Samstag, 10. August 2024

Eine Ermittlung in Ost- und Westdeutschland

Kürzlich auf dem Münchner Filmfest erlebte DIE ERMITTLUNG von RP Kahl seine Uraufführung, wenig später folgte die reguläre Kinopremiere in Berlin. Es handelt sich um eine Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Peter Weiss, das eng an die Verhandlungsprotokolle des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses angelehnt ist. Der sperrige Film, der vollständig vier Stunden dauert (es gibt auch eine dreistündige Version, mit acht statt elf "Gesängen"), erhielt gute bis sehr gute Kritiken (Beispiele: Rüdiger Suchsland in Telepolis, Peter Neumann in der Zeit, Ayala Goldmann in der Jüdischen Allgemeinen). Doch hier soll es nun nicht um diesen Film gehen, sondern um die beiden recht unterschiedlichen Fernsehfassungen des Stoffs, die Mitte der 60er Jahre, also zeitnah zum Prozess und zum Stück, in den beiden deutschen Staaten entstanden, vor allem aber um das Stück selbst.

DIE ERMITTLUNG
Deutschland (DDR) 1965/66
Sender: DFF
Regie: Lothar Bellag, Erich Engel, Karl von Appen, Manfred Wekwerth und Konrad Wolf (Bühneninszenierung) sowie Ingrid Fausak (TV-Regie)
Darsteller: Hilmar Thate (Richter), Alfred Müller (Ankläger), Dieter Knaup (Verteidiger), Stephan Hermlin, Bruno Apitz, Eberhard Esche u.v.a. (Angeklagte), Helene Weigel, Ernst Busch, Erwin Geschonneck u.a. (Zeugen) - vollständige Liste siehe Wikipedia, Robert Siewert (Kommentator)

DIE ERMITTLUNG
Deutschland (BRD) 1966
Sender: NDR
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Fritz Straßner (Richter), Herbert Fleischmann (Ankläger), Helmut Peine (Verteidiger), Bum Krüger, Hellmut Lange u.v.a. (Angeklagte), Ida Ehre, Hanne Hiob, Benno Sterzenbach, Siegfried Wischnewski, Pinkas Braun u.a. (Zeugen) - vollständige Liste siehe wiederum Wikipedia

Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess vom Dezember 1963 bis August 1965 bildete nicht nur eine Zäsur in der westdeutschen Justizgeschichte, er wirkte auch weit in die Gesellschaft der Bundesrepublik hinein (auch wenn natürlich nach wie vor viele nichts von diesem Thema hören wollten), in die Politik, in die Medien und in das Kulturleben. Von den zeitgenössischen künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Prozess ist Peter Weiss' Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen wohl die wichtigste, und zweifellos die bekannteste. "Oratorium" und "Gesänge" ist hier metaphorisch zu verstehen - gesungen wird in dem reinen Sprechstück nicht. (Ursprünglich plante Weiss eine Trilogie, die an die drei Teile von Dantes Göttliche[r] Komödie angelehnt war, und den dort verwendeten Begriff "Gesänge" (canti) für Kapitel hat er dann in der geänderten Konzeption des Stücks beibehalten.)

Peter Weiss gehörte seit Beginn der 60er Jahre zu den wichtigen Vertretern der deutschen Nachkriegsliteratur (die er in seiner schwedischen Wahlheimat auf Deutsch verfasste). 1935 emigrierte die Familie (Weiss' Vater war jüdischer Herkunft, was aber nach seiner Konversion zum Protestantismus 1920 weitgehend verheimlicht wurde), seit 1938 in Schweden - wo Peter Weiss dann blieb. Das Land bot bis 1945 Schutz, dann Lebensunterhalt, 1946 wurde Peter Weiss schwedischer Bürger, und nach zwei nur kurzen gescheiterten Ehen war er bis zu seinem Tod mit einer Schwedin verheiratet. Und doch wurde er in Schweden nie heimisch. Er wollte aber auch in keinen der beiden deutschen Staaten zurückkehren, und so blieb er ein "Unzugehöriger", wie es im Titel eines Films über ihn heißt. Weiss war zunächst vorwiegend Maler und schrieb nur nebenbei, dann drehte er auch einige Experimental- und Dokumentarfilme. Sein Durchbruch als Schriftsteller kam, als er 1960 einen Vertrag beim Suhrkamp Verlag erhielt, der bis zuletzt (und teilweise noch posthum) sein Hausverlag blieb. Nach seinem Tod 1982 geriet Weiss zwar nicht in Vergessenheit, verlor in der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber den nobelpreisgekrönten Kollegen Heinrich Böll und Günter Grass aber doch deutlich an Boden. Vielleicht zu Unrecht, aber darüber soll hier nicht lamentiert werden (dafür gibt es Berufenere als mich).

Die Ermittlung beruht also wie erwähnt auf dem ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess. Weiss besuchte die Verhandlungstage öfters als Zuschauer und stützte sich zusätzlich auf die Protokolle von Bernd Naumann. Vom 14. bis 16. Dezember 1964 hatte der Prozess einen Lokaltermin in Auschwitz. (Das war ein bemerkenswerter Vorgang, denn damals gab es noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen der BRD und Polen, geschweige denn ein Rechtshilfeabkommen. Trotzdem willigte die polnische Regierung ein, dass ein westdeutsches Gericht mitten in Polen Amtshandlungen durchführen konnte.) Neben den Prozessbeteiligten waren auch rund 200 Journalisten und sonstige Besucher anwesend, darunter auch Peter Weiss. Wie bei vielen anderen Anwesenden dieses Termins auch, hinterließ der Besuch tiefen und bleibenden Eindruck bei ihm. Übrigens war Weiss der einzige deutsche Schriftsteller bei diesem Ortstermin, was Marcel Reich-Ranicki veranlasste, ihn in seiner regelmäßigen Kolumne in der Zeit zu loben und seine Kollegen zumindest subtil zu tadeln.
DIE ERMITTLUNG (DFF) - die Bühne in der Volkskammer der DDR
Natürlich stellte sich für Weiss die Frage nach der Form eines Textes über Auschwitz. Es stand noch das Diktum von Theodor W. Adorno von 1951 im Raum, dass es barbarisch sei, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben. Das hatte schon Paul Celan mit seiner Todesfuge zu schaffen gemacht und ließ sich natürlich auch auf Dramen übertragen. Für Weiss kam nur eine äußerste Reduktion auf das Wesentliche in Frage, auf die gesprochene Sprache, unter Verzicht auf jegliche Schnörkel und Bühnenfirlefanz. Das bedeutet nicht, dass er aus den Verhandlungsprotokollen einfach abschrieb, sondern er verdichtete die Texte in eine bühnentaugliche Sprache und komponierte sie zu einem gewissen Fluss, den man fast musikalisch nennen könnte, was durch das Weglassen der Interpunktion in den gedruckten Ausgaben verstärkt wird. Und er kondensierte die Richter, Staatsanwälte (einschließlich Anwälte der Nebenkläger) und Verteidiger zu jeweils nur einem Vertreter des jeweiligen Berufsstands. Die 359 Zeugen im Prozess wurden zu nur neun konzentriert, die (wie die Juristen) im Stück keine Namen haben, sondern nur Nummern. Wenn also etwa Zeuge Nr. 3 an einer Stelle im Stück eine Aussage macht, dann stammt diese im echten Prozess von einem bestimmten Zeugen, und wenn "derselbe" Zeuge Nr. 3 an einer anderen Stelle etwas sagt, dann stammt dieser Text in der Realität von einem ganz anderen Zeugen. Zwei Charakteristika sind aber im ganzen Stück fix: Die Zeugen 1 und 2 sind (nicht belangte) Handlanger oder Mittäter aus Auschwitz, wie beispielsweise ganz am Anfang ein Eisenbahner, der an der Rampe, wo die Selektionen stattfanden, seinen Dienst tat. Die anderen sieben Zeugen sind Opfer, also Auschwitz-Überlebende. Und die Zeuginnen 4 und 5 sind weiblich, die anderen sieben männlich. Von den 22 Angeklagten in der Hauptverhandlung sind im Stück 18 vorhanden, und sie werden tatsächlich mit ihren richtigen Namen benannt. Nur sehr spärlich im Stück verteilt sind kurze Bemerkungen über die Angeklagten wie "Die Angeklagten lachen zustimmend", die man auch als Bühnenanweisungen betrachten kann.

Um wenigstens ein bisschen zu veranschaulichen, wie Weiss' Konzentrat der Aussagen aussieht, hier nur ein einziges Beispiel. Die Auschwitz-Insassin Dounia Wasserstrom, die der "politischen Abteilung" (also der Lager-Gestapo) als Übersetzerin zugeteilt war, sagte am 40. Verhandlungstag im April 1964 als Zeugin aus. Darunter war diese schockierende Passage (Wilhelm Boger war einer der Angeklagten, die sich durch besonderen Sadismus auszeichneten):
Im November 1944 kam ein Lkw an, auf dem sich Kinder befanden. Der Lkw hielt in der Nähe von der Baracke. Ein kleiner Junge im Alter von vier bis fünf Jahren sprang vom Lkw herunter. Er hatte einen Apfel in der Hand. Woher die Kinder kamen, weiß ich nicht. In der Tür stand Boger und Draser. Ich selbst stand am Fenster. Das Kind stand neben dem Lkw mit dem Apfel. Boger ging zu dem Kind hin, packte es an den Füßen und warf es mit dem Kopf an die Wand. Den Apfel steckte er ein. Dann kam Draser zu mir und befahl mir, »das an der Wand« abzuwischen. Das tat ich auch. Eine Stunde später kam Boger und rief mich zum Dolmetschen. Dabei aß er den Apfel. Das Ganze habe ich mit eigenen Augen gesehen. Das Kind war tot. Ein SS-Mann hat das tote Kind weggebracht.
In Die Ermittlung wird daraus (im Gesang von der Schaukel):
Da war draußen ein Lastwagen vorgefahren
mit einer Fracht von Kindern
Ich sah es durch das Fenster der Schreibstube
Ein kleiner Junge sprang herunter
er hielt einen Apfel in der Hand
Da kam Boger aus der Tür
Das Kind stand da mit dem Apfel
Boger ist zu dem Kind gegangen
und hat es bei den Füßen gepackt
und mit dem Kopf an die Baracke geschmettert
Dann hat er den Apfel aufgehoben
und mich geholt und gesagt
Wischen sie das da ab an der Wand
Und als ich später bei einem Verhör dabei war
sah ich
wie er den Apfel aß
Bei den Zeugen 1 und 2, also den Mitläufern und Mittätern, wäre es zum größten Teil mühsam und müßig, die realen Zeugen dahinter im Prozess ausfindig zu machen. Mit einer Ausnahme: Im Abschnitt II im Gesang von den Feueröfen, dem letzten der elf "Gesänge", steckt hinter dem Zeugen 1 der SS-Richter Konrad Morgen (nach dem Krieg bis 1979 Rechtsanwalt in Frankfurt), der im März 1964 aussagte (von der über dreistündigen Vernehmung liegt auch ein Tonmitschnitt vor).

Eines der Anliegen von Weiss (und vielleicht sein wichtigstes) beim Verfassen der Ermittlung war es, die tiefe Verstrickung der deutschen Großindustrie in den Auschwitz-Komplex (zu dem auch das Lager Buna-Monowitz gehörte) und überhaupt in das ganze KZ-System aufzuzeigen. Eine Schlüsselpassage hierzu findet sich ganz am Anfang, im Gesang von der Rampe (Zeuge 1 ist hier der oben schon erwähnte Eisenbahner):
Ankläger Wer wohnte sonst dort [im Ort Auschwitz, der schon vor dem Lager bestand]

Zeuge 1 Die Ortschaft war von der einheimischen
              Bevölkerung geräumt worden
              Es wohnten dort Beamte des Lagers
              und Personal der umliegenden Industrien

Ankläger Was waren das für Industrien

Zeuge 1 Es waren Niederlassungen
              der IG Farben
              der Krupp- und Siemenswerke

Ankläger Sahen Sie Häftlinge
               die dort zu arbeiten hatten

Zeuge 1 Ich sah sie beim An- und Abmarschieren

Ankläger Wie war der Zustand der Gruppen

Zeuge 1 Sie gingen im Gleichschritt und sangen

Ankläger Erfuhren sie nichts über die Verhältnisse im Lager

Zeuge 1 Es wurde ja soviel dummes Zeug geredet
              man wusste doch nie woran man war

Ankläger Hörten Sie nichts
               über die Vernichtung von Menschen

Zeuge 1 Wie sollte man sowas schon glauben
Hier werden also konkrete Namen genannt - Krupp und Siemens existierten bekanntlich auch nach dem Krieg weiter (Krupp heute als Thyssenkrupp). Und es war auch allgemein bekannt, dass die bekannteren und wichtigeren Vorläuferunternehmen der I.G. Farben (Agfa, BASF, Bayer und Hoechst) nach der Zerschlagung des Konzerns durch die Alliierten unter ihren alten Namen getrennt weiter aktiv waren. Weiter hinten im Stück wird auch die Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (was für ein Name in diesem Zusammenhang), kurz Degesch, namentlich benannt. Die Degesch, eine Tochter der Degussa und der I.G. Farben (und zu einem kleinen Teil eines weiteren Unternehmens), hatte das Zyklon B erfunden, ließ es durch eine Partnerfirma herstellen und lieferte es an die Vernichtungslager. Auch die Degesch existierte nach 1945 weiter (unter ihrem alten Namen - offenbar hat sich niemand dafür geschämt). Insgesamt nehmen die Stellen in Die Ermittlung, die sich mit dieser Thematik befassen, nur einen kleinen Teil ein - aber sie sind da. Etwas allgemeiner lässt sich sagen, dass sich Weiss dafür interessierte, wie Auschwitz "als System" jenseits der Mordtaten einzelner SS-Verbrecher funktionierte - das sollte "ermittelt" werden, und das zieht sich quer durch das Stück. In Interviews hat er Die Ermittlung mehrfach als eine "fast wissenschaftliche Arbeit" bezeichnet.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - hier ist die Bühne abgedunkelt
Hier werden also prominente und wichtige Namen der bundesrepublikanischen Industrie von Weiss angegriffen, und das hatte Folgen, die sich in den beiden deutschen Staaten stark unterschieden. Die Ermittlung hatte am 19. Oktober 1965 Premiere, aber schon im August wurde der Text vorab in einer Theaterzeitschrift veröffentlicht. Und sofort begannen die Debatten.

Im September 1965 veröffentlichte Weiss in einer schwedischen sowie je einer west- bzw. ostdeutschen Zeitung einen Artikel mit dem Titel 10 Arbeitspunkte eines Autors in der geteilten Welt, und darin bekannte er seine Sympathie für den Sozialismus, ebenso wie bei diversen öffentlichen Auftritten in jener Zeit. So nahm er schon im Mai 1965 an einem internationalen Schriftstellertreffen in Ost-Berlin und Weimar teil, und bei einer Fernsehdiskussion als Teil der Veranstaltung unter der Leitung des später notorischen Karl-Eduard von Schnitzler antwortete er auf Schnitzlers Frage, ob er Kommunist sei, mit "Ich bin nicht Kommunist, nein. [...] Aber ich bin in meiner Einstellung Sozialist." (hier gibt es diese Gesprächsrunde in der ARD-Mediathek, die fragliche Stelle ist bei 27:25). Dieses Bekenntnis zum Sozialismus und dann die kapitalismuskritischen Stellen in Die Ermittlung führten dazu, dass Weiss 1965 von der DDR regelrecht adoptiert wurde, ob er das nun wollte oder nicht. Dass er auch damals schon mehr Offenheit und Meinungsfreiheit in den real existierenden sozialistischen Staaten einforderte, wurde zunächst geflissentlich ignoriert. (Mehr zu Weiss' Verhältnis zum Politischen und zum Sozialismus findet man in diesem Artikel.)

In der Rezeption von Die Ermittlung in der DDR stand nun von Anfang an die Kritik an den westlichen Konzernen, und damit an der Bundesrepublik und am kapitalistischen Westen insgesamt, stark im Vordergrund. Eigentlich kritisiere und entlarve das Stück über die Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit, dass der "Monopolkapitalismus" (dieser Begriff wurde in der DDR inflationär verwendet) und der Faschismus in Westdeutschland nach wie vor am Ruder sei. Das war der Tenor in der (stark vereinheitlichten) Literaturkritik der DDR, und es wurde in diversen Podiums-, Radio- und TV-Diskussionen (mehrfach unter der Leitung von Karl-Eduard von Schnitzler) von DDR-Schriftstellern, Kritikern und sonstigen Kulturschaffenden vorgebracht. Selbstverständlich schwang dabei immer die offizielle Doktrin mit, dass man selbst mit der braunen Vergangenheit nichts zu tun habe. Gegenstimmen gab es nur wenige, aber Stephan Hermlin sagte damals explizit, dass Auschwitz ein gesamtdeutsches Problem sei. Das intellektuelle Niveau dieser Diskussionen und der einzelnen Wortbeiträge war mal mehr und mal weniger hoch, man muss aber festhalten, dass es dabei keineswegs nur um Propaganda ging, sondern dass auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Stück als Kunstwerk stattfand.

In der Bundesrepublik verlief die Diskussion naturgemäß nicht nur ganz anders, sie lässt sich auch viel weniger auf einen einheitlichen Nenner bringen. Etliche bekannte Kritiker, darunter so unterschiedliche wie Joachim Kaiser und Hellmuth Karasek, mochten Die Ermittlung nicht, wobei letzterer dem Stück immerhin auch positive Seiten abgewinnen konnte und nach der Stuttgarter Aufführung seine Meinung etwas revidierte, während Kaiser schon die Berechtigung des Stücks in seiner vorliegenden Form grundsätzlich in Abrede stellte. In seinem umfänglichen Artikel mit dem Titel Plädoyer gegen das Theater-Auschwitz meinte er, "Auschwitz hingegen sprengt den Theaterrahmen, ist unter ästhetischen Bühnenvoraussetzungen schlechthin nicht konsumierbar". Andere Kritiker wiederum lobten oder feierten das Stück als überfällige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit (und der Gegenwart). Aus denselben Gründen, wegen denen Die Ermittlung in der DDR gefeiert wurde, wurde es in der BRD von der konservativen Presse abgelehnt, um nicht zu sagen verdammt. Es wurden also sowohl die politische Einstellung des Autors als auch der konkrete Gehalt des Werks als Begründung für Schmähungen herangezogen. Wie üblich, tat sich darin auch die Springer-Presse hervor. In der Welt, dem vermeintlich seriösen Schwesterblatt der Bild, schrieb ein Günter Zehm einen groß aufgemachten Leitartikel mit dem Titel "Gehirnwäsche auf der Bühne", und im Untertitel wird die aufgeworfene Frage "Dokumentation oder Kunstwerk?" sogleich mit "Propaganda im Sinne der Zone" beantwortet. (Für die jüngeren Leser: "Zone" = "Ostzone" = DDR.) Und im Artikel bezeichnet Zehm das Stück dann nochmals wörtlich als Gehirnwäsche. Doch nicht nur Redakteure und Kritiker fühlten sich zu solchen Äußerungen bemüßigt, sondern auch Leute, die sich sonst eher selten zu kulturellen Themen äußern. Im Unternehmerbrief des deutschen Industrieinstituts, der in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der deutschen Industrie und den industriellen Verbänden der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände herausgegeben wurde, schrieb jemand, der nur mit "F/W" unterzeichnete, einen zweiseitigen Artikel mit dem Titel Kulturpartisan des Kommunismus - gemeint war natürlich Weiss. Der Autor entlarvt unerbittlich Weiss' eigentliche Absicht: "Damit gewinnt Weiss den Ansatzpunkt für seine literarisch-politische Partisanentätigkeit, mit der er die Gesellschaftsordnung, die er haßt, durch Diffamierung, Entstellung und Demagogie beseitigen will." Wer mitten im Kalten Krieg so unverblümt über die Rolle der deutschen Industrie im KZ-System schreibt, der kann eben nur ein verkappter Ost-Agent sein!
DIE ERMITTLUNG - die Richter, links NDR und rechts DFF
Andererseits wurde Weiss von liberaler bis linker Seite (auch und gerade im Westen) vorgeworfen, dass er sich viel zu sehr auf die sadistischen "Exzesstäter" (vor allem Kaduk und Boger) konzentriert habe und die systematischen (vor allem gesellschaftlichen) Ursachen und Funktionsprinzipien von Auschwitz vernachlässigt habe - trotz seiner Bemühungen in diese Richtung. Weiss konnte es also nicht allen Recht machen - aber erstens war das bei diesem Thema ohnehin von vornherein ausgeschlossen, und zweitens auch gar nicht seine Absicht. Aber er ist auf die Kritik eingegangen. So sagte er im Oktober 1965 auf einer Podiumsdiskussion in Stuttgart: "Es wäre unmöglich gewesen, wenn ich im Rahmen eines Abends ein Zeittheater darstellen könnte, das sowohl dieses Konzentrationslager als System schildert und außerdem noch die ganze Gesellschaftsordnung, die dahinter steht, genau analysiere und außerdem noch ihre Folgen zeige, die bis auf den heutigen Tag führen." Auch in einem ausführlichen TV-Interview mit dem damaligen WDR-Redakteur und Berlin-Korrespondenten Roland H. Wiegenstein ist er auf die diversen Vorwürfe und Angriffe eingegangen. - In den oben erwähnten 10 Arbeitspunkten finden sich die Sätze "Die Art, in der meine Worte aufgenommen werden, ist weitgehend bedingt von der jeweiligen Gesellschaftsordnung, unter der sie verbreitet werden" und "Die Aussagen eines deutschsprachigen Autors liegen sogleich auf der Waagschale, wo sie den beiden verschiedenen Bewertungssystemen unterworfen werden". Er hat also schon zumindest in einem gewissen Ausmaß im Vorhinein gewusst und in Kauf genommen, was da auf ihn zukam. Aber das galt vielleicht nicht für die Tatsache, dass er auch von einigen Schriftstellerkollegen aus dem Westen scharf angegriffen wurde. So ist er 1966 auf einer Tagung der Gruppe 47 in Princeton ernsthaft mit Günter Grass aneinandergerasselt.

Die Premiere von Die Ermittlung fand dann also am 19. Oktober 1965 statt, und zwar als sogenannte Ring-Uraufführung. Es handelt sich dabei um ein singuläres Ereignis der deutsch-deutschen Geschichte, denn es gab simultan vier Aufführungen im Westen und (vermutlich) zehn oder elf im Osten. Die "Leit-Aufführungen", wenn man das so nennen mag, waren die von Erwin Piscator inszenierte an der Freien Volksbühne in West-Berlin und die in der Volkskammer in Ost-Berlin (auf die ich noch ausführlich zu sprechen komme). Dazu kamen in der BRD die städtischen Theater in Essen und in Köln, sowie die Münchner Kammerspiele, hier unter der Regie von Paul Verhoeven (natürlich nicht der holländische Verhoeven, sondern der Vater des kürzlich verstorbenen Michael Verhoeven). In der DDR gab es Aufführungen bzw. szenische Lesungen beispielsweise in Dresden, Gera, Halle, Potsdam, Rostock und Weimar. Bei einigen Spielstätten, etwa in Cottbus und Neustrelitz, habe ich widersprüchliche Angaben gefunden, ob sie nun dabei waren oder nicht. Wenn ich alle irgendwo genannten Spielorte im Osten zusammenzähle, auch die unsicheren, dann komme ich nicht auf zehn oder elf, sondern 14. Aufgrund dieser unübersichtlichen Lage verzichte ich hier auf die komplette Auflistung. Übrigens täuscht hier das Übergewicht der DDR, denn abgesehen von Potsdam und Rostock handelte es sich nur um einmalige Vorstellungen am Premierentag. (Zum Volkstheater Rostock und dessen Intendanten Hanns Anselm Perten besaß Weiss ein besonderes Vertrauensverhältnis - Perten hatte schon im Frühjahr 1965 als erster in der DDR Marat/Sade an sein Theater geholt und selbst inszeniert, und bei der Ermittlung führte er auch selbst Regie.) In der BRD dagegen kamen im Lauf der nächsten Wochen und Monate etliche weitere Spielstätten hinzu, und Die Ermittlung wurde in der Theatersaison 1965/66 das meistgespielte Stück (Wikipedia spricht von zwölf Inszenierungen).
DIE ERMITTLUNG (DFF)
Auch das Württembergische Staatstheater in Stuttgart hätte eigentlich an der Ring-Uraufführung teilnehmen sollen, aber aufgrund von Unstimmigkeiten, die mit Piscators Inszenierung und deren Charakter als Jubiläumsveranstaltung (s.u.) zusammenhingen, zog man sich kurzfristig zurück, und die Stuttgarter Inszenierung unter der Regie von Peter Palitzsch startete erst am 23. Oktober. Palitzsch verfolgte dabei einen "anti-identifikatorischen" Ansatz, was hier heißen soll, dass die Angeklagten und die Zeugen von denselben Darstellern gespielt wurden. - Wenn man Die Ermittlung komplett spielt, so dauert das wohl so um die vier Stunden (was durch die aktuelle Verfilmung bestätigt wird). Deshalb wurde damals wie auch später bei den meisten Inszenierungen an der einen oder anderen Stelle gekürzt. Je nach Ort und verantwortlichen Personen wurde dabei mal eher künstlerisch und mal eher politisch motiviert entschieden. Wie erwähnt, nahm auch Essen an der Ring-Uraufführung teil, und es wirkt im Rückblick ziemlich peinlich, dass in der dortigen Inszenierung jeder Bezug zu Krupp aus dem Stück getilgt wurde. In der Volkskammer wiederum wurde nicht nur Text gestrichen, sondern auch ein bisschen Text hinzugefügt, der nicht von Weiss stammte, und der die politische Botschaft noch etwas deutlicher machen sollte.

Neben den genannten deutschen Aufführungen gab es, ebenfalls am 19. Oktober, noch eine in London, hier unter dem Titel The Investigation, vorgetragen von der Royal Shakespeare Company im Aldwych Theatre im Londoner West End unter der Regie von Peter Brook. Der 2022 verstorbene Brook scheint ein Faible für Weiss gehabt zu haben, denn schon 1964 inszenierte er, ebenfalls mit der Royal Shakespeare Company, das gerade schon erwähnte Stück, das ob seines barocken Titels meist als Marat/Sade abgekürzt wird, und 1967 adaptierte er diese Inszenierung für die Kinoleinwand (ebenfalls 1967 drehte Peter Schulze-Rohr für den NDR eine Fernsehfassung von Marat/Sade). Die Übersetzung für The Investigation wurde erst in letzter Minute fertig, und so konnte Brook "nur" eine szenische Lesung darbieten, die aber offenbar ihre Wirkung nicht verfehlte. Wie eine Kritikerin der Stuttgarter Zeitung schrieb, war das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt. "Eindringlicheres, Atemloseres und Ungeheuerlicheres kann es nicht geben", steht in ihrem Fazit.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - die Zeugenbank
Die Berliner Volksbühne, von der während der deutschen Teilung je eine Dependance in West- und Ost-Berlin existierte, feierte am 19. Oktober 1965 ihr 75-jähriges Jubiläum. Der altgediente, aber geistig noch sehr junge Erwin Piscator, der schon in den 20er Jahren an der damaligen Volksbühne Regie führte und seit 1962 Intendant der Freien Volksbühne im Westteil der Stadt war, suchte einen geeigneten Premierenstoff für das Jubiläum und streckte schon im Frühjahr 1965 seine Fühler in Richtung Suhrkamp aus, ob er wohl Die Ermittlung bekommen könne. Piscator hatte schon 1963 die Uraufführung von Rolf Hochhuths Der Stellvertreter an seinem Haus inszeniert, und er war für Die Ermittlung prädestiniert wie wenige andere im Westen. Weiss' Verleger, Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld, war mit dem Spielort und dem Termin einverstanden, zugleich aber war den Beteiligten klar, dass der besondere Charakter des Stücks auch besondere Umstände für die Premiere erforderte. Und so entschloss man sich, Die Ermittlung allgemein freizugeben, das heißt, jede interessierte Bühne durfte das Stück am 19. Oktober spielen. (Weiss und Unseld hatten auch gemeinsam beschlossen, dass alle Einnahmen aus dem Werk, die über die Deckung der Unkosten hinausgingen, an eine Stiftung für Auschwitz-Opfer gespendet wurden.) Der für Weiss zuständige Lektor bei Suhrkamp Karlheinz Braun verschickte am 5. Mai einen entsprechenden Rundbrief an alle in Frage kommenden Theater in beiden Teilen Deutschlands. (Im Rundbrief ist ausdrücklich von "allen deutschsprachigen Bühnen" die Rede, ich bin aber nicht sicher, ob die Einladung auch für Österreich und die Schweiz galt. Von dortigen Aufführungen im Jahr 1965 ist mir jedenfalls nichts bekannt.) Weil "die gewohnten Voraussetzungen eines Theaterstücks nicht mehr gegeben sind", heißt es in dem Brief, erscheine es Suhrkamp "wünschenswert, die Uraufführung dieses Stückes von der jedes anderen abzuheben", und "notwendig, daß dieses Stück auf das Bewußtsein möglichst vieler Deutscher wirkt".

So kam es also zur Ring-Uraufführung am fraglichen Termin. Piscator bekam seine Jubiläums-Premiere, und er richtete das Stück (u.a. mit Dieter Borsche als Richter, Günter Pfitzmann als Ankläger und Horst Niendorf als Verteidiger) karg stilisiert, aber als "echte" Theaterinszenierung ein, mit einer elektronisch-dissonanten Musik des italienischen Avantgardisten Luigi Nono zwischen den Gesängen versehen (Piscator hatte schon in den 20er Jahren mehrfach Bühnenmusiken des damaligen Avantgardisten Edmund Meisel verwandt und blieb dieser Tradition treu). Ganz anders in jeder Beziehung gestaltete sich die Ost-Berliner Aufführung, die von nicht wenigen westlichen Beobachtern als "Staatsakt" tituliert wurde. In Ost-Berlin wären verschiedene Theater in Frage gekommen, etwa die Volksbühne (Ost), das Berliner Ensemble (das Bert Brecht und seine Frau Helene Weigel gegründet und geleitet hatten), oder das Deutsche Theater. Natürlich erhielten sie alle die besagte Einladung, aber Manfred Wekwerth, der angesehene Brecht-Schüler und Chefregisseur am Berliner Ensemble, hatte eine andere Idee. Mitte Juni 1965 schrieb er einen Brief an Konrad Wolf, der gerade zum Präsidenten der Akademie der Künste der DDR gewählt worden war. Darin schlug er vor, die Akademie solle eine szenische Lesung von Die Ermittlung organisieren, an der die besten Schauspieler der DDR teilnehmen sollten. Aber nicht nur die, sondern auch Schriftsteller, bildende Künstler und sonstige Kulturschaffende sowie Funktionäre und Politiker der DDR. Die verbindende Klammer dieser schauspielerischen Laien sollte sein, dass sie alle am Kampf gegen den Faschismus teilgenommen hätten oder von den Nazis verfolgt wurden. Diese Veranstaltung sollte die anderen in der DDR an öffentlicher Aufmerksamkeit weit übertreffen (was dann auch der Fall war), und sie sollte zu einer "antifaschistischen Demonstration" werden, die eindeutig gegen die Bundesrepublik gerichtet war.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - die Angeklagten
Nach einigen Akademie-internen Diskussionen wurde der Vorschlag angenommen, einschließlich der propagandistischen, gegen den Westen gerichteten, Ausrichtung der Veranstaltung. Man muss festhalten, dass diese Ausrichtung nicht von oben dekretiert wurde, sondern von den Beteiligten selbst ins Spiel gebracht und ausgearbeitet wurde, aber sie richtete sich natürlich an der Linie der SED aus. Ab Mitte Juli tagte dann bis kurz vor der Aufführung in kurzen Abständen zur Vorbereitung eine Art Komitee. Da das offiziell Sitzungen der Akademie waren, gibt es auch offizielle Protokolle, so dass wir gut darüber unterrichtet sind. Zu diesem Kreis gehörten Helene Weigel und Karl Hossinger, der Direktor der Akademie der Künste (nicht zu verwechseln mit der Position des Präsidenten, also Wolf). Und dann die fünf Herren, die zusammen das offizielle "Regiekollektiv" bildeten: Zunächst einmal Wekwerth und Wolf. Konrad Wolf war damals ebenso wie heute im Rückblick einer der wichtigsten Filmregisseure der DDR, aber nicht deshalb war er dabei, sondern eben wegen seiner Position in der Akademie. Dazu kamen dann Lothar Bellag, der wie Wekwerth Regisseur am Berliner Ensemble war, und gleichzeitig fest angestellter Fernsehregisseur beim DFF; Erich Engel war ebenfalls Regisseur und zeitweise Oberspielleiter am Berliner Ensemble, zugleich seit Ufa-Zeiten ein Veteran des Spielfilms (nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen und auch fast gleich alten Erich Engels); Karl von Appen schließlich war einer der führenden Bühnenbildner der DDR und ebenfalls mit dem Berliner Ensemble verbunden. Der Komponist Paul Dessau, der, ähnlich wie Nono bei Piscator, eine dissonante Musik (nur ohne Elektronik) zur Einleitung und für die Szenenübergänge schrieb, nahm auch gelegentlich teil. Bei dem fünfköpfigen Regiekollektiv war Karl von Appen naturgemäß für das Bühnenbild zuständig, aber bei den anderen vier sind die Rollen wohl nicht so klar. Bellag scheint primus inter pares gewesen zu sein, aber ich weiß nicht, wieweit sich die anderen überhaupt an der eigentlichen Regie beteiligt haben - vielleicht war das doch mehr ein Organisationskomitee. Eine der ersten Fragen, die auf den Sitzungen geklärt wurden, war der Ort der Veranstaltung. Es sollte nicht eines der gewöhnlichen Theater sein, sondern ein repräsentativer Saal, der zugleich Platz für viele Zuschauer bot. Nach einigen Vorschlägen und einer Ortsbesichtigung einigte man sich auf den Plenarsaal der Volkskammer, also des Parlaments der DDR (damals noch nicht im Palast der Republik, der erst in den 70er Jahren gebaut wurde, sondern im Langenbeck-Virchow-Haus). Dieser Ort verlieh der ohnehin politisch stark aufgeladenen Veranstaltung zusätzliche Bedeutung.

Ein weiterer Punkt, der entschieden werden musste, war der der Mitwirkenden. Es blieb bei dem Konzept, professionelle (und teilweise erstklassige) Schauspieler mit Laien zu paaren. Zeitweise wurde erwogen, auch Künstler aus dem Westen einzuladen, aber davon wurde dann wieder Abstand genommen. Weiss und Unseld wussten zunächst nichts von diesen Vorbereitungen, erst Ende Juli wurde Weiss voll unterrichtet und zu einer der Sitzungen eingeladen, zu der er Anfang August auch erschien. Er billigte das Konzept einschließlich des Spielorts Volkskammer, und er gab seine Zustimmung, die Veranstaltung für das Fernsehen aufzuzeichnen. Gegen die Beteiligung der Laien äußerte Weiss künstlerische Vorbehalte. "Jedenfalls wird keine wirklich vollendete Theaterleistung erreicht werden", meinte er laut Protokoll (und damit sollte er Recht behalten). Aber anscheinend überwog seine Hoffnung auf die politische Wirkung, jedenfalls erhob er keinen ernsthaften Einspruch. Unseld erfuhr noch später von den Einzelheiten, und er war im Gegensatz zu Weiss ziemlich entsetzt, denn er sah voraus, dass diese Veranstaltung die nicht geringen Vorbehalte gegen Weiss und sein Werk im Westen noch verstärken und der rechten Presse willkommene Munition liefern würde. Ich weiß nicht, ob Suhrkamp zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit gehabt hätte, der Akademie die Aufführungsrechte zu entziehen, aber selbst wenn, wäre ein solcher Eklat erst recht propagandistisch ausgeschlachtet worden. So nahmen die Dinge also ihren Lauf.
DIE ERMITTLUNG (DFF) - Helene Weigel
Spätestens im August wurde die geplante Lesung zu einer offiziösen Angelegenheit der DDR. Der höchstrangige Politiker, der involviert war, und der dann auch tatsächlich an der Veranstaltung teilnahm, war Alexander Abusch. Der war von 1958 bis 1961 Kulturminister der DDR, danach als stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates (einer von mehreren) ebenfalls für Kultur zuständig, und Mitglied der Akademie war er auch. Durch seine politische Funktion war Abusch mitverantwortlich dafür, dass auf dem berühmt-berüchtigten 11. Plenum im Dezember 1965 Filme wie SPUR DER STEINE (Frank Beyer), DAS KANINCHEN BIN ICH (Kurt Maetzig) , DENK BLOSS NICHT, DASS ICH HEULE (Frank Vogel), KARLA (Herrmann Zschoche), JAHRGANG 45 (Jürgen Böttcher) und FRÄULEIN SCHMETTERLING (Kurt Barthel) kurz nach oder schon vor ihrem Erscheinen verboten wurden (und bis 1989/90 verboten blieben), und dass allgemein das kulturpolitische Klima wieder viel rigider wurde als in den wenigen Jahren davor. Das betraf übrigens auch damals schon Wolf Biermann, der von der SED extrem scharf kritisiert wurde. Das veranlasste Weiss im Dezember 1965, sich öffentlich für Biermann einzusetzen. Nachdem man vergeblich versuchte, Weiss durch gutes Zureden zur "Umkehr" zu bewegen, erkaltete die offizielle Weiss-Begeisterung der DDR jäh. Weiss seinerseits wurde durch das Ende des Prager Frühlings desillusioniert, was die gesellschaftlichen Entwicklungsaussichten der sozialistischen Staaten betraf, und als er 1970 sein Drama Trotzki im Exil herausbrachte, war es ganz vorbei (Leo Trotzki blieb auch nach dem Ende des Stalinismus im Ostblock eine Unperson) - aus dem vemeintlichen kommunistischen Kulturpartisanen war schon fast ein Klassenfeind geworden. Ebenfalls 1970 wurde Weiss in Ost-Berlin festgenommen und in den Westteil abgeschoben, und er erhielt Einreiseverbot in der DDR. So kann das gehen.
DIE ERMITTLUNG (DFF) - Ernst Busch
Doch zurück ins Jahr 1965. Abusch gehörte trotz seiner Position doch eher zum oberen Mittelbau der SED, und es schien ratsam, angesichts der diffizilen Thematik Rückendeckung von ganz oben einzuholen. So schrieb Konrad Wolf am 9. August einen Brief an Erich Honecker, damals schon zweiter Mann in der Parteihierarchie hinter Ulbricht, und erläuterte ihm das Projekt. Honecker persönlich rief drei Tage später Wolf an und gab sein Placet. - Da waren nun also die verschiedensten Leute zu einem temporären Ensemble vereinigt. Neben Abusch einige weitere kulturnahe Funktionäre, Schrifsteller wie Stephan Hermlin und Bruno Apitz, der Autor des Buchenwald-Romans Nackt unter Wölfen, altgediente honorige Antifaschisten wie der auch im Westen geschätzte Verleger Wieland Herzfelde, bildende Künstler, und einiges mehr. Und natürlich die richtigen Schauspieler, darunter so bekannte Namen wie Helene Weigel, Ernst Busch (der sich eigentlich schon von der Bühne zurückgezogen hatte, aber hier nochmal ein Gastspiel gab), Erwin Geschonneck, Hilmar Thate, Eberhard Esche, Rolf Ludwig, Horst Drinda und Ekkehard Schall. Es wurden Proben abgehalten, allerdings fluktuierte die Besetzungsliste im Lauf der Vorbereitungszeit stark, und zwar bis unmittelbar vor der Vorstellung (so stand Anna Seghers bis zuletzt auf der Liste, war dann aber nicht dabei), so dass einige Mitwirkende nur an wenigen oder vielleicht gar keinen Proben teilnahmen. - "Die Mitwirkenden sollen Persönlichkeiten sein, die die Schrecken der Konzentrationslager aus eigenem Erleben kennen und sich am antifaschistischen Widerstandskampf in Deutschland und in der Emigration beteiligt haben", hieß es schon im Protokoll des ersten Vorbereitungstreffens. Das klingt ja auf dem Papier schön, wurde aber nicht ganz eingehalten, denn zwei der Mitwirkenden, der Schriftsteller Helmut Baierl und der Maler und Zeichner Bert Heller, waren Wendehälse, die bis 1945 in der NSDAP und wenig später in der SED waren (wer wann davon wusste, ist mir nicht bekannt). Baierl war auch Stasi-Spitzel (nicht der einzige im Ensemble) und spionierte auch Peter Weiss aus, und 1989 trat er wieder aus der SED aus.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - der Ankläger (links) und der Verteidiger
Wie schon mehrfach geschrieben, handelte es sich in der Volkskammer um eine szenische Lesung. Das bedeutet konkret: Alle Mitwirkenden sitzen auf Stühlen oder Bänken. Wer gerade dran ist, steht auf (und geht ggf. zu einem Pult vor), liest aus einem aufgeschlagenen Textbuch seine Passage vor, setzt sich wieder, und der nächste ist an der Reihe. Das klingt dröge, kann aber, wenn es gut gemacht ist, durchaus seine Wirkung entfalten, wie ja etwa Peter Brook in London bewiesen hat. Aber in der Volkskammer ging es daneben. Das lag nicht nur in der übermäßig akzentuierten und allzu offensichtlichen politischen Stoßrichtung, sondern auch an den Laien, die das nicht wirklich konnten. Vielleicht wäre es falsch zu sagen, dass sie überfordert waren, weil ja von vornherein nichts anderes von ihnen verlangt wurde, als dass sie ihren Text fehlerfrei herunterlesen, aber bei etlichen hat man schon sehr deutlich gemerkt, dass sie hier nicht in ihrem Metier waren. Die Beklemmung, die das Stück ja eigentlich auslösen sollte, wollte sich bei mir nur an wenigen Stellen einfinden, und das ausschließlich bei den Profis wie Helene Weigel und Ernst Busch. Ich bin nicht der einzige, der das so sieht oder damals sah. Dieter E. Zimmer schrieb in einem klugen Artikel in der Zeit:
"Es erwies sich nämlich, daß wider Erwarten nicht die Lesung, sondern nur die Bühneninszenierung [bei Piscator] die tiefe Betroffenheit erzeugen konnte, die Weiss beabsichtigt hat und deren Ausbleiben sein Oratorium nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich machen würde. Die offiziellen Umstände der Volkskammerlesung, das Aufgebot an prominenten Namen, die Mischung von Laien und Schauspielern, welche bei aller Zurückhaltung, zu der sie angehalten worden waren, ihre Qualitäten nicht verleugnen konnten, der Kontrast zwischen Sprechenkönnen und Dilettantismus, der sich nicht vertuschen ließ – alles dies rückte gerade den Akt der Vermittlung des Textes an das Publikum so sehr in den Vordergrund, daß der Stoff selbst dahinter (einmal mehr, einmal weniger) verschwand. Statt auf die Worte zu hören, dachte man: Aha, jetzt also kommt der Abusch. Statt Bogers Ausreden zu überdenken, fragte man sich, wie ausgerechnet einem Apitz dieses Boger-Gerede über die Lippen käme. Das stimmte alles so wenig, daß die Unstimmigkeiten die Sache, um die es den Beteiligten zu tun war, verdunkelten. Die Ausschaltung allen Theaters, so stellte sich heraus, gereichte dem Text gerade nicht zum Vorteil, sondern behinderte seine Wirksamkeit auf fatale Weise.

Piscators Inszenierung dagegen: sie zeigte, was immer im einzelnen dazu zu sagen war, daß das Theater jedenfalls keine Apparatur zu sein braucht, die sich hinderlich zwischen den Stoff und das Publikum schiebt, sondern daß seine Möglichkeiten, intelligent genutzt, im Gegenteil dafür sorgen können, daß der Akt der Vermittlung unmerkbar wird und die unmittelbare Konfrontation von Publikum und Stoff stattfindet; und daß das Theater, so ehrenwert seine Skrupel auch sind, Unrecht hat, sich seiner selbst zu schämen und sich zu verleugnen."
Dem kann ich mich nur anschließen. Natürlich habe ich im Gegensatz zu Zimmer die Inszenierung von Piscator nicht gesehen, aber stattdessen kann man hier auch zwanglos die gelungene von Peter Schulze-Rohr einsetzen. Kurze Nebenbemerkung: Ist es bei diesem so heiklen Stoff überhaupt erlaubt, von einer "guten" oder "schlechten" Performance eines Darstellers zu sprechen? Dieter E. Zimmer stellte sich diese Frage auch, beantwortete sie mit "ja", und wiederum bin ich derselben Meinung:
"Und nach dieser Erfahrung würde ich mich auch nicht mehr genieren, das zu tun, was mancher, der dem ganzen Unternehmen mit Skepsis entgegensah, für den Gipfel der Zumutung hielt – nämlich zu sagen: der war gut als Zeuge drei, der war schlecht als Kaduk. Ich geniere mich nicht, zu sagen: Bruno Apitz war natürlich ganz und gar unmöglich als Boger (und das braucht den Autor von »Nackt unter Wölfen« wahrlich nicht zu kränken), und zum Beispiel der Schauspieler Otto Mächtlinger (bei Piscator), der den Angeklagten Stark sprach, war »gut«, er war »richtig« in seiner dummschlauen ewig unreifen Tätigkeit."
Peter Weiss und Siegfried Unseld waren übrigens unter den Gästen in der Volkskammer, sahen sich ungefähr die Hälfte an, wechselten dann flugs über die Zonengrenze, und verfolgten den Rest von Piscators Inszenierung. Ausschnitte aus der Volkskammerlesung wurden schon am nächsten Tag im DFF ausgestrahlt, die vollständige Aufzeichnung 13 Monate später, am 20. November 1966. Die Fernsehregie besorgte eine Ingrid Fausak, über die ich nichts Nennenswertes herausfinden konnte, außer dass sie noch für etliche weitere Bühnenverfilmungen des DFF die TV-Regie übernahm. Vielleicht war sie eine fest angestellte Mitarbeiterin des Senders. - Die vier westlichen Aufführungen am 19. Oktober wurden anscheinend nicht gefilmt, jedenfalls ist nichts davon überliefert. Doch es war klar, dass es auch in der Bundesrepublik eine Fernsehfassung von Die Ermittlung geben sollte, ja geben musste. Die kam dann 1966 vom NDR, Sendetermin war der 29. März um 20:15 Uhr in der ARD, und Regie führte Peter Schulze-Rohr. Diese Sendung hatte einen Vorläufer: Bereits im Oktober 1965 produzierte der HR federführend für acht der neun damaligen ARD-Anstalten (es fehlt der Bayerische Rundfunk, dafür war zusätzlich noch das Schweizer Radio DRS dabei) Die Ermittlung als Hörspiel. Dieses Hörspiel war mit 175 Minuten sogar noch länger als dann der Fernsehfilm (155 min), die Ausstrahlung war am 25. Oktober, und im Lauf der Jahre wurde es mehrmals auf Tonträgern veröffentlicht. Regie führte auch hier schon Peter Schulze-Rohr, und die Besetzungslisten des Hörspiels und des TV-Films sind zu gut der Hälfte identisch. Zu denjenigen, die beim Hörspiel als Sprecher dabei waren, aber beim Film nicht mehr, gehören durchaus prominente Namen wie Friedrich Joloff, Hans Helmut Dickow, Karl Lieffen, Robert Graf und Wolfgang Büttner.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - Hanne Hiob
Treibende Kraft beim NDR für den Fernsehfilm war neben Schulze-Rohr (oder vielleicht noch vor ihm) Egon Monk. Wie so viele, die damals mit Die Ermittlung zu tun hatten, war Monk als junger Mann beim Berliner Ensemble. Von 1960 bis 1968 war Monk der erste Fernsehspielchef beim NDR, und in dieser Position war er einer derjenigen, die unermüdlich dafür sorgten, dass auch das Fernsehen in den 60er Jahren ankam und der Mief der 50er Jahre wenigstens teilweise vertrieben wurde. Monk führte auch selbst Regie, u.a. 1965 bei EIN TAG - BERICHT AUS EINEM DEUTSCHEN KONZENTRATIONSLAGER 1939, einer Art von Dokudrama in dem Stil, der später von Heinrich Breloer weiterentwickelt wurde (derzeit ist dieser Film in der Mediathek von 3sat zu finden). Peter Schulze-Rohr gehörte ab 1964 zum Team von Monk beim NDR. Einem breiten Publikum bekannt wurde Schulze-Rohr, als er bis auf die zwei letzten sämtliche TATORT-Episoden mit dem bärbeißigen Hamburger Kommissar Trimmel inszenierte, die samt und sonders von Friedhelm Werremeier geschrieben wurden. Damit bildeten Werremeier und Schulze-Rohr ein ähnlich erfolgreiches und noch langlebigeres Team als Herbert Lichtenfeld und Wolfgang Petersen, die (ebenfalls beim NDR) die Folgen mit Kommissar Finke aus Kiel schrieben bzw. inszenierten.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - Einblendungen: links der Galgen, rechts das "alte
 Krematorium" im Stammlager (Auschwitz I)
Zurück zu Die Ermittlung. Der NDR-Film wurde in einem Hamburger Theater vor Publikum gedreht, das aber im abgedunkelten Bühnenraum (im Gegensatz zur hell ausgeleuchteten Volkskammer) die meiste Zeit unsichtbar bleibt. Das Bühnenbild ist streng stilisiert, Musik gibt es hier keine (und man vermisst sie auch nicht im Mindesten). Dafür bietet der Film ein sehr gut bedachtes Stilmittel: Immer wieder werden während der Aussagen der Zeugen dokumentarische Fotos bzw. kurze langsame Kamerafahrten aus Auschwitz eingeblendet, die genau jene Örtlichkeiten zeigen, von denen im Text gerade die Rede ist. Gerade bei diesen Szenen, aber auch sonst praktisch durchgehend, gelingt dem Film (zumindest bei mir), was der Volkskammer-Version weitgehend versagt blieb, nämlich Beklemmung und Betroffenheit zu erzeugen. Das gut ausgewogene und sehr solide Ensemble tut sein Übriges dazu - ein wirklich deutlicher Gegensatz zu der Polit-Veranstaltung in Ost-Berlin. Es gibt hier übrigens, abweichend vom Originaltext, drei weibliche und insgesamt zehn Zeugen. Wenn man vom Ensemble irgendwen herausgreifen möchte, dann würde ich vielleicht Hanne Hiob nennen, die von den drei Zeuginnen am meisten Text hat, in den sie einen gewissen bitter-abgeklärten Sarkasmus legt. In der Volkskammer spricht Helene Weigel die meisten dieser Texte, und zwar völlig anders als Hiob. Da ich die NDR-Fassung zuerst gesehen hatte, hatte ich zunächst Schwierigkeiten, mich in Weigels Duktus einzufinden, aber letztlich fand ich sie auch überzeugend (die andere Zeugin in der Volkskammer, die gebürtige Bulgarin Georgia Peet-Taneva, bleibt dagegen ziemlich blass). Übrigens war Hanne Hiob eine Tochter von Brecht und Stieftochter von Theo Lingen, und rein technisch gesehen auch sowas wie eine Stieftochter von Helene Weigel, und Ekkehard Schall, der auch in der Volkskammer-Lesung dabei war, war Schwiegersohn von Brecht und Weigel - aber das nur am Rande.
DIE ERMITTLUNG (NDR) - Benno Sterzenbach und Siegfried Wischnewski
Um nochmals auf die Volkskammer-Lesung zurückzukommen: Ich hatte den Eindruck, dass nicht nur der künstlerische Wert, sondern bisweilen sogar das angestrebte politische Ziel durch die Art der Inszenierung torpediert wurde. Das möchte ich an der Figur des Verteidigers erläutern. Der Verteidiger in der NDR-Fassung, der vom heute weitgehend vergessenen Helmut Peine gespielt wird, ist ein subtiles Ekelpaket, das - nicht allzu vordergründig, aber doch erkennbar - mit den Angeklagten sympathisiert und jeden Respekt vor den Zeugen 3 bis 10 - also den Auschwitz-Opfern - vermissen lässt. Wenn man sich etwas mit dem Auschwitz-Prozess beschäftigt hat, dann kann man leicht auf die Idee kommen, dass der Verteidiger, so wie er von Schulze-Rohr und dem Darsteller angelegt wird, von Hans Laternser inspiriert ist. Die Mehrzahl der Rechtsanwälte im Frankfurter Prozess erledigten professionell ihren Job und verteidigten die Angeklagten, so wie man das auch erwarten kann. Doch einige, allen voran Hans Laternser, waren anders. Laternser nutzte jede Gelegenheit, um den Belastungszeugen mit teilweise abstrusen Argumenten grundsätzlich ihre Glaubwürdigkeit abzusprechen, ja sie geradezu als Lügner hinzustellen, wenn sie etwa, was fast unvermeidlich war, bei exakten Zeitangaben Erinnerungslücken hatten oder ungenaue Angaben machten. Geradezu spektakulär absurd ist auch seine Argumentation im Schlussplädoyer, die Angeklagten, die an der Rampe Selektionen durchführten, seien in Wirklichkeit Lebensretter, weil sie ja zumindest einen Teil der Häftlinge (wenn auch nur vorübergehend) dem direkten Weg in die Gaskammer entzogen. Ob nun Laternser hinter dem Verteidiger beim NDR steckt oder nicht - diese Figur bringt fast unausweichlich die wohlbekannte Tatsache in Erinnerung, dass die Angeklagten damals in den 60er Jahren noch viele Sympathisanten in der westdeutschen Justiz besaßen. Diese Assoziation war ganz im Sinn von Weiss, aber natürlich auch im Sinn der DDR. Doch gerade der von Dieter Knaup gespielte Verteidiger (Ost), der mehr an einen pedantischen Urkundsbeamten erinnert, evozierte bei mir nichts davon. Setzen, Thema verfehlt!
DIE ERMITTLUNG (NDR) - Ida Ehre und Pinkas Braun
Die Bundeszentrale für politische Bildung betreibt neben ihren sonstigen Aktivitäten auch ein DVD-Programm, und darin erschien 2008 das 2-DVD-Set "auschwitz auf der bühne. peter weiss' »die ermittlung« in ost und west". Darin finden sich auf einer DVD-ROM jede Menge Originaldokumente von damals - Texte als Faksimile, Fotos, Audio- und Videoausschnitte -, und auf einer Video-DVD die komplette Volkskammer-Lesung. Ohne diese Edition wäre dieser Artikel so nicht möglich gewesen, und eine andere Möglichkeit, an den Volkskammer-Film zu kommen, ist mir nicht bekannt. Dass er nochmal im Fernsehen wiederholt wird, halte ich für unwahrscheinlich. Von den diversen Ausgaben und Auflagen von Die Ermittlung, die im Lauf der Jahrzehnte erschienen, hat mindestens eine (und vielleicht auch nur genau diese eine), nämlich die "Einmalige Sonderausgabe 2008" von Suhrkamp (ISBN 978-3-518-41989-2), den NDR-Film auf einer DVD beiliegen. Derzeit findet man ihn auch auf YouTube. Dort ist er kürzer als auf DVD, aber möglicherweise wurde dort "nur" die Bildfrequenz erhöht. Das ARD-Hörspiel von 1965 findet sich ebenfalls auf YouTube.

2 Kommentare:

  1. Auch wenn ich von "Die Ermittlung" durchaus schon gehört hatte (nicht zuletzt eben aufgefrischt durch die kürzliche Neuverfilmung, die im Kinoprogramm sporadisch erschien) war mir die gesamtdeutsche Dimension bislang unbekannt – irgendwie waren "Die Ermittlung" und Peter Weiss bei mir im Gedächtnis als rein bundesdeutsch gespeichert (auf dem Youtube-Kanal, in dem das ARD-Hörspiel von "Die Ermittlung" zu hören ist, gibt es auch ein Hörspiel von "Marat/Sade" vom Rundfunk der DDR zu hören – mein Gedächtnis hat mir also definitiv Quatsch vorgegaukelt). Insofern war es sehr interessant und erhellend zu lesen, wie die Premiere des Stücks parallel in BRD und DDR vorbereitet wurde.
    Nach der Lektüre bin ich jetzt umso trauriger, dass ich die Neuverfilmung von RP Kahl kürzlich verpasst habe. Die kam in vier oder fünf Sondervorstellungen in Jena, aber es hat entweder terminlich nicht gepasst oder der innere Schweinehund hatte durch die im normalen Kinoalltag doch eher ungewöhnlich lange Laufzeit von 4 Stunden zu hohe Hürden zu überwinden.
    Aber nun... die neue Verfilmung rennt nicht weg, da ist ja auch schon eine DVD/Blu-ray-Veröffentlichung in ein paar Monaten geplant. Ich habe jetzt – gewissermaßen chronologisch – erst mal mit dem Hörspiel des ARD begonnen. Ein Brett! Absolut fesselnd von A bis Z. Auch hier vermisst man die Musik nicht. Und wie im späteren Fernsehfilm sticht auch hier Helmut Peine in der Sprechrolle des unangenehmen Verteidigers hervor. Demnächst werde ich mir dann auch den NDR-Fernsehfilm anschauen und bin schon gespannt.

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  2. Ich glaube, es ist heute keine Bildungslücke (mehr), wenn man Weiss nur der BRD zuschlägt. Er hat schließlich alles bei Suhrkamp veröffentlicht, und er ist halt auch nicht mehr so bekannt wie seinerzeit. Rüdiger Suchsland meint in seiner Kritik des aktuellen Films sogar, er sei heute vergessen, aber das finde ich nun auch wieder übertrieben.

    Sein Techtelmechtel mit der DDR hat in der "heißen Phase" auch nur ein dreiviertel Jahr gedauert, aber er blieb auch danach Sozialist und sah die BRD in vielen Punkten sehr kritisch.

    Falls Du noch mehr über ihn erfahren willst: Den oben im Artikel erwähnten Film DER UNZUGEHÖRIGE gibt es auch in einer kürzeren Fernsehfassung, die 2005 in der Reihe DEUTSCHE LEBENSLÄUFE ausgestrahlt und gelegentlich wiederholt wurde. Und diese Fassung findet man auch auf YouTube (wenn man weiß, wonach man suchen muss):

    https://www.youtube.com/watch?v=yjhouCX0RL4

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