Samstag, 8. Oktober 2011

Drehen in der Höhle des Löwen: DILEMMA

DILEMMA (engl. auch A WORLD OF STRANGERS)
Dänemark 1962
Regie: Henning Carlsen
Darsteller: Zakes Mokae (Steven Sitole), Ivan Jackson (Toby Hood), Evelyn Frank (Anna Louw), Marijke Haakman (Cecil Alexander), Gideon Nxumalo (Sam Mofokenzazi)


Johannesburg um 1960. In der südafrikanischen Metropole kreuzen sich die Wege von mehreren jungen Menschen. Anna Louw, die aus einer Burenfamilie stammt, ist eine politisch engagierte Rechtsanwältin in einem Rechtshilfebüro, das Schwarzen, Mischlingen und Indern kostenlose Vertretung gewährt. Einer ihrer regelmäßigen Klienten ist Steven Sitole, ein intelligenter und sorgloser Luftikus, der mal dieses und mal jenes treibt - momentan versucht er sich als Fotograf - und dabei gelegentlich mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Einen solideren Lebenswandel pflegt sein Freund Sam, ein Komponist, vor allem, seit seine Frau schwanger ist. Ein Neuankömmling in Südafrika ist der Brite Toby Hood, der neuerdings die Johannesburger Filiale eines englischen Verlagshauses leitet. Er ist der Neffe des Verlegers und soll irgendwann den gesamten Verlag führen.


Als Mitglied der Oberschicht erhält Toby Einladungen in die feinen Kreise Johannesburgs. Er lernt Cecil Alexander kennen, eine reiche Tochter aus gutem Haus (den Vornamen schreibt man wirklich so - eine Referenz an Cecil Rhodes). Gelegentlich arbeitet sie als Model, sonst tut sie nichts; sie ist gelangweilt und leicht blasiert, aber nicht unsympathisch. Auch die Mitglieder ihrer Clique sind nett, adrett und gastfreundlich. Sie wohnen in strahlend weißen Villen, sie haben schwarze Hausdiener, Kindermädchen und Caddies zum Golfen - aber diese müssen nach Feierabend die Gegend verlassen, dann gilt für das Wohnviertel "Whites only". Durch die Angelegenheiten eines seiner schwarzen Angestellten lernt Toby auch Anna kennen, und über sie auch Steven und Sam, und er befreundet sich mit allen dreien. So lernt er auch die andere Seite des südafrikanischen Lebens kennen, die Dynamik und Lebensfreude urbaner südafrikanischer Kultur, und natürlich die Apartheid und alle Abstufungen von Rassismus. Für den liberalen, unbefangenen Engländer Toby ist die Freundschaft mit den Schwarzen Steven und Sam nichts Außergewöhnliches, aber bei seinen vornehmen Bekannten würde er damit völliges Unverständnis auslösen, deshalb erwähnt er dort nichts davon.


Toby bemerkt schnell, dass Anna nicht nur Rechtshilfe leistet, sondern dass sie auch in verbotene politische Aktivitäten verstrickt ist - sie wird auch bereits seit längerem von der Geheimpolizei observiert. Tobys Freundschaft zu Anna ist platonisch, aber mit Cecil beginnt er ein Verhältnis, das jedoch oberflächlich bleibt. Als er ihr von Sam erzählt, findet sie es nur amüsant, dass er jemanden kennt, der den Namen "Mofokenzazi" trägt. Während Toby mit Cecil schläft, schiebt ihm Steven eine Nachricht unter die Tür - Anna wurde verhaftet. Toby, Steven und Sam treffen sich zu einer Krisensitzung, doch die endet in Ratlosigkeit - es gibt nichts, was sie tun könnten. Und es kommt noch schlimmer ...


