Donnerstag, 23. Juni 2011

Der Mann mit der Hasenscharte

Dällebach Kari
(Dällebach Kari, Schweiz 1970)
 
Regie: Kurt Früh
Darsteller: Walo Lüönd, Lukas Ammann, Annemarie Düringer, Ellen Widmann, Hans Gaugler, Erwin Kohlund u.a.

Im Anschluss an eine Sichtung des in Deutschland leider unbekannt bleibenden Schweizer Dokumentarfilms "Der letzte Coiffeur vor der Wettsteinbrücke" (2003), der auf liebenswerte Weise vom Basler Stadtoriginal Charly Hottiger, einem Friseur der alten Schule, erzählt, geriet ich ins Grübeln über die vielfältigen Rollen, die diesem Beruf in der Filmgeschichte zukommen. Man denkt zuerst wohl gern an die  tuckigen Nebenfiguren, die in den prüden Hollywood-Komödien bis in die 60er Jahre hinein gerade noch durchgingen. -   Tatsächlich gibt es derart viele Filme, in deren Mittelpunkt ein Friseur in unterschiedlichen Funktionen steht, dass man beinahe eine Arbeit darüber schreiben möchte. - Ich erwähne bloss ein paar aus dem Ärmel geschüttelte Stücke und lasse “You Don’t Mess With the Zohan” (2008) mal aussen vor: “The Great Dictator” (1940), “Blanc” (1994) von Kieslowski, “The Big Tease” (1999), “Chain of Fools” (2000), “The Man Who Wasn’t There” (2001), “Blow Dry” (2001)... - Könnte man da nicht direkt in Versuchung geraten, die Liste zu erweitern und ihrer Bedeutung nachzugehen?


Zufällig erzählt auch der 1970 entstandene Spielfilm “Dällebach Kari” von einem Friseur, der wie der mit seinem Salon vielen Menschen eine Heimat bietende Basler Charly Hottiger zu einem Stadtoriginal wurde, allerdings zu einem Stadtoriginal der ganz anderen Art:

Dällebach Kari gilt weit über die Stadt Bern hinaus als der Possenreisser und Witzeerzähler, um den sich Legenden ranken, neue Witze bilden und von dem viele letztlich wohl gar nicht wissen, ob er, der Coiffeur mit der Hasenscharte, je existiert hat. Jede Stadt dürfte solche Figuren haben, denen bessere oder schlechtere Witze zugesprochen und -gedichtet wurden und die zugleich unter einer körperlichen Auffälligkeit, die zum sie kennzeichnenden “Makel” erhoben wurde, litten (im Moment fallen mir dank einer Suchmaschine gerade der Mannheimer Blumenpeter oder der Aachener Lennet Kann ein). - Kurt Früh, der lange Zeit unerträglich behäbige, das Kleinbürgerliche feiernde Schweizer Filme wie “Polizischt Wäckerli“ (1955) oder “Bäckerei Zürrer” (1957) gedreht hatte, nahm sich der Figur an, unter dem Einfluss des “Jungen Schweizer Films” aber auf eine Weise, die den Zuschauer im Innersten zu treffen vermag, sozusagen durch Mark und Bein geht. Denn bei ihm wird “Dällebach Kari” zum an sich und seiner Umgebung leidenden Neurotiker, den das biedere Bern, das hier als beinahe schaurige Kulisse dient, sehr wohl duldet, so lange er sich an seine Rolle als Hofnarr hält, von dem, dem zunehmend dem Alkohol Verfallenden, man aber nicht hören will, dass er bald sterben werde. Und so nimmt man weder seine unglückliche Liebe noch seine Krebserkrankung zur Kenntnis. Sogar als er, der sich aus Verzweiflung das Leben nahm, nach zehn Tagen aus der Aare gefischt wird, sagt einer jener fetten Bürger, der im öffentlichen Aushang die Zeitung liest: “Dällebach Kari und zehn Tage lang Wasser saufen? Wenn das nicht ein Witz ist!”

Kurt Früh gibt in seinem episodenhaft-balladenartigen Film (der Aufbau erinnert entfernt an Arthur Penn’s “Bonnie and Clyde”, 1967) durchaus einige der berühmten Dällebach-Sprüche und -witze (etwa wie er einem Nationalrat nur die eine Hälfte der Haare schneidet, weil er aus einem "halben" Kanton komme, oder sämtliche Kunden einseift, um anschliessend ins Restaurant zu gehen) zum Besten; aber sie wirken bewusst schal, unbedeutend und mit Traurigkeit erfüllt, wenn man in der nächsten Szene den völlig besoffenen Coiffeur durch die Gegend schwanken sieht und vom Tod reden hört. Auf diese Weise werden dem “Original” all jene volkstümelnden Eigenschaften entzogen, die es zu einer witzigen Figur machen wollen. Und auf diese Intention bereitet uns bereits der Beginn des Films, der nicht zu Unrecht als einer der besten Schweizer Filme überhaupt betrachtet wird, vor: Wir sehen die nächtliche Brücke, die Kari den Sprung in die Erlösung ermöglicht hat und hören in einer Ballade des berühmten, jung verstorbenen Berner Troubadours Mani Matter (1936 - 1972), der in der Schweiz selber zur Legende wurde, worauf wir uns gefasst machen müssen - nämlich auf eine abseits vom gewohnten Heimatkitsch liegende Geschichte. - Dann entdecken zwei Polizisten den Abschiedsbrief des Coiffeurs mit dem Wunsch, man möge sich beim Leichenmahl der Gemütlichkeit und dem Humor hingeben, zum Abschluss aber sein Lieblingslied “Wie die Blümlein leise zittern” singen; und schon sieht man die Trauergemeinde (darunter etwa Lukas Ammann, der in Deutschland durch die Serie “Graf Yoster gibt sich die Ehre” bekannt wurde) beim Fressen und der “Wisst ihr noch?”-Legendenbildung. - Dass uns die Figur des “Dällebach Kari” derart ergreift, ist in erster Linie das Verdienst des grandiosen Walo Lüönd, der unter anderem auch in Wolfgang Petersens "Die Konsequenz" (Deutschland 1977) mitspielte und den ich ausserordentlich schätze.. Er, der heute  leider kaum mehr bekannte Meister des Einfühlens in eine Figur, fand als an seiner Existenz verzweifelnder und unverstandener “Kari” die Rolle seines Lebens und wird sogar von amerikanischen Filmkennern als Oscar-würdig erachtet. - Leider wird der Film ausserhalb der Schweiz immer ein Geheimtipp bleiben.


Der Coiffeurmeister Karl Tellenbach (1877 - 1931) lebte übrigens wirklich. Sein Coiffeurgeschäft in der Berner Neuengasse wurde zum Treffpunkt für alle, die sich über den Mann mit der Hasenscharte und der nasalen Sprechweise lustig machen, aber auch seine schlagfertigen Sprüche geniessen wollten. Nach zwei erfolglosen Krebs-Operationen nahm er sich das Leben, indem er von der Berner Kornhausbrücke sprang. Tellenbachs Nichte empfand Kurt Frühs Film als Ärgernis, weil einige Details nicht korrekt wiedergegeben wurden und sie sich an der Zeichnung ihres Onkels als Säufer störte. - Man sollte den Film jedoch weniger als “Biopic” denn als eine Art Mahnmal betrachten: Er zeigt uns, was eine in sich kranke kleinbürgerliche Gesellschaft aus einem letztlich verfemten Aussenseiter macht, der sie doch eine Zeitlang zum Lachen brachte: Ein Original!

Die DVD ist mit Untertiteln für Gehörlose und Leute, die des Berndeutschen nicht mächtig sind, ausgestattet. Ich will hier wirklich nicht für die Filmindustrie meines Landes Werbung machen - aber: “Dällebach Kari” sollte man gesehen haben.Wir haben es mit einem grossen und zutiefst traurigen  Film, einem Meisterwerk,  zu tun!

Freitag, 17. Juni 2011

Abgehackte Hände und durchschnittene Kehlen: DAS GEBET

DAS GEBET (georgisch WEDREBA, russisch MOLBA)
Sowjetunion (Georgien) 1967
Regie: Tengis Abuladse
Darsteller: Spartak Bagaschwili (Chwatisia), Ramas Tschchikwadse (Mazili), Rusudan Kiknadse (junge Frau), Tengis Artschwadse (Aluda Ketelauri), Gejdar Palawandischwili (Muzali), Surab Kapianidse (Swiadauri), Otar Megwinetuchuzesi (Dschokola), Nana Kawtaradse (Agasa)


Neben Russland und der Ukraine ist Georgien vielleicht die bedeutendste Filmnation unter den früheren Sowjetrepubliken, und Tengis Abuladse (engl. Transliteration Tengiz Abuladze) war einer der bekanntesten Regisseure des Landes. Der mit ca. 75 Minuten recht kurze DAS GEBET ist der erste Teil einer informellen Trilogie, in der es um georgische Geschichte und Gegenwart geht, und die durch DER BAUM DER WÜNSCHE (1977) und DIE REUE (1984) komplettiert wird. Der Film beruht auf zwei Vers-Epen und einer Novelle des georgischen Dichters Wascha-Pschawela (eigtl. Luka Rasikaschwili, 1868-1915), und er besteht aus einer allegorischen Rahmenhandlung, die jeweils einige Minuten am Anfang, in der Mitte und am Ende des Films einnimmt, sowie zwei darin eingebetteten erzählenden Episoden. Die Rahmenhandlung und die beiden Episoden umfassen jeweils ungefähr ein Drittel des Films.


In der Rahmenhandlung begegnen wir dem mythisch angehauchten Dichter Chwatisia und seinem Gegenspieler Mazili, einem unappetitlichen blinden Dickwanst, der das Böse repräsentiert - eine Art Teufel oder Antichrist. Mazili erhebt Anspruch auf eine blonde junge Frau in weißem Gewand - die, das sei vorweggenommen, Georgien repräsentiert -, doch sie begibt sich in Chwatisias Schutz, woraufhin sich ein Streitgespräch zwischen den beiden Widersachern entwickelt. Es dreht sich um Themen wie die Endlichkeit der menschlichen Existenz und um den Gegensatz von materiellen und spirituellen Bedürfnissen, wobei Mazili, der sich Chwatisia gegenüber für unbesiegbar erklärt, der Vertreter des Materialismus ist. Um seine Position zu unterstreichen, führt er Chwatisia Szenarien wie die Beerdigung eines zuvor scheinbar allmächtigen lokalen Potentaten vor Augen.


Mazili ist aber auch ein Symbol für den "großen Bruder" Russland, der sich Georgien einverleibt hat. Wascha-Pschawela war Mitglied der georgischen Nationalbewegung, und seine allegorisch verklausulierte Kritik am Zarenreich wird von Abuladse zwanglos auf das Sowjetsystem übertragen. (DIE REUE, Abuladses letzter Spielfilm, ist eine bitterböse Abrechnung mit dem Stalinismus, und er wurde am Vorabend von Glasnost und Perestrojka einer der erfolgreichsten sowjetischen Filme seiner Zeit.) Im letzten Teil der Rahmenhandlung gibt es eine erzwungene Hochzeit zwischen Mazili und der Frau - Chwatisia hat offenbar resigniert. Danach wird die Frau in einer apokalyptischen Szenerie, die etwas an Bruegels "Triumph des Todes" erinnert, an einem Galgen gehenkt. Doch der Tod triumphiert nicht: In der nächsten Szene, die eine Einstellung vom Anfang des Films wieder aufnimmt, schreitet die Frau über eine Wiese auf die Kamera zu. Der Kreis schließt sich. Der Film endet mit Versen von Wascha-Pschawela, in denen der Glaube an die Wahrheit als ewig bezeichnet wird.


Um ehrlich zu sein: Ich hatte die Rahmenhandlung zunächst nicht so recht verstanden, und manches daran ist mir immer noch unklar. (Bei der Interpretation half die Dissertation von Dinara Maglakelidse, siehe insbesondere hier.) Umso klarer ist die Botschaft der beiden erzählenden Episoden, die auf Wascha-Pschawelas epischen Gedichten "Aluda Ketelauri" und "Gastgeber und Gast" beruhen.


In einer schroffen Gebirgsgegend des Kaukasus leben zwei Völker, die christlichen Chewsuren und die islamischen Kisten, seit jeher in erbitterter Feindschaft. Die erste Erzählung zeigt zu Beginn eine Natursteinmauer, aus der ganze Reihen von abgetrennten menschlichen Händen hervorragen. Die Bedeutung dieses bizarren Bildes wird bald offenbar. Aluda Ketelauri, ein Chewsure, verfolgt zwei Kisten, die Pferde von den Weiden der Chewsuren gestohlen haben. Er schießt den einen mit seiner Flinte aus dem Hinterhalt vom Pferd, aber Muzali, der andere, liefert sich mit ihm ein Feuergefecht, bis auch er tödlich getroffen wird. Nun erfordert es eigentlich die Tradition, dass Aluda dem Getöteten die rechte Hand abtrennt und als Trophäe mit ins Dorf nimmt. Aber weil Muzali tapfer gekämpft hat, will Aluda den Feind ehren, indem er den Körper unversehrt lässt. Zurück in seiner Siedlung, stößt er damit jedoch auf Ablehnung und Unverständnis. Die ehernen Traditionen müssen eingehalten werden, gibt man ihm zu verstehen. Da er bei seiner Haltung bleibt, wird er als Weichling beschimpft und geschnitten. Als er auch noch einen Stier zu Ehren des toten "Ungläubigen" opfert - eine Handlung, zu der nur der Dorfälteste berechtigt gewesen wäre -, richtet ein Tribunal über ihn. Aluda wird mitsamt seiner Familie aus dem Dorf verbannt, seine Herde eingezogen, sein Haus verbrannt. Die letzte Einstellung zeigt, wie Aluda mit seiner Familie, ganz ohne Habseligkeiten, über ein ödes Schneefeld ins Ungewisse wandert - vielleicht dem baldigen Tod entgegen.


In der zweiten Erzählung begegnen sich im schneebedeckten Gebirge zwei Jäger. Swiadauri ist Chewsure und Dschokola ein Kiste, aber im Angesicht der harschen Natur vergessen sie die traditionelle Feindschaft. Dschokola lädt Swiadauri in sein Haus in der Siedlung der Kisten ein - aber auch er scheitert an der Dorfgemeinschaft. Swiadauri hatte vor Monaten einen Kisten getötet, und nun fordern die Männer dafür seinen Tod. Dschokola pocht auf das Recht der Gastfreundschaft, aber das Gesetz der Blutrache steht darüber, bekommt er zu hören. Nur Dschokolas Frau Agasa hält zu ihm. Als er seinen Gast mit der Waffe verteidigen will, notfalls auch gegen seine eigenen Verwandten, wird er überwältigt und verprügelt. Swiadauri wird wie ein Paket verschnürt und zum Friedhof geschleift. Dort, am Grab des von ihm getöteten Kisten, wird er diesem als Opfergabe übereignet. Dann schneidet man dem "Ungläubigen" wie einem Schaf, das geschlachtet wird, die Kehle durch. In der Abenddämmerung schleicht Agasa wie eine Antigone des Kaukasus zum Friedhof, um den Toten zu betrauern und ihm die Ehre zu erweisen.


Im Lexikon des internationalen Films ist zu lesen, der Held der ersten Episode sei das Opfer in der zweiten. Das stimmt zwar nicht - die Namen der Charaktere und die Darsteller unterscheiden sich -, aber es ist ein bezeichnender Fehler. Denn auf einer etwas abstrakteren Ebene sind die zwei Geschichten symmetrisch oder komplementär zueinander. Und zusammengenommen lautet die Botschaft: Im Kreislauf von Gewalt und Vergeltung gibt es keine Guten und Bösen, sondern letztlich werden alle zu Opfern. Die Unterscheidung zwischen "wir" und "die anderen", zwischen den Stämmen und Religionen, ist hinfällig. Humanität müsste die Spirale der Gewalt durchbrechen, aber sie zerschellt an den patriarchalischen Gesetzen, Traditionen und Ritualen.


Wer nun meint, DAS GEBET sei ein "Thesenfilm", liegt weit daneben. Vielmehr handelt es sich um ein gleichermaßen wuchtiges wie poetisches Werk. Vieles an der Bild- und Tonsprache ist stark stilisiert. So gibt es relativ wenige "echte" Dialoge. Stattdessen werden immer wieder Zeilen aus Wascha-Pschawelas Vers-Epen als "Ersatzdialoge" rezitiert. Die Vorhaltungen der Männer in den beiden Dörfern gegenüber dem jeweiligen "Abweichler" werden im Gleichklang in repetitiven Sentenzen vorgetragen. Das erinnert etwas an den Chor in griechischen Tragödien, und es verleiht dem Geschehen zusätzliche archaische Wucht. Abuladse und seinem ukrainischen Kameramann Alexander Antipenko gelingen auch eindrucksvolle Bilder: Kühne und teils surreale Bildmetaphern, grandiose Ansichten der schroffen Bergwelt und der archaisch-wehrhaften Architektur der Siedlungen ihrer Bewohner. DAS GEBET ist in seiner ästhetischen und formalen Geschlossenheit trotz seiner Kürze ein großer Film!


DAS GEBET ist in Russland bei RUSCICO auf DVD erschienen (mit deutschen Untertiteln). RUSCICO ist derzeit etwas auf Tauchstation, aber die Scheibe ist zu vernünftigen Preisen bei Amazon Marketplace und eBay erhältlich.


Samstag, 11. Juni 2011

Amour fou 1986

Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen (Director's Cut)
(37° 2 le matin, Frankreich 1986)

Regie: Jean-Jacques Beineix
Darsteller: Jean-Hugues Anglade, Béatrice Dalle, Gérard Darmon, Consuelo De Haviland, Clémentine Célarié, Jacques Mathou, Vincent Lindon u.a.

“Es war jetzt eine Woche her, seit ich Betty getroffen hatte. Wir bumsten jede Nacht.” Diese Worte folgen dem intensiven Geschlechtsakt eines jungen Paares unter einer Mona Lisa-Reprodukton, mit dem ein Film einsetzt, den ich als kaum in Worte zu fassende Begleitung einer “Amour fou” bezeichnen möchte, die sich nahezu drei Stunden lang von Station zu Station dem sie letztendlich - vielleicht - zerstörenden Wahn zu entziehen versucht. Filmkritiker Roger Ebert, Intimus des “Supervixens”-Regisseurs Russ Meyer, sah die Sache in seinem Totalverriss allerdings ein wenig anders: “Love is not the same thing as nudity. This may seem obvious, but I feel it ought to be explained to director Jean-Jacques Beineix, who has made a film that he thinks is about romantic obsession, and I think is about skin.” Vielleicht ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein für billige Sexfilmchen zuständiger Drehbuchautor (der sich als Kritker zufällig mal den Pulitzer-Preis ergatterte) nur schwer zu begreifen vermag, wie ehrlich gerade als selbstverständlich dargestellte Nacktheit eine solche Leidenschaft, die kaum mehr Aussenstehende an sich heranlässt, macht. Beineix, als “Cinéma de look”-Architekt gefeiert, begriff es.


Jean-Jacques Beineix gilt als eine der eigentümlichsten Figuren des zeitgenössischen französischen Kinos. Obwohl hochtalentiert, bleibt er doch ein ewiger Hoffnungsträger, der uns erst zwei wirklich überragende Filme geschenkt hat. Mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm “Diva” (1981) gelang ihm ein fulminanter, mehrfach ausgezeichneter Einstieg als Regisseur; doch dann folgte 1983 der Flop “La lune dans le caniveau”. - Der hier zu besprechende “37°2 le matin” übertraf sogar den Erstling und holte sich eine Oscar-Nominierung in der Kategorie “Bester fremdsprachiger Film" - die das sämtliche Sinne berauschende Fest der Bilder und Emotionen auch mehr als verdiente. Es führte nicht nur zu einer erneuten Begegnung mit Jean-Hugues Anglade, der drei Jahre zuvor in “L’Homme blessé” einen 18-jährigen (!) Homosexuellen gespielt hatte, sondern machte - Beineix hatte ein Gespür für Begabungen! - auch die junge Béatrice Dalle, die sich später ihre Rollen in ungewöhnlichen Filmen (“Le Temps du loup”, 2003, “A L’Interieur”, 2007) immer gezielt aussuchen sollte, in ihrem Debüt zur Erotik-Bombe der späten 80er. - Seit diesen oft als “Kultfilmen” bezeichneten Werken wartet man vergeblich auf einen Film, der die Bedeutung des Regisseurs festigen würde.

“37°2 le matin” (der Titel weist auf die Körpertemperatur einer schwangeren Frau hin) ist die Verfilmung eines Romans von Philippe Djian, der als Schriftsteller wohl nicht weniger "schwierig" und unstet ist als der Regisseur (Djian, der es nie länger als fünf Jahre am gleichen Ort aushält, hat einen sehr wechselhaften Lebenslauf hinter sich, schreibt jedoch, seit sein Roman dank der Verfilmung durch Beineix zu Weltruhm gelangte, spannende Texte, die sich völlig vom französischen Literaturbetrieb fernhalten und stattdessen an Jack Kerouac oder J.D. Salinger erinnern). Erzählt wird von der Odyssee zweier Menschen, die ihre zuerst unkonventionelle Liebe zueinander festigen wollen und einen sicheren Hafen für sie suchen, ihn sogar in der Provinz als "normales Paar" zu finden scheinen. Dass es sich bei dieser Odyssee um die letzten Monate der Reise einer psychisch schwer kranken Frau handelt, verdrängen sie zwanghaft, halten daran fest, dass nichts sie zu trennen vermag.

Der gescheiterte Schriftsteller Zorg führt in einer südfranzösischen Feriensiedlung ein sorgloses Leben als “Mädchen für alles”, als die  leidenschaftliche Betty in sein Leben tritt. Das lebenshungrige, intensivste Leidenschaft fordernde Wesen lässt ihn ganz neue Formen der Ekstase verspüren und sorgt dafür, dass er ihm völlig verfällt. Bald spielt auch der alte Georges, der die beiden mit seinen Saxophon-Improvisationen in die Nacht begleitet, nur noch eine Nebenrolle. Und sogar Zorgs Chef, der das Anstreichen der Ferienhütten verlangt, muss in den Hintergrund treten; denn Betty kann wirklich alles, und sie nimmt es mit einem Durchsetzungswillen  in Angriff, der den sonst den Dingen ihren Lauf lassenden jungen Mann überwältigt. Als sie die Manuskripte ihres Liebhabers entdeckt, liest sie diese konzentriert durch und erklärt ihn mit Bestimmtheit zum bedeutenden Autor, der endlich Anerkennung verdient. Ein traumhaftes, von gelegentlichen Wutausbrüchen Bettys wohltuend unterbrochenes Leben unter der Sonne Südfrankreichs scheint sich anzubahnen - bis die Frau, deren “Wahnsinn” andere schon früh erkennen, nach einer Auseinandersetzung mit Zorgs Chef die Hütte in Brand steckt und ihre Eroberung ultimativ zur Flucht auffordert.

Die beiden landen in Paris, wo sie im leerstehenden Hotel von Bettys Freundin Lisa Unterschlupf finden. Während Betty Zorgs Roman abtippt, um ihn diversen Verlegern zu schicken, kümmert er sich um die defekten Rohrleitungen, setzt sich aber auch erneut mit seiner schon lange andauernden Schreibblockade auseinander (ein bewegender Moment, der das Bedürfnis des Films, jedes Detail sinnlich zu erfassen, verdeutlicht: die Langsamkeit, mit der Zorg ein vollgekritzeltes Blatt Papier anzündet, es zwischen seinen Fingern beinahe verbrennen lässt, um es dann endlich ins Spülbecken zu legen). - Doch bald scheint das gewohnte “Dolce Vita” seine Fortsetzung zu finden: Lisa verliebt sich in  den Pizzeria-Besitzer Eddy, den Mann mit den unkonventionellen Morgenmänteln und dem ungezwungenen Lachen, mit dem man herrliche Saufgelage veranstalten kann.  Er stellt das Paar als Kellner ein - und hier wird Zorg im unerwartetsten Augenblick endgültig mit Bettys dunkler Seite konfrontiert: Während er die Pizza einer sich ständig beschwerenden Kundin mit Resten aus dem Müll füllt, sticht seine völlig ausser sich geratende Freundin sie mit der Gabel in den Oberarm...

Die Übernahme des Klaviergeschäfts von Eddys verstorbener Mutter in einem Provinznest soll zur letzten, wenn auch anfangs voller Hoffnung angetretenen Station der Liebenden werden (ein nächtliches gemeinsames Spielen auf zwei Flügeln - die Blues-Melodie entwickelt sich zum Leitmotiv des restlichen Films  und fängt seine bitter-süsse Stimmung ein -  verdeutlicht ihre unbedingte, von Unausgesprochenem und Unaussprechbarem durchzogene Zusammengehörigkeit). Hier, inmitten von Spiessbürgern mit all ihren Macken, wollen auch sie ein ganz normales, beinahe konventionelles Paar, das die Einsamkeit und Trostlosigkeit seines vom Wahn bedrohten Lebens zu überwinden vermag, sein. Zorg freundet sich mit dem Lebensmittelhändler Bob, einem "Albino", an und widersteht dessen nymphomanischer Gattin. Und Betty, die noch immer das Unmögliche vollbringt, verkauft Klaviere. - Nach einem sonnendurchfluteten Tag auf dem Land, der ein letztes Mal den Traum von einer unbeschwerten Liebe heraufbeschwört (“es war wie ein Taumel”),  erfährt Betty, dass sie wider Erwarten nicht schwanger ist; und sie lässt sich völlig in ihre eigene stumme Welt gleiten, in der sie ein verzweifelter Zorg nicht mehr zu erreichen vermag. Doch dies ist erst der Anfang vom Ende ihrer letzten gemeinsamen Reise...

Es gibt Filme, deren beachtliche Länge man rühmen mag; es gibt solche, die man gerade wegen ihrer Länge nur mit einem unterdrückten Gähnen durchsteht. Im Falle von “37°2 le matin” ist mir die Länge gar nicht aufgefallen, und ich kann mir nicht vorstellen, wie die ursprüngliche zweistündige Kinofassung gewirkt haben muss. Dies liegt an den vielen kleinen Episoden (etwa der vorübergehend wunderbar erleichternden Szene, in der Zorg und Eddy einen abstinenten Olivenverkäufer zum Trinken verführen oder dem chaotischen Transport eines Flügels) , die die von Zorg im Rückblick erzählte Odyssee anreichern, es liegt mit Sicherheit an der einzigartigen Stimmung, die den Zuschauer schlicht überwältigt - und es liegt an den Aufnahmen und der aus wenigen Motiven bestehenden, jedoch berückenden  Musik (die Klänge eines alten Karussells, das Blues-Motiv auf dem Klavier und ein Saxophon). All diese Elemente sind nicht symbolisch überfrachtet; sie stimmen einfach, tragen auf seltsam-magische Weise zu dem bei, was die Geschichte ohne aufdringliche Botschaft ausmacht. Und sie setzen Eddys trauriger Bemerkung nach dem Tod seiner Mutter “So ein Leben ist keine grosse Sache” etwas anderes entgegen: Es kann Schönheit in einer Tragödie geben. - Also durchaus ein erotischer Film, jedoch noch viel mehr.


Das "Lexikon des internationalen Films" bezeichnete diese seltsame Reise in eine sich nicht als solche akzeptierende Hoffnungslosigkeit, die gegen Ende sogar mit tragischer Ironie glänzt, übrigens als ein "mit wenig inhaltlicher Substanz aufbereitetes Liebesdrama ... oberflächlich und belanglos".

***

Ich habe den Titel dieses Eintrags bewusst mit einer Jahreszahl versehen. Denn obwohl viele Filme, insbesondere französische, von einer "Amour fou" handeln, möchte ich bei Gelegenheit wenigstens noch zwei Arbeiten aus Frankreich besprechen, die mit dem gleichen Titel versehen werden müssen, eine aus den 90er Jahren und eine aus dem ersten Jahrzehnt dieses Millenniums. Ob sie an Beineix' Meisterwerk heranreichen, wird sich zeigen.

Sonntag, 5. Juni 2011

Kurzbesprechung: BLUT AN DEN LIPPEN

BLUT AN DEN LIPPEN (LES LÈVRES ROUGE, auch LE ROUGE AUX LÈVRES, engl. DAUGHTERS OF DARKNESS, auch BLOOD ON THE LIPS und weitere Alternativtitel)
Belgien/Frankreich/Deutschland 1971
Regie: Harry Kümel
Darsteller: Delphine Seyrig (Elisabeth Bathory), John Karlen (Stefan), Danielle Ouimet (Valerie), Andrea Rau (Ilona), Paul Esser (Portier), Georges Jamin (Kriminalbeamter), Fons Rademakers (Mutter)

Ein frisch verheiratetes junges Paar, mit dem Zug unterwegs nach England, macht Halt in Ostende und steigt in einem Luxushotel am Strand ab - eigentlich nur für eine Nacht. Bis auf den alten Portier scheint das Hotel menschenleer. Doch dann treffen zwei weitere Gäste ein: Die ungarische Gräfin Elisabeth Bathory und ihre Zofe Ilona. Der Portier meint sich zu erinnern, dass die Gräfin schon einmal im Hotel abgestiegen ist - aber in seiner Jugend, also vor Jahrzehnten.


Das junge Paar gerät schnell in den Bann der mysteriösen Fremden. Die Gräfin scheint sich für Valerie, die Braut, zu interessieren, was Stefan, den Bräutigam, nervös und Ilona eifersüchtig macht. Valerie lernt dunkle Seiten ihres Ehemannes kennen, von denen sie bisher keine Ahnung hatte. Ein pensionierter Kriminalbeamter bringt weitere Unruhe. Er ist den beiden Ungarinnen aus Brügge hinterhergereist, wo sie zuvor abgestiegen waren - und wo mehrere junge Frauen ermordet und völlig blutleer aufgefunden wurden ...


Delphine Seyrig (LETZTES JAHR IN MARIENBAD, DER DISKRETE CHARME DER BOURGEOISIE, JEANNE DIELMAN) in einem (wenn auch zahmen) Horrorfilm am Rande der Exploitation? Harry Kümel hat es zuwege gebracht, mit Hilfe von Alain Resnais. Resnais war nicht nur Seyrigs Regisseur bei MARIENBAD und MURIEL ODER DIE ZEIT DER WIEDERKEHR, er und Seyrig waren damals auch ein Paar. Und er war und ist ein Fan von solchen Genrefilmen, und er überredete Seyrig, das Angebot anzunehmen. Mit ihrer mondänen Erscheinung und ihrer rauchigen Stimme ist sie die Idealbesetzung. Und ihre Kleider! Kümel nahm sich vor, sie in Szene zu setzen, wie es einst Josef von Sternberg in seinen Hollywoodfilmen mit Marlene Dietrich gemacht hatte, und das ist ihm gelungen. Manche Aufnahmen von ihr sind ziemlich atemberaubend.


Der Belgier Harry Kümel konnte 1971 mit seinem Geniestreich MALPERTUIS noch einen draufsetzen, dann verflachte seine Karriere etwas. Neben Arbeiten für Fernsehen und Theater wirkte er auch als Dozent für Film. Mit seiner Mischung von sanftem Horror am Rande des Trash und dezenter Erotik wandelt BLUT AN DEN LIPPEN in ähnlichen Spuren wie Filme von Jean Rollin aus dieser Zeit, z.B. der ähnlich betitelte LÈVRES DE SANG. Aber bei Kümel ist alles viel gediegener. Die Innenaufnahmen fanden in zwei sehr noblen Hotels in Brüssel bzw. Ostende statt, und Kümels Budget war zwar nicht üppig, dennoch hatte er viel mehr Geld zur Verfügung als Rollin jemals.


Das lag auch am Coproduzenten Luggi Waldleitner, der auch Andrea Rau einbrachte. Sie hatte zuvor in einigen deutschen Nackedeifilmchen mitgespielt. Eine große Schauspielerin vor dem Herrn ist sie wohl nicht, aber das musste sie hier auch nicht sein. Mit ihrem Schmollmund und ihrem Talent für laszive Bewegungen (sie hat eine Ausbildung als Tänzerin) ist sie ziemlich perfekt. Mit seinem luxuriösen bis schwülstigen Dekor und den schönen Frauen ist BLUT AN DEN LIPPEN ein Film für's (nicht nur männliche) Auge. Für Horrorfans im engeren Sinn ist er weniger geeignet. Dafür passiert zu wenig, und die Stimmung ist auch nicht wirklich unheimlich, eher morbid bis fatalistisch.


BLUT AN DEN LIPPEN ist in Deutschland, England, USA und weiteren Ländern auf diversen DVDs erschienen, die sich in Bildqualität und Bonusmaterial stark unterscheiden. Die üblichen Quellen wie OFDb und DVD Beaver bieten nähere Informationen. Der Film wurde aufgrund der internationalen Besetzung auf Englisch gedreht, die Sprachfassungen sind also überall identisch.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Des Bloggers Trost?

Ein paar Verse von Walther sîne bruoder mit dem vogel


(und seid mal froh, dass ich dies Kleinod von einem Poem nicht
in Mittelhochdeutsch verfasset habe!)



                          Der Sommer naht; es schwinden Clicks und Kommentare -
                          So mancher Blogger kommt sich vor wie Ausschussware.
                          Er fragt sich: “Sinds die Neuzugänge? Liegts an mir?”
                          Ertränkt den Kummer in viel Schnaps und noch mehr Bier.


                          “O nein!”, entgegne ich, es liegt an Trieben,
                          Die - grob geschätzt - Ende August verfliegen.
                          Bis dahin haben Leser wie auch Leserin ihr bisschen Lust verspritzt,
                          Und kehren reuevoll zu dir zurück - wenn auch verschwitzt.


                          Du wirst sie nicht mit Worten wie “Versager!” oder ”Blöde Gans!” verletzen,
                          Sie meistens auch nicht nach zwei Dates bereits versetzen.
                          Doch brüllt die Horde “Her mit Postings! Meäh! Noch meäh!” erbost,
                          Dann nennt man sie des Bloggers Fluch - nicht Trost.
       
                                                                                                                 (für gabelingeber)                                                                                                              

Samstag, 28. Mai 2011

Kurzbesprechung: Life with Father


Unser Leben mit Vater
(Life with Father, USA 1947)

Regie: Michael Curtiz

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann ein sich zunehmend der moralischen Heuchelei hingebendes Hollywood zu erkennen, mit welch frivolen, verwerflichen, ja geradezu kommunistisch unterwanderten Machwerken es sein Publikum dem Teufel ausgeliefert hatte, als es dieses in den 30ern und frühen 40ern mit den erfolgreichen Screwball Comedies in die Kinosäle lockte.  Deshalb: Neue Konzepte für Komödien mussten her; und nachdem man sich eine Zeitlang noch auf lustige Weise mit dem Krieg auseinandergesetzt hatte, galt es auch das Fernsehen mit seinem familientauglichen Programm als Konkurrenten ernst zu nehmen. Also familientaugliche Komödien, an denen selbst ein Senator McCarthy, dessen "Geruch" sich schon vor seinem Antritt bemerkbar machte, nichts auszusetzen haben würde! Und was war familientauglicher als Komödien, in denen es gleich um eine ganze Familie (Vati, Mutti und eine mehr oder weniger grosse Kinderschar) ging? - So entstanden um 1950 eine ganze Reihe von Filmen,  die vielleicht als ganz nett zu bezeichnen sind, ohne je den frechen Charme einer Screwball Comedy zu erreichen: “Sitting Pretty” (1948), “Mr. Blandings Builds His Dream House” (1948), “Cheaper By the Dozen”, 1950, nicht annähernd so billig wie das “Remake” mit Steve Martin (2003). - William Wyler benutzte 1956 für seinen meisterhaften “Friendly Persuasion” sogar Elemente der “Familienkomödie”, aus denen er dann aber eine mit tragischen Wendungen versehene Geschichte über den amerikanischen Civil War formte.

Ich weiss nicht, welches die erste dieser "Familienkomödien” über eine Familie war, vermute aber, der einst gefeierte “Life with Father” sei ziemlich am Anfang gestanden. Der eher aus einzelnen Anekdoten bestehende, auf einem höchst erfolgreichen Broadwaystück basierende Film erzählt vom cholerischen rothaarigen Wall Street Broker Clarence Day, Sr., der in den 1880ern seine Familie und seine Umwelt mit mehr als fester Hand zu regieren glaubt, ohne zu bemerken, dass es sein trautes Weib Vinnie ist, das im Hintergrund die Dinge  ihren Weg gehen lässt, sich auch der Probleme der vier rothaarigen Söhne, deren ältester sich in die junge Elizabeth Taylor verliebt, dem Rat des Vaters folgend das zarte Pflänzchen aber beinahe gefährdet, annimmt.  Während Gary Cooper im erwähnten Wyler-Film jedoch die streng gläubige Quäker-Gattin gar oft hinters Licht würde führen dürfen, ist es hier die von Kritikern als “the lady Gandhi of the Screen” bezeichnete moralische Allzweck-Waffe Irene Dunne, die sich Sorgen um den ungläubigen, offenbar nie getauften Mann macht (“I don’t go to church to be preached at as though I were some lost sheep!”). - Und mit Hilfe des braven Rev. Dr. Lloyd, dessen Predigt sich auch der Zuschauer eine geschätzte Ewigkeit lang anhören darf, scheut das gottesfürchtige Ding keine Mühe, Vati mit sanfter Tyrannei auf den rechten Weg zu leiten.

William Powell, der als trinkfester Nick Charles in diversen “Thin Man”-Filmen  wahrhaft  schon bessere Zeiten gesehen hatte, aber in der Rolle des zu Selbstgesprächen neigenden und sämtliche Dienstmädchen vertreibenden Polterheinis für eine der vier Oscar-Nominierungen, die sich die Komödie holte, zuständig war, musste sich - der Production Code war am Werk! - diverse im Bühnenstück vorkommende “Damns!” verkneifen. Denn schliesslich sollte hier ein moralisches Exempel statuiert werden. - Der Film erschien in Deutschland im Rahmen einer DVD-Reihe, die den Titel “Vergessene Filmklassiker” trägt. Nun ja, vergessen ist er...