Samstag, 8. Mai 2010

Sexy Hexi

 Meine Braut ist übersinnlich
(Bell, Book and Candle, USA 1958)
Regie: Richard Quine
Darsteller: James Stewart, Kim Novak, Jack Lemmon, Ernie Kovacs, Hermione Gingold, Elsa Lanchester, Janice Rule

Man muss wohl ein paar Worte über die aussagekräftige Filmkarriere der letzten von Hollywood produzierten “Sexgöttin” verlieren, wenn man verstehen will, mit welcher Zeit wir es hier zu tun haben: Spätestens seit sie sich als Madge Owens, einer heranreifenden Kleinstadt-Schönheit, in Joshua Logan’s heute leider etwas in Vergessenheit geratenem “Picnic” (1955) - für sechs Oscars nominiert! - in einen von William Holden gespielten Herumtreiber verlieben durfte, galt sie als Schauspielerin, die jedem Mann den Kopf verdrehen konnte. Zu Weltruhm gelangte sie durch ihre “Doppelrolle” in Hitchcocks “Vertigo” (1958). Der “Master of Suspense” äusserte sich über die Darstellerin, die er als Ersatz für die schwanger eingetroffene Vera Miles hatte akzeptieren müssen, aber alles andere als zufrieden: sie sei mit einer Menge dummer vorgefasster Ideen angerückt, habe sich eine andere Garderobe gewünscht --- und keinen Büstenhalter getragen, beklagte er sich in seinem berühmten Interview mit François Truffaut, das unter  dem Titel “Le cinéma selon Hitchcock” veröffentlicht wurde. Selbst heute würde der grosse Regisseur wohl nicht zugeben, dass sie schlicht die ideale Besetzung war. - Nach ein paar weiteren Rollen erklärte sich “stupid” Kim (das Beiwort haftete ihr an, weil man Blondinen schon damals gern der Dummheit bezichtigte) bereit, in Billy Wilder’s unwürdigem Klamauk-Film “Kiss Me, Stupid” (1964) die Rolle der Hure Polly the Pistol zu spielen; und es scheint, als habe man in der Traumfabrik nur auf einen derartigen Missgriff gewartet - denn von nun an ging’s bergab mit ihrer Karriere (Robert Aldrich, der schon  ausgedienten Stars wie Joan Crawford und Bette Davis Zuflucht gewährt hatte, drehte 1968 mit ihr den - woraus man einiges schliessen kann - Misserfolg “The Legend of Lylah Clare”). Erst 1980 gelang ihr ein Comeback als mehrfach geliftete Actrice, die in der Agatha Christie-Verfilmung “The Mirror Crack’d” mit Liz Taylor herrliche Wortgefechte austragen konnte...

Woran lag es? -  Kim Novak war im Gegensatz zu Sexgöttinnen wie Rita Hayworth oder Marilyn Monroe eben nicht beinahe eine Karikatur ihrer selbst. Sie verteilte ihren Appeal auch nicht kühl-distanziert wie etwa Lana Turner. Sie wirkte im Gegenteil wahrhaft sinnlich, verströmte eine mysteriös getönte Erotik, die der Zuschauer beinahe mit Händen greifen konnte - und sie trug, weil sie es gar nicht nötig hatte, wirklich keinen BH. All das war dem prüden Hollywood der 60er Jahre, das dem Publikum lieber eine Doris Day vorsetzte, die als 40-jährige Jungrau schon beim Gedanken an Sex Pickel kriegte, unheimlich. Also: Weg mit ihr!
 

“Bell, Book and Candle” folgte auf den Erfolg mit “Vertigo” und verhalf Kim nicht bloss zu einer neuen Zusammenarbeit mit James Stewart; sie konnte in der Rolle einer Hexe auch von jener mysteriösen  Aura profitieren, die sie sich im Hitchcock-Klassiker antrainiert hatte. Es handelte sich um die harmlos-liebenswerte Verfilmung eines Broadway-Hits, in dem Lilli Palmer zusammen mit ihrem damaligen Gatten Rex Harrison die Hauptrolle gespielt hatte (beide kamen nach einem Skandal wegen des Freitods einer Geliebten von Rex Harrison für den Film nicht in Frage; Lilli Palmer, die auch schon unbefriedigende Erfahrungen mit Hollywood gemacht hatte, war ohnehin nach Deutschland zurückgekehrt):

Die junge Hexe Gillian handelt mit afrikanischen Kunstgegenständen und hat allerlei Ärger mit den Zauberspässchen ihres albernen Bruders Nicky (herrlich kindisch: Jack Lemmon), dem es Vergnügen
bereitet, die Strassenbeleuchtung zu löschen, am Hals. Auch ihre Tante Queenie, die gerade das Telefon des neuen Mieters Shep Henderson verhext hat, muss zur Vernunft gebracht werden. Als Shep Gillian bittet, bei ihr telefonieren zu dürfen, kommt sie auf die Idee, ihn in den “existentialistisch” angehauchten Hexenclub “Zodiac” einzuladen. Es stellt sich heraus, dass Shep mit einer Frau verlobt ist, von der Gillian schon während ihrer Schulzeit getriezt worden war. Deshalb beschliesst sie, die eigentlich mit der Hexerei zurückhaltend umgehen wollte, zusammen mit ihrem Kater Pyewacket alles zu unternehmen, um Shep in sich verliebt zu machen. Mit Hilfe eines Zaubers lockt sie sogar einen begehrten Buchautor, der sich mit Hexerei beschäftigt, herbei, der völlig verstört beim Verleger Shep auftaucht und ihm anbietet, für ihn ein Buch über die Hexen in New York zu schreiben.  - Der verliebte Shep sagt seine Hochzeit ab (ein für die 50er Jahre typisch harmloser und doch humorvoller Dialog: Stewart reagiert auf die hysterisch gestellte Frage “Are you saying you’re *jilting* me?” seiner Verlobten mit einem zögernden “W-well, that is a very heavy word.  Let’s just say that we’re ... uncoupling”). - Was aber wird sich ereignen, wenn der Verhexte
herausfindet, womit er es zu tun hat? Und kann es zu einem Happy-End kommen, wenn er sogar Madame de Passe, eine Berühmteit unter den New Yorker Hexen, in Anspruch nimmt, um den Zauber loszuwerden?

Der Film ist, wie so viele gute Komödien, ein kleines Nichts. Die offensichtliche Lust, mit der die Schauspieler bei der Arbeit sind, und das amüsante Drehbuch machen ihn jedoch zu einem sehenswerten Vergnügen, das uns noch einmal Kim Novak mit ihrer ungeheuren Ausstrahlung präsentiert. Und was ich an dem Spass besonders schätze: Obwohl er zu einer Zeit gedreht wurde, als Ray Harryhausen bereits mit aufwändigsten Spezialeffekten trumpfen konnte, verzichtet er ganz auf jene billige Trickchen, die viele andere Hexenfilme so peinlich machen. Er erzählt einfach eine scheinbar alltägliche (Liebes-)Geschichte.

Es ist mir erst beim Nachdenken über diesen Eintrag aufgefallen, dass der “Hexenfilm” eigentlich als regelrechtes Subgenre zu betrachten ist, das je nach Schwerpunkt zwischen Horror, Romanze und Komödie angesiedelt werden kann. Eher amüsante Filme im Stil von “Bell, Book and Candle” ermöglichen es mehr oder weniger (im Falle von Bette Middler eher weniger) grazilen Schauspielerinnen, in die Rolle einer “femme fatale” zu schlüpfen. Sie reichen qualitativ jedoch meist nicht annähernd an den Film aus dem Jahre 1958 heran. Ich denke etwa an Machwerke wie “Hocus Pocus” (1993), “Practical Magic” (1998) oder “Bewitched” (2005), den völlig misslungenen Versuch, eine erfolgreiche TV-Serie aus den 60ern zu verfilmen. - Neben “The Witches of Eastwick” (1987) kommt mir bloss ein einziges, leider ziemlich in Vergessenheit geratenes kleines Meisterwerk in den Sinn, das den Film mit Kim Novak an Frechheit, Charme und Erotik noch zu überbieten vermag: René Clairs wundervolle Screwball-Comedy “I Married a Witch” (1942), in der Veronica Lake sich als attraktive Hexe am Nachkommen (Fredric March) eines Puritaners, der sie im Rahmen der Hexenprozesse von Salem hinrichten liess, rächen will - und sich natürlich prompt in ihn verliebt. Während Kim Novak dank ihres bleibenden Ruhms gelegentlich auf der Mattscheibe zu geniessen ist, enthält das Fernsehen leider solche Leckerbissen den jüngeren Zuschauern heutzutage vor. Wer sich also vom Sex einer Veronica Lake überzeugen (und erst noch vom Alkohol loskommen) will, besorge sich die DVD von “I Married a Witch”!

Samstag, 1. Mai 2010

Faule Ausreden...


Die wärmere Jahreszeit bringt es mit sich, dass gewisse Arbeiten nicht mehr mit der faulen Ausrede “zu kalt” hinausgeschoben werden können. Hinzu kommen eine Lust am Faulenzen, am ... ähem ... Sinnieren in der freien Natur und vielleicht auch am Bezirzen wohlhabender Witwen (den Rest sollen sich die alten Schachteln selber besorgen, wenn Leute wie ich sie um ihr Geld gebracht haben). Vielleicht führt mich sogar eine zyklisch bedingte Gleichgültigkeit zu der Einsicht, dass in nächster Zeit zwischen meinen Einträgen rasch mal zehn bis zwölf Tage liegen dürften (alte Bekannte bekommen wohl gelegentlich - horribile dictu! - Aufgewärmtes vorgetischt). - Ein  nahezu essayartiger Eintrag, der so oder so nur von anderthalb Lesern (“Hallo, halber Leser!”) zur Kenntnis genommen wird, erfordert nämlich Zeit. Und die kann, mag oder will ich im Moment nicht alle fünf Tage investieren.  - Conclusio: Man liest sich, jedoch einfach nicht mehr gar so oft...

A propos Arbeit: Weiss jemand von euch, ob man ein IKEA-Bett zwecks Frühlingsreinigung risikolos von einer Ecke des Zimmers in die andere schieben darf?

Dienstag, 27. April 2010

Wenn ein Schauspieler Schrott adelt

Der Unverdächtige
(The Unsuspected, USA 1947)

Regie: Michael Curtiz
Darsteller: Claude Rains, Joan Caulfield, Audrey Totter, Constance Bennett, Ted ("Michael") North,  Hurd Hatfield u.a.


Vor einiger Zeit schrieb ein versierter und von mir sehr geschätzter Blogger, er habe Michael Curtiz’ “Casablanca” (1942) eben zum ersten Mal in seinem Leben gesehen - ein unvorstellbares Privileg, vermag man doch nach vielen sezierenden Sichtungen die Faszination des Films gar nicht mehr vollständig zu erfassen. Das “Geständnis” weckte  Erinnerungen an meine erste Begegnung mit dem Film und führte mich augenblicklich zu der Frage, wie er denn Claude Rains als Polizeichef Captain Renault empfunden habe.  Es waren nämlich weniger dieser desillusionierte Rick und seine Angebetete, um die ich mich als 9-jähriger Knirps gekümmert hätte; vielmehr packte mich das undurchschaubare Etwas im Verhalten von Rains, in dessen Händen  das Schicksal aller Figuren lag. Und nie zuvor hatte es ein Schauspieler geschafft, mich mit seinem seltsamen Gesichtsausdruck und seiner strengen, scheinbar unbestechlichen Stimme bis zum Ende derart in seinen Bann zu ziehen. - Von diesem Moment an war ich ein Fan von Claude Rains, hoffte, er würde sich in “Notorious” (1946) am Ende doch noch seiner tyrannischen Mutter widersetzen und atmete erleichtert auf, als er in dieser eine halbe Ewigkeit währenden Szene in “Mr. Skeffington” (1944) eine durch Krankheit hässlich gewordene, auf der Treppe wartende Bette Davis wissen liess, dass eine Frau nur schön ist, wenn sie geliebt wird. --- Es hing alles mit dem Gesicht und der Stimme dieses einzigartigen Schauspielers zusammen, die so vieles an letztlich nicht ganz Vertrauenswürdigem, vielleicht Unentschlossenem  auszudrücken vermochten: scheinbare Unbestechlichkeit, Gutmütigkeit oder brilliant ausgespielte väterliche Sanftmut. Und er verstand es, mit dieser Fähigkeit, im Zuschauer Unsicherheit  zu erzeugen,  umzugehen!

