Dienstag, 3. Januar 2023

2022 im persönlichen Rückblick

Und wieder ein Jahr vorbei... ein besonders scheussliches und unangenehmes Jahr, das ich über 5 Perioden verteilt zu insgesamt fast einem Drittel krank bzw. in schleppender Genesung verbracht habe. Vier Krankheitsfälle (die zeitlich auch die meiste Zeit dieser vier Monate in Anspruch genommen haben) betrafen unmittelbar das wichtigste Organ für Filmliebhaber (neben natürlich dem Gehirn), nämlich die Augen. Kurz: etwa drei Monate dieses Jahres war ich nicht in der Lage, irgendetwas Visuelles zu machen und war weitestgehend auf mein Gehör zurückgeworfen.

Meine Krankheit zwang mich dazu, unvorstellbar viel Musik und viele Podcasts zu hören. Statt mit Filmen beginne ich also meine Jahresbestenlisten außer Reihe mit Musiktiteln aus tollen Alben, die ich dieses Jahr zum ersten Mal entdeckt habe.



Tops neu entdeckte Musiktitel 2022


"Shine On, Harvest Moon", Coleman Hawkins & Ben Webster (aus: COLEMAN HAWKINS ENCOUNTERS BEN WEBSTER, 1957)

Aus allen Alben, die ich dieses Jahr neu entdeckt habe, ist COLEMAN HAWKINS ENCOUNTERS BEN WEBSTER (aufgenommen 1957, erschienen 1959) das großartigste, das essentiellste, ein Album, das man im Jazz-Universum ruhig in einem Atemzug mit dem im gleichen Jahr erschienen Jahrhundertalbum KIND OF BLUE nennen dürfte. Jede der sieben Nummern, die die beiden Großmeister des Tenorsaxophons hier zusammen mit Oscar Petersons Band einspielen, ist ein Schmuckstück. Welches empfehlen: "Blues for Yolande"? "La Rosita"? "Tangerine"? Warum nicht den Abschluss, "Shine On, Harvest Moon".


A CHILD'S INTRODUCTION TO JAZZ, NARRATED BY JULIAN "CANNONBALL" ADDERLEY, 1961

Da KIND OF BLUE schon angesprochen wurde: der Altsaxophonist Cannonball Adderley war neben Bill Evans die Geheimzutat, die das Miles-Davis-Quintett (bzw. dann: -Sextett) in höhere Gefilde gebracht hat. Wer einige seiner Live-Alben kennt, schätzt vielleicht auch seinen Smalltalk mit dem Publikum zwischen den Nummern. A CHILD'S INTRODUCTION TO JAZZ, NARRATED BY JULIAN "CANNONBALL" ADDERLEY ist gewissermaßen Adderleys Chitchatting auf Albenlänge gebracht: Cannonball führt kindergerecht durch die Geschichte des Jazz, seine wunderbare, eloquente und pädagogisch wertvolle (er war vor seiner Musikerkarriere als Musiklehrer tätig) Stimme ist der rote Faden.


"Sack O' Woe", The Cannonball Adderley Quintet (aus: MERCY, MERCY, MERCY! LIVE AT "THE CLUB", 1966)

Cannonball Adderley konnte aber natürlich nicht nur sprechen, sondern auch toll spielen. Die Titelnummer aus dem "Fake-Livealbum" MERCY, MERCY, MERCY! LIVE AT "THE CLUB" war zwar der kommerzielle Hit des Albums (und ist natürlich wunderbar), doch die Band aus Cannonball, Nat Adderley, Joe Zawinul, Victor Gaskin und Roy McCurdy brennt das Studio gewissermaßen erst in "Sack O' Woe" nieder.


"On A Clear Day", The Wynton Kelly Trio (aus: FULL VIEW, 1966)

Einer von Cannonballs Kollegen bei KIND OF BLUE war (nur bei einer Nummer) der Pianist Wynton Kelly, der zum letzten Pianisten des Ersten Großen Miles-Davis-Quintetts wurde und sich später mit Paul Chambers und Jimmy Cobb abseilte, um selbständig zu werden. Das Trio (der kranke Chambers schon durch Ron McClure ersetzt) arbeitet sich in FULL VIEW mit der bekannten Finesse und Eleganz durch diverse Standards. "On A Clear Day" ist für mich hier das Highlight.


"Speak Low", The Wynton Kelly Trio with special guest Hank Mobley (aus: LIVE AT THE LEFT BANK JAZZ SOCIETY BALTIMORE, 1967)

Von "On A Clear Day" gibt es auch beim Baltimore-Konzert des Kelly-Trios mit Hank Mobley als Gast eine schöne Version. LIVE AT THE LEFT BANK JAZZ SOCIETY BALTIMORE demonstriert sehr schön, dass Live-Jazz eine Musik ist, die auch von ihren Schwächen, ihren Patzern, davon, dass nicht alles perfekt klappt, manchmal erst richtig lebendig wird. Es ist ein Sonntagskonzert, man wird manchmal das Gefühl nicht los, dass die Beteiligten noch leicht verkatert sind; Mobleys Zusammenspiel mit dem Trio ist eher suchend und hakelig als perfekt-passend. Und dennoch spürt man den Schweiß und ganz besonders das Herzblut aller Musiker fließen. 


"Bouncing with Bud", Art Blakey and the Jazz Messengers (aus: PARIS JAM SESSION, 1959)

Wenn wir immer noch von Leuten reden, die was mit Miles Davis zu tun hatten: in PARIS JAM SESSION findet sich die vielleicht schönste Bläser-Zusammensetzung der Jazz Messengers wieder, nämlich Wayne Shorter und Lee Morgan. Beide werden hier auf zwei von vier Nummern vortrefflich unterstützt von Barney Wilen und Bud Powell (passenderweise für "Bouncing with Bud").


"Go Down Moses", Grant Green (aus: FEELIN' THE SPIRIT, 1962)

Wer Wayne Shorter sagt und dann an das Zweite Große Miles-Davis-Quintett denkt, denkt natürlich auch an Herbie Hancock. Hancocks Zusammenspiel mit Grant Green auf dessen Spiritual-Album FEELIN' THE SPIRIT (gewissermaßen ein Soul-Jazz-Album, das den Soul nicht im Rhythm-And-Blues, sondern weiter in der Vergangenheit sucht) ist fast schon telepathisch und bringt einen Knaller nach dem anderen: "Just a Closer Walk with Thee", "Joshua Fit the Battle of Jericho" und eine tolle Version von "Nobody Knows the Trouble I've Seen"... und dann kommt noch on top "Go Down Moses".


"Idle Moments", Grant Green (aus: IDLE MOMENTS, 1963)

Grant Green steht als Gitarrist ein wenig im Schatten von Charlie Christian und Wes Montgomery. Schade, denn es gibt viel Schönes mit ihm zu entdecken. Einer meiner großen essentiellen Entdeckungen des Jahres war das Titelstück von IDLE MOMENTS, in seiner Tiefenentspanntheit und Schönheit ein idealer Begleiter, um kurz vor dem Schlafengehen in eine entspannte Atmosphäre zu kommen. Tolle Soli von Green, Duke Pearson, Joe Henderson und Bobby Hutcherson.


"Au Privave", Jimmy Smith (aus: HOUSE PARTY, 1957/1958)

Bleiben wir bei Blue Note Records: HOUSE PARTY ist gewissermaßen die B-Seite von Smiths großem Meisterwerk THE SERMON!, aufgenommen an den zwei gleichen Sessions. Wer genau hinhört, wird auch merken, dass Smiths "The Sermon" wohl eine Weiterentwicklung von Charlie Parkers "Au Privave" ist (die Bläser, Lee Morgan, Lou Donaldson und Tina Brooks, spielen in ihren Soli stellenweise die gleichen Phrasen). Gewissermaßen die Ur-Predigt.


"Hog Calling Blues", Charles Mingus (aus: OH YEAH, 1961)

Eher ur-schrei-mäßig wird es in "Hog Calling Blues": die Anweisung Mingus' an seine Bläser Roland Kirk, Jimmy Knepper und Booker Ervin lautete hier wohl, jedes Solo mit Imitationen der Schreie brünstiger Schweine abzuschließen. Das Resultat ist ein launisch-lustiger Blues, eine ideale Einführung in das, was man wohl Mingus' humorvollstes Album nennen kann.



"Comin' Home Baby", Herbie Mann (aus: AT THE VILLAGE GATE, 1961)

Bleiben wir im gleichen Jahr und bei Atlantic Records: AT THE VILLAGE GATE brachte den Flötisten und Bandleader Herbie Mann den ersten großen Hit. Die Latin-angehauchten Versionen von "Summertime" und "It Ain't Necessarily So" sind beide auch großartig, aber "Comin' Home Baby" ist natürlich erst mal der große Anheizer.


"Yasmina, A Black Woman", Archie Shepp (aus: YASMINA, A BLACK WOMAN, 1969)

Die Latin-Klänge hatte Mann nach einer Tournee durch Brasilien mitgebracht. Archie Shepp brachte aus Nordafrika Inspirationen für YASMINA, A BLACK WOMAN nach Paris mit, wo das Album aufgenommen wurde. Strukturell ist das, was Mann und Shepp gemacht haben, gar nicht so unähnlich: wie "Comin' Home Baby" ist auch "Yasmina, A Black Woman" auf seine eigene Weise vor allem ein Groove-Piece (vor allem durch das Ruf-Motiv, das Dave Burrell am Klavier und die anderen Bläser, darunter Roscoe Mitchell und Lester Bowie vom Art Ensemble of Chicago, fast durchgehend wiederholen).

Ich empfehle, die oben verlinkte Vinylversion zu hören, das Titelstück dauert bis 20:15 (andere, offenbar auf "remasterte" CD-Versionen basierend, klingen wesentlich dünner) 


"Balkanų saulė", Petras Vyšniauskas (aus: IEŠKOJIMAI IR ATRADIMAI, 1983)

Bleiben wir in Europa und free. Also zumindest in der Musik, denn wir überqueren den Eisernen Vorhang und begeben uns in die Sowjetunion und dort nach Litauen, einem der Zentren des sowjetischen Free Jazz. Das Ganelin-Trio bzw. Trio Ganelin-Chekasin-Tarasov bzw. Trio Ganelinas-Čekasinas-Tarasovas war international berühmter (auch davon sehr viel in meiner Krankheitsphase entdeckt), aber Alt- und Sopransaxophonist, Klarinettist und Pianist Petras Vyšniauskas (der auch mit Ganelin gespielt hat) hat mit "Searchings and Discoveries" einen echten Klassiker des osteuropäischen Free Jazz erschaffen: originell, luftig, kreativ, mit intensiven und leisen Momenten, und teilweise sogar tanzbar. Ja: In einer besseren Welt würde man "Balkan Sun" auf Balkan-Beats-Parties hoch- und runterspielen.

"Balkan Sun" ist im oben verlinkten Video von Minuten 19:00 bis 31:50 zu finden.


"Into the Heaven", Terumasa Hino Quintet (aus: INTO THE HEAVEN, 1970)

Verlassen wir Europa und gehen noch weiter in den Osten. Japanischer Jazz war noch eine Leerstelle, die ich 2022 nun anhand des berühmten Trompeters Terumasa Hino ein klein wenig aufgefüllt habe (Hino ist 1975 in die USA gegangen). INTO THE HEAVEN scheint fast ein wenig MILES IN THE SKY zu referenzieren: die Anspielung wäre recht adäquat, denn das Zusammenspiel des Quintetts mit Takeru Muraoka (Tenorsaxophon), Hiromasa Suzuki (Klavier), Kunimitsu Inaba (Bass) und Motohiko Hino (Schlagzeug) erreicht stellenweise die telepathische Symbiose des Zweiten Großen Miles-Davis-Quintetts.


"Little Red's Fantasy", Dexter Gordon (aus: HOMECOMING – LIVE AT THE VILLAGE VANGUARD, 1976)

Nach unserer kleinen Europa- und Asien-Tour kehren wir in die USA zurück – wie Dexter Gordon, der nach über einem Jahrzehnt in Europa in die USA zurückkehrte und dessen HOMECOMING in einer von (sehr zugespitzt formuliert) Free-Jazz-Esoterik und Fusion-Matsche (zumal nach Miles Davis' 1975 eingeleiteter Karrierepause) geprägten Jazz-Szene wie eine Bombe einschlug – oder "You can't beat tenor sax, trumpet, piano, bass and drums" (um Lou Reed zu paraphrasieren).


"The Time Is Now For Change", Phil Ranelin (aus: THE TIME IS NOW!, 1974)

Speaking of "Free-Jazz-Esoterik" oder regionale Miszellen: der Posaunist Phil Ranelin war eine lokale Größe der Detroiter Jazz-Szene und jenseits der "Motor City" eher unbekannt. "The Time Is Now For Change" ist ein spannungserzeugender Groove, der die ganze Zeit das Versprechen der Spannungsauflösung in sich trägt und den Zuhörer immer weiter treibt und weiter treibt. Nach nur 13 Minuten ist das leider schon wieder vorbei. 


Zwei kleine Boni


"If There Is Something", Roxy Music (John Peele Sessions, 1972)


"Something's On Your Mind", Miles Davis (live, 1983/84/85?)



Festivalstationen des Jahres

Im April ging es auf das erste Live-goEast seit Pandemiebeginn, auf das 22. goEast-Festival des mittel- und osteuropäischen Films, wo die georgische Regisseurin Lana Gogoberidze zum Fixstern wurde. Anfang Juni dann "mein erstes Mal Hamburg" beim 38. Kurzfilmfestival Hamburg: Höhepunkt war das geradezu halluzinatorische Doppel-Programm "Ecstasy" mit einer Präsentation restaurierter und auf neue 16mm-Kopien gezogenen US-amerikanischen Experimentalfilmen aus dem Academy Film Archive in Los Angeles.

Von der Ekstase ging es dann auch eine Woche später zur Leipziger Sonderausgabe des Hofbauer-Kongresses, bevor ich dann leider wieder über einen Monat in Krankheit von der Bildfläche verschwand – um rechtzeitig wieder für das 8. Festival des italienischen Genrefilms Terza Visione aufzutauchen: ein Ferngespräch mit Aldo Lado nach CHI L'HA VISTA MORIRE; die unbekannten Seiten von Dario Argento als Slapstick- sowie Period- und Polit-Drama-Regisseur in LE CINQUE GIORNATE; transgressiv-zärtliche Liebesgeschichten in BESTIALITÀ; die göttliche Erlösung durch den einzig wahren (nämlich disco-tanzenden) Jesus in WHITE POP JESUS; die Coming-of-Age-Geschichte eines Körperfressers in OMICRON; das Eintauchen in einen Strudel aus Wahnsinn, Schmerz, Obsessionen und Gewalt in Lucio Fulcis meisterhaftem Melodrama IL MIELE DEL DIAVOLO; am "internationalen Tag" dann noch mehr Melodrama, aber in nördlichen Gefilden in Teuvo Tulios RAKKAUDEN RISTI und der Spaziergang durch den Friedhof ohne Rückkehr in Jean Rollins LA ROSE DE FER...

Im August ging es dann noch mal zum Kino des Frankfurter DFF zurück für ein lange erwartetes Ereignis: bei "Cinéma du combat: Das politische Genrekino von Yves Boisset" wurden 14 Boisset-Filme gezeigt, eine Mehrheit davon an einem Schwerpunktwochenende. Dafür noch mal einen großen Dank an das Filmkollektiv Frankfurt und besonders an Sebastian! Mehr zu einzelnen Filmen gibt es weiter unten zu lesen.

Beim 4. Filmarchäologen-Symposium im September floßen Tränen der Liebe in finnischen Sommernächten, Tränen des Lachens rund um die Abenteuer eines dänischen Pressefotografen, hingen wir mit Peter Fonda in LKWs auf breiten Highways und mit Susan Berman im punkigen New York der frühen 1980er Jahre rum, bevor es in das Inferno des Zwangsarbeiterinnen-Lagers in den amerikanischen Süden ging. 

Explodierende Vulkane (und explodierende Denzel Washingtons), Taubenschwärme im Kugelgewitter und fiese Menschenjagden durch die amerikanische Midwest-Pampa oder den Irak gab es dann beim 7. Karacho-Festival des Actionfilms im November.




Tops neue Filme 2022

Die für mich zwei besten Filme des Jahres 2022 waren zwei Los-Angeles-Filme, zwei sehr unterschiedliche Reisen durch die Stadt der Engel, durch die Heimat Hollywoods.


AMBULANCE (Michael Bay: USA 2022)

Ich zitiere aus meiner Rezension für Multimania: "Ein Krankenwagen, zwei Bankräuber, eine Sanitäterin, ein angeschossener Polizist und die Stadt Los Angeles: damit zaubert Michael Bay einen mitreißenden sowie verblüffend klassischen und humanistischen Verfolgungsjagd-Actionfilm. Es ist immer noch schwer, einem gewissen Teil des Publikums zu erklären, dass Bay ein begnadeter Regisseur, ein entfesselter Bilder-Ekstatiker, ein expressionistischer visueller Erzähler ist – und ein Filmemacher, der über die dunklen Seiten des Lebens im zeitgenössischen Amerika recht viel zu sagen hat. In AMBULANCE trifft sein exzessiver und doch sehr kontrollierter Regiestil auf einen reduzierten, ultraklassischen Genre-Stoff. Trotz der hohen Schnittfrequenz und der spektakulären Drohnen-Kamerafahrten, die Tempo, Tempo und noch mehr Tempo machen, erinnert AMBULANCE eher an das Beste des urbanen US-Thrillers der 1970er und 1980er Jahre als an seelenloses Blockbusterkino des 21. Jahrhunderts. In der Figurenzeichnung der zwei kriminellen Brüder und der Sanitäterin als harte, und doch moralisch zweifelnde Professionals, die in einer Extremsituation agieren, reagieren und schwere Entscheidungen treffen, weht fast ein Hauch Hawks’scher Klassizismus durch diesen visuell durch und durch Bay’schen Film."


LICORICE PIZZA (Paul Thomas Anderson: USA 2021)

Am Anfang des Jahres noch etwas geschmäht, weil ich ein eher ambivalentes Verhältnis zu Anderson habe. Nach mehreren begeisterten Reaktionen von Menschen, deren Filmurteil ich vertrauenswürdig finde, war das Interesse geweckt, doch ich wurde krank, bis der Film schon nicht mehr in den Kinos lief. Eine "Best Of 2022"-Kinowiederholung kurz vor Weihnachten erlaubte es mir schließlich doch, mich wie Gary völlig hoffnungslos in Alana zu verlieben und davon zu träumen, mit ihr in einem Umzugs-LKW die steilen Hügelstraßen von L.A. hinunterzugleiten.

Nach einem interessanten, aber dennoch extrem kalten Film wie THE MASTER (ja, zwei Anderson-Filme dazwischen fehlen mir) war LICORICE PIZZA vor allem ein überraschend warmer und warmherziger Film. Das 1970er-Jahre-Setting ist für die Geschichten Alanas und Garys notwendig, doch zu keinem Zeitpunkt macht LICORICE PIZZA daraus ein "fishing for nostalgia" oder ein Zitate-Bingo (auch wenn im letzten Drittel ein Subplot eine Art Re-Imaginierung von Betsys Arbeitsalltag als Wahlkampfhelferin in TAXI DRIVER, aus ihrer persönlichen Perspektive und nicht der des puritanischen Gewalttätters, gezeigt wird – danke an Robert für den Hinweis zu TAXI DRIVER). Geschichten ist auch ein gutes Stichwort: LICORICE PIZZA zeigt das Leben Alanas (und Garys – aber im Grunde ist es über weite Teile Alanas Film) als dichte Ansammlung kleiner Geschichten, die nicht immer zusammenhängen, nicht immer einen schlüssigen Anfang haben, nicht immer abgeschlossen werden und die nicht alle gleich intensiv erlebt werden. Eine lockere, an dramaturgischer Stringenz wenig interessierte Erzählweise, die zum Abhängen einlädt (die Laufzeit von knapp 2h15 erklärt sich dadurch). Dazu ein Film, der auch noch absolut fantastisch aussieht, selbst eine DCP-Projektion ließ noch sehr viel von der analogen 35mm-Materialität von LICORICE PIZZA spüren. Es gäbe noch so viel Schönes über LICORICE PIZZA und Alana und die Schwierigkeit des Sichverliebens im L.A. der 1970er Jahre zu schreiben...


LES CHOSES QU'ON DIT, LES CHOSES QU'ON FAIT (Emmanuel Mouret: Frankreich 2020)


Emmanuel Mourets neuster Film hatte im Sommer 2020 seine Kino-Premiere, erlebte aber erst 2022 seine deutsche, nun ja,  Direct-to-TV-Premiere. Das ist sehr schade, denn in diesem Film schafft Mouret eine atemberaubende Symbiose aus seinen bekannten leichten Liebeskomödien und dem tragischen Melodrama, das er in UNE AUTRE VIE (2013) mit meiner Meinung nach eher gemischten Resultaten ausprobiert hatte. Locker-fluffige Komödie über die Möglichkeiten der Liebe, hartes Melodrama über die Unmöglichkeit von Beziehungen gehen Hand in Hand in den Erzählungen der Figuren über glückliche, gescheiterte und fingierte Lieben.


SZELÍD (Csuja László, Nemes Anna: Ungarn/Deutschland 2022)

Ein zärtlicher Film über das harte Leben in einem gestählten Körper. Gesehen und bewundert beim goEast-Festival.


X (Ti West: USA/Kanada 2022)

Ein toller Neo-Slasher, der viel mehr ist als sein Konzept "Porn movie crew meets Texas Chainsaw Massacre" ist. Trotz der sehr happigen Gewaltmomente im letzten Drittel ist X auch ein Atmosphärenfilm, der sich in der ersten Hälfte ganz auf die Stimmung eines heiß-flirrenden Sommerabends auf einer Farm im Nirgendwo des amerikanischen Südens einlässt und von ihr einlullen lässt. In seiner Zeichnung des alten Ehepaars, das die Porno-Crew auf ihrer Farm empfängt (na ja: duldet), liegt vielleicht das Besondere von X: es ist ein Film über die Tristesse des Altseins, über die Weltmüdigkeit, über den Verlust von Begehren – und in einer unfassbaren Schlüsselszene, die sich vom nagelbeissenden Spannungsaufbau in befreienden Sex verwandelt – über das Wiederfinden von Begehren und Lust.

Es ist der erste Teil einer Trilogie. Der zweite Teil, PEARL, soll wohl eine besondere Neigung zum Melodrama haben und wurde bereits von einigen mit dem spannenden Teaser "Douglas Sirk meets Texas Chainsaw Massacre" versehen. West hat schon im ersten Teil aus einem spannenden Teaser noch sehr viel mehr rausgeholt: ich freue mich auf PEARL.


WESELE (Wojciech Smarzowski: Polen/Lettland 2021)

Polnische Zeitgeschichte und zeitgenössische Geschichtspolitik durch den cinematographischen Fleischwolf gedreht. Mit teils heruntergeklappter Kinnlade beim goEast-Festival gesehen.


OCCHIALI NERI (Dario Argento: Italien/Frankreich 2022)

Auch wenn einige es nicht sehen wollen: Dario Argento ist kein kalter, inhumaner Formalist, der sich nur für technisch virtuose Darstellungen brutaler Gewalt interessiert; nein, Argento ist auch ein Erzähler, der seine Figuren mit Herz und Seele liebt. In OCCHIALI NERI entkommt die Prostituierte Diana einem Serienkiller, verliert aber auf der Flucht bei einem Autounfall ihr Augenlicht (was für ein Schicksal im Film eines Regisseurs, dessen Werk sich immer wieder ganz zentral um das Sehen dreht). Einen guten Teil verbringt der Film dann damit, einer traumatisierten Frau dabei zu begleiten, wie sie in ihrem Alltag mit ihrer Blindheit zurecht kommt und zugleich Freundschaft mit einem kleinen Jungen schließt. Das ist dann auch der Argento, den man aus den von einigen Zuschauern als "Laber-Szenen" bezeichneten Screwball-Komödien-Momenten in PROFONDO ROSSO, aus den Badewannen-Blödeleien in 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO, aus der improvisierten Slapstickgeburtshilfe in LE CINQUE GIORNATE, aber auch aus den Momenten von Annas existentieller Verzweiflung in LA SINDROME DI STENDHAL kennt. Der Thriller um die lange Verfolgung Dianas und Chins durch den Serienkiller – ja, der ist toll und spannend und kommt on top dazu. Das eigentlich Große an OCCHIALI NERI ist das gemeinsame Neuentdecken der Welt mit Diana. Gesehen als inoffizieller Warmup-Film beim Terza Visione. 





Top 10 Neuentdeckungen 2022 (chronologisch nach Premierendatum geordnet)


TINI ZABUTYCH PREDKIV – Shadows of Forgotten Ancestors (Serhij Paradžanov: Sowjetunion 1965)

Eine (leider, leider, leider!) beängstigend leere 35mm-Vorstellung des Film e.V. Jena, die bei den wenigen Anwesenden dennoch fiebrige Rauschzustände hervorrief und ihnen immer wieder Schauer über den Rücken jagte. Einer der Co-Zuschauer schlug danach vor, diesen Film statt der aktuellen Oscar-Gewinner und der lauen französischen Komödien beim Open-Air der Jenaer Kulturarena zu zeigen, auf dass die hypnotischen Töne der huzulischen Berghörner (die einen Teil des Scores bilden) laut und echoend durch die ganze Jenaer Innenstadt schallen.

Mehr zu lesen zu diesem Film gibt es in Manfreds Text in diesem Blog.


SECONDS (John Frankenheimer: USA 1966)

Letztes Jahr hat mir Manfred wärmstens SECONDS empfohlen als Film, in dem man Rock Hudson außerhalb des bekannten Komödien- und Melodramen-Spektrums neu kennenlernt. Was kann ich sagen: Holy shit, was für ein wilder Trip! SECONDS hat mich noch einige Stunden nach der Sichtung völlig verstört, benommen, schwindelig zurückgelassen. Neben den furchteinflößenden, paranoiden Schwarzweißbildern James Wong Howes ist dann auch in der Tat Rock Hudsons Jahrhundertdarstellung das Sahnehäubchen.


ROULETTE D'AMOUR (Frits Fronz: Österreich 1969)

aka "Baron Pornos nächtliche Freuden" oder wenn Sexploitation meets DETOUR meets Arthur Schnitzlers "Der Reigen" mit einem großen Schuss Melancholie. Mehr dazu in meinen Ausführungen zum Leipziger Hofbauer-Kongress.


Boisset-Double-Feature:

DUPONT LAJOIE (Yves Boisset: Frankreich 1975)

FOLLE À TUER (Yves Boisset: Frankreich/Italien 1975)

Boissets anarchistisch gefärbtes Kino ist geprägt von einer tiefen Skepsis gegenüber staatlichen Ordnungsinstitutionen, die entgleiten und in einer Art Autopilot über Individuen brutal hinweg rollen: seien es Geheimdienste (ESPION LÈVE-TOI), die Polizei (UN CONDÉ), die Judikative (LE JUGE FAYARD DIT "LE SHÉRIFF") oder die Armee (ALLONS Z'ENFANTS) – und Männer, die eine Ehrenlegion am Revers tragen, sind sowieso dubios (ich habe im Verlauf des Boisset-Schwerpunktwochenends bestimmt vier bis fünf rote Abzeichen an Knopflöchern gezählt). Seine Filme sind auch von Skepsis geprägt gegenüber den gewaltsamen und repressiven Tendenzen einer Gesellschaft bzw. einzelner Gemeinschaften.

In DUPONT LAJOIE (den man auch "Unersättliche Triebe besorgter Bürger" nennen könnte) lullt Boisset die Zuschauer zunächst in einer Art satirischen Portrait französischer Kleinbürger in einer mediterranen Urlaubskolonie ein. Nachdem einer der Urlauber die Tochter eines Bekannten vergewaltigt und aus Versehen tötet (und das alles dann vertuscht), sammeln sich die besorgten Urlauber, um in den benachbarten Baracken algerischer Gastarbeiter einen Lynchmord zu verüben. DUPONT LAJOIE, eine Reaktion auf eine Welle rassistischer Gewalttaten in Frankreich 1973, dürfte Boissets vielleicht direktester und krassester Film sein: trotzdem kann man ihn kaum als Thesenfilm bezeichnen, dafür ist er viel zu sehr von Zufällen und Zufälligkeiten her gedacht und inszeniert und von seinen individuellen Charakteren getrieben (gespielt von großartigen Darstellern wie Jean Carmet als durchaus immer wieder selbstzweifelnder "Titelheld", Jean Bouise als ambivalenter Polizeiinspektor, Michel Peyrelon als selbstsicherer Schmierlappen, Jean-Pierre Marielle als TV-Animator, Victor Lanoux als witzig-prolliger und doch überaus gewalttätiger Algerien-Veteran).

FOLLE À TUER stellt Julie (Marlène Jobert) in den Mittelpunkt, eine Frau, die frisch aus der Psychiatrie entlassen wird, eine Stelle als Nanny für den kleinen Sohn eines reichen Unternehmers bekommt und prompt zusammen mit ihrem Schützling entführt wird in einer Intrige, bei der sie, die "Verrückte", als Schuldige zurückgelassen werden soll. Sie steht dann alleine, als Frau in einer Männerwelt, als "Verrückte" unter lauter "Normalen", als kleine Angestellte in einer Welt, in der die Reichen das Sagen haben, als zerbrechliche Marlène Jobert, die von einem brutalen Tomás Milián verfolgt wird – doch der Film steht ganz auf ihrer Seite und inszeniert ihren Weg, ihre Flucht auch als ultraspannenden, nägelkauenden Thriller. Ein wunderbarer Film, auch in der leider schon leicht erröteten Kopie.


LE DOSSIER 51 (Michel Deville: Frankreich/BRD 1978)

Ein quasi-experimenteller Spionagefilm und Paranoia-Thriller, der einen großen Teil der klassischen Erzählung durch fast abstrakte Rekonstruktionen von Observationsberichten und Abhörprotokollen ersetzt. Die dehumanisierenden, bürokratischen Strukturen staatlicher Überwachungsapparate macht er dadurch unmittelbar spürbar, ohne sie jedoch zu fetischisieren: LE DOSSIER 51 vergisst nie, dass es um menschliche Schicksale geht. Der große Triumph des Films ist dann auch, dass seine experimentelle Form niemals selbstzweckhaft oder langweilig wird, sondern im Gegenteil einen ganz eigenen faszinierenden Flow entwickelt.


BODY DOUBLE (Brian De Palma: USA 1984)

Bei der Erstsichtung hat mir ein bisschen was gefehlt für die große Begeisterung. Aber bei der Zweitsichtung, einer der ersten Filme, die ich nach Genesung meiner dritten Krankheitsphase sah (als ich mich sehr nach Filmen über Voyeurismus, über die Freuden und Perversionen des Sehens sehnte) – die Offenbarung: ein ganz großer De Palma; ein wunderbarer Film über das Sehen, die Geilheit des Sehens, die Macht des Sehens, die Ohnmacht des Sehens; ein herrlich quatschkopfiger Film.


IL MIELE DEL DIAVOLO (Lucio Fulci: Italien/Spanien 1986)

Nach über einem Jahr schwerer Krankheit leitete Lucio Fulci mit diesem Meisterwerk die finale Phase seiner Filmkarriere ein: ein intensives Erotik-Melodrama über eine junge Frau, die den Arzt entführt, der das Leben ihres Geliebten auf dem OP-Tisch nicht retten konnte. In der intensiven, sadomasochistischen Beziehung mit ihrem Gefangenen durchlebt sie in trauernder Erinnerung selbst Stationen ihres Beziehungslebens mit ihrem verstorbenen Geliebten, eine Beziehung, die von Gewalt, Misshandlung, emotionaler Erpressung und Missbrauch gekennzeichnet war. Fulci war ein Regisseur der Extreme, und IL MIELE DEL DIAVOLO ist in seiner emotionalen Intensität einer seiner extremsten Filme: von Trauer und Verzweiflung, von zwanghaftem Begehren und Hassliebe überwältigt. Gesehen beim 8. Festival des italienischen Genrefilms "Terza Visione": zweifelsohne einer der großen Höhepunkte in der Geschichte des Festivals. Und einer der essentiellen Filme Fulcis.


Gogoberidze-Double-Feature:

VALSI PECHORAZE – The Waltz on the Petschora (Lana Gogoberidze: Georgien 1992)

OKROS DZAPI – Golden Thread (Lana Gogoberidze: Georgien/Frankreich 2019)

Über Gogoberidzes autobiografisch angehauchten Coming-of-Age-Film im Umfeld des stalinistischen Terrors und ihr in Gelassenheit, Ruhe und Entspannung schwebendes Familiendrama schrieb ich schon ausführlich in meinem Bericht zum goEast 2022.


LIBERTÉ (Albert Serra: Frankreich/Portugal/Spanien/Deutschland 2019)

Einige exilierte französische Libertins organisieren in einem Wald südlich von Potsdam eine nächtliche Orgie und verlieren sich komplett in ihrem Treiben – mit ihnen auch Zuschauer, die bereit sind, sich diesem extrem langsamen Film mit seiner hypnotischen Mischung aus Voyeurismus und meditativer Kontemplation weit über zwei Stunden hinzugeben.


PORTRAIT DE LA JEUNE FILLE EN FEU (Céline Sciamma: Frankreich 2019)

Ein wunderschöner Liebesfilm, der Hand in Hand geht mit einem leisen Female-Buddy-Movie (in der Dreiecksbeziehung der Malerin, der Adeligen und der Dienerin). Ein schöner Film über das Filmemachen (auch, wenn es von Portraitmalerei im 18. Jahrhundert handelt) und über kreative Schöpfung als kollektiver Akt. Ein extrem intensiver Film der obsessiven und begehrenden Blicke, der auf sehr elegante Weise dies expliziert, was bei De Palma (das passendste Double-Feature zu Sciammas Film aus meiner 10er-Liste wäre wohl tatsächlich BODY DOUBLE) und natürlich auch schon bei Hitchcock angedeutet war: wenn man lange genug auf sein Objekt der Begierde schaut, wird es irgendwann genauso intensiv zurückblicken und wer wen anschaut, ist irgendwann nicht mehr eindeutig klar.




Einige weitere schöne Neuentdeckungen 2022 (nach Sichtungsreihenfolge geordnet)


BLIND HUSBANDS (Erich von Stroheim: USA 1919)

Stroheim stroheimt stroheimig durch die Berge: Das macht richtig Spaß!


THE 5,000 FINGERS OF DR. T. (Roy Rowland: USA 1953)

Ein kunterbuntes, im besten Sinne kindliches Spektakel, das einfach nicht aufhört, immer wieder mit neuen fantastischen Set-Designs zu verblüffen. Mehr zu diesem Film gibt es in diesem Blog in Manfreds Text zu lesen.


BONJOUR TRISTESSE (Otto Preminger: USA 1958)

Schwierig zu sagen, was die Faszination dieses Films ausmacht: natürlich gibt es die tollen Farben, die meisterhafte Nutzung des Cinemascope, die großartige Darstellerriege. Trotzdem kann ich es nicht wirklich festnageln. Ein mysteriöses "je ne sais quoi".


ELMER GANTRY (Richard Brooks: USA 1960)

Ein Duell der Extraklasse zwischen Burt Lancaster und Jean Simmons in einem Film, der sich (leider) noch sehr zeitgenössisch anfühlt.


THE COLLECTOR (William Wyler: UK/USA 1965)

Ein in seiner Konzentration absolut anbetungswürdiger Kammerspiel-Thriller. Der Moment, als der Protagonist von Freude betrunken über seine gelungene Entführung in seinem Garten unter strömendem Regen tanzt: Ekstase und Schrecken gehen hier eine schauererregende Symbiose ein. Bewundernswert ist auch, dass ein dreifach Oscar-prämierter Hollywood-Altmeister im 40. Jahr seiner Regiekarriere sich mit der Energie eines 25-jährigen Bilderstürmers eines (für 1965) solch "schwierigen" Stoffs angenommen hat und einen so durch und durch modernen Film erschaffen hat.


LA NUIT DES TRAQUÉES (Jean Rollin: Frankreich 1980)

Keine Vampire, kein Strand bei Pourville, sondern nur eine verlorene Frau, die ihr Gedächtnis immer wieder neu verliert und durch einen dystopischen Alptraum aus brutalistischen Hochhäusern schreitet, in denen Verlorene wie sie weggesperrt oder ermordet werden. Ja, Rollin war wesentlich politischer, als ihm gemeinhin zugestanden wird: seine Sympathie gehört immer den Verlorenen, den Ausgestoßenen, den Verfluchten. Und in dieser ganzen Hoffnungslosigkeit findet er trotzdem kleine Gesten der Zärtlichkeit und der Solidarität, wenn etwa eine Frau mit gestörtem Gedächtnis einer ihr völlig unbekannten Frau mit stark eingeschränkter Motorik ihre Freundschaft gibt und ihr beim Essen hilft.


BORN YESTERDAY (George Cukor: USA 1950)

Eine etwas humanistischere und lustigere Version von MY FAIR LADY, mit Judy Holliday als Audrey Hepburn und William Holden als Rex Harrison (sozusagen) und mit Cukor, der ohne 70mm-Breitformat, sondern "nur" im Academy-Format auf teils sehr verblüffende Weise die Raumtiefe nutzt, wenn Figuren durch überdimensionierte Hotelzimmer oder durch Washington huschen. Der unglaublichste Moment ist aber das Gin-Rummy-Spiel (siehe den Ausschnitt hier), bei dem Judy Holliday unter anderem durch blitzschnelles Neuordnen ihrer Karten Broderick Crawford irritiert (ein Teil davon in einem ungeschnittenen 3-minütigen Take).


LADY BEWARE (Karen Arthur: USA 1987)

Mehr zu diesem außergewöhnlichen Rape-and-Revenge-Thriller in meinen Ausführungen zum Leipziger Hofbauer-Kongress.


LE CINQUE GIORNATE (Dario Argento: Italien 1973)

LE CINQUE GIORNATE ist so etwas wie Dario Argentos großer unterschlagener Film: ein komödiantischer Polit-Historienfilm, in dem ein Mailänder Dieb (Adriano Celentano) und ein Bäckergehilfe in den Strudel der 1848er-Revolution geraten. In einem Paralleluniversum wäre Argentos Versuch, sich nach drei Gialli von seinem Ruf als Thriller-Spezialist zu lösen, nicht katastrophal in den Kinos gefloppt, sondern hätte seinen Weg in andere Genres eröffnet: weitere Komödien, vielleicht auch Polizei-/Gangsterfilme, dazwischen möglicherweise ein Melodrama. Doch LE CINQUE GIORNATE floppte – und Argento kehrte 1975 mit PROFONDO ROSSO zum Giallo zurück (der Rest ist Geschichte). Der Flop des Films ist schade, aber auch verständlich, denn "einfach" ist Argentos Revolutionsfilm auf keinen Fall: für eine Komödie wird er in der zweiten Hälfte zu ernst, brutal und tragisch, für einen "respektablen" Politfilm ist er in der ersten Hälfte zu slapstickhaft (der Marsch Celentanos durch die Straßen mit einer italienischen Fahne über der Schulter, bei dem immer mehr Leute, ohne, dass er es merkt, sich ihm anschließen, während eine elektronische Version von Rossinis "La gazza ladra" das ganze vertont, ist genau ein Kino-Meisterstück, den man von Dario Argento erwartet). Erschienen ist er pünktlich zum 125. Jubiläum der 1848er-Revolution, doch als "Gedenkfilm" der Glorie von 1848 taugt er absolut nicht, dafür ist sein Blick auf die italienische Politik viel zu ernüchtert (und gegen Ende wirkt er immer mehr wie ein bitterer, verzweifelter und tragischer 1968er-Katerfilm).

Gesehen beim 8. Terza Visione, also dort, wo es auch mit einem bekannten Namen wie Dario Argento immer wieder verblüffende Überraschungen geben kann.


BESTIALITÀ (Peter Skerl: Italien 1976)

Als "transgressiver" Film des 8. Terza Visione angekündigt, hat sich BESTIALITÀ besonders in der zweiten Hälfte vor allem als sehr eigensinnig erzählter und inszenierter Ehekrisen-Erotik-Drama im Urlaubsinsel-Setting entpuppt. Im letzten Drittel löst er sich teilweise komplett in reine Bilderpoesie auf (definitiv ein Grund, warum mir mittlerweile auch viele Details aus dem Film entgleitet sind).


OMICRON (Ugo Gregoretti: Italien/Frankreich 1963)

Die Coming-of-Age-Geschichte eines Körperfressers, der die Funktionen seines menschlichen Körpers nach und nach entdeckt – oder: eine wahnwitzige Slapstick-Komödie mit einem verblüffenden Renato Salvatori in der Titelrolle und ein unerwarteter Publikumsknüller beim 8. Terza Visione.


CONFIDENTIAL REPORT (Orson Welles: Frankreich/Spanien/Schweiz 1955)

Ich finde TOUCH OF EVIL zwar ganz gut, aber doch irgendwie auch leicht überschätzt im Welles- und Film-Noir-Kanon, irgendwie zu "normal" – während CONFIDENTIAL REPORT tatsächlich ein herrlich eskalierender und delirierender Fieberwahn-Noir ist, sichtbar von einem der ultimativen Hollywood-Rebellen inszeniert.


KISS ME, STUPID (Billy Wilder: USA 1964)

Von der Catholic Legion of Decency verurteilt – zurecht, denn Wilder ist mit seinem wahrscheinlich "schmutzigsten" Film nicht weniger als ein Schmier-Meisterwerk gelungen. Das Dauerfeuerwerk an visuellen Gags, schlüpfrigen Zweideutigkeiten und schieren Unfassbarkeiten ist schon sehr beglückend. Was den Film richtig groß macht, ist, dass er trotzdem zärtliche und reife Aspekte hat: wenn Kim Novak, die sich für einige Momente (bevor Dino wieder reinplatzt) in ein alternatives, gutbürgerliches und respektables Leben verliert, dann ist KISS ME, STUPID auch verblüffend anrührend – und sein Blick auf die Möglichkeiten, Eheprobleme zu diskutieren (am Schluss) ist von einer für 1964 verblüffenden Offenherzigkeit.


AGE OF CONSENT (Michael Powell: UK/Australien 1969)

Nach dem Skandal von PEEPING TOM war Michael Powells Filmkarriere ruiniert – so die gängige Sichtweise. Aber für einen kleinen, aus dem Ärmel geschüttelten Strandurlaub-Abhängfilm (der sich als Spätwerk eines Meisters im exotischen Setting gut mit solchen Abhängfilmen wie John Fords DONOVAN'S REEF und Howard Hawks' HATARI! einreihen könnte) hat es allemal noch gereicht.


LA TRAVESTIE (Yves Boisset: Frankreich 1988)

Vielleicht der "film maudit" Boissets (sein eklatanter kommerzieller Misserfolg läutete das Ende seiner Kinokarriere ein), mindestens aber sein (nach meinem aktuellen Kenntnisstand von 12 Boisset-Filmen) außergewöhnlichster: eine Anwaltsgehilfin betrügt einige ihrer Geliebten, macht sich mit dem Geld nach Paris auf, um dort als Mann zu leben, fängt eine Freundschaft/Liebesbeziehung zu einer Prostituierten an, flüchtet nach deren gewaltsamen Tod in eine neue Beziehung mit einer gutbürgerlichen Hausfrau und kommt um zwei Ecken zu einem Lehrer... Ja, Boissets außergewöhnlichster und vor allem sein in der Inszenierung und Erzählung anarchischster Film: LA TRAVESTIE ähnelt seiner Protagonistin und verweigert sich fast komplett jeglichem Zugriff. Es ist das psychologische Portrait einer Figur, die komplett mysteriös bleibt. Ein Film, der zwischen verspielter Gaunerkomödie, ernsthaftem Drama über Gender-Identitäten, voyeuristischem Prostitutionsmelodrama, Rohmer'ianische Abhängkomödie und ultrafinsterem Stalker-Thriller mühelos wechselt. Ein äußerst bizarrer, schwieriger, sperriger, undurchdringlicher und doch extrem lohnenswerter Film, dessen Mysterien mich nach der Sichtung noch stundenlang wachhielten.


CARNAL KNOWLEDGE (Mike Nichols: USA 1971)

Es ist zunächst die sehr verblüffende und raffinierte Art, wie Nichols das Cinemascope-Format einsetzt, die mich für CARNAL KNOWLEDGE eingenommen hat (in langen, langen Takes, die sehr schön Figuren im Raum verorten einerseits, andererseits in sehr intimen Nahaufnahmen von Gesichtern). Natürlich ist es auch entfesseltes Schauspielerkino mit Jack Nicholson in his prime, einem immer wieder wunderbaren Art Garfunkel (auch wenn seine Rolle natürlich weniger komplex und ambivalent ist als in Roegs BAD TIMING) und einer in der ersten Hälfte rührenden Candice Bergen. Und ein sehr bitterer 68er-Katerfilm.


VIVRE POUR SURVIVRE aka WHITE FIRE (Jean-Marie Pallardy: Frankreich/Türkei/USA 1984)

Die inzestgeschädigte Schmier-Version von VERTIGO meets eine Räuberpistole rund um einen Superdiamanten: Robert "The Exterminator" Ginty geilt die Wiedergeburt seiner Schwester an, schlitzt einigen üblen Gangstern bei einem Straßenkampf mit einer Kettensäge den Bauch auf, philosophiert mit Jess Hahn über Ketchup. Eine unfassbare Wundertüte des obskuren Exploitationkinos.


NIGHTMARE IN BADHAM COUNTY (John Llewellyn Moxey: USA 1976)

Durch eine unglückliche Verkettung von Zufällen finden sich zwei Studentinnen auf Urlaubstour in einem Südstaaten-Zwangsarbeiterinnenlager wieder: ein beeindruckend intelligenter Vertreter des Frauenknast-Subgenres mit einem sehr differenzierten Blick für gesellschaftliche Gewaltstrukturen – umso interessanter, dass der Film "nur" für das Fernsehen produziert wurde.


HILJA – MAITOTYTTÖ (Toivo Särkkä: Finnland 1953)

"Liebe einer Sommernacht" (engl.: "The Milkmaid") ist ein wunderschön fotografiertes und von einem beeindruckenden inszenatorischen Gestaltungswillen (er wirkt stellenweise sehr Hitchcock'ianisch) geprägtes Melodrama um die Liebe zwischen dem Milchmädchen Hilja und einem Kunststudenten im Sommerurlaub – die Dorfgemeinschaft und ein gewalttätiger Landarbeiter, der Hilja für sich haben möchte, trüben das Liebesglück. Vielleicht könnte man das Klischee des "unterkühlten Finnen" etwas aufbrechen, wenn solche starke Melodramen aus Finnland öfter gezeigt würden.


OPEN SEASON (Peter Collinson: UK/Spanien/USA 1974)

Ein besonders grimmiger Blick auf die USA der Vietnam- und Watergate-Ära: drei gutbürgerliche Vietnamveteranen (Peter Fonda, John Philip Law, Richard Lynch) verbringen alljährlich einen Urlaub, bei dem sie Menschen auf eine entlegene Jagdhütte entführen, demütigen und missbrauchen und anschließend in der Wildnis jagen. Der Vietnamkrieg hat sie nicht traumatisiert, sondern ihren ohnehin schon bestehenden Appetit auf Gewalt nur gesteigert. Dieses Jahr ist ein Paar an der Reihe, ein älterer verheirateter Mann mit seiner Liebhaberin, und in der ersten Hälfte lotet OPEN SEASON besonders die ambivalenten, unbequemen Beziehungsdynamiken zwischen Entführern und Entführten aus, bevor es in der zweiten Hälfte actionreicher wird (der Film lief beim 7. Karacho-Festival des Actionfilms). Das fulminante Ende hat in seiner meta-kinogeschichtlichen, symbolischen Wucht noch stundenlang an mir genagt.


WATASHI NO SEX-HAKUSHO – My Sex Report: Intensities (Sone Chusei: Japan 1976)

Wieder ein Pink-Film, bei dem sich die Frage stellt "Ist das noch Exploitation oder schon Avantgarde?": unfassbare Cinemascope-Tableaus mit fantastischen Set-Designs und wilde Montagen erzählen in impressionistischen Schnipseln die Geschichte einer Krankenschwester, die im Großstadtmoloch Tokio ihren schwerkranken Bruder versorgen muss und irgendwie überleben muss.


IL RITORNO DI RINGO (Duccio Tessari: Italien/Spanien 1965)

Nach dem sehr enttäuschenden UNA PISTOLA PER RINGO war IL RITORNO DI RINGO (mit der gleichen Crew sofort im Anschluss gedreht, erzählerisch allerdings komplett unabhängig) eine Überraschung: eine Art Western-Adaption der Odyssee, mit einem Bürgerkriegssoldaten, der zu Kriegsende nach Hause zurückkehrt, um sein Dorf von Banditen belagert und seine Ehefrau vom Banditenchef umgarnt wiederzufinden. Trotz der Comic-Relief-Figur des Blumenhändlers, der seine ganze Wohnung mit Gadgets ausgestattet hat, ein zutiefst trauriger und melancholischer Film (stellenweise gar ein tränenreiches Melodrama um zwei Liebende, die sich nach langer Trennung unter widrigen Umständen wiederfinden), der erst im Showdown am Ende eine explosive Erlösung findet.


LAWMAN (Michael Winner: USA 1971)

Ein außergewöhnlicher Western über eine sich aufgrund des Unwillens der Beteiligten immer mehr steigernde Eskalationsspirale der Gewalt. Burt Lancaster ist besonders toll in der Titelrolle, bei dem man nie so ganz sicher sein kann, ob er ein steifer, verstockter Bürokrat, ein melancholischer Loner, der es im Leben oft zu schwer hatte oder ein sadistischer Psychopath ist. LAWMAN enthält eines der wohl verblüffendsten Fisch-Frühstücke der Kinogeschichte und einen wahrhaft exzentrischen, völlig überraschenden, schockierenden und schockierend brutalen Shootout am Ende.



Mit dem Zweiten sieht man besser

FEMME FATALE (Brian De Palma: Frankreich/USA 2002)

Was für ein Narr, ein Idiot, wie blind war ich doch, die überbordende und völlig offensichtliche Schönheit dieses Films nicht schon beim ersten Mal (Mai 2016) erkannt zu haben. Bei der Zweitsichtung, im Kino, mit einer kristallinen 35mm-OmU-Kopie – die augenöffnende Offenbarung. Ein Film wie ein Spiel, das süchtig macht. Eine Wundertüte voller Blicke (und Blicke der Blicke, und Blicke der Blicke der Blicke etc.). Ein unglaublich liebevoller Frauenfilm mit einer alles vereinnahmenden und alle verführenden Protagonistin, der eigentlich alle Leute Lügen strafen sollte, die De Palma als Frauenfeind bezeichnen (genau solche Diskussionen trotzdem auch nach dieser Vorstellung geführt). Unter all der Verspieltheit, der Stilisierung, den unzähligen Hommagen an und Querverweisen auf Hitchcock, den Film Noir etc., ja auch unter dem ganzen Quatsch (De Palma ist so ein liebenswerter Quatschkopf, er ist zum Umarmen und Drücken) auch ein klassischer, zeitloser Film und eben keineswegs ein "trashiges" Zeitdokument der frühen 2000er Jahre, was man sich darunter auch immer genau vorstellen mag (auch diese Diskussionen nach dieser Vorstellung geführt).

Wie kann man denn nicht sehen, was für ein großartiger Film FEMME FATALE ist? Wie?

(als weiterführende Lektüre empfehle ich Michael Koreskys Text aus seiner Reihe "Queer and Now and Then")

******

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern von Whoknows Presents ein schönes (und nicht zu vergessen: gesundes) Jahr 2023 mit vielen schönen Filmen.

4 Kommentare:

  1. Die Idioten von Google haben den Kommentar-Editor nicht nur schlechter benutzbar gemacht als früher (keine Vorschau mehr), sondern anscheinend gehen auch nur noch kürzere Kommentare als früher. Also jetzt gezwungenermaßen in zwei Teilen:

    Das mit den Augen ist ja sehr ärgerlich - hoffentlich wird das neue Jahr in dieser Hinsicht (und nicht nur in dieser) besser. Ich wusste gar nicht, dass Du so ein Jazz-Experte bist. Zu deiner Musikliste kann ich mangels gesteigerter Sachkenntnis wenig beitragen. Was mich aber nicht davon abhalten wird, demnächst mal einen Text über einen Jazzfilm zu schreiben.

    Über Jimmy Smith hat Klaus Wildenhahn einen zweiteiligen Dokumentarfilm gedreht, der auch in der von Wildenhahn selbst zusammengestellten DVD-Box enthalten ist.

    Eher ur-schrei-mäßig wird es in "Hog Calling Blues"

    Kennst Du auch "We insist! Freedom Now Suite" von Max Roach? Da gibt es auch einen Urschrei, aber ganz anderer Art, nämlich von Abbey Lincoln. Übrigens sehr wirkungsvoll eingesetzt in Henning Carlsens DILEMMA. Was aber den "launisch-lustigen Blues" betrifft, geht für mich nichts über Screamin' Jay Hawkins' Constipation Blues. Frohe Verdauung! :-)

    Roxy Music: Sehr schön! Meine musikalische Sozialisierung fiel ja teilweise in die Zeit des Glam-Rock, und bei sowas werde ich fast nostalgisch. Und ich wusste gar nicht, dass Bryan Ferry auch mal einen "Meckergesang" à la Roger Chapman pflegte.

    TINI ZABUTYCH PREDKIV

    Da hast Du dir ja mit dem Ansehen noch 10 Jahre Zeit gelassen ... :-)
    Aber wenn der schon auf DVD so toll aussieht, wie ich ihn kenne, wie muss das erst auf 35 mm wirken? Da kann ich die "fiebrigen Rauschzustände" gut nachvollziehen.

    Boisset ist toll, aber die zwei Filme, die Du hier in den Vordergrund stellst, kenne ich noch nicht. Dafür alle, die Du im Absatz davor aufzählst, und noch LA FEMME FLIC mit Miou-Miou. Jean Carmet ist auch als der Mörder in BUFFET FROID ziemlich toll. Ähnlich wie mit Boisset ergeht es mir hier mit Michel Deville. Ich kenne ungefähr ein halbes Dutzend seiner Filme (DAS WILDE SCHAF sogar drei- oder viermal gesehen), aber noch nicht LE DOSSIER 51. Ist vorgemerkt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Deville ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, obwohl er ja noch lebt. Bei welcher Gelegenheit hast Du denn LE DOSSIER 51 gesehen? Jedenfalls hätte Deville mal eine größere Würdigung verdient (und vielleicht Nina Companeez gleich dazu, die in seinem ersten Karriere-Jahrzehnt fast alle seiner Filme schrieb).

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    1. - - - - Das mit den Augen ist ja sehr ärgerlich - hoffentlich wird das neue Jahr in dieser Hinsicht (und nicht nur in dieser) besser.

      Vielen Dank. Der Jahreswechsel war leider nicht sehr vielversprechend, da wieder ein Krankheitsschub nach Weihnachten ausbrach, glücklicherweise aber in einer sehr milden Variante. Geht auch schon wieder besser als kurz vor Jahresende.

      Wildenhahns Filme über Jimmy Smith sagten mir bislang noch nichts. Ein Grund mehr, mir die Wildenhahn-Box endlich mal zu beschaffen.

      WE INSIST! FREEDOM NOW SUITE ist eines von vielen Jazzalben, die ich vom Titel her kenne, aber tatsächlich noch nicht gehört habe: ich hab's mir aber gleich mal abgespeichert in meinen Lesezeichenordner für augenmäßig "magere" Zeiten.

      "Constipation Blues" kannte ich bislang nur in der Studioversion, aber live tut da Hawkins noch ein paar Schippen drauf. Was für ein tolles Lied. Am Anfang des Videos dachte ich, dass eine Überblendung eine der klimpernden Hände von Hawkins über das Hauptbild legt – aber das ist eine mechanische Hand am Rand des Klaviers: sehr schönes Accessoire :-D

      DUPONT LAJOIE gibt es zwar auf DVD in Frankreich, aber wahrscheinlich ohne Untertitel. Und FOLLE À TUER gibt es in einer Doppel-Blu-ray-Edition zusammen mit CANICULE: die steht bei mir noch ungeöffnet im Schrank, aber die Angaben auf der Rückseite lassen auch keine Untertitel vermuten.
      LE DOSSIER 51 habe ich letztes Jahr auf arte gesehen. Im Zuge dessen habe ich mir dann noch eine DVD von EAUX PROFONDES ("Stille Wasser") mit Jean-Louis Trintignant und Isabelle Huppert besorgt: hat mich nicht ganz so umgehauen wie LE DOSSIER 51, ist aber ein sehr schöner Hybrid aus Thriller, Bourgeoisie-Satire und Ehedrama (und erinnerte mich tonal sehr an Chabrol). LE MOUTON ENRAGÉ kenne ich auch noch nicht, steht auch auf der To-See-Liste.

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  2. wenn man lange genug auf sein Objekt der Begierde schaut, wird es irgendwann genauso intensiv zurückblicken und wer wen anschaut, ist irgendwann nicht mehr eindeutig klar.

    Huch, das klingt ja wie Nietzsche. "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

    BLIND HUSBANDS

    Stroheim stroheimt stroheimig durch die Berge: Das macht richtig Spaß!

    Und der eine Bergfex (Gibson Gowland) sieht auch noch aus wie Reinhold Messner, Jahrzehnte bevor Reinhold Messner aussah wie Reinhold Messner! Wenn das keine Weitsicht ist ...

    THE 5,000 FINGERS OF DR. T.

    Schön, dass es den inzwischen auch auf Blu-ray gibt, aber schlecht, dass es immer noch die stark gekürzte Fassung ist.

    BONJOUR TRISTESSE

    Den Film kenne ich noch nicht, aber den (recht kurzen) Roman habe ich in meinen jungen Jahren zweimal (im Abstand von ein paar Jahren) jeweils in einer einzigen Nacht bis zum Morgengrauen gelesen.

    KISS ME, STUPID

    Den habe ich zwar schon zweimal gesehen, aber wenn ich mich richtig entsinne, ist mir der Kaktus-Penis von Ray Walston noch nie aufgefallen. Auch wenn der von Eisenstein eindrucksvoller ist ...

    Mit dem Zweiten sieht man besser

    He, das war hier schon mal mein Text ... :-Þ

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    1. - - - - Huch, das klingt ja wie Nietzsche.
      Sehr schön, Anspielung auf das Zitat erkannt :-D

      BONJOUR TRISTESSE
      Den Roman kenne ich auch, habe ich auch als sehr schön und gut weglesbar in Erinnerung. Die französische Blu-ray von Carlotta kann ich durchaus empfehlen.

      KISS ME STUPID
      Den Kaktus-Penis musste ich screenshot'en und mit einfügen: wenn ich es in Worten beschrieben hätte, hätte es ja niemand geglaubt ;-) Aber heruntergeklappte Kinnlade war schon ein ziemlicher Dauerzustand bei dem Film. Eisensteins Kaktus-Penis ist natürlich größer und dicker :-D

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