Freitag, 18. Juni 2010

Her mit der deutschen DVD! - die Dritte

Es grenzt zwar ans Absurde, eine deutsche DVD für einen deutschen Film zu fordern; aber gelegentlich muss man sich - nolens, volens - diesem Grenzbereich annähern. Und dass ich zu einem Film, den es leider überhaupt nicht auf DVD gibt, keine Bilder liefern kann, versteht sich von selber:

  
Das Brot des Bäckers
(Das Brot des Bäckers, Deutschland 1976)
Regie: Erwin Keusch
Darsteller: Günter Lamprecht, Bernd Tauber, Silvia Reize, Anita Locher, Manfred Seipold, Gerhard Acktun, Ronald Nitschke


So sehr es unser Leben vereinfachen würde: Der deutsche Film der 70er Jahre lässt sich nicht einfach in  billigste Unterhaltungs- respektive Sexstreifen und die oft etwas abgehobenen Werke einer Gruppe von Autorenfilmern (Alexander Kluge, Werner Herzog, Volker Schlöndorff, Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder etc.), denen "künstlerischer" Anspruch und Anerkennung im Ausland oft wichtiger waren als Publikumsnähe, aufteilen. Gerade das Fernsehen erlaubte es bislang weniger etablierten Regisseuren, etwa für Reihen wie "Das kleine Fernsehspiel" oder "Tatort" Filme zu drehen, die brennende Themen der Zeit in leichter zu goutierende Geschichten verpackten, damit sie auch von Leuten wahrgenommen wurden, die weniger informiert waren als die Intellektuellen im Lande. Das zwischen der ARD, dem ZDF und der Filmförderungsanstalt geschlossene Film-Fernsehen-Abkommen ermöglichte es solchen Filmen zum Teil letztlich auch, an den Kinokassen erfolgreich zu sein, bevor sie im Fernsehen gezeigt wurden.

Leider sind viele Produktionen, die sich deutlich aktueller Probleme der Zeit annahmen, etwas in Vergessenheit geraten. Ich möchte deshalb hier an eine von ihnen erinnern, die von einem Regisseur gedreht wurde, der etwa im Gegesatz zu Wolfgang Petersen  dem Fernsehen treu blieb und  dem wir neben Beiträgen für "Tatort", "Eurocops" und "Polizeiruf 110" eine Reihe durchaus beachtlicher Filme verdanken, die nicht mit Pomp, aber mit Themen aufwarteten. Dass er mit der Schweiz zu tun hat, dürfte nicht reiner Zufall sein - letztlich müssen bloss die armen, für Filmzeitschriften arbeitenden Sklaven über Erzeugnisse schreiben, mit denen sie überhaupt nichts verbindet:

Der von Kritikern und Publikum gleichermassen gefeierte Erstling des Zürchers Erwin Keusch beschäftigt sich mit dem Niedergang des Kleingewerbes in den 70er Jahren, verpackt sein Thema jedoch zugleich in die mehr als ansprechende Geschichte des jungen Werner Wild, der eines Tages in einer fränkischen Kleinstadt die Bäckerei von Georg Baum mit den Worten "Ich ess' gern gutes Brot" betritt - und vom Bäckermeister, einem Anhänger gut durchgebackenen Brotes, augenblicklich als Lehrling eingestellt wird. Dieser macht ihn nicht nur mit den Feinheiten des Backens von Brot und Gebäck vertraut, sondern nimmt ihn auch herzlich in seine Familie, die durch die temperamentvolle Meistersfrau zusammengehalten wird, auf. Während Werner unbeschwerte Lehrjahre mit den dazugehörenden Liebeswirren durchlebt, will Baum bloss in Ruhe sein Brot verkaufen und bemerkt erst langsam die sich verändernde wirtschaftliche Umgebung, auf die ihn seine Söhne, zwei Gymnasiasten, die mit dem Betrieb des Vaters nichts zu tun haben wollen, immer wieder aufmerksam machen. Erst als ein Supermarkt im Städtchen seine Tore öffnet, erkennt er die anstehenden Schwierigkeiten, in die ein Preiskrieg ihn führen wird.

Werner identifiziert sich zunehmend mit den Problemen seines Meisters, der jetzt in grossem Stil zu rationalisieren beginnt, ohne dass sich der finanzielle Erfolg einstellen würde. Ein zweiter Lehrling schmeisst den Bettel hin, und auch Werner sieht sich nach dem Ende seiner Lehrzeit gezwungen, eine Stelle in einer Grossbäckerei anzunehmen. - Baum, der seinen Einmannbetrieb stur und hoffnungslos verteidigt, dringt eines Nachts in den Supermarkt ein und verwüstet die Brotabteilung. Seine berufliche Karriere ist damit beendet. Dass der Film trotzdem zu einem höchst fragilen Happy End findet, ist umso berührender.

Es würde mich nicht erstaunen, wenn der Bäckersohn Keusch vom Schweizer Film "Bäckerei Zürrer" (1957) auf die Idee gebracht worden wäre, sein eigentliches Anliegen zuerst raffiniert in eine scheinbare Idylle zu verpacken. Während der erwähnte Film aus der Schweiz jedoch nichts weiter als eine "Was man so alles in eine Bäckerei-Geschichte einpacken kann"-Schnulze ist, gelingt Keusch und seinem Team ein höchst aufwühlendes Dokument über die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit. Ohne die Leistung der anderen Darsteller schmälern zu wollen, muss man sagen, dass insbesondere Günter Lamprecht als zunehmend verzweifelnder Bäckermeister einzigartig glaubhaft wirkt. Wenn man seinen Weg mitverfolgt, erkennt man, dass nicht bloss der Eindruck einer bleibenden Aktualität erweckt wird, sondern sich ein vergleichbares Schicksal jeden Tag abspielt.

Ich machte zu Beginn dezent darauf aufmerksam, dass wir letztlich nicht grundlos über ganz bestimmte Filme schreiben oder sie aus einem bestimmten Blickwinkel betrachten. Manchmal schadet es nichts, sich über dieses uns Bewegende ein paar Gedanken zu machen: Ich wuchs in den 70ern in einer ländlichen Gegend der Schweiz (der ich auch treu blieb) vom Kind zum jungen Mann heran und erlebte, wie aus den fünf einst stolzen Dorfläden in einer 750-Seelen-Gemeinde immer weniger wurden, weil der gar nicht so weit entfernte Supermarkt nicht bloss alles, sondern auch alles billiger hatte. Man beklagte sich zwar über die mangelnde Qualität, nahm sie aber letztlich ebenso in Kauf wie die Klagen der Ladenbesitzer über Umsatzrückgänge. - Im Grunde genommen erlebte ich das, was Erwin Keusch in seinem Film zeigt, hautnah mit - ohne mich einen Deut darum zu scheren.


Der noch heute in jeder Hinsicht sehenswerte Film "Das Brot des Bäckers" erhielt neben weiteren Preisen das Prädikat "Besonders wertvoll"; die "Financial Times" schrieb darüber sogar: "Was 'Moby Dick' für den Walfang ist, ist dieser Film fürs Brotbacken." - Ist es nicht bedenklich, dass man sich ein solches Meisterwerk vor langer Zeit auf 3sat aufnahm und auf einer bald ausgeleierten VHS-Kassette anschauen muss, weil es noch immer nicht als DVD erhältlich ist?

3 Kommentare:

  1. Eine treffende Besprechung. Genau so und mit ganz ähnlichen persönlichen Erfahrungen verbunden, habe auch ich den Film wahrgenommen.

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  2. Das freut mich. Eine DVD des Klassikers scheint leider noch immer nicht in Aussicht zu sein, obwohl die Kassette, auf die ich ihn aufnahm, mittlerweile nicht mehr zu gebrauchen ist. Eigentlich eine Schande, wenn man bedenkt, dass mittlerweile beinahe alles, was in den 70ern von sich reden machte, erhältlich ist.

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  3. wer im internet genau forstet, wird ein ganz akzeptablen TVrip vom film finden :)

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