Ich lästere zwar ungern über meine Blogger-Freunde; aber "fincher" (Blockbuster Entertainment) ist ein raffinierter kleiner Erpresser! Kaum erwähnt man ihm gegenüber den Titel eines Films oder den Namen eines Regisseurs, schon folgt die hinterhältige Bemerkung, er würde sich über eine Besprechung freuen. Und da er meine Sanftmut und Nachgiebigkeit kennt, nutzt er mich schamlos aus. - Also, "fincher", this one is especially for you:

(Death and the Maiden, USA/Grossbritannien/Frankreich 1994)
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Sigourney Weaver, Ben Kingsley, Stuart Wilson
Roman Polanski wurde am 12. Juli aus seinem Hausarrest in Gstaad entlassen, und niemand wird mir unterstellen können, ich verpasse ihm den endgültigen Todesstoss, wenn ich eingestehe, zu seinen Filmen ein “zwiespältiges” Verhältnis zu haben. - Es ist durchaus nichts Aussergewöhnliches, dass sich Filmfreunde an “Macken”, an als Schwächen empfundenen Eigentümlichkeiten bedeutender Regisseure stören. So wurde etwa Howard Hawks wegen seiner “Kamera auf Augenhöhe” immer wieder kritisiert, während Brian de Palma mit dem in Rezensionen ständig vorgebrachten Vorwurf, er sei lediglich ein Hitchcock-Epigone, leben muss. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.
Was ich Polanski vorwerfe: Sein mangelndes Gespür für “Tempowechsel”. Diese wohl nur von mir als Schwäche empfundene Eigenart hängt direkt mit seinem unbändigen Perfektionismus zusammen, der jede Szene gleichwertig neben der anderen stehen lassen, sozusagen Höhepunkt an Höhepunkt reihen will und gelegentlich - den für eine Geschichte nötigen Spannungsbogen missachtend - schlicht Langweile anstelle intelligenter Unterhaltung erzeugt. Einige üblicherweise gelobte Filme, die meines Erachtens besonders unter diesem Mangel an “Tempovariationen” leiden: “The Fearless Vampire Killers” (1967), ein Film, der überwältigende Bilder, jedoch keine überzeugende Entwicklung zu einem Höhepunkt hin bietet (allein schon die Solonummer des sich als Schauspieler gebärdenden Regisseurs in der Gruft scheint eine Ewigkeit zu währen), von dessen letzter Fassung sich Polanski allerdings auch ausdrücklich distanzierte; die äusserst detailgetreue Thomas Hardy-Verfilmung “Tess” (1979), von der man sagen kann, sie vergöttere die Kinski in jeder Aufnahme, erzähle deshalb jedoch in Überlänge keine zusammenhängende Geschichte vom Niedergang einer “pure woman” mehr, vermöge von Episode zu Episode keine Verbindung zu schaffen (es handelt sich vermutlich um die Adaption eines Hardy-Romans, der ich jedoch aus dem erwähnten Grund eine später zu besprechende vorziehe); und letztlich - dies mag Verehrern des Regisseurs als Blasphemie erscheinen! - der als Hommage an Hitchcock gedachte “Frantic” (1988), der nicht nur wegen seiner überraschungsarmen Story und einem geradezu peinlichen MacGuffin, sondern auch “dank” seines gleichmässigen Vor-Sich-Hinplätscherns, seiner Unfähigkeit, Spannung aufzubauen, nichts von alledem zu bieten hat, was einen Thriller ausmacht.
Wenn Polanski jedoch eine Vorlage zur Verfügung stand, die es ihm erlaubte, sich seinem Streben nach Perfektionismus hinzugeben, eine sich langsam entwickelnde Geschichte - vielleicht mit spätem und unerwartet eintretendem Umschlag - zu erzählen, vermochte er tatsächlich meisterhaftes Kino zu schaffen. Dies traf mit Sicherheit auf den Film zu, der ihm zu Weltruhm verhalf: "Rosemary’s Baby” (1968). Man kann sich des - selbstverständlich irreführenden - Eindrucks nicht erwehren, Ira Levin habe seinen Roman dem Regisseur geradezu auf den Leib geschrieben, ihm die vielen Details einer scheinbar nur unter den Schmerzen ihrer Schwangerschaft leidenden Frau, die möglicherweise gegen Ende einer Hysterie verfällt, förmlich angeboten. - Und ich bin der Ansicht, dem chilenischen Bühnenautor Ariel Dorfman sei mit “Death and the Maiden” eine für Polanski filmisch nicht minder grandios umzusetzende Vorlage geglückt, mag auch das 1994 entstandene verstörende Meisterwerk - es knüpft in vielerlei Hinsicht an die ersten Filme an! - leider nicht zu dessen bekanntesten Arbeiten gehören:


All dies spielt sich von wenigen Ausnahmen abgesehen in einem einzigen Raum ab, was Polanski den Vorwurf einbrachte, sein Film sei “abgefilmtes Theater”, obwohl doch gerade die kammerspielartige Inszenierung eine einzigartige klaustrophobische Stimmung, wie sie für mehrere Filme des Regisseurs bezeichnend ist, zu erzeugen vermag, in der es den Figuren nach einer längeren Exposition gelingt, sich in quälende und gequälte Ungeheuer zu verwandeln. - Ein solch gnadenloser Film über Schuld, Leid und Rache ist sicher nichts für Zuschauer, die sich lieber leicht verdaulicher Kost hingeben. - Wer sich jedoch auf “Death and the Maiden” einlässt, bemerkt rasch, welche Bedeutung der Film für Polanski hatte, vermochte er in ihm doch indirekt auch Erinnerungen an seine Kindheit im Krakauer Ghetto aufzuarbeiten. Das von der Kritik meist nur mit Einschränkungen gelobte Meisterwerk hätte grössere Anerkennung verdient. Es gibt ausser dem frühen “Cul-de-Sac” (1965), dem die Verfilmung von Dorfman’s Stück die deutlich ausgesprochene politische Komponente hinzufügt, nämlich wohl keine vergleichbare Arbeit in der Geschichte des neueren Films, die mit nur drei Figuren eine derart unerträgliche Spannung zu erzeugen vermag. - Interessantes Detail: Am Anfang und am Ende von “Death and the Maiden” sieht man Paulina und Escobar in einem Konzertsaal sitzen und Schuberts Streichquartett lauschen. Am Schluss kreuzen sich ihre Blicke mit dem von Miranda, der zusammen mit seiner Familie weiter oben sitzt. Selbst dieser Schluss - und das macht Polanskis Film so faszinierend - ist interpretationsbedürftig.