RIVERBEND
USA 1989
Regie: Sam Firstenberg
Darsteller: Steve James (Major Samuel Quentin), Margaret Avery (Belle Coleman), Tony Frank (Sheriff Jake), Julius Tennon (Sergeant Tony Marx), Alex Morris (Lieutenant Butch Turner), Troy Dale (Cook), Vanessa Tate (Pauline), Al Evans (Bürgermeister)
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Titeleinblendung: wer genau hinschaut, erkennt die Black-Power-Faust im I |
Marco Siedelmann: "It's your Howard Hawks movie in many ways"
Sam Firstenberg: "Wow, thank you. I'm sure happy to hear it!"
RIVERBEND ist möglicherweise Firstenbergs "grand film malade", sein "großer kranker Film" nach François Truffauts Definition: ein abgebrochenes, gestörtes Meisterwerk, das vielen Pannen und Fehlentscheidungen zum Opfer gefallen ist; ein fehlerhafter, "kaputter", dabei aber auch leidenschaftlicher, ehrlicher und absolut faszinierender Film. Es war Sam Firstenbergs erster Film nach seiner künstlerisch und kommerziell höchst erfolgreichen Zeit bei Cannon, wo er REVENGE OF THE NINJA, NINJA III: THE DOMINATION, BREAKIN' 2: ELECTRIC BOOGALOO, AMERICAN NINJA, AVENGING FORCE, AMERICAN NINJA 2: THE CONFRONTATION gedreht hatte: seine wahrscheinlich besten Filme, zumindest aber die Höhepunkte seiner Karriere im Bereich kreative Kontrolle und finanzielle sowie materielle Ressourcenausstattung. Nach seinem Rausschmiss aus Cannon (dazu später mehr) erreichte Firstenberg nie mehr dieses Niveau an produktionstechnischen Annehmlichkeiten: wirklich winzige Budgets (selbst im Vergleich zu den schon übersichtlichen Budgets bei Cannon) und entsprechender Produktionsdruck, Einmischungen, Konflikte, Produktionspannen würden von nun an Firstenbergs weitere Karriere begleiten. Wo seine Cannon-Filme wie aus einem Guss erschienen, wurden ab 1989 produktionsbedingte Brüche, Pannen, Probleme in seinen Filmen sichtbar. Seine Brillanz als Regisseur wurde eher in kleinen Details deutlich. Das macht seine Post-Cannon-Filme nicht weniger interessant. Und RIVERBEND ist zumindest für mich der interessanteste aus dieser zweiten Karrierephase.
Von den sagen wir mal weniger gelungenen Firstenberg-Filmen ist mir RIVERBEND der liebste, ja fast schon ein Herzensfilm. Es ist ein Film, der von seinem geringen Budget teils etwas gelähmt wirkt, der in seinen verfügbaren Sichtungsversionen zumal auch nur mit viel Geduld sichtbar ist, und trotzdem kann ich nicht anders, als ihn ganz fest in mein Herz zu schließen. Wie viele Filme haben schon die Ambition, Elemente von Western, Vietnamheimkehrerfilm, Anti-Rassismus-Drama, Blaxploitation und Melodrama zu vereinen, und das ganze auch noch mit dem wunderbaren Steve James in einer raren Hauptrolle, inszeniert von Sam Firstenberg mit seinem üblichen Gespür für atmosphärische Set-Pieces sowie dieser tollen Mischung aus geradezu herzerwärmender Naivität und diesem Willen, den maximalsten Spaß aus seinen Genre-Formeln rauszuziehen.
Wir befinden uns in der Kleinstadt Riverbend, Georgia, im Jahr 1966. Der schwarze Bevölkerungsteil der Stadt wird vom rassistischen Sheriff Jake regelrecht terrorisiert: seine rassistischen Beschimpfungen sind noch das harmloseste, vielmehr nimmt er sich heraus, Schwarze zu misshandeln und zu ermorden, als Geisel zu entführen und zu vergewaltigen. Der Film beginnt auch damit, dass Marcus Coleman, der einem Richter belastende Dokumente zur Anklage Jakes vorbeibringen will, vom Sheriff in den Rücken geschossen und getötet wird. Selbst einige Weiße protestieren gegen Jakes Treiben, so etwa der Stadtrat Cook, aber wirklich etwas unternehmen tut doch niemand, weil sie alle Angst vor Jake haben.