Claude Rains war wie etwa John Gielgud überdurchschnittlich begabt, vom Aussehen her aber nicht zum konventionellen Hauptdarsteller (heldenhafter Schönling) geeignet. Es verwundert deshalb wohl auch nicht, dass er durch seine Rolle in “The Invisible Man” (1933) berühmt wurde, in der er die Zuschauer mehr mit seiner Stimme als mit seinem Äusseren zu beeindrucken vermochte. Und es scheint beinahe selbstverständlich: er war nie als Hauptdarsteller, jedoch viermal als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert.

Rains galt als “treuer” Schauspieler und war seit 1936 bei Warner Brothers unter Vertrag, wo er bereits neunmal - z.T. höchst erfolgreich - unter dem “Tyrannen des Hauses”, Michael Curtiz, gespielt hatte. Vielleicht war diese fruchtbare Zusammenarbeit mit ein Grund, weshalb er die Hauptrolle in Curtiz’ erstem zaghaften Versuch, sich als  unabhängiger Produzent zu betätigen, akzeptierte. Curtiz war jedoch bekannt dafür, dass er für seine besten Filme ein wirklich gutes Script benötigte, ansonsten aber oft nur durchschnittliche Produktionen zustande brachte --- und “The Unsuspected” sollte sogar regelrechter Schrott werden:


Jede Woche erzählt Victor Grandison in seiner populären Radiosendung von ungeklärten Mordfällen, wobei er seine Stimme effektiv einzusetzen vermag und mit Vorliebe auf den “Unverdächtigen” verweist, dem der Hörer jederzeit - sei es im Zug, in einem Café oder auf der Strasse - begegnen könnte. Bald schon soll jedoch das schlossartige Anwesen seines Mündels Matilda, das der Moderator zusammen mit seiner “dekadenten” Verwandtschaft bewohnt, selber zum Schauplatz unheimlicher Morde werden. Und alle Welt - mit Ausnahme des Zuschauers, der schon viel zu früh informiert wird - fragt sich: Wer ist der Unverdächtige? --- Ein Fremder namens Steve taucht auf und behauptet, der Mann der vermissten, vermutlich bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommenen Matilda zu sein. Er verbringt seine Zeit aber hauptsächlich damit, diverse Bewohner vor Unheil zu warnen. Und als dann  Matilda doch unerwartet wieder zurückkehrt, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen - dies nicht zuletzt, weil sich die Schönheit nicht daran erinnern könnte, verheiratet zu sein...

“The Unsuspected”  hat durchaus seine Verteidiger. Diese vergleichen den Film  gerne im positiven Sinne mit Preminger’s “Laura” (1944) und werten ihn als eines der herausragenden Werke des “Film noir”. Nun ist es tatsächlich schwierig, sich in jenem Genre oder jener Stilrichtung, die als “noir” bezeichnet wird, auf Kriterien festzulegen; und wenn man  lediglich  die Kameraarbeit
von Elwood Bredell in Betracht zieht, lässt sich  eine Verwandtschaft mit der in den 40er Jahren aufgekommenen Gegenbewegung zum klassischen Hollywood-Film zweifellos erkennen:  Grandison’s Awesen mit seiner opulenten Gesellschaft scheint regelrecht von immerwährender Dunkelheit überzogen zu sein, ein riesiger Kronleuchter gerät öfters  unheilvoll  ins Bild, Schatten tauchen auf - und der von - wem wohl? - engagierte  Mörder liegt in seinem finsteren Motelzimmer, während von einem Neon-Licht die Buchstaben “KILL ... KILL ... KILL” aufleuchten.

Der “Film noir” zeichnet sich jedoch nicht zuletzt durch seine Themen und Figuren aus; und in “The Unsuspected” fehlen  sowohl die von John Huston und Billy Wilder ins Leben gerufene desillusionierte männliche Hauptfigur, die einer “femme fatale” erliegt, als auch die populärpsychologischen Elemente,  die in  den in jenen Jahren mit den Stilmitteln des “Film noir” fotografierten Meisterwerken von Robert Siodmak ("The Spiral Staircase”, 1945) oder Fritz Lang (“Secret Beyond the Door”, 1947) eingesetzt wurden, um den Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes das Fürchten zu lehren. - Vielmehr könnte der Film zu den bewährten englischen “Landhaus-Mysteries” gezählt werden, wimmelt es doch von gar zu offensichtlich und konventionell daherkommenden Figuren (man kann regelrecht erahnen, wer als nächstes dran glauben muss): einer misstrauischen Sekretärin, einem Säufer, der mit einer Frau, die vor nichts zurückschreckt und höchstens als Karikatur durchgeht, verheiratet ist, dem blonden Unschuldsengelchen, dem Fremden - und einem Mörder, der nun mal aussieht wie ein Mörder. - Für solche Rollen kamen nur Schauspieler in Frage, die wie Audrey Totter zur zweiten Garde gehörten oder - ich denke an Constance Bennett, einst bestgekleidete Frau der Welt - sogar den absteigenden Ast schon hinter sich hatten.  Matilda wurde vom Starlet Joan Caulfield 
gespielt, und Schönling Ted (“Michael”) North erwies sich als derart untalentiert, dass möglichst viele der Szenen, in denen er als Grandison's Gegenspieler Steve auftrat, rausgeschnitten werden mussten. Diese Schnitte - sie betrafen auch Szenen mit Caulfield - dürften mit dazu beigetragen haben, dass diverse offenbar im Roman vorkommende Informationen dem Zuschauer im Film vorenthalten werden, was “The Unsuspected”  zunehmend zu einem verwirrenden, unübersichtlichen Ding macht. Vermutlich taugte jedoch auch die literarische Vorlage nicht viel. Michael Curtiz gestand zumindest später selber ein: “It looks as though  I tried to make a great picture out of a story that wasn’t basically a great story.”  - Verbietet sich da nicht jeder Vergleich mit “Laura”?

Doch dann betritt Claude Rains als Victor Grandison das Radiostudio, schaut während der Ankündigung seiner Sendung wie ein strenger  Dirigent im Raum umher und legt  (wie weiland Eduard Zimmermann) seine Stirn  in ernsthafte  Falten, als er mit seiner "True Crime"-Geschichte  beginnt. Und je mehr er den Radiohörer auf den Uverdächtigen aufmerksam macht, ihn regelrecht in den Mittelpunkt zu stellen beginnt, desto eindringlicher wird seine Stimme. - Wer käme da auf die Idee, dass der grosse Moderator selber Blut geleckt haben könnte, ja der inszenierende "Unverdächtige" für seine Mordgeschichten ist? -  Wir erleben Grandison in der Folge als gütigen und umsichtigen Meister des Hauses, als kühlen Erpresser des von ihm benutzten Mörders, und sein Ausdruck bleibt auf unterschiedliche Weise stets ruhig, siegesgewiss; dies auch, wenn er aus der Dunkelheit jenen Fremden beobachtet, der die Bewohner des Anwesens zu warnen versucht. Er tritt seinem Mündel, auf dessen Geld er es abgesehen hat, als liebevoller Onkel mit Humor entgegen (“We missed you while you were dead”) und steht auf den ersten Blick sogar auf Matilda’s Seite, als er sie durchschüttelt und ihr einzureden versucht, sie sei dem Wahnsinn verfallen. - In solchen Momenten erkennt man, dass nicht nur Victor Grandison seine Verwandtschaft wie Marionetten einsetzt, sondern dass auch die zweit- bis drittklassigen Schauspieler  den grossen Claude Rains als letztlich unbedeutende, wenn auch nötige Figuren umgeben.  Man wartet förmlich auf den nächsten Auftritt des Stars, quält sich durch alberne und albern gespielte Szenen hindurch, weil man herausfinden möchte, wie diesem selbstsicher und mörderisch agierenden Drahtzieher doch noch das Handwerk gelegt werden soll - und weil Rains es wert ist, sich den von Fans als unterschätzt bezeichneten, in meinen Augen völlig missglückten Film von Curtiz bis zum Ende anzuschauen. Er trägt ihn.

Man möchte  gerne an die grossen Rollen grosser Schauspieler zu erinnern, bemerkt jedoch oft rasch, dass Filme wie (in unserem Fall) “Casablanca” oder “Notorious” bereits regelrecht zerredet sein können, dass man ihnen - zumindest im Augenblick - nichts Neues hinzuzufügen wüsste. - Lohnt es sich in einer  solchen Situation nicht, zur Abwechslung mal an einen wirklich schwachen Film zu erinnern, dem ein grosser Schauspieler mit seiner überzeugenden Präsenz zu  Glanz verhalf? Gerade vor einer solchen Aufgabe scheitert nämlich so mancher, der sich für "gross" hält...

Mittwoch, 21. April 2010

"Alzheimer"

An ihrer Seite
(Away From Her, Kanada 2006)

Regie: Sarah Polley
Darsteller: Gordon Pinsent, Julie Christie, Michael Murphy, Olympia Dukakis, Kristen Thomson, Wendy Crewson, Alberta Watson u. a.

Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Filmindustrie warte lediglich darauf, dass sich ein bis anhin ängstlich gemiedenes Thema  doch als publikumswirksam erweist - um es dann geradezu inflationär auszuweiden. Dies scheint mir etwa beim Thema “Alzheimer” (der Zuschauer ist mit dem Begriff einigermassen vertraut und muss sich nicht mit der komplexen Differentialdiagnose im Bereich der Alters-Demenz auseinandersetzen)  der Fall zu sein. - Es begann wohl mit dem Erfolg von “Iris” (2001), dem Film über die berühmte britische Schriftstellerin Iris Murdoch, die im Alter von 74 Jahren an Alzheimer erkrankte und deren Verfall, der zugleich der Verfall einer seltsamen Liebe zwischen zwei Intellektuellen war, schonungslos und hervorragend gespielt gezeigt wurde. Auf  “Iris” folgte 2004 die unerträglich kitschige Schnulze “The Notebook”, zu der sich Gena Rowlands wohl nur herabliess, weil ihr Sohn Nick Cassavetes Regie führte; der hierzulande nur wenig bekannte Film “Aurora Borealis” (2005) mit Donald Sutherland und die Tragikomödie “The Savages” (2007) setzten die Reihe fort, in der an Alters-Demenz leidende Menschen nicht einfach nur als komische oder die Hauptdarsteller belastende Nebenfiguren auftraten, sondern in den  Mittelpunkt gestellt wurden.

Besonders grosses, beinahe einhelliges Kritikerlob erntete der Regie-Erstling der kanadischen Schauspielerin Sarah Polley, “Away From Her”, dem man zubilligte, die Thematik ausserordentlich  nüchtern anzugehen. Da Julie Christie, die ich zu einer meiner persönlichen Göttinnen auserkoren habe und üblicherweise zuerst wegen ihrer englischen Filme rühme, in diesem Film ihre bislang letzte Rolle spielte, fällt es mir nicht unbedingt leicht, solchem Kritikerlob ähnlich nüchtern entgegenzutreten:

Fiona und Grant sind seit über 40 Jahren miteinander verheiratet, und obwohl es  auch schwierige Zeiten gab (der ehemalige Schulprofessor scheint früher “Freude” an seinen Studentinnen gehabt zu haben), zeugen die gleichmässigen Spuren zweier Skipaare im Schnee von einem mittlerweile harmonischen Zusammenleben in einer verschneiten kanadischen Landschaft.  Dann setzen bei Fiona erste Anzeichen von Vergesslichkeit ein, und eines Tages findet die immer noch rüstig wirkende  Dame von einem Skiausflug den Heimweg nicht mehr (Grant entdeckt sie völlig verwirrt auf einer Brücke). Die Diagnose: Alzheimer. - Fiona fordert ihren Mann auf, sie in ein Pflegeheim einzuweisen. --- Grant willigt zögernd ein und muss feststellen, dass er dort wegen einer “Karenzzeit” seine Frau dreissig Tage lang nicht besuchen darf. Nach Ablauf der Frist findet der entgeisterte Grant ein Wesen vor, das sich voll und ganz einem Mitpatienten, Aubrey, widmet und ihn nur noch als leicht aufdringlichen täglichen Besucher duldet. Fiona hat ihn vergessen. Und nun liegt es an Grant, sich zu entscheiden: Will er an der Veränderung seiner Frau  selber zerbrechen oder sich ihr anpassen und abwartend zuschauen?