DILEMMA ist Henning Carlsens erster Spielfilm. Zuvor hatte er ab 1949 ca. 25 Dokumentar- und Industriefilme gedreht. Einer davon, der 1958 zum 25-jährigen Jubiläum der Firma Danfoss entstand, führte Carlsen um die halbe Welt, und auch nach Südafrika. Dort lernte er völlig unvorbereitet die Apartheid kennen, von der damals in Europa wenig bekannt war. Carlsen erzählt im Bonusmaterial der DVD von DILEMMA, wie auch ältere Schwarze von jungen Weißen mit "Boy" angeredet wurden, oder wie er zusammen mit einem Mitarbeiter und einem jungen Schwarzen in einem Hotel drei Bier bestellte und nur zwei bekam, weil an "Kaffern" kein Alkohol verkauft wurde. Damals nahm sich Carlsen vor, dass sein erster Spielfilm dieses Thema behandeln sollte, falls er je das Geld dazu hätte. Die Gelegenheit ergab sich bald durch eine Erbschaft. Um unter dem Vorwand, den für Danfoss gedrehten Film zu erweitern, in Südafrika arbeiten zu können, erbat sich Carlsen von einem Danfoss-Manager ein Empfehlungsschreiben - und er erhielt gleich eine Blanko-Vollmacht in dreifacher Ausfertigung, ausgestellt von Danfoss-Gründer Mads Clausen persönlich. Für Carlsens Vorgehen gab es schon ein Vorbild: 1958 hatte der Amerikaner Lionel Rogosin unter dem Vorwand, harmlose südafrikanische Musiker zu filmen, im Großraum Johannesburg seinen dokumentarischen Spielfilm COME BACK, AFRICA gedreht, unter Einbeziehung dokumentarischer Aufnahmen im Stil des Direct Cinema bzw. Cinéma vérité, und dafür Festivalpreise gewonnen. Im März 1960 erregte das Massaker von Sharpeville internationale Aufmerksamkeit, aber Hintergrundberichte zum System der Apartheid waren nach wie vor dünn gesät.


Carlsen konsultierte drei skandinavische Autoren, die bereits über dieses Thema gearbeitet hatten, und erhielt den Rat, sich mit Nadine Gordimer in Verbindung zu setzen. Die südafrikanische Literatur-Nobelpreisträgerin von 1991 hatte 1958 ihren zweiten Roman "A World of Strangers" veröffentlicht. Sie traf sich mit Carlsen, und sie beschlossen, aus dem Roman ein Drehbuch zu entwickeln. Gemeinsam nahmen sie die nötigen Kürzungen und Änderungen vor - insbesondere der Schluss wurde dramaturgisch zugespitzt (der Roman kommt laut Kindlers Literaturlexikon ohne dramatische und melodramatische Effekte aus). Noch während der Arbeit am Film wurde die Taschenbuchausgabe von Penguin Books verboten, denn diese konnte sich auch das schwarze Massenpublikum leisten, und das machte den ohnehin mißliebigen Roman für das Regime zum gefährlichen Sprengstoff.


Durch eine glückliche Fügung war Carlsen gleich mit zwei Kameramännern nach Südafrika gereist, dem Dänen Henning Kristiansen und dem Schweden Arne Lagercrantz. Ähnlich wie Toby im Film, wurde Carlsen von der südafrikanischen High Society freundlich empfangen - man erhoffte sich eine positive Berichterstattung. Carlsen wurde sogar ins engere Umfeld von Hendrik Verwoerd aufgenommen, dem damaligen Ministerpräsidenten und Architekten der Apartheids-Gesetze. Die beiden Kameramänner ermöglichten Carlsen ein regelrechtes Doppelleben: Während der eine Kameramann mit leerer Kamera so tat, als würde er gesellschaftliche Ereignisse filmen, drehte Carlsen mit dem anderen in Townships, wo er sich nicht einmal aufhalten, geschweige denn filmen durfte. Die belichteten Filmrollen wurden unentwickelt mit Diplomatenpost nach Dänemark geschickt. Das ging lange gut, doch dann wollten die Kameramänner die Qualität ihrer Arbeit kontrollieren, und es wurde eine Filmrolle an ein südafrikanisches Kopierwerk geschickt. Zwar ohne Ton, aber die Südafrikaner bekamen trotzdem Wind vom politischen Inhalt des Films - vielleicht durch einen Lippenleser. Jedenfalls war jetzt die Geheimpolizei auf der Spur der Filmemacher, und es gab eine diplomatische Anfrage im zuständigen dänischen Konsulat. Nur mit Mühe konnte der Film fertiggestellt und die letzten Filmrollen außer Landes geschafft werden. Wie Zakes Mokae viel später gegenüber Carlsen feststellte, hätte sogar die Gefahr bestanden, dass das Regime das komplette Filmteam verschwinden lässt. Als dann der Film Premiere hatte, kam es zu einer regelrechten diplomatischen Krise zwischen Südafrika und Dänemark. Bald danach bildeten sich in Kopenhagen, Stockholm und Oslo Anti-Apartheid-Komitees, und Dänemark, Schweden und Norwegen gehörten in den folgenden Jahren zu den Ländern, die am intensivsten gegen die Apartheid kämpften.