Eines Tages fährt ein Auto der Militärpolizei in der Gegend vorbei, mit drei Gefangenen: Major Samuel Quentin, Sergeant Tony Marx und Lieutenant Butch Turner werden gerade in Richtung eines Bundesgefängnisses gebracht, um dort vor ein Militärgericht gestellt zu werden (wie man später erfährt: weil sie in Vietnam einen Befehl zur Ermordung von Zivilisten verweigert haben). Mit einer List entkommen die drei Soldaten und flüchten in das etwas von der Stadt abgelegene Haus der frischgebackenen Witwe Belle Coleman, deren Ehemann kürzlich von dem Sheriff ermordet wurde. Eigentlich wollen die drei Soldaten sich nur für wenige Nächte dort verstecken und dann weiter fliehen. Major Quentin kriegt allerdings rasch mit, dass die schwarze Bevölkerung der Stadt von einem rassistischen Sheriff terrorisiert wird – und beginnt außerdem eine Affäre mit Belle. Er entscheidet sich, die Schwarzen in Riverbend zu unterstützen und die Stadt mit ihnen zu besetzen (nicht nur aus uneigennützigen Motiven: er will auch für den eigenen Fall eine Öffentlichkeit schaffen). Sergeant Tony, der sich eigentlich überhaupt nicht für die "Südstaaten-Hinterwäldler" und für diesen "Southern shit" interessiert, wird nur mit letzterem Argument überzeugt, mitzumachen.
Gesagt, getan: Major Quentin und seine beiden Adjutanten organisieren für alle schwarzen Männer der Stadt ein geheimes militärisches Ausbildungscamp im Wald. Als das Training zu Ende ist, übernehmen sie nachts die Kontrolle über die Stadt: überfallen das Sheriff-Büro und sperren Jake und seinen Gehilfen ein, verbarrikadieren und verminen die Zugangsbrücke zur Stadt, verhaften die weiße Bevölkerung der Stadt und sperren sie in der Kirche ein, um sie als Geiseln zu halten.
Als Staatspolizisten am nächsten Tag an die verbarrikadierte Brücke gelangen, kommt es zum ersten Scharmützel. Dem ranghöchsten Polizisten übermittelt Major Quentin seine Forderungen: der Gouverneur des Staates Georgia soll mit Vertretern der Presse innert 24 Stunden erscheinen, ansonsten werde er die Geiseln hinrichten lassen. Quentin will ebenso wenig wie einst in Vietnam Zivilisten ermorden und hat sorgsam darauf geachtet, die Stadtbesetzung ohne Blutvergießen zu organisieren. Doch unter den frischen Soldaten Riverbends steigt der Rachedurst gegen die ehemaligen Peiniger, ebenso wie bei Pauline, die vom Sheriff vergewaltigt wurde. Und um die Situation zu verschlimmern, gerät auch Tony zunehmend außer Kontrolle, weil seine Motivation, die Riverbender zu unterstützen, sinkt und zugleich seine Lust auf Gewalt steigt...
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Oben: Major Samuel Quentin und Belle Coleman Unten: Lieutenant Butch Turner und Sergeant Tony Marx mit ihrem militärischen Vorgesetzten |
RIVERBEND krankt an vielen Stellen, und das ist im Angesicht der chaotischen und pannengeplagten Produktionsumstände (dazu gleich mehr) auch nicht wirklich verwunderlich. "But what I wanted to say is that such a subject really deserved a much better script and a much bigger production. Much bigger and much more serious. Because the script – as interesting as it was – wasn't deep enough when it comes to character development. A story like this calls for a deep understanding of the characters and a deep analysis of the situation the characters are involved in. This script didn't go deep enough", so Firstenberg selbst in dem Buch Stories from the Trenches: Adventures in Making High Octane Hollywood Movies with Cannon Veteran Sam Firstenberg.
Tatsächlich bleiben die meisten Figuren von RIVERBEND eher schablonenhaft, im schlimmsten Fall sind sie Klischees, im besten Fall unausgegorene Entwürfe. Belles Figur ist besonders undankbar: von der trauernden Witwe wird sie in Handumdrehen zur Liebhaberin des im Grunde aus dem Nichts reingeschneiten Quentin (und später "erklärt" sie das dann ihrem verstorbenen Ehemann, niederknieend an seinem frischen Grab, in einer Szene, die sehr daneben wirkt). Im weiteren Verlauf wird sie mehr oder weniger zur Stichwortgeberin degradiert. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und Quentin wirkt eher kitschig und unglaubwürdig: zwar humpelte ihr Ehemann Marcus, was man als verklausulierte Impotenz lesen kann, so dass nahe liegt, dass es vor allem sexuelle Anziehung ist, die an Major Quentin fasziniert – doch tatsächlich ist eher Blümchenliebe und idealistische Komplizenschaft zwischen den beiden zu sehen und spätestens im letzten Drittel wirken die beiden unglaubwürdigerweise wie ein altes (und sexloses) Ehepaar, das sich schon seit Jahrzehnten kennt.
Auch Sheriff Jake schrammt hart an der Karikatur vorbei: ein dauerhaft Vulgaritäten, Anzüglichkeiten, Beschimpfungen und Drohungen ausspuckender Mann, den man in nur wenigen Sekunden zu hassen liebt. Die personifizierte, hässliche Fratze des Rassismus (worüber man, abgesehen von einer kurzen Szene im Stadtrat, fast vergessen könnte, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist, kein individuelles).
Major Quentins Figur kann und muss sich auch voll und ganz auf Steve James' Charisma verlassen, während die Abgründe von Tonys Figur nur sehr oberflächlich angedeutet werden. Butch hingegen ist im Trio fast nur Beiwerk und bekommt gesamten Film gerade mal zwei kurze Szenen, in denen er etwas sagt.
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Oben: Sheriff Jake und Stadtrat Cook (Produzent Troy Dale in einer Nebenrolle) Unten: Pauline und der Bürgermeister |
Aber genug des Jammerns... RIVERBEND ist gerade in seiner Verbindung von Western und Vietnamheimkehrer-Film ungemein faszinierend. Um den Verweis auf Hawks aus dem Eingangszitat wieder aufzunehmen: RIVERBEND wirkt ein bisschen wie der in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung engagierte, vergessene und unterschlagene gemeinsame Cousin von RIO BRAVO und dem ersten Rambo-Film FIRST BLOOD, der dann auch noch gegen seine beiden Verwandten rebelliert. 2020 habe ich mehrmals gelesen, dass Spike Lees DA 5 BLOODS (2020) der erste Film sei, der spezifisch schwarze Vietnamveteranen-Geschichten erzähle, aber RIVERBEND widerspricht dem ganz offensichtlich. Die rohe Brutalität, mit der Sheriff Jake gegen Schwarze vorgeht, wirkt manchmal übertrieben, aber wie wir wissen ist sie selbst im Jahr 2020 und 2021 leider noch von großer Aktualität.
Der Vietnamheimkehrerfilm (denn auch das ist er, nicht nur ein Actionfilm) FIRST BLOOD handelte von einem Außenseiter, der "seinen" ganz "persönlichen" Vietnamkrieg in ein kleines Provinzstädtchen brachte und dort entfesselte. RIVERBEND reichert dieses Motiv (Vietnamsoldaten bringen "ihren" Krieg in die US-Heimat zurück) nun mit dem afroamerikanischen Kampf um Bürgerrechte an: die Soldaten kehren aus einem Krieg in einem fernen Land zurück, doch das Land, für das sie gekämpft haben, führt nun wiederum Krieg gegen sie selbst. Im Gegensatz zu John Rambo geht es aber nicht darum, angespuckt zu werden, sondern auf offener Straße "legal" ermordet zu werden. Während Rambo einen "persönlichen" Krieg kämpfte, führt Quentin einen politischen und gesellschaftlichen Kampf, einen Krieg gegen Rassismus.
(Trotz der Unterschiede zu Rambo: Das Motiv des Verrats durch die Vorgesetzten taucht auch in RIVERBEND auf. Als sich Quentin in Vietnam weigerte, gefangen genommene Frauen und Kinder zu ermorden, wurde er degradiert, dann ebenso seine sich weigernden formalen Nachfolger Tony und Butch – und alle wurden dann von den eigenen Leuten bombardiert)
Ein weiterer Unterschied zu den Rambo-Geschichten ist, dass RIVERBEND, obwohl er als Actionfilm gilt und als solcher vermarktet wurde, eher als eine Art (revisionistischer) Western erzählt ist: eine Kleinstadt wird von einem brutalen Verbrecher terrorisiert (wobei dieser Verbrecher der Sheriff ist), ein Revolverheld und seine zwei Gehilfen kommen in den Ort und sagen dem Verbrecher den Kampf an (wobei dieser Revolverheld ein von der Militärpolizei gesuchter Soldat ist). So entspinnt sich dann ein RIO BRAVO unter umgekehrten Vorzeichen.
Hinzu kommt dann auch eine Prise Southern Gothic Americana: wie in all seinen Filmen hat Firstenberg ein besonderes Flair für die Räume, in dem der Film spielt. Diese sind in RIVERBEND an einer Hand abzuzählen: es gibt einen zentralen Platz in Riverbend, wo auch das Büro des Sheriffs und das Gebäude der Stadtverwaltung stehen, dazu eine Grünfläche mit einem kleinen Pavillon – trotz der Autos fast wie aus einem Western oder einem Tennessee-Williams-Melodrama, das in den 1920ern spielt. Dann die Kirche, in der die Geiseln gefangen genommen werden. Belles großes, aber auch etwas verfallenes Haus außerhalb der Stadt. Eine Kneipe für ein schwarzes Publikum außerhalb der Stadt. Und natürlich die symbolische Brücke, die zur Stadt führt, die Marcus Coleman zu Beginn auf seinem (gewaltsam unterbrochenen) Weg zum Richter überquert und schließlich verbarrikadiert und dann belagert wird. Ein kleine, abgeschlossene Welt, in die Major Quentin und seine beiden Adjutanten eintreten.
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Der Town Square von Riverbend (gedreht wurde in Texas)
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Die besetzte Brücke, die Riverbend mit der Welt verbindet |
RIVERBEND ist in Firstenbergs Filmografie auch ein recht einzigartiger Hybrid. Über seine ursprünglichen Pläne für seine Karriere ist Firstenberg in Stories from the Trenches und in anderen Interviews ein bisschen ambivalent: er betont immer wieder, dass er schon immer US-amerikanisches Genre-Kino drehen wollte – und spricht andererseits auch von seinen Ambitionen, sozial engagiertes Kino zu machen (so wie in seinem ersten abendfüllenden Film, ONE MORE CHANCE, über einen entlassenen Häftling, der seinen Sohn sucht). In RIVERBEND löst sich diese Dichotomie auf: es ist gleichzeitig ein "social problem film" und ein Genrefilm, Anti-Rassismus-Film und Western in einem.
Bevor Firstenberg RIVERBEND drehen konnte, "musste" er erst einmal bei Cannon rausfliegen... In wenigen Jahren hatte er sich als zuverlässiger Regisseur bei Menahem Golans und Yoram Globus' unabhängiger Produktionsfirma etabliert, mit AMERICAN NINJA hatte er einen von Cannons größten Kassenhits inszeniert. Ein Auftrag folgte dem nächsten: am letzten Tag des Schnitts (Firstenberg war beim Editing seiner Cannon-Filme stets von Anfang bis Ende involviert) von AVENGING FORCE flog er nach Südafrika, um nahtlos und ohne jegliche Pause AMERICAN NINJA 2: THE CONFRONTATION zu drehen. In Südafrika, während des Drehs, wurde Firstenberg von Menahem Golan gedrängt, nach dem Dreh sofort nach L.A. zurückzukehren, um einen nächsten Film, diesmal mit Chuck Norris, zu inszenieren. Firstenberg weigerte sich, sondern nahm nach dem Ende des Südafrika-Drehs ohne Rücksprache zwei Wochen Urlaub in Israel mit seiner Frau und seiner Tochter. Das brachte ihm wieder zornige Anrufe Golans (der ihn doch ausfindig gemacht hatte): der Cannon-Chef orderte ihn dringend in die USA. Zurück in den USA erwies sich das alles als nicht ganz so dringend, wie Golan das hatte klingen lassen: in den ersten Zügen geplant wurde MISSING IN ACTION 3, den Firstenberg inszenieren sollte. Nach sechs Filmen (darunter großen Kassenschlagern) hintereinander wollte er nun aber über eine Anpassung seines Gehalts sprechen, was Golan so sehr "erfreute", dass kein Wort mehr mit seinem besten Ninja-Regisseur wechseln wollte und die Kommunikation zwischen beiden danach nur noch indirekt über Firstenbergs Agent lief. Während diese Diskussionen liefen, wurde Firstenbergs Ehefrau schwanger: eine Schwangerschaft mit Komplikationen, die sie ans Bett fesselte. Firstenberg entschied sich, bis zur Geburt seines zweiten Kindes nicht mehr zu arbeiten: eine Entscheidung, die Golan dazu brachte, Firstenberg gänzlich von Cannon zu verbannen. Die Regie von BRADDOCK: MISSING IN ACTION III wurde dem Regie-Neuling Aaron Norris, Chucks jüngerem Bruder, übertragen (der Dreh auf den Philippinen wurde zu einer Katastrophe, als ein von Cannon gemieteter Armeehubschauber abstürzte und vier Menschen dabei starben). Firstenberg verblieb bis zur glücklichen Geburt seiner zweiten Tochter bei seiner Ehefrau, arbeitete aber nie wieder mit Menahem Golan zusammen und war bei Cannon erst einmal raus (er inszenierte später noch AMERICAN SAMURAI für die kurzlebige Reinkarnation von Cannon unter Yoram Globus, ohne Menahem Golan: auch das keine glückliche Erfahrung für Firstenberg, als der Chef der Post-Produktion den Film umschneiden ließ. Nach dem Rezept von Orson Welles schickte Firstenberg ein Memo an den Cannon-Produktionschef Christopher Pearce, in dem er seine Schnittentscheidungen erklärte, was allerdings ignoriert wurde. AMERICAN SAMURAI ist auch tatsächlich der einzige Film, von dessen Endschnitt-Fassung sich Firstenberg explizit distanziert).
Es begann also Firstenbergs Post-Cannon-Karriere, und seinen nächsten Auftrag bekam er nicht von einem Filmproduzenten, nicht von einem Filmstudio – sondern von einem texanischen Bauunternehmer-Ehepaar! Troy Dale und Regina Dale hatten sich in Fassaden-Dekorationselemente spezialisiert, waren damit steinreich geworden, verkauften einen Teil ihres Geschäfts und hatten jetzt Lust, Geld im Filmgeschäft zu investieren. Ihre Sekretärin, Valerie Vance, vermittelte den Kontakt zu ihrem Ehemann, Samuel Vance, selbst nach eigener Aussage ein Vietnamveteran, der ein Filmdrehbuch in der Schublade hatte. Das Doppel-Paar Dale und Vance tat sich also zusammen und entschied sich, einen Film auf Grundlage von Samuel Vances Drehbuch zu machen. Dafür brauchten sie einen schwarzen Hauptdarsteller und so begannen sie in der Actionabteilung der Videothek ihres Vertrauens zu recherchieren. Sie kamen auf Steve James, dem charismatischen Nebendarsteller in AMERICAN NINJA. Die Credits im Video gaben einen gewissen "Sam Firstenberg" als Regisseur aus. Also sollten Steve James und Sam Firstenberg mit von der Partie sein. Gemäß dieser Erzählung von Marcus Manton, dem Cutter von RIVERBEND (vorher auch von Firstenbergs BREAKIN' 2: ELECTRIC BOOGALOO und AMERICAN NINJA), kamen also Hauptdarsteller und Regisseur auf diese Weise zu diesem Projekt (diese Geschichte über die Auswahl von Hauptdarsteller und Regisseur anhand eines geliehenen Videos erzählt Firstenberg selbst nicht, auch wenn er die Anfänge des Projekts durch die Ehepaare Dale und Vance bestätigt).
Abgesehen von Firstenberg, Steve James, Margaret Avery und Assistent David Womark (ein ehemaliger Kommilitone Firstenbergs an der Filmhochschule in L.A. und langjähriger Cannon-Veteran) war die Drehcrew fast komplett lokal, also texanisch. Gedreht wurde in sechs Wochen à sechs Drehtage in April und Mai 1988 in den texanischen Gemeinden Maypearl, Venus und Waxahachie (mit knapp über 18.000 Einwohnern im Jahr 1990 die größte der drei). Diese drei Drehorte teilt sich RIVERBEND übrigens mit BONNIE AND CLYDE. Das Period-Feeling war mit relativ geringen Mitteln zu erreichen, da diese Städtchen Ende der 1980er Jahre nicht wesentlich anders als Mitte der 1960er Jahre aussahen.
Steve James war natürlich schon damals bekannt aus diversen Nebenrollen in Actionfilmen von Cannon (darunter Curtis Jackson in AMERICAN NINJA). RIVERBEND war eine seltene Hauptrolle für den vielleicht schauspielerisch nicht besonders filigranen, dafür aber umso mehr charismatischen und markanten Darsteller. Damals war noch nicht vorauszusehen, dass RIVERBEND zu seiner späten Karrierephase gehören würde: James verstarb 1993 mit nur 41 Jahren an Krebs.
Mit Margaret Avery war sogar eine Oscar-nominierte Schauspielerin (1985, als Nebendarstellerin für Spielbergs THE COLOR PURPLE) dabei, auch wenn die Figur der Belle leider nicht besonders mit Komplexität glänzen darf. Eine sehr denkwürdige, geradezu bombastische Performance gibt auch der Texaner Tony Frank, der viel für das Fernsehen gedreht hatte (aber auch Nebenrollen für Walter Hill, Oliver Stone und Clint Eastwood): für den im echten Leben ganz und gar antirassistisch eingestellten Frank war die Rolle des Sheriff Jake besonders herausfordernd.
Das Projekt gestaltete sich aus Firstenbergs wie auch Mantons Sicht von Anfang an eher schwierig. Die Ehepaare Vance und Dale, die von Problemen des Filmemachens kaum etwas verstanden, stellten sich offenbar sehr beratungsresistent. Samuel Vances Originaldrehbuch war extrem lang und Firstenberg empfahl sowohl dem Vance- als auch dem Dale-Ehepaar, es zu kürzen, um eine praktikable Arbeitsgrundlage zu haben. Doch er wurde angewiesen, das Drehbuch Seite für Seite zu verfilmen: "He (the producer) focused on maximizing his investment instead of concentrating on seeking less material but rather make it better material. His attitude was 'I want every page filmed!' So from my point of view, this was not good, but it was his investment, his intention, and he did not listen to me." Mit anderen Worten: Firstenberg musste ein in dieser Form und in diesem Umfang eigentlich unfilmbares Drehbuch filmen, mit einem eher mäßigen Budget und in einer Drehtagzahl, die die bereits nicht üppige Anzahl der üblichen Drehtage bei Cannon noch unterschritt.
Die Quitting kam dann, als das Material abgedreht war und geschnitten werden musste: Marcus Manton begann, den Film zu schneiden. Aufgrund der enormen Fülle des Materials kam er nur langsam voran. Bei der Hälfte des geplanten Films war er schon bei über anderthalb Stunden Laufzeit: der in dieser Form geschnittene Film hätte also über drei Stunden gedauert. Dale ließ daraufhin den Schnittprozess abbrechen. Es war genau das passiert, wovor Firstenberg gewarnt hatte: ein zu langes Drehbuch, zu viel Drehmaterial – alles zu viel. Manton wurde angeordnet, den Work-in-Progress-Schnitt zu verwerfen und das ganze Material nunmehr so schnell wie möglich auf eine "normale" Spielfilmlänge nach Gutdünken zusammenzuschneiden. In dem Buch Stories from the Trenches bemerkt Manton dann auch: "It would have been much smarter to cut the whole thing down in the first place, and put all the money into the ninety minutes. This way they put it into three hours and threw half of it away." Manton sieht RIVERBEND aus heutiger Sicht auch als völlig zerschnitten: "I don't remember feeling it plays as a movie."
Irgendwann während des Prozesses kam es dann auch zu einem Streit zwischen Samuel Vance und Troy Dale: Dale bootete die Vances aus und übernahm das Projekt in eigene Hände. Nach der Fertigstellung von Mantons Schnitt fügte er auch selbst die Musik bei – mit einem nicht immer sicheren Händchen: die wiederkehrende, bluesige und dann in leichten Variationen wiederkehrende Titelmelodie ist recht gelungen, aber an manch anderer Stelle klingt es so, als hätte Dale bei Aerobic-Trainingsvideos den Score geklaut: Szenen, die mit der passenden Musik wahrscheinlich viel emotionaler wirken könnten, werden teils "sabotiert".
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Ein versöhnliches, fast utopisches Ende |
In Stories from the Trenches spart Firstenberg nicht mit Kritk an dem, was nicht so gut gelaufen ist (das Gespräch zwischen Quentin und Belle auf ihrer Terrasse, die die Romanze beginnt, sieht er als misslungen und emotional nicht involvierend), steht aber, wie auch bei den meisten seiner Filme, durchaus fest dahinter: "All those moments ended up in the movie exactly the way I envisioned them to be. [...] Let's say RIVERBEND is ninety-five percent my version." Zwischen den Zeilen meint man auch zu spüren, dass Firstenberg RIVERBEND einen besonderen Platz in seiner Filmographie einräumt. Der Bemerkung Marco Siedelmanns, dass der Film an einigen Stellen doch zu dunkel sei, widerspricht Firstenberg vehement und verweist auf die schlechte Qualität der verfügbaren Versionen.
RIVERBEND kam tatsächlich nie in eine reguläre Kinoauswertung. Der Film wurde beim Houston Film Festival im Frühjahr 1989 gezeigt. Zum Vertrieb wurde er an Paramount verkauft. Paramount soll wohl einige Testscreenings durchgeführt haben, die nicht besonders erfolgreich ausfielen und hat danach den Film nur auf VHS herausgebracht (Firstenberg vermutet, dass der Film thematisch zu explosiv war und deshalb als Direct-to-Video-Actioner vermarktet wurde). Die Subfirmen von Paramount, die für den Vertrieb verantwortlich waren, existieren nicht mehr und die Rechte bleiben ungeklärt. Firstenberg schreibt zwar, dass der Film an keine anderen Länder verkauft wurde, aber auf IMDb findet sich ein Hinweis auf eine deutsche Videopremiere und in der OFDb finden sich gleich zwei deutsche VHS-Fassungen (wenngleich keine Spur auf eine Kinoauswertung).
Der Film ist bislang nur auf VHS verfügbar, im beschnittenen Format von 1.33:1 statt 1.85:1. Der Film läuft da 96 Minuten (in vielen Quellen ist als Originallänge 106 Minuten zu finden). Rips einer solchen VHS-Version findet man online, eines davon auf Sam Firstenbergs persönlichen YouTube-Channel (in einem der Kommentare dort merkt er an, dass es ein Herzensprojekt war, diesen Film wieder verfügbar zu machen). Die Bildqualität ist leider grausig, eine unheilvolle Allianz aus trübstem VHS-Matsch und völlig ausgefransten digitalen Pixelwolken und macht die Sichtung unabhängig vom Standpunkt zum Film leider zu einer harten Durchhalteprobe.