Polley, die mehrere Male mit Atom Egoyan zusammengearbeitet hatte und ihn auch hier als Executive Producer im Hintergrund walten liess, macht es uns nicht leicht, weil sie auf eine chronologische Abfolge der Geschehnisse verzichtet. So erfahren wir erst mit der Zeit, dass es sich bei Marian, die Grant ziemlich zu Beginn des Films aufsucht, um die desillusionierte Frau von Aubrey handelt, die ihren Mann aus Kostengründen nicht länger im Heim lassen konnte - was zu einem Voranschreiten der Krankheit bei Fiona führte. - Man kann der jungen Regisseurin jedoch nicht vorwerfen, es gelänge ihr nicht, den Zuschauer zu packen,  beinahe schmerzhaft zu berühren. Bloss: Tut sie dies mit einer Liebesgeschichte oder einer Geschichte über Alters-Demenz? Ist es Grant’s Geschichte oder die von Fiona?

Zugegeben: “Away From Her” gehört ganz der grandiosen Julie Christie, deren Darstellung einer unter Alters-Demenz leidenden Fiona zu Recht erneut für einen Oscar nominiert wurde. Man glaubt beinahe so etwas wie zarte, ironische Liebenswürdigkeit im Gesicht dieser ihre Identität langsam verlierenden, ihre Würde aber behaltenden Dame zu erkennen. Es muss auch festgestellt werden, dass der kanadische Schauspieler Gordon Pinsent und Olympia Dukakis, die sonst allein schon durch ihre schiere Präsenz jeden Film an sich reisst, ihr Spiel im Sinne einer “Botschaft” zurückhalten, was ihre kleinen Gesten, ihre Blicke nicht weniger eindrücklich macht. - Es stechen denn auch einige Szenen hervor, in denen das bemerkenswerte Zusammenspiel der Hauptfiguren weniger ein “An ihrer Seite” als ein “Away From Her” betonen: Fiona erinnert auf dem Weg zum Heim ihren Mann sanft verzeihend daran, dass ihre Ehe nicht immer problemlos verlief; Grant sitzt - seine Augen nicht von seiner Frau lassend - auf dem Sofa und schaut zu, wie sie sich um Aubrey kümmert; er liest Fiona, deren Familie aus Island stammte, aus W.H. Auden’s “Letters from Iceland” vor, während sich das verwirrte Wesen neben ihm an nichts erinnern kann...

Dennoch  muss ich “MovieMaze”-Kritiker Harald Witz zustimmen: “Weil es Polley vor allem um die Darstellung der Liebe geht, fällt ihr Bild von der Alzheimer-Erkrankung und des Pflegeheims geradezu naiv und idyllisch aus.”  Ein Film, dem es um eine realistische und authentische Darstellung  ginge, müsste weniger appetitliche Aspekte im Umgang mit den immer schwerer zu pflegenden Patienten mit einbeziehen und auch  auf ein gewisses Pathos in Sachen Dialog (ich denke an den Pflegeheim-Engel Kristy: “It’s never too late to become what you might have been”) verzichten. - Was “Away From Her” und die meisten Filme über Alters-Demenz zeigen, ist nämlich bloss der - für schauspielerische Glanzleistungen “wie gemachte” - Beginn eines langen Prozesses, der Jahre der Stagnation beinhalten kann, aber zunehmend das Eingeben von Essen, die Unterstützung bei Gehübungen, Wechseln der Windeln, die Hilfe bei der Stuhlentleerung, intensivste Pflege und Verhinderung von Wundliegen - und Begleitung in einen vielleicht unwürdigen Tod hinein  erfordert. Diese Fortsetzung des Prozesses dürfte Schauspieler und Zuschauer weniger anziehen, kann aber vom Pflegenden (besonders wenn er einen nahe stehenden Menschen bis kurz vor dessen Tod bei sich behalten durfte) besonders dankbar in Erinnerung behalten werden. Anders ausgedrückt: Hier spricht einer, dem es vergönnt war und der deshalb “Alzheimer”-Filmen mit einem gewissen Verständnis, aber auch der nötigen Skepsis entgegentritt.

“Away From Her” gehört also wie auch die anderen erwähnten Filme über Alters-Demenz einem bestimmten, zur Genüge auf seine Publikumswirksamkeit hin abgetasteten Genre an: Er ist ein Liebesfilm, ein Film über einen Mann, der nur noch Liebe geben, sie aber nicht mehr von einer sich ihrer selbst entfremdenden Frau erwarten darf. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass Grant mit der fordernden Marian ins Bett geht, weil er Fiona noch einmal ein - sich als vergeblich herausstellendes - Zusammentreffen mit Aubrey ermöglichen möchte.



Sicher: Julie Christie durfte noch einmal zeigen, wozu sie fähig ist, und sie durfte es in einem formal grandiosen, visuell durchaus an Egoyan erinnernden und jederzeit empfehlenswerten  Film tun (schliesslich wurde sie von der Halbwaisen Sarah Polley auch als eine Art Ersatzmutter betrachtet). Dennoch wünscht man sich gelegentlich einen Film, der das Thema “Alters-Demenz” schonungslos bis zum Ende illustriert. “Iris” mit einer sich in keiner Hinsicht zurückhaltenden Judi Dench hatte dazu Hand geboten. Keiner der nachfolgenden “Alzheimer”-Filme wagte es jedoch auch nur annähernd, den Applaus von Kritikern und Publikum der Wahrheit zuliebe aufs Spiel zu sezten.

Montag, 12. April 2010

In eigener Sache

Ich werde  ab dem 15. April für einige Tage abwesend sein und mich an einem Örtchen - es ist keine Südseeinsel! - aufhalten, an dem man ohne das "Fenster zur Welt" auskommen muss. Blogger-Freunde sollten deshalb nicht erstaunt sein, wenn ihre Mails mit Verspätung beantwortet werden und mein üblicher Senf zu ihren Einträgen ausbleibt. Eigentlich wollte ich - steinböckisch wie ich bin - noch etwas vorbereiten, um mich nach der Rückkehr gleich wieder bemerkbar zu machen. Aber es gibt allerhand zu erledigen, und ich leide - wie sicher viele von euch - unter Frühjahrsmüdigkeit.

Keine Angst (oder vorzeitige Freude): Man wird mich - wenn vielleicht auch erst in etwa zwei Wochen - wieder lesen! Und sollte ich als Zombie zurückkehren, dekonstruiere ich  sämtliche Filme von George. A. Romero. - Moment: ich bin ja bereits ein Zombie...

Whoknows

Freitag, 9. April 2010

Auch ein 100. Geburtstag

 Die Käserei in der Vehfreude
(Die Käserei in der Vehfreude, Schweiz 1958)
Regie: Franz Schnyder
Darsteller: Annemarie Düringer, Franz Matter, Heinrich Gretler, Ruedi Walter, Margrit Rainer, Margrit Winter, Max Haufler u.a.

Alle Welt - vor allem mein Blogger-Freund “mono.micha” vom “Schneeland“, der anlässlich dieses die Bedeutung des japanischen Regisseurs relativierenden Eintrags die Palme respektive den Bonsai hochgehen dürfte - gedenkt dieser Tage des 100. Geburtstags von Akiro Kurosawa. Darüber vergisst man ganz, dass am 5. März auch ein Schweizer Regisseur hundert Jahre alt geworden wäre. Sein Name war Franz Schnyder, und er wurde in einem Dokumentarfilm sogar als “das Kino der Nation” bezeichnet - allerdings im abwertenden Sinne...

Franz Schnyder gilt als der wichtigste Regisseur, der neben Kurt Früh nach einer Zeit, in der sich der Schweizer Film kritisch mit mit der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit auseinandergesetzt hatte * (als Höhepunkte wären etwa Leopold Lindtbergs “Die letzte Chance”, 1945,  Fred Zinnemann’s “Die Gezeichneten”, 1948, oder "Die Vier im Jeep", 1951, zu nennen),  in den 50er Jahren die geistige Enge als Ideal regelrecht zelebrierte. Während sich Früh vor allem um das Kleinbürgermilieu kümmerte, schloss sich   Schnyder  der erfolgreichen Heimatfilmwelle im deutschsprachigen Raum an - und fand in den Romanen des Emmentaler Pfarrers Jeremias Gotthelf (eigentlich Albert Bitzius, 1797-1854) scheinbar dankbare Vorlagen für Filme, die dem damaligen Selbst - und Heimatverständnis vieler Eidgenossen (“Schweizerart ist Bauernart”) entgegenkamen und ihn zum erfolgreichsten Schweizer Regisseur aller Zeiten machten.

Es wäre freilich ungerecht, Schnyder auf den rückständigen Heimatfilmer zu reduzieren: Gleich seine zweite grössere Arbeit, “Wilder Urlaub” (1943), nahm sich inmitten der Kriegswirren eines regelrecht heissen Eisens an, indem sie die Geschichte eines Soldaten schilderte, der seinen Vorgesetzten niederschlägt und seine Einheit verlässt, um ins Ausland zu fliehen (der Misserfolg des Films hatte zur Folge, dass man Schnyder praktisch zehn Jahre lang kalt stellte). Auch seinen Erfolgen mit den Gotthelf-Verfilmungen, die nie ganz ins gnadenlos Kitschige abrutschten, aber den grossen Romancier zu sehr aus christlich-moralischer Sicht angingen, versuchte er gelegentlich mit provokativeren Arbeiten (“Der 10. Mai”, 1957), die  sich der jüngeren Vergangenheit annahmen,  zu entfliehen. Er schlug diesen Weg der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragen im Gegensatz zu Kurt Früh, dem mit “Dällebach Kari” (1970) der Anschluss an den “Jungen Schweizer Film”  noch gelang,  jedoch nie konsequent ein, sondern buchstabierte sich immer wieder zu gefälligen Stoffen zurück, weshalb ihn der Historiker Felix Aeppli nach seinem Tod 1993 (Schnyder starb als verbitterter Mann, der neidisch auf die Erfolge einer jüngeren Generation schielte) in einem Artikel mit dem Titel “Die Konformität des Nonkomformisten” würdigte.

Nun könnte man versucht sein, im Jahr des 100. Geburtstags von Franz Schnyder seine erste Gotthelf-Verfilmung “Uli, der Knecht” (1954) zu besprechen,  begründete sie doch nicht nur den Ruhm von Liselotte Pulver, sondern dürfte sich auch heute noch im ganzen deutschsprachigen Raum (ausserhalb der Schweiz allerdings mit katastrophaler Synchronisierung!) einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Als Literaturfreund muss ich jedoch meinen persönlichen Geschmack berücksichtigen; und von allen Romanen Gotthelfs las ich schon immer “Die Käserei in der Vehfreude”, den Schnyder 1958 verfilmte, mit besonderem Vergnügen, weil der grosse Schriftsteller, dessen wuchtige, von Dialektausdrücken durchsetzte Sprache wohl nur ein Schweizer ganz zu würdigen vermag, in diesem Spätwerk seiner kleinen Welt nicht nur wie gewohnt den etwas idyllisch abgeschwächten Spiegel vorhielt, sondern eine mit groteskem Humor durchsetzte Gesellschaftssatire schrieb, die ihresgleichen in der deutschen Literatur sucht. - Schnyders verharmlosende, die Probleme der schweizerischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert ausklammernde Filmversion wurde zwar von der Kritik längst nicht so gut aufgenommen wie vom Publikum und erhielt - was einiges über den Schwerpunkt, für den man sich entschieden hatte, aussagt - in Deutschland damals sogar den Verleih-Titel “Wildwest im Emmental”. - Trotzdem sei hier an die “Käserei” erinnert:

Die Bewohner des rückständigen Emmentaler Dorfes Vehfreude haben beschlossen, sich dem Befehl der Regierung aus Prinzip zu widersetzen und statt der Schule eine Käserei zu bauen, weil die genossenschaftliche Käseproduktion in Mode gekommen ist und langfristig Geld verspricht. Insbesondere Eisi vom Dürlufthof, ein boshaftes Weib, das jeden Sonntag - vergeblich - in einem anderen Dorf den Gottesdienst besucht, weil sie denkt, der Pfarrer würde dort ausnahmsweise nicht über ihre Sünden predigen, freut sich hämisch über den Entscheid, bedenkt aber nicht, dass die Frauen von nun an um ihr Milchgeld kommen und sich viele Bauern (auch ihr dümmlicher Mann Peterli) beim Kauf von milchträchtigen Kühen verschulden oder gar betrogen werden. Einzig das den Bauern vom Dürluft entgegengestellte Musterehepaar Sepp und Bethi vom Nägeliboden, das einen heruntergewirtschafteten Hof wieder hochbringen will, geht die Sache vernünftig an und spielt auch nicht mit, als viele Bauern plötzlich mehr Milch abliefern, weil sie sie mit Wasser strecken und die Produktion von anständigem Käse gefährden.  - Bald verschreit die neidische Eisi die anständige Bäuerin als Hexe und begegnet beim nächtlichen Versuch, sie hinter dem Miststock totzubeten, möglicherweise tatsächlich dem Teufel...

Am meisten hat Änneli, Bethis Schwester, unter den Intrigen zu leiden, muss es die Milch doch ins Dorf tragen und wird von Felix, dem Sohn des Amtmanns beschützt, was zu erneuten Gerüchten führt, weil Felix  als Schürzenjäger gilt - und  auch tatsächlich bald ans Fenster des Mädchens zu klopfen beginnt, weil er von ihm ein “Müntschi” (= Kuss) will (mehr war bei den kleinen Fenstern von Emmentaler Bauernhäusern auch nicht möglich). - Vorerst warten die Bauern jedoch hoffnungsvoll auf die Käsehändler, deren “König” ihnen vorschlägt, auf den Markt nach Langnau zu gehen, wo sie zweifellos auf einen satten Gewinn hoffen dürften.  In Langnau wird ihnen freilich viel weniger Geld geboten als erwartet, was zu einer regelrechten Prügelei unter rund zweihundert Männern führt. Ein hinterlistiger Dorfbewohner sorgt dafür, dass der Verkauf doch noch zustande kommt, sahnt dabei aber mächtig ab. Felix ist darüber so erzürnt, dass er sich auf der Heimfahrt mit ihm ein “Ben Hur”-würdiges Wagenrennen mit Peitschenhieben liefert, wobei er Änneli über den Haufen fährt und verletzt.


Am Tag der Auszahlung des ersten Gewinns stellt sich heraus, dass die Dürluftbauern der Käserei sogar noch Geld schulden, weil sich Eisi ständig Schleckereien kaufte und anschreiben liess. Bethi und Sepp dürfen hingegen eine anständige Geldsumme entgegennehmen.  Als eigentlicher Höhepunkt, der zu einem glücklichen Ende führen muss, ist jedoch ein Ereignis während eines Gottesdienstes zu werten, bei dem Felix, wie es einem frommen Kirchgänger wohl ansteht, einschläft und während eines Traums ein für alle Besucher laut vernehmliches “Änneli, gib mir ein Müntschi!” von sich gibt. --- Haben die Bauern aus dem ersten Jahr mit der Käserei ihre Lehren gezogen? Werden sie  zu vernünftigen Einsichten zurückfinden?

Diese Zusammenfassung der Handlung mag den Eindruck erwecken, es handle sich bei der “Käserei in der Vehfreude” um eine ausgesprochen kitschige, schablonenhafte Angelegenheit. Dem ist nicht so, werden doch Korruption und Betrug, aber auch die oft einer Boshaftigkeit entsprungene Dummheit selbst im Film heftig angeprangert. Trotzdem erweist sich Schnyders Versuch, die bäuerliche Welt des 19. Jahrhunderts wieder zum Leben zu erwecken, im Zusammenhang mit der “Käserei” als besonders problematisch, was jedem Leser des z.T. mit bitterer Häme geschriebenen Romans sofort auffällt. Schnyder kommt einfach nicht um Zugeständnisse an sein Publikum herum, muss eine derbe Schlägerei mit Volksmusik unterlegen und seiner Liebesgeschichte unverhältnismässig viel Platz einräumen.

Mehr als beachtlich sind allerdings die Leistungen der profilierten Darsteller, die als “Volksschauspieler” in der Schweiz nicht zu Unrecht hohes Ansehen genossen. Sie wurden von Franz Schnyder, einem leicht tyrannischen Vollprofi, regelrecht zu gelegentlich etwas übertriebenen, an das expressionistische Theater erinnernden Grimassen angetrieben, mussten sich auch, was in einem Land, in dem die unterschiedlichsten Dialekte auf derart engem Raum aufeinanderprallen, alles andere als einfach ist, die Emmentaler Variante des Berndeutschen perfekt aneignen, so perfekt, dass selbst ein richtiger Emmentaler keinen Züricher- oder Basler-Akkzent mehr bemerkte. - Hervorragend auch die Fotografie von Konstantin Tschet, der man gar nicht anmerkt, wie schwer es bereits in den 50er Jahren war, im ländlichen Emmental noch Einstellungen zu finden, die die Illusion eines von Industrie und allgemeinem Fortschritt unberührten 19. Jahrhunderts zu erwecken vermochten.

Mein Tipp: Man schaue sich zuerst Franz Schnyders Film (wobei Filmfreunde aus Deutschland wohl die unsägliche Synchronisation in Kauf nehmen müssen) an und geniesse anschliessend - vorausgesetzt, man stammt nicht gerade aus dem hohen Norden - Gotthelfs gnadenlos mit dialektalen Wendungen durchsetztes boshaft-satirisches Meisterwerk. Auf diese Weise wird man wohl am ehesten Stärken und Schwächen der gelegentlich “volkstümelnden”, sich jedoch nie den schlimmsten deutschen Heimatfilmen der 50er Jahre annähernden Verfilmung erkennen.

Und mit dieser “Würdigung” bin ich hoffentlich dem “Kino der Nation” halbwegs gerecht geworden.

* Ich schrieb ursprünglich, es habe sich um eine Zeit gehandelt, in der man sich im Film kritisch mit der  Schweiz auseinandergesetzt habe, was im Falle von "Die Gezeichneten" und "Die Vier im Jeep" als unverzeihlicher Lapsus zu betrachten ist. Manfred Polak hat mich in einem Kommentar freundlicherweise darauf hingewiesen, wofür ihm auch an dieser Stelle gedankt sei.

Montag, 5. April 2010

Die Macht des Vollmonds


Vorbemerkung:
Dieser Text wurde von mir bereits in einem Film-Tagebuch veröffentlicht, das ich während einiger Zeit in einem Film-Forum  führte. Ich habe ihn  beinahe unverändert übernommen, da der Admin des betreffenden Forums mir auf meine Anfrage hin gestattete, meine seinerzeitigen Einträge als mein geistiges Eigentum zu betrachten.  "Whoknows Presents" wird nämlich z.T. von Leuten gelesen (man ahnt ja glücklicherweise nicht, wo ich es überall verlinkt habe), die das ehemalige Tagebuch nicht kennen, und es liegt mir am Herzen, ihnen manche  meiner früheren unmassgeblichen Betrachtungen zu Filmen nicht vorzuenthalten. Im Falle von zukünftigen "Übernahmen" werde ich auf diesen Hinweis verzichten und bitte “alte" Bekannte und Freunde, sich im Zweifelsfall  meinen Haftungsausschluss anzusehen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei meinem alten Kumpel Joe Ratzi dafür bedanken, dass er es mir erlaubt, im Osservatore Romano für neue Blog-Einträge Werbung zu betreiben. Die Rückmeldungen der Kurie fallen jedoch zum Teil noch spärlicher aus als die der Hustler-Leser.



So sind die Tage und der Mond
(Il y a des jours ... et des lunes, Frankreich 1990)
Regie: Claude Lelouch
Darsteller: Gérard Lanvin, Patrick Chesnais, Marie-Sophie L., Vincent Lindon, Annie Girardot, Gérard Darmon, Phillipe Léotard, Serge Reggiani, Anouk Aimée u.a.

Episodenfilme, die ganz auf ein grosses Ensemble bauen, haben es bei mir nicht leicht, weil ich sie automatisch an Robert Altman's Meisterwerk "Short Cuts" (1993) messe, zu dem sie entweder hinführen oder das sie nachahmen - und an dem sie, insbesondere wenn es wie in "Magnolia" (1999) zu allem Überfluss noch Frösche regnet, für gewöhnlich scheitern. Der Vergleich mit Altman scheint mir gerechtfertigt, gilt "Short Cuts" doch sozusagen als Mutter aller Ensemblefilme, als unerreichter Höhepunkt.

Claude Lelouchs "Il y a des jours ... et des lunes" ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme, was wohl nicht bloss mit dem Herkunftsland Frankreich, sondern vor allem mit der eigenartigen poetischen Stimmung, ja traumhaften Schwerelosigkeit, die den Film im Gegensatz zu Altman's bewusst auf dem Boden bleibendem Mix aus Erzählungen von Raymond Carver durchzieht, zu tun haben dürfte. Bereits am Anfang erfahren wir zu den Klängen eines seltsam unstimmigen Chansons, das eine an einem Tisch im Freien sitzende Hochzeitsgesellschaft singt, eine der Hauptfiguren des Films werde in 18 Stunden vor unseren Augen sterben. Dies der Ausgangspunkt eines heiter-melancholischen Werks, dem man gleich anmerkt, dass es nicht wie andere Filme ist und dessen Titel auf jene Tage anspielt, die man lieber vermeiden würde, weil das unsagbar Grosse (der Vollmond) sich über uns unbedeutende Wesen lustig macht, die wir schreien und flüstern, andere zum Lachen oder Weinen bringen - und eventuell sterben!

"Il y a des jours ... et des lunes" beginnt in einer Frühlingsnacht, in der Vollmond, eine Mondfinsternis und die Zeitumstellung zusammenfallen. Eine solche Nacht habe es in sich, berichtet ein redseliger Rentner, in dessen Wohnung Dutzende von Fernsehapparaten aus unterschiedlichen Zeiten herumstehen, einer Meinungsforschern; und er warnt eindringlich vor dem Mond, dessen Macht unserem Leben eine katastrophale Wende zu geben vermöge. - Tatsächlich wirken die Erlebnisse der Hauptpersonen, von denen uns Lelouch temporeich und in rasch wechselnden Szenen (wodurch der Zuschauer regelrecht in den Sog des Geschehens hineingezogen wird) erzählt, auf den ersten Blick alltäglich, wenn auch leicht skurril: Ein Lastwagenfahrer, der seine Lieferung (Autos) wegen der fehlenden Stunde nicht rasch genug nach Paris bringen kann, schnappt sich einfach einen Wagen, mit dem er durch die Gegend fährt und eine junge Frau mitnimmt (sie ist ihrem Mann in der Hochzeitsnacht davongelaufen und möchte ans Meer); ein Arzt, der sich intensiv um seine Patienten kümmert, so intensiv, dass er sich nicht einmal Zeit für seine schwangere, noch verheiratete Geliebte nimmt; ein Restaurantbesitzer, der beim Glücksspiel alles verloren hat und von seiner Frau, mit der er noch um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter spielt, verlassen wird; eine mögliche Käuferin, die dem Koch nicht passt; ein einsamer Gast aus Rio, der ein Hotelmädchen zu sich aufs Zimmer bestellt, damit er mit jemandem reden kann; ein von einer jungen Frau umgarnter schwuler Priester, Komödianten, die mit dem Bus unterwegs sind (sie bereichern den Film mit beinahe surrealistisch anmutenden Chanson-Szenen). - Alle diese und andere Figuren scheint nichts zu verbinden, ausser der fehlenden Stunde, die sie an diesem Tag wohl brauchen könnten. Sie leben einfach ihr Leben, das aus Lieben, Weinen, Trennung, Trost, Hoffnung und ständiger Todesnähe besteht. Und doch hat Lelouch, der seine Geschichten immer wieder von einer zu Beginn auf einem unsichtbaren, scheinbar in der Luft hängenden Piano gespielten und sich zunehmend formenden Melodie  begleiten lässt, für das Ende (jemand kommt tatsächlich ums Leben) eine Überraschung bereit, die scheinbar banal wirkt, aber jedes "Konzept" von Zufall in Frage stellt.


Dem kleinen Meisterwerk, das - ohne die "Ikonen" des französischen Kinos (Deneuve, Huppert, Depardieu etc.) in Anspruch zu nehmen - mit einem hervorragenden Ensemble etwas völlig Eigenes auf die Beine stellt, haftet etwas Mystisches an. Es wirkt unwirklich und doch leicht zugänglich, erzählt wundersame Geschichten - und stellt Fragen: Weshalb hat der Mond angeblich solche Macht über uns? Warum beschert er uns diese Leidenschaften und Obsessionen? Muss er ein Menschenopfer fordern? Macht er sich über unsere nichtigen Zweifel lustig - oder ist alles doch bloss das, was auch immer wir unter "Zufall" verstehen mögen?

Lelouch, der sogar seine Darsteller (er arbeitet gerne immer mit den gleiche Schauspielern, die ihn wie eine Familie umgeben sollen) bis zum Ende über den Handlungsablauf im Unklaren liess, soll seinen 31. Film in 31 Tagen gedreht haben. Ich weiss nicht, ob diese Behauptung bloss in die Welt gesetzt wurde, um den mysteriösen Charakter von "Il y a des jours ... et des lunes" zu unterstreichen; auf jeden Fall fand der in Frankreich stets umstrittene Regisseur (ist er nun trivial oder genial?), dessen Anfänge mit der Nouvelle Vague in Verbindung gebracht werden und der schon für "Un homme et une femme" (1966) den Oscar für das beste Originaldrehbuch erhalten hatte, bei Kritikern und Zuschauern für einmal grossen Anklang - verdientermassen! - Ich schaue mir den Film gerne an einem Abend an, an dem ich weder Probleme wälzen noch unterhalten, sondern einfach von einer unaussprechlichen Leichtigkeit erfüllt werden möchte. Dass er diese Wirkung zu erzeugen vermag, ist einem Balanceakt zu verdanken, wie ihn sonst bloss ein Meister des Soufflés zustande bringt: Wäre eine "Zutat" falsch dosiert oder im ungünstigen Moment eingesetzt, würde das Kunstwerk in sich zusammenfallen. Erst am Ende, wenn die luftige Köstlichkeit aus dem Ofen genommen wird, darf ein Moment des wahrhaft Tragischen einsetzen. Lelouchs kleiner Triumph über das Medium Film mit all seinen Tücken ist in diesem Punkt mit Jim Jarmusch's "Night on Earth" (1991) vergleichbar, dessen Hang zur Schwerelosigkeit auch erst mit dem ächzend hervorgebrachten Wort "Helsinki" am Ende aufgehoben wird.


Was noch hinzuzufügen wäre: Für alle, die sich näher mit dem unterschätzten Poeten des französischen Films beschäftigen möchten, dürfte "Il y a des jours ... et des lunes" der ideale Einstieg sein.

Mittwoch, 31. März 2010

Er ist's!


Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süsse wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land...
(Eduard Mörike 1804-1875)

Hatschi! Der schwäbische Pfarrer und Vertreter einer Biedermeier-Literatur, die sich nicht immer ganz so anspruchslos bemerkbar machte wie hier, litt im Gegensatz zu mir offenbar unter keiner Pollenallergie. - Wie dem auch sei: Normale Sterbliche würden derartiger Lyrik wohl Bilder zugesellen, die blümelnde Bienen poppende Knospen oder Menschen zeigen deren dieser Jahreszeit angemessene Tätigkeit auf einer jugendfreien Seite nicht in Wort und Bild zum Ausdruck kommen sollte. Da ich jedoch in mancherlei Hinsicht ein wenig anders “gestrickt” bin, verzichte ich mal auf den üblichen Kitsch  und warte stattdessen mit einem Gemälde des Manieristen Giuseppe Arcimboldo (um 1526-1593) auf. --- Und ja, er ist’s tatsächlich: “Der Frühling”! Der exzentrische Italiener, der in Wien zum Hofmaler von Kaiser Rudolf II. aufstieg und vor allem für seine Umkehrbilder berühmt wurde (ich schätze z.B. das boshafte “Der Fleischteller” oder “Der Metzger”, das je nach Geschmack und Ausrichtung die deutsche Bundeskanzlerin oder ihren welligen Aussenminister darstellen könnte), schuf nämlich tatsächlich einen “Vier Jahreszeiten”-Zyklus, in dem er Portraits aus Blumen, Früchten und anorganischen Stoffen (hier u.a. Rosenknospen, Löwenzahn und Maiglöckchen) derart kunstvoll arrangierte, dass ihm bleibender Ruhm beschieden war (selbst die Surrealisten liessen sich von seinen allegorisch-enigmatischen Einfällen beeinflussen). - Sollte also jemand über Ostern nach Wien fahren: im Kunsthistorischen Museum sind einige Bilder von Arcimboldo zu bewundern.

Womit wir über Umwege beim eigentlichen Thema angelangt wären: Geniesst das verlängerte Wochenende! Haltet euch mal von Filmen fern und begebet euch - möget ihr nun gottesfürchtige Menschen sein oder nicht - hinaus in die freie Natur! Will heissen: Nehmt die 250 Meter bis zu eurer Lieblingsspelunke zu Fuss in Angriff und sprayt auf dem Heimweg - den Duft der Blumen dankbar in euch aufnehmend - das Garagentor eures Nachbarn mit Graffitis voll. Macht ja nichts: Schliesslich seid ihr besoffen.

Und nachdem es uns nun völlig missglückt ist, eine Verbindung zwischen Biedermeier, italienischer Spätrenaissance und euren Lastern herzustellen, werden wir wohl auch noch den Weg zu einem der Jahreszeit mit ihren österlichen Feiertagen unangemessenen Film finden:


Osterspaziergang
(Easter Parade, USA 1948)
Regie: Charles Walters
Darsteller: Judy Garland, Fred Astaire, Peter Lawford, Ann Miller u.a.

MGM kündigte “Easter Parade” als “the happiest musical ever made” an. Und obwohl die Hollywood-Maschinerie in Sachen Werbung schon immer ein wenig übertrieb, muss ich ihr in diesem Punkt zustimmen, dient doch das Nichts an Handlung lediglich als Vorwand für siebzehn (!) unvergesslich choreographierte Gesangs- und Revuenummern, zu denen Irving Berlin die Musik lieferte. Wer sich auch nur ein wenig mit dem Genre befasst hat, muss über sie gestolpert sein und sie - im Herzen bereichert - zu dessen Glanzpunkten  zählen:

Ausgerechnet nach der Rückkehr von der Osterparade in New York erfährt der berühmte Tänzer Don Hewes von seiner Partnerin Nadine, dass sie eine Solokarriere in Angriff nehmen möchte. Don ertränkt daraufhin seinen Kummer mit  Freund Jonathan   in einer Kneipe und behauptet leicht angesäuselt, er könne aus jeder zufällig herausgepickten Tänzerin eine zweite Nadine formen. Das Chorus Girl, für welches er sich entscheidet, heisst Hannah Brown und erweist sich  als schwieriger Fall; denn Hannah ist eigentlich Sängerin und eignet sich überhaupt nicht für die klassischen Tanznummern, die Don mit ihr einübt. Bald erkennt der Tänzer jedoch Hannah’s Talent für Komik, und die beiden steigen ebenso zu Starruhm auf wie Nadine mit ihrem Soloprogramm. Einige Liebesgeschichten, die sich nebenbei abspielen (Jonathan, der sich auch für Hannah zu interessieren beginnt, bleibt, wie man es von Peter Lawford, der erst im Zusammenhang mit dem Tod von Marilyn Monroe wirkliche “Berühmtheit” erlangte, gewohnt ist, der “Fella with an Umbrella”), sind nicht weiter erwähnenswert. Wichtig ist nur: Am Ende hat Hannah, die schon fürchtete, sie würde ihren Partner wieder an seine frühere Tanzpartnerin verlieren, Don so weit, dass er ihr auf der Osterparade einen Ring schenkt.

Im Zentrum des Musicals stehen natürlich die höchst einfallsreich und in wunderschönem Technicolor gefilmten Tanz- und Gesangsnummern. Sie beginnen mit dem Stück “Drum Crazy”, mit dem ein völlig von seinem klassischen Stil befreiter Fred Astaire vor einem erstaunten Jungen sämtliche Schlagzeugelemente in einem Spielzeugladen traktiert. Einzigartig natürlich auch seine Ballade “It Only Happens When I Dance With You”, mit der er Nadine zurückgewinnen möchte. Und wenn das für einander bestimmte Duo Hannah/Don dann zu seiner wahren Berufung findet, gelingen ihm Darbietungen, die bestimmt nicht nur die Besucher der Ziegfeld Follies zutiefst mit Glücksgefühlen erfüllt  hätten (“Snooky Ookums”, “When the Midnight Choo-Choo Leaves for Alabama”, “Ragtime Violin” - als Höhepunkt natürlich “A Couple of Swells”, der Song, der Garland und Astaire als Landstreicher zeigt, die auf der Bühne wie Snobs  die Strasse entlang gehen, “walk up the avenue“). Den Gegensatz zu diesen humoristischen Nummern bilden die unwiderstehlich erotischen und von artistischen Tanzeinlagen begleiteten  Songs der begnadeten Ann Miller (“Shakin’ the Blues Away” oder “The Girl on the Magazine Cover”). Man könnte behaupten, vor “Easter Parade” sei es selten einem Film-Musical geglungen,  die Zuschauer mit einem derart geglückten Mix zu überraschen. Der Film erhielt denn auch den Oscar für die beste Musik (er ging seltsamerweise nicht an Irving Berlin, sondern an Johnny Green und Roger Edens)  und wurde zu einem der grössten Musical-Erfolge der 40er Jahre.


Dass dieser Erfolg überhaupt zustande kam, ist mehreren Zufällen zu verdanken: So war ursprünglich Gene Kelly als Partner für Judy Garland vorgesehen, was man dem Charakter einiger Nummern - sie waren regelrecht auf ihn zugeschnitten - auch anmerkt. Als Kelly sich jedoch den Fussknöchel brach, sprang Astaire, der sich eigentlich vom Film zurückziehen wollte (ein unfassbarer Entschluss, wenn man bedenkt, was der Star in den folgenden Jahren noch leistete), für ihn ein - und fand zu einer Lockerheit, die man von ihm als “klassischem” Film-Tänzer gar nicht gewohnt war (Judy Garland, die seinen üblichen Tanzpartnerinnen nicht ebenbürtig war, aber, wie er selber eingestand, ganz andere Qualitäten einbrachte, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben). - Auch der ursprünglich vorgesehene Regisseur Vincente Minnelli wurde ersetzt, da die mit ihm verheiratete Judy sich gerade von einem u.a. der krisengeschüttelten Ehe zu verdankenden Nervenzusammenbruch erholt hatte und man fürchtete, eine Zusammenarbeit könnte neue Probleme mit sich bringen. Dies war meines Erachtens ein Glücksfall: Minnelli, der sich in den frühen 50ern mehr und mehr einer mir nicht sonderlich zusagenden Artifizialität zuzuwenden begann (“An American in Paris”, 1951, “Brigadoon”, 1954, “Lust for Life”, 1956 etc.), hätte wohl niemals jenen Eindruck beglückender, wenn auch flüchtiger Leichtigkeit auf die Leinwand gezaubert, der als eigentliches Markenzeichen von “Eastern Parade” gelten darf. - Letztlich musste auch die brillante Ann Miller (sie zog 1953 dann in “Kiss me, Kate” als mannstolle Bianca auch “any Tom, Dick or Harry” als Gatten in Betracht  - und kehrte, was oft gar nicht  ausreichend wahrgenommen wird, für einen der wichtigsten Filme dieses Jahrzehnts, David Lynch’s “Mulholland Dr.”, 2001, als ‘Coco’ noch einmal vor die Kamera zurück) für die schwangere Cyd Charisse einspringen und schaffte es so zu einem sexbeladenen MGM-Debüt, welches wohl die Ursache für  die von ihr immer wieder zurückgewiesene “Gunst” von Louis B. Mayer war.

Dies könnte natürlich der richtige Ort sein, um auf das sich schon früh abzeichnende Schicksal der zu Depressionen neigenden und drogenabhängigen Judy Garland, für die “Easter Parade” als weiteres Erfolgs-Vehikel nach “Meet Me in St. Louis”, 1944, und “The Pirat”, 1948, zurechtgeschnitten war (ich glaube selbst in den witzigsten Szenen eine tiefe Traurigkeit in ihren Augen zu entdecken), einzugehen.  Andererseits ist dieser Film ein derart luftiges Vergnügen, dass man sich ein solches Thema feige etwa für “A Star Is Born”, 1954, in dem Licht- und Schattenseiten des Starruhms ohnehin zur Sprache kommen, aufsparen möchte.

Belassen wir es deshalb bei der nicht von mir erfundenen Feststellung, “Osterspaziergang” habe in Wirklichkeit wenig mit Ostern zu tun, sondern sei vielmehr ein herrlicher, nur rund 103 Minuten dauernder Karneval für die ganze Familie, den man zu jeder Jahreszeit geniessen kann. - In diesem Sinne wünsche ich meinen zwei Lesern ein “fröhliches Suchen nach gefärbten Eiern”, gönne auch mir ein paar Blogger-freie Tage über Ostern hinaus --- und seid froh, dass ich nicht mit Mel Gibsons “The Passion of the Christ”, 2004, angetrabt bin!!!

Samstag, 27. März 2010

Hatte es der Heilige Geist mal wieder nötig?

Agnes - Engel im Feuer
(Agnes of God, USA 1985)

Regie: Norman Jewison
Darsteller: Jane Fonda, Anne Bancroft, Meg Tilly, Anne Pitoniak, Winston Rekert, Gratien Gélinas, Guy Hoffman u.a.

1967 kam der Schriftsteller Ira Levin auf die glänzende Idee, auch den Satan mal Vater werden zu lassen - was Roman Polanski 1968 zu einem seiner besten, sich eng an den Roman “Rosemary’s Baby” anlehnenden, Filme inspirierte. In den 70ern sollte ein weiteres Bubi des Teufels  sogar das tun dürfen, wofür man ein solches Ding wohl am besten gebrauchen kann: mit dem von Richard Donner inszenierten - fragwürdigen - Machwerk “The Omen” (1976) die Welle der Splatter-Movies (wer muss wohl als nächstes auf welche abstosende Weise dran glauben?) einläuten. --- War es da nicht höchste Zeit, dem Heiligen Geist nach beinahe 2000 Jahren ebenfalls eine neue Chance zu geben? Und wer sollte als angehende Mutter in Frage kommen, wenn nicht ein frommes Nönnchen, eine unschuldige Novizin gar?

Diese Fragen scheint sich zumindest der Dramatiker John Pielmeier gestellt zu haben, als er sein Stück “Agnes of God” schrieb, das 1982 zu einem Riesenerfolg am Broadway wurde - und 1985 prompt  eine Verfilmung nach sich zog - eine Verfilmung, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist und trotz dreier Oscar-Nominierungen von der Kritik schon damals höchst unterschiedlich (oft zurückhaltend) aufgenommen wurde. Eigenartigerweise begeisterte die Arbeit von Norman Jewison, der 1987 mit “Moonstruck” ein würdiges Comeback feiern sollte, ein Grüppchen von Menschen, die sich für intellektuell hielten - und  dem, es sei beschämt eingestanden, auch ich angehörte...

In einem Kloster am Stadtrand von Montreal wird die junge, oft Zeichen von geradezu ekstatischer Verzückung zeigende Ordensschwester Agnes eines Nachts von den anderen Nonnen blutüberströmt in ihrer Zelle aufgefunden. Die Oberin entdeckt im Papierkorb ein erwürgtes Baby, dessen Mutter - und Mörderin? - Agnes wohl sein muss. Das verwirrte Kind kann sich jedoch an nichts erinnern, behauptet entschieden, noch Jungfrau zu sein -  und auch ihre Mitschwestern scheinen nie Anzeichen einer Schwangerschaft bemerkt zu haben.  Die Psychiaterin Dr. Martha Livingston, die längst aus der Kirche ausgetreten ist, soll die Hintergründe des Falls untersuchen, stösst als  Kettenraucherin im Kloster jedoch auf eine Atmosphäre eisiger Ablehnung und fühlt sich gleichzeitig von den Heiligenstatuen und anderen religiösen Symbolen bedroht. Dennoch entlockt sie nicht nur der in einer vollkommen anderen Welt lebenden Agnes,
sondern auch den Schwestern mit der Zeit so manche verdrängte Wahrheiten; selbst ihr Verhältnis zur Oberin Mutter Miriam Ruth, einer einst verheirateten und durchaus auf dem Boden der Realität stehenden Frau, scheint sich zu bessern. Martha selber muss sich hingegen plötzlich mit ihrem Verhältnis zur Religion - und dem Glauben an Wunder! - auseinandersetzen. - Als die Kirche auf einen raschen Abschluss der Untersuchungen drängt, will die Psychiaterin zum Mittel der Hypnose greifen. Nun aber besteht auch die Oberin darauf, dass Agnes, die immerhin manchmal Wundmale aufweist, von Gott auserwählt und zur Mutter seines Kindes erkoren worden sei. Haben wir es mit einer “unbefleckten Empfängnis” zu tun?

Um es gleich vorwegzunehmen: Auch wenn der Film gegen Ende  die Möglichkeit einräumt, dass Agnes in der von Tauben bevölkerten Scheune (der Heilige Geist lässt sich - siehe Bibel! - bekanntlich gern in Gestalt einer Taube blicken) von einem durchaus irdischen Wesen, bei dem es sich kaum um den ältlichen und dem Alkohol zugeneigten Beichtvater Father Martineau handeln wird, geschwängert worden sein könnte, löst sich das Rätsel - selbst für Dr.Livingston, deren Distanz zur faszinierenden Unschuld ausser Kontrolle geraten ist - nicht wirklich auf: die Schlussbilder zeigen uns die junge Nonne, die vom Glockenturm aus ihre göttliche Stimme in den winterlichen Klostergarten hinaus erklingen lässt.

Aus einem Film, der scheinbar als Mystery-Thriller angelegt war, ist also auch eine Auseinandersetzung mit Grundfragen des Glaubens geworden, mit religionsphilosophischen  Themen, die man anschneidet aber dann doch wieder fallenlässt; denn schlussendlich möchte man den Zuschauer  bei der Stange halten und ihn wieder in den Gerichtssaal zurückführen, wo die Wahrheit über jene Nacht in der Scheune aufgedeckt werden könnte. Hinzu kommen die unterschiedlichen Leben dreier Frauen, die allzu  künstlich  miteinander verknüpft werden, ohne je den eigentlichen Grund dieser Verknüpfung für den Fortgang der Handlung auch nur andeutungsweise zu erklären - was “Agnes of God” zu einer Enttäuschung macht: Der “dritte Akt” des Films, der die vergangenen 98 Minuten zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen müsste, fehlt, Probleme, die gelegentlich in den Mittelpunkt gestellt werden, rücken plötzlich wieder in den Hintergrund, weshalb sich der Zuschauer verwirrt und enttäuscht im Stich gelassen fühlt. Hinzu kommen die - wie ich erst heute weiss - schon damals völlig übertrieben  wirkenden “psychoanalytischen” Verfahren, mit denen Dr. Livingston die “Wahrheit” herausfinden will.

Was also war es, das uns seinerzeit für diesen Film, dessen hanebüchene Geschichte auch noch von Dialogen begleitet wird (Goethes “Tasso“ mit seinem Prinzip von “Behauptung - Gegenbehauptung“ lässt grüssen), die schon auf der Bühne theatralisch genug gewirkt haben dürften, derart einnahm? An Jane Fonda wird es, dies behaupte ich jetzt mal retrospektiv, kaum gelegen haben, hatte die einstige Ikone doch bereits  viel von ihrem  Nimbus als Vorzeige-Frau im Kampf gegen das Establishment und den Vietnamkrieg eingebüsst und gezeigt, dass sie - als zunehmend durchschnittlich begabte Schauspielerin mit Pferdegesicht - eigentlich mit Vorliebe in Filmen auftrat, mit denen man sich in Hollywood nicht wirklich unbeliebt machte (“The Electric Horseman”, 1979, “Nine to Five”, 1980, “On Golden Pound”, 1981). So spielt sie auch ihre Rolle als kettenrauchende (man musste für die fundamentalistische Nicht-Raucherin Fonda spezielle Zigaretten ohne Nikotin entwerfen!) Psychiaterin, die sich in der Grossstadt wohl fühlt und doch mehr und mehr in den Bann des Klosters gerät, wie man es von  einer amerikanischen Schauspielerin ohne besondere Fähigkeiten  eben erwarten darf. Ihre
vorhersehbaren Gesten fallen regelrecht ab gegenüber der grandiosen Leistung von Meg Tilly, der als Agnes etwas Überirdisches (ich denke etwa an die Szene, in der sie Dr. Livingston im Glockenturm vorführt, warum sie gern unter der Glocke liegt), aber auch eine angsteinflössende Verwirrtheit regelrecht vom Gesicht abzulesen sind - und sie wirken schon ganz und gar dilettantisch,wenn man sie mit der Schauspielkunst einer
Anne Bancroft vergleicht, die einst als Mrs. Robinson den jungen Dustin Hoffman hatte verführen dürfen (1967) und jetzt als von Zweifeln geplagte Vorsteherin eines Klosters, die unerschütterlich glauben möchte, nicht weniger glänzt (sowohl Tilly als auch Bancroft wurden für einen Oscar nominiert).