DILEMMA hat durchaus seine Fehler. Das Budget war minimal, Carlsen hatte keine Erfahrung mit Schaupielerführung, und die Darsteller, überwiegend Amateure, sind gelegentlich etwas hölzern. Manches wirkt plakativ, auf den politischen Zweck abgestellt. So wird etwa Annas indischer Ex-Mann nur eingeführt, damit Anna später Toby etwas über die sozialen und psychologischen Probleme von gemischtrassigen Ehen in Südafrika erzählen kann. Ereignisse der jüngeren südafrikanischen Zeitgeschichte - etwa die Enteignungen und Zwangsumsiedlungen von Schwarzen aus den Townships Alexandra und Sophiatown ins weiter vom Zentrum Johannesburgs entfernte Soweto - werden dramaturgisch etwas holprig in die Handlung integriert. Wie schon erwähnt, wird der alltägliche Rassismus in unterschiedlichen Abstufungen vorgestellt. Manchmal frontal: Etwa, wenn ohne weiteren Kommentar (der auch nicht nötig ist) eine Parkbank gezeigt wird, auf der "Nur für Weiße" steht - hier setzt Carlsen eine der Erfahrungen, die ihm 1958 einen Schock versetzten, eins zu eins ins Bild um. Tobys Sekretärin ist konsterniert über seinen freundschaftlichen Umgang mit Steven; als sie Steven Kaffee und Sandwiches servieren soll, reagiert sie patzig, und als sich Toby davon nicht beeindrucken lässt, kündigt sie. Ähnlich Tobys Vermieterin: Sie duldet keine "Kaffern" in ihrem Haus, und sie droht mit der Polizei, als Toby sie selbst und nicht Steven und Sam aus seiner Wohnung wirft. Aber es geht auch subtiler. Auf einer Party von Annas liberalen Freunden bittet eine junge Weiße Steven um eine Zigarette. Der hat nur noch eine, und er steckt sie sich, durch ein Gespräch abgelenkt, selbst in den Mund und zündet sie an, um sie dann doch der Frau anzubieten. Doch die zögert - sie zögert sehr lange, bis sie die Zigarette schließlich annimmt, und die Kamera hält währenddessen auf ihr Gesicht und zeigt ihre vielsagenden Blicke, die Unsicherheit ausdrücken. Solche Szenen waren es, die manche Rezensenten an John Cassavetes erinnerten.


Die kleinen Schwächen verblassen vor dem dokumentarischen und zeitgeschichtlichen Wert des Films. Immer wieder eingeschnittene Straßenszenen aus Johannesburg und den Townships, Aufnahmen aus verrauchten Kaschemmen, in die Toby - quasi als Kundschafter des Zuschauers (Gordimers Roman ist aus Tobys Ich-Perspektive geschrieben) - mit Steven vordringt, zeigen eine dynamisch pulsierende, urbane Metropