD-Veröffentlichung des Films im September 2013, die erstmals die komplette 110-Minuten-Fassung enthielt. Allerdings scheint er sich zu irren, da das Cover der entsprechenden DVD eindeutig einen Film namens DEATH FORCE zeigt.
Erschwerend kommt hinzu: irgendwo zwischen 84 Minuten und 110 Minuten dauert VENGEANCE IS MINE aka DEATH FORCE aka FIGHTING MAD. Im September 1978 kam der Film in einer 96-minütigen Fassung in die US-amerikanischen Kinos. In Deutschland lief er, stark geschnitten (ob es sich um Gewaltzensur handelte, ist unklar) mit 84 Minuten Laufzeit im April 1982 an. Die 110-minütige Fassung wird teilweise als „director‘s cut“, teilweise als „extended cut“ bezeichnet: wo sie herkommt, ist allerdings unklar. War es eine Premierenfassung, die später (um)geschnitten wurde? Oder ist es die Rekonstruktion einer „imaginären“ Ur-Fassung? Ein zentraler Unterschied ist jedoch ganz sicher: die 110-minütige Fassung enthält als einzige die letzten paar Sekunden – also den Tod Russells durch Erschießung. Das heißt, dass alle kürzeren Fassungen mit einem „happy end“ aufhören.
Der Film ist wie gesagt als US-DVD im Doppelpack mit Santiagos VAMPIRE HOOKERS unter dem Titel DEATH FORCE in der integralen 110-Minuten-Fassung erhältlich. Auf der Website des Labels steht tatsächlich DEATH FORCE aka VENGEANCE IS MINE, wobei letzterer als „Originaltitel“ genannt wird.
In Deutschland ist der Film dieses Jahr beim Label Subkultur / Media Target als Nummer 2 der „Grindhouse Collection“ als DVD-Blu-ray-Dualedition veröffentlicht worden. Der Film liegt in einer relativ guten Qualität vor: manche Momente sind unscharf, etwas kontrastarm, und zumindest eine Rolle (knapp über 10 Minuten) hat einen gelben Laufstreifen in der Mitte. Trotzdem insgesamt gut. Als Bonus gibt es ein Booklet mit einem Essay von Pelle Felsch, der über Grindhousekino, Actionfilme, Männlichkeitskonstrukten in diesen, Cirio Santiago und die verschiedenen Fassungen des Films schreibt – sehr unterhaltsam, stellenweise sogar poetisch (eine Kostprobe: „Aktions-Kino, das Kino der Beschleunigung und abrupten Zersprenung: Die Quintessenz des bewegten Bildes. Der Karatekick, der Knochen splittern lässt. Das Projektil, das menschliches Fleisch penetriert. Der Car-Crash, der feste Materie seiner starren Form entreißt. Die Explosion, Vernichtung aller molekularen Ordnungen. Kino der Zerstörung. Kino der Befreiung“). Weniger unterhaltsam, sondern vielmehr ärgerlich ist der Bonusfilm: MACHETE MAIDENS UNLEASHED, eine Doku über die Geschichte des US-philippinischen Exploitationfilms. Besonders störend ist nicht nur der Stil dieses Machwerks (es ist nicht so sehr ein Dokumentarfilm als eher eine abendfüllende Interviewschnipsel-Montage), sondern auch die schiere Verachtung für sein Subjekt, das er von oben herab zur nostalgischen, aber lächerlichen Freakshow degradiert.