Neben den schauspielerischen Leistungen sind es einzelne Szenen, die hängen bleiben. Sie betreffen weniger den ziemlich einfallslosen Stadt-Kloster-Gegensatz als z.B. den Filmbeginn (man sieht die Schwester, die das Licht im Kloster löscht, dann die nächtlichen Gänge, die plötzlich von Schreien erfüllt werden, die erschreckten Nonnen, die die Türe zu Agnes’ Zelle zu öffnen versuchen, den nur angedeuteten Anblick dessen, was sich im Zimmer befindet, die Ankunft des Krankenautos) oder  die Ankunft von Dr. Livingston im Kloster, den Blick, den ihr die Nonne an der Pforte zuwirft, das krampfhafte Bemühen, die Zigarette am Boden auszudrücken. Ich denke natürlich auch an den Aufenthalt der so gegensätzlichen und sich einander doch annähernden Frauen, die um Agnes ringen, im Klostergarten, an Mutter Miriam Ruth, die seit Jahren an ihrer ersten Zigarette zieht und sich genussvoll einem Hustenanfall nach dem anderen hingibt. - Solche Szenen machen den Film trotz seiner nicht wegzudiskutierenden Schwächen noch heute zu einem “kleinen” Ereignis, dem man sich - vorgewarnt - mal wieder aussetzen sollte.  - Und es sind vor allem die Bilder, die exzellente Fotografie, die auch eine Oscar-Nominierung verdient hätte (immerhin verdanken wir sie dem  durch seine lange Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman geschulten Sven Nykvist). Allein schon das am Anfang von der Kamera langsam umfahrene Kreuz, das hoch über der Stadt Montreal zu leuchten scheint, übte im Kino damals eine ungeheure Wirkung aus; hinzu kamen die wuchtigen Aufnahmen vom Inneren des Klosters, die den Zuschauer spüren liessen, in welch beinahe ungesunder mystizistischer Atmosphäre sich das Ganze abspielte. Und wer könnte je dieses  Bild vergessen, das die von Tauben umflogene unschuldige Nonne in der halbdunklen Scheune zeigt:


“Agnes of God” ist ein von der Handlung und Struktur her miserables “Mystik-Drama“, das uns die zweite “unbefleckte Empfängnis” seit 2000 Jahren als Möglichkeit unterzujubeln versucht. Er ist aber, wenn die Protagonisten mal das Maul halten und auf die schrecklichen Dialoge verzichten, ein atmosphärisches Erlebnis - vielleicht  zu Recht vergessen, aber Nostalgiker doch gelegentlich wieder zu einer Sichtung verlockend .

Dienstag, 23. März 2010

Die etwas andere Annäherung an AIDS


Peter's Friends (Alternativtitel: Peter's Friends - Freunde sind die besten Feinde)
(Peter's Friends, Grossbritannien 1992)

Regie: Kenneth Branagh
Darsteller: Kenneth Branagh, Stephen Fry, Emma Thompson, Alphonsia Emmanuel, Hugh Laurie, Imelda Staunton, Rita Rudner, Tony Slattery u.a.

Es ist eigentlich eine traurige Sache: Da wurde 1993 ein derartiges Theater veranstaltet, weil Tom Hanks in “Philadelphia” einen schwulen HIV-Infizierten spielte, (“Er enttabuisiert das Thema!!!”), dass so mancher Film, der eindrücklicher (weil nicht marktschreierisch) auf HIV zu sprechen kam, im Lärm um die Schnulze von Jonathan Demme unterging. - Um eine Sache klarzustellen: Ich habe nichts gegen Tom Hanks, denke sogar, er habe den Oscar für “Forrest Gump” verdient und nachher die Hollywood-Karriere (potentielle Blockbuster) eingeschlagen, die man von Leuten wie ihm erwarten darf. Schliesslich hatte ihm “Philadelphia” überhaupt erst gezeigt, wie man sein Image als Komödiant  los wird und sich fortan dem Bereich des Verlogenen (man denke etwa an “The Terminal”, 2004) und seinen angenehmen Seiten  zuwenden kann .  Denn “Philadelphia” ist ein verlogener Film, ein durch und durch kalkulierter Kassenschlager, dem bloss die Aufgabe zukam, den Themenbereich HIV und AIDS als gefälliges Süppchen aufzukochen und neben dem Filme, die sich der Wahrheit anzunähern versuchten (etwa “Les nuits fauves”, 1992, oder “And the Band Played On”, 1993) natürlich nicht bestehen konnten.

Kenneth Branagh’s “Peter’s Friends” gehört sicher nicht wirklich zu diesen Filmen; man könnte ihn höchstens als recht gelungene Ensemble-Arbeit bezeichnen, die HIV lange Zeit unausgesprochen im Raum stehen lässt  und sich der nicht einfachen Aufgabe widmet, eine Gruppe alter Freunde von einer selbstbezogenen Hysterie zur Stille finden zu lassen. - Stephen Fry, sowohl als Schriftsteller als auch als Drehbuchautor und Schauspieler ein schwules Multitalent, spielt einen ehemaligen Cambridge-Studenten, der seine Freunde aus vergangenen Tagen für ein Neujahrswochenende auf seinen kürzlich vom verstorbenen Vater geerbten Landsitz einlädt. Von der einstigen Eintracht zeugt jedoch nur noch ein Foto, das die verschworene Clique im Anschluss an eine Kabarett-Nummer zeigt, mit der sie ein älteres Publikum zu schockieren beliebten. - Denn mittlerweile sind zehn Jahre vergangen (sie ziehen im Vorspann anhand wichtiger und weniger wichtiger Ereignisse wie Ausschnitte aus einer Wochenschau an uns vorüber), und aus den Freunden sind neurotische, auf ihre eigenen echten oder eingebildeten Probleme fixierte Gestalten geworden, die Peter’s Nachdenklichkeit, seine Andeutungen, er wolle das Haus eventuell verkaufen, gar nicht wahrnehmen. Anonyme Alkoholiker,
sexuell unbefriedigte Frauen und zerrüttete Ehen beherrschen die Szene, und es gelingt Peter inmitten dieses Jahrmarkts verzweifelter Eitelkeiten nicht einmal, einen Toast auf alte Zeiten auszusprechen. - Denn da muss Andrew, der einmal Schriftsteller werden wollte und nun als Serien-Schreiber in Hollywood arbeitet, eine glückliche Ehe mit einem zickigen Star vorgaukeln, die sexgierige Sarah ihren noch verheirateten Liebhaber bei jeder Gelegenheit zu Höchstleistungen antreiben, Mary, die den Tod eines ihrer Kinder nicht überwinden kann, ständig zu Hause anrufen - während die einsame Maggie nichts anderes im Kopf hat als den bisexuellen Peter, in den sie schon immer verliebt war, zwecks späterer Heirat ins Bett zu locken. Mit der Zeit lassen sich Spannungen nicht mehr unterdrücken, Feindschaften kommen auf, und der Gastgeber veliert zunehmend an Bedeutung. Als die Situation mit einem völlig betrunkenen Andrew zu eskalieren droht, erzählt Peter seinen Freunden endlich, weshalb er sie noch einmal sehen wollte. Dieses stille, zögernde Erzählen (eine Meisterleistung von Fry) bringt die selbstbezogene Bande ebenso zum Schweigen wie den Zuschauer. - Denn so, auf diese zögernde, wenn auch sachliche Art spielt es sich wohl auch in Wirklichkeit ab; nicht mit aufwühlenden Prozessen, die aus schwulenfeindlichen Anwälten vehemente Verteidiger  und aus dem kampfbereiten Tom Hanks einen leicht übertriebenen Todkranken machen, der zu allem Elend noch mit Antonio Banderas seinen letzten Tanz tanzt.

Dass “Peter’s Friends” insgesamt trotzdem nicht wirklich zu überzeugen vermag, liegt daran, dass der Film - ein Charakteristikum, das britische Ensemble-Filme oft zu ihrem Vorteil ausnutzen - trotz der tragischen Untertöne (Tod des Vaters, Tod des Kindes, Alkoholismus etc.) etwas leichtfüssig daherkommt, was die einzelnen Figuren  einseitig gezeichnet wirken lässt und den Eindruck erweckt, die Drehbuchautoren hätten sich nicht recht entschliessen können, ob sie nun das Script für eine reine Komödie oder doch für etwas anderes schreiben sollten. Auf diese “Schwäche” spielt wohl Desson Howe auch an, wenn er einigen überschwänglichen Rezensionen entgegensetzt: “With a smattering of one-liners, and a dash of ironic spirit, “Peter’s Friends” is a diverting, if modest affair.” Auch der Vorwurf, man habe sich etwas auffällig am amerikanischen Film “The Big Chill” (1983) orientiert, in dem sich eine einst befreundete Studentenclique nach dem Selbstmord eines ihrer Kommilitonen wieder trifft und ihre Neurosen kultiviert, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Solcher Kritik ist höchstens entgegenzusetzen, dass es die “One-Liners” in sich haben und vom harmonisch zusammenspielenden Ensemble (einige Darsteller hatten tatsächlich zusammen die Universität Cambridge besucht!) auf unnachahmliche Weise vorgetragen werden. So seufzt etwa die auf Peter begierige Maggie vor dessen Schlafzmmertür: “Fill me with your little babies!”, worauf sie dieser - was wohl nur ein Stephen Fry vermag - mit einem “Oh, how can I put this delicately? It’s just that I’m not really in the vagina business” zu trösten versucht. Auch Andrew’s Bemerkung zur Abwesenheit seiner Star-Gattin ist schwarzer britischer Humor vom “Feinsten”: “Carol will be down in a minute. She’s just gluing her hair on.” - Kommt hinzu: Kenneth Branagh ist als Regisseur für Ensemble-Filme grundsätzlich besser geeignet denn als reiner In-Szene-Setzer seiner “einzigartigen” Persönlichkeit (weshalb etwa auch seine Inszenierung von “Much Ado About Nothing”, 1993, als wesentlich gelungener bezeichnet werden muss als sein mühsamer “Hamlet”, 1996, von “Mary Shelley’s Frankenstein”, 1994, ganz zu schweigen). - Am Ende überwiegt jedoch das ungute Gefühl, sowohl die Schicksale der einzelnen Figuren als auch das am Schluss doch ausgesprochene Thema HIV seien etwas zu ernst für die Unentschlossenheit, die sich in “Peter’s Friends” bemerkbar macht - und von der uns höchstens einige bewusst von einer gehörigen Portion Kitsch begleitete Szenen (etwa das im  Taumel der Wiedersehensfreude gemeinsam am Klavier vorgetragene “The Way You Look Tonight”, das die Verschworenheit der Vergangenheit erneuern soll) ablenken.


Freunde nostalgischer 80er Jahre-Musik kommen übrigens voll auf ihre Kosten: Von Cyndi Lauper's "Girls Just Want To Have Fun” über Tina Turner's “What’s Love Got To Do With It” bis zu “Everybody Wants To Rule The World” von den Tears For Fears” werden so ziemlich alle Songs durchgespielt, die die Protagonisten, aber auch mich auf schon beinahe deprimierende Art an jene Zeit erinnern, in der man sich jung nennen durfte.

Freitag, 19. März 2010

Ein Schweizer! Ein Schweizer!

Das Haus in Montevideo
(Das Haus in Montevideo, Deutschland 1951)
Regie: Curt Goetz, Valérie von Martens
Darsteller: Curt Goetz, Valérie von Martens, Albert Florath, Lia Eibenschütz, Jack Mylong-Münz, Ruth Niehaus, Eckart Dux, Rudolf Reif, Ingeborg Körner, Lope Rica u.a.

Bei der blossen Erwähnung des Reizthemas "Deutsches Kino der 50er Jahre" kräuseln sich noch heute so manchem Filmliebhaber die Nackenhaare, was wohl nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die Fernsehanstalten ständig die Schwarten wiederholen, die früher einem Publikum gefallen haben mögen - vom “Schweigen im Walde” (1955) bis hin zu den Trällerliedchen, die zustande kamen, "wenn die Conny mit dem Peter” (1958)...

In Wirklichkeit ist schon so manches Vorurteil gegenüber dieser Dekade revidiert worden, und man wirbt auch um ein gewisses Verständnis für die Unzahl an Heimatfilmen, die sie vorzuweisen hat: Das Kino wollte den Zuschauern eben zeigen, in welch schönem Land sie nach all der den Nazis zu verdankenden Verwüstung eigentlich doch lebten  - zugegeben: nicht gerade auf anspruchsvolle Weise (es sollen jedoch auch ein paar leider verschollene Heimatfilme mit äusserst düsterer Story gedreht worden sein). - Und es gab neben dem zu Unrecht vom breiten Publikum bis heute weitgehend ignorierten Meisterwerk “Der Verlorene” (1951) des Heimkehrwilligen Peter Lorre auch elegante Ansätze zur Bewältigung der in die Gegenwart hineinreichenden Vergangenheit (etwa “Rosen für den Staatsanwalt” von Wolfgang Staudte, 1959) oder zum Anschluss an den von den USA geprägten gesellschaftskritischen Kriminalfilm (Alfred Weidenmanns “Alibi”, 1955). - Was den 50ern jedoch fehlte, war jene strikte intellektuell geprägte Bewegung, die sich gegen den “gängigen Unterhaltungsfilm” gerichtet hätte.

Eine bescheidene Gegenbewegung gegen die verlogenen Moralvorstellungen dieser und aller Zeiten  (und die  daraus resultierenden Filme) spukte allerdings schon durch die deutschen Kinos jener Jahre; und zwar in Form eines regelrechten Anarchisten, vielleicht des grössten, wenn nicht einzigen Anarchisten, dessen sich der deutsche Film rühmen darf: Curt Goetz. Und dieser Curt Goetz war - wie ich erst kürzlich mit Freude erfahren durfte - ein Schweizer!!! Zumindest teilweise.

Goetz, eigentlich ein Mann des Theaters, war der Sohn eines Schweizer Kaufmanns, und wuchs - leider; denn es wäre zu schön gewesen - in Deutschland auf. Er schrieb die Texte für seine Sketche selber, wirkte aber als Schauspieler schon in Stummfilmen mit. Und er hatte auch bereits mehrfach Filme nach eigenen Vorlagen gedreht oder drehen lassen, z.T. mit sich selber in der Hauptrolle (“Napoleon ist an allem schuld”, 1938). In der von moralischer Heuchelei durchdrungenen Adenauer-Zeit blühte er jedoch vollends auf und entwickelte sich mit seinem bewusst übertriebenen Spiel zu einem Anarchisten des Films, den man höchstens mit den Marx Brothers vergleichen könnte - allerdings zu einem Anarchisten, dessen heimtückisch ausgespielte  wahrhaftige Moral, um  einen Kernsatz seines Professors Traugott Hermann  Nägler aufzunehmen, hinter der Gestalt des Narren wirklich keine Ferien kannte.

Von den beiden Filmen, mit denen Curt Goetz nach “Frauenarzt Dr. Prätorius” (1949/50)  das Kino der 50er im wahrsten Sinne des Wortes aufmischte, ist mir “Das Haus in Montevideo” bei weitem der liebere, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass er ihn zusammen mit seiner Frau Valérie von Martens selber drehen und seiner überbordenenden Gestik und Mimik freien Lauf lassen konnte - während er in “Hokuspokus” (1953) unter Kurt Hoffmann arbeitete, dem Pseudo-Moralisten, der sich in der Zeit des Nationalsozialismus durchaus noch für “lustige” Propagandafilme (“Quax, der Bruchpilot”, 1941) hergegeben hatte. - Die Geschichte dieses Kinovergnügens, in dem eine Pointe die andere jagt: Professor Traugott Hermann Nägler ist ein dermassen von Selbstgerechtigkeit durchtränkter Mann, dass er ruhig bei seinen Schülern die moralische Keule schwingen lassen und sich sogar einen kleinen Ausraster erlauben darf, wenn sich sein geistig unbedarftes Frauchen so über die “Kanone” freut, die er mit seinen zwölf Kindern (nicht ganz durchgehend nach Wagnergestalten benannt) für sie eingeübt hat. Entsprechend entschieden steht er auch zum Urteil seiner Familie, die einst seine Schwester verstossen hatte, weil sie - o Graus! - schwanger geworden war, ohne verheiratet zu sein. Als Schwesterchen jedoch offenbar begütert stirbt, geraten Näglers moralische Grundsätze  zunehmend ins Wanken, hat die Verblichene doch seiner ältesten Tochter Atlanta (benannt nach dem Schiff, auf dem sich der Professor und seine Frau vor vielen Jahren trauen liessen) ein Haus in Montevideo vermacht. Nach hartem Ringen mit sich selber (“Moral hat nichts mit Logik zu tun”) reist er mit seinem Freund Pastor Riesling und seiner Tochter nach Montevideo, um einen Augenschein auf das in Aussicht stehende Erbe zu werfen. Was er zusammen mit seinen Begleitern antrifft, scheint allerdings nicht ein gewöhnliches Haus, sondern ein derart sündhaftes Etablissement zu sein, dass das pure Chaos über den tugendhaften Nägler hereinbricht (er sieht sich sogar veranlasst, seine der “Unsittlichkeit” anheimfallende Tochter übers Knie zu legen).


Ein solches Erbe könnte doch niemand aus der Familie der Näglers antreten ---  niemals; es sei denn, es gelänge der Moral in Person, ihre Grundsätze durch ein paar kaum nachzuvollziehende geistige Windungen auf den Kopf zu stellen. Denn es besteht auch noch Aussicht auf ein beachtliches Erbe in Form von Bargeld. Dieses Erbe ist freilich an eine Bedingung geknüpft, mit der sich Näglers Schwester auf heimtückische Weise an ihrem hartherzigen Bruder rächen will, und die man schon gar nicht zu erfüllen gewillt ist - obwohl - obwohl - ja, obwohl Tochter Atlanta eigentlich gerade im richtigen Alter dafür wäre...

“Das Haus in Montevideo” quillt über von geistreichen, geschliffenen Dialogen, die Curt Goetz auf eine attackierende Art ausspielt, wie man es im deutschen Film sonst nie erlebte - und die das Wesen der Spiessbürgerlichkeit  dem Zuschauer so vorführt, dass er zu einem verstehenden Lachen angestachelt wird, welches durch die überdrehte Schlusspointe (sie soll hier nicht verraten werden) beinahe so etwas wie Erlösung erfährt. Hinzu kommen Situationskomik am laufenden Band (etwa der berühmte Spaziergang mit den Enten als Geleit, der Aufruhr der Damen in “Unterwäsche“ im vermeintlichen Sündenbabel in Montevideo) und eine formale Leichtigkeit, wie sie sonst nur von Hollywood-Komödien erwartet werden durfte. - Man könnte behaupten, Goetz sei ein wahrhafter Aufklärer gewesen, der eben nicht mit der Moralkeule arbeitete, sondern als Schalk, als Anarchist diese Moralkeule sezierte.

Wer die grosse, eines internationalen Kinos würdige Leistung eines Curt Goetz und seiner Mitspieler vollends verstehen will, sollte die Version von 1951 einmal mit der 1963 entstandenen Neuverfilmung von Helmut Käutner vergleichen, in der - ausgerechnet! - Heinz Rühmann und Ruth Leuwerik die Hauptrollen spielen. Karikiert Goetz den Spiessbürger mit seiner verlogenen Moral auf unnachahmlich witzige und doch seine Figur sympathisch erscheinen lassende Weise, wirkt Rühmann, der sich buckelnd ein Leben lang dieser "Moral" unterworfen hatte, mit seiner aufgesetzten Strenge wie eine Karikatur seiner selber. Es gelingt ihm und dem Filmliebchen der 50er Jahre nicht annähernd, an die herrlich doppeldeutige Frivolität des Goetz-Films anzuknüpfen. Goetz schuf grosses Kino; Käutner hingegen brachte mit Rühmann bloss "deutsches Kino" im durchschnittlichsten Sinne zustande.

Ein Anarchist aus der Schweiz; aus dem Land, das für seine Biederkeit, sein moralisches Getue und sein Bankgeheimnis bekannt ist. Man gestatte mir ein schweizerisch bescheidenes “Halleluja!”.

=====

Kleiner Nachtrag: Wenn man mich kritisiert, weil ich anstelle des deutschen “sz”s immer das bei uns gebräuchliche Doppel-s benutze, winde ich mich üblicherweise mit der Ausrede aus der Affäre, wir Schweizer hätten das “sz” 1939 abgeschafft, weil wir uns von den Nazis abgrenzen wollten. Curt Goetz würde auf unwiderstehliche Weise mit der banalen Wahrheit herausrücken: Wir hatten nämlich mittlerweile so viele Vokabeln mit der französischen Schreibweise übernommen, dass unsere Schreibmaschinen vor lauter “é”s, “è”s und "à"s keinen Platz mehr für das deutsche “sz” hatten; worauf wir es abschafften und zum Gegenstand einer Legende machte, die noch heute gerne überliefert wird.

Mittwoch, 17. März 2010

Celebrating Myself


I celebrate myself, and sing myself,
And what I assume you shall assume,
For every atom belonging to me as good belongs to you.
(Walt Whitman, Song of Myself)

Nennt mich Whoknows! - Als ich vor einigen Jahren - spät - ins Internet einstieg, erschien mir die Welt des Bloggers als die eines grämlichen Einsiedlers, der nicht willens und in der Lage war, sich in einem kommunikativen Umfeld - sei es real oder virtuell - zu behaupten, seine Argumente überzeugend einzubringen, zu diskutieren. Und ich nahm mir vor, diese Welt zu meiden, galt ich doch als äussserst kommunikationsfreudiger Mensch, der sich redlich um einen guten Kontakt zu seinen Mitmenschen bemühte. - Je länger ich aber in der Sphäre der Foren und "Communities" verharrte; je mehr ich feststellen musste, dass das im virtuellen Raum besonders beliebte - weil anonym anwendbare - Prinzip der Hackordnung längst nicht nur politische Diskussionen beherrschte, sondern selbst unter "Menschen" üblich wurde, die doch eigentlich bloss ein gemeinsames Hobby, eine Leidenschaft hätte verbinden sollen; je weniger oft selbst Moderatoren dem Verlust an Anstand  und dem Respekt vor dem Gegenüber  Herr zu werden vermochten - desto mehr musste ich mir eingestehen, dass nicht nur mein Versuch, mir die kongeniale emotionale Steigerung  im ersten Abschnitt von Herman Melville's "Moby Dick" zu eigen zu machen, kläglich zum Scheitern verurteilt war, sondern auch, dass es an der Zeit war, meine Haltung zu überdenken. - Und als dann selbst in einer Film-Community ein der Leitung unliebsamer User mit fadenscheinigen Gründen rausgemobbt werden sollte, indem man ihn  "von oben" prinzipiell in die ultra-rechte Ecke drängte (der Betreiber des Forums erdreistete sich gar zu der Äusserung, mit solchen Leuten wolle er nichts zu tun haben); da beschloss ich, mich  mit diesem mir politisch fernen, menschlich nahen Opfer einer selbsternannten Elite zu solidarisieren und von nun an - Leser hin oder her - auch den "Song of Myself" zu singen, mich zu feiern, wie es Walt Whitman - eine ganze Nation beeinflussend - getan hatte. Denn letztlich schreibe ich über Filme, weil ich mich an sie erinnern will, weil ich als Laie etwas dazu gesagt haben möchte. Brauche ich dafür den heuchlerischen Beifall einer  "Community" - oder genügen mir die vielleicht wenigen Leser, die sich auf die eine oder andere Weise wirklich angesprochen fühlen?

Und, um am Ende noch einmal an jenen grossen Zeitgenossen Whitman's anzuknüpfen, der uns zeigte, wie eine "Community" (im Falle von "Moby Dick" eine Schiffscrew) vom rücksichtslosen Fanatismus Einzelner ins Verderben getrieben werden kann: Nennt mich Whoknows! Ich gebe mein Bestes, und ich weiss, dass es nicht viel ist.

Sonntag, 24. Januar 2010

Ankündigung

Ab etwa Ende Februar werden in "Whoknows presents" regelmässig Beiträge veröffentlicht, die sich meist direkt, gelegentlich (da ich mir ein Interesse an verwandten Themen einfach nicht verkneifen kann) auch nur über Umwege mit dem Thema "Film" beschäftigen. Das Wörtchen "regelmässig" bedarf insofern einer Relativierung, als Kenner meiner Tendenz zu epischen Ausmassen sich in frommer Gemeinschaft für eine Zurücknahme in Sachen Häufigkeit einsetzen. - Sagen wir mal, es bedeute wöchentlich...

Nachtrag: Leider wird sich die "Einweihung" meines Blogs aus Gründen, die ich hier nicht breittreten möchte, auf unbestimmte Zeit verschieben.