Meine Braut ist übersinnlich
(Bell, Book and Candle, USA 1958)
Regie: Richard Quine(Bell, Book and Candle, USA 1958)
Darsteller: James Stewart, Kim Novak, Jack Lemmon, Ernie Kovacs, Hermione Gingold, Elsa Lanchester, Janice Rule
Man muss wohl ein paar Worte über die aussagekräftige Filmkarriere der letzten von Hollywood produzierten “Sexgöttin” verlieren, wenn man verstehen will, mit welcher Zeit wir es hier zu tun haben: Spätestens seit sie sich als Madge Owens, einer heranreifenden Kleinstadt-Schönheit, in Joshua Logan’s heute leider etwas in Vergessenheit geratenem “Picnic” (1955) - für sechs Oscars nominiert! - in einen von William Holden gespielten Herumtreiber verlieben durfte, galt sie als Schauspielerin, die jedem Mann den Kopf verdrehen konnte. Zu Weltruhm gelangte sie durch ihre “Doppelrolle” in Hitchcocks “Vertigo” (1958). Der “Master of Suspense” äusserte sich über die Darstellerin, die er als Ersatz für die schwanger eingetroffene Vera Miles hatte akzeptieren müssen, aber alles andere als zufrieden: sie sei mit einer Menge dummer vorgefasster Ideen angerückt, habe sich eine andere Garderobe gewünscht --- und keinen Büstenhalter getragen, beklagte er sich in seinem berühmten Interview mit François Truffaut, das unter dem Titel “Le cinéma selon Hitchcock” veröffentlicht wurde. Selbst heute würde der grosse Regisseur wohl nicht zugeben, dass sie schlicht die ideale Besetzung war. - Nach ein paar weiteren Rollen erklärte sich “stupid” Kim (das Beiwort haftete ihr an, weil man Blondinen schon damals gern der Dummheit bezichtigte) bereit, in Billy Wilder’s unwürdigem Klamauk-Film “Kiss Me, Stupid” (1964) die Rolle der Hure Polly the Pistol zu spielen; und es scheint, als habe man in der Traumfabrik nur auf einen derartigen Missgriff gewartet - denn von nun an ging’s bergab mit ihrer Karriere (Robert Aldrich, der schon ausgedienten Stars wie Joan Crawford und Bette Davis Zuflucht gewährt hatte, drehte 1968 mit ihr den - woraus man einiges schliessen kann - Misserfolg “The Legend of Lylah Clare”). Erst 1980 gelang ihr ein Comeback als mehrfach geliftete Actrice, die in der Agatha Christie-Verfilmung “The Mirror Crack’d” mit Liz Taylor herrliche Wortgefechte austragen konnte...
Woran lag es? - Kim Novak war im Gegensatz zu Sexgöttinnen wie Rita Hayworth oder Marilyn Monroe eben nicht beinahe eine Karikatur ihrer selbst. Sie verteilte ihren Appeal auch nicht kühl-distanziert wie etwa Lana Turner. Sie wirkte im Gegenteil wahrhaft sinnlich, verströmte eine mysteriös getönte Erotik, die der Zuschauer beinahe mit Händen greifen konnte - und sie trug, weil sie es gar nicht nötig hatte, wirklich keinen BH. All das war dem prüden Hollywood der 60er Jahre, das dem Publikum lieber eine Doris Day vorsetzte, die als 40-jährige Jungrau schon beim Gedanken an Sex Pickel kriegte, unheimlich. Also: Weg mit ihr!
“Bell, Book and Candle” folgte auf den Erfolg mit “Vertigo” und verhalf Kim nicht bloss zu einer neuen Zusammenarbeit mit James Stewart; sie konnte in der Rolle einer Hexe auch von jener mysteriösen Aura profitieren, die sie sich im Hitchcock-Klassiker antrainiert hatte. Es handelte sich um die harmlos-liebenswerte Verfilmung eines Broadway-Hits, in dem Lilli Palmer zusammen mit ihrem damaligen Gatten Rex Harrison die Hauptrolle gespielt hatte (beide kamen nach einem Skandal wegen des Freitods einer Geliebten von Rex Harrison für den Film nicht in Frage; Lilli Palmer, die auch schon unbefriedigende Erfahrungen mit Hollywood gemacht hatte, war ohnehin nach Deutschland zurückgekehrt):
Die junge Hexe Gillian handelt mit afrikanischen Kunstgegenständen und hat allerlei Ärger mit den Zauberspässchen ihres albernen Bruders Nicky (herrlich kindisch: Jack Lemmon), dem es Vergnügen
bereitet, die Strassenbeleuchtung zu löschen, am Hals. Auch ihre Tante Queenie, die gerade das Telefon des neuen Mieters Shep Henderson verhext hat, muss zur Vernunft gebracht werden. Als Shep Gillian bittet, bei ihr telefonieren zu dürfen, kommt sie auf die Idee, ihn in den “existentialistisch” angehauchten Hexenclub “Zodiac” einzuladen. Es stellt sich heraus, dass Shep mit einer Frau verlobt ist, von der Gillian schon während ihrer Schulzeit getriezt worden war. Deshalb beschliesst sie, die eigentlich mit der Hexerei zurückhaltend umgehen wollte, zusammen mit ihrem Kater Pyewacket alles zu unternehmen, um Shep in sich verliebt zu machen. Mit Hilfe eines Zaubers lockt sie sogar einen begehrten Buchautor, der sich mit Hexerei beschäftigt, herbei, der völlig verstört beim Verleger Shep auftaucht und ihm anbietet, für ihn ein Buch über die Hexen in New York zu schreiben. - Der verliebte Shep sagt seine Hochzeit ab (ein für die 50er Jahre typisch harmloser und doch humorvoller Dialog: Stewart reagiert auf die hysterisch gestellte Frage “Are you saying you’re *jilting* me?” seiner Verlobten mit einem zögernden “W-well, that is a very heavy word. Let’s just say that we’re ... uncoupling”). - Was aber wird sich ereignen, wenn der Verhexte
herausfindet, womit er es zu tun hat? Und kann es zu einem Happy-End kommen, wenn er sogar Madame de Passe, eine Berühmteit unter den New Yorker Hexen, in Anspruch nimmt, um den Zauber loszuwerden?
Der Film ist, wie so viele gute Komödien, ein kleines Nichts. Die offensichtliche Lust, mit der die Schauspieler bei der Arbeit sind, und das amüsante Drehbuch machen ihn jedoch zu einem sehenswerten Vergnügen, das uns noch einmal Kim Novak mit ihrer ungeheuren Ausstrahlung präsentiert. Und was ich an dem Spass besonders schätze: Obwohl er zu einer Zeit gedreht wurde, als Ray Harryhausen bereits mit aufwändigsten Spezialeffekten trumpfen konnte, verzichtet er ganz auf jene billige Trickchen, die viele andere Hexenfilme so peinlich machen. Er erzählt einfach eine scheinbar alltägliche (Liebes-)Geschichte.
bereitet, die Strassenbeleuchtung zu löschen, am Hals. Auch ihre Tante Queenie, die gerade das Telefon des neuen Mieters Shep Henderson verhext hat, muss zur Vernunft gebracht werden. Als Shep Gillian bittet, bei ihr telefonieren zu dürfen, kommt sie auf die Idee, ihn in den “existentialistisch” angehauchten Hexenclub “Zodiac” einzuladen. Es stellt sich heraus, dass Shep mit einer Frau verlobt ist, von der Gillian schon während ihrer Schulzeit getriezt worden war. Deshalb beschliesst sie, die eigentlich mit der Hexerei zurückhaltend umgehen wollte, zusammen mit ihrem Kater Pyewacket alles zu unternehmen, um Shep in sich verliebt zu machen. Mit Hilfe eines Zaubers lockt sie sogar einen begehrten Buchautor, der sich mit Hexerei beschäftigt, herbei, der völlig verstört beim Verleger Shep auftaucht und ihm anbietet, für ihn ein Buch über die Hexen in New York zu schreiben. - Der verliebte Shep sagt seine Hochzeit ab (ein für die 50er Jahre typisch harmloser und doch humorvoller Dialog: Stewart reagiert auf die hysterisch gestellte Frage “Are you saying you’re *jilting* me?” seiner Verlobten mit einem zögernden “W-well, that is a very heavy word. Let’s just say that we’re ... uncoupling”). - Was aber wird sich ereignen, wenn der Verhexte
herausfindet, womit er es zu tun hat? Und kann es zu einem Happy-End kommen, wenn er sogar Madame de Passe, eine Berühmteit unter den New Yorker Hexen, in Anspruch nimmt, um den Zauber loszuwerden?
Der Film ist, wie so viele gute Komödien, ein kleines Nichts. Die offensichtliche Lust, mit der die Schauspieler bei der Arbeit sind, und das amüsante Drehbuch machen ihn jedoch zu einem sehenswerten Vergnügen, das uns noch einmal Kim Novak mit ihrer ungeheuren Ausstrahlung präsentiert. Und was ich an dem Spass besonders schätze: Obwohl er zu einer Zeit gedreht wurde, als Ray Harryhausen bereits mit aufwändigsten Spezialeffekten trumpfen konnte, verzichtet er ganz auf jene billige Trickchen, die viele andere Hexenfilme so peinlich machen. Er erzählt einfach eine scheinbar alltägliche (Liebes-)Geschichte.
Es ist mir erst beim Nachdenken über diesen Eintrag aufgefallen, dass der “Hexenfilm” eigentlich als regelrechtes Subgenre zu betrachten ist, das je nach Schwerpunkt zwischen Horror, Romanze und Komödie angesiedelt werden kann. Eher amüsante Filme im Stil von “Bell, Book and Candle” ermöglichen es mehr oder weniger (im Falle von Bette Middler eher weniger) grazilen Schauspielerinnen, in die Rolle einer “femme fatale” zu schlüpfen. Sie reichen qualitativ jedoch meist nicht annähernd an den Film aus dem Jahre 1958 heran. Ich denke etwa an Machwerke wie “Hocus Pocus” (1993), “Practical Magic” (1998) oder “Bewitched” (2005), den völlig misslungenen Versuch, eine erfolgreiche TV-Serie aus den 60ern zu verfilmen. - Neben “The Witches of Eastwick” (1987) kommt mir bloss ein einziges, leider ziemlich in Vergessenheit geratenes kleines Meisterwerk in den Sinn, das den Film mit Kim Novak an Frechheit, Charme und Erotik noch zu überbieten vermag: René Clairs wundervolle Screwball-Comedy “I Married a Witch” (1942), in der Veronica Lake sich als attraktive Hexe am Nachkommen (Fredric March) eines Puritaners, der sie im Rahmen der Hexenprozesse von Salem hinrichten liess, rächen will - und sich natürlich prompt in ihn verliebt. Während Kim Novak dank ihres bleibenden Ruhms gelegentlich auf der Mattscheibe zu geniessen ist, enthält das Fernsehen leider solche Leckerbissen den jüngeren Zuschauern heutzutage vor. Wer sich also vom Sex einer Veronica Lake überzeugen (und erst noch vom Alkohol loskommen) will, besorge sich die DVD von “I Married a Witch”!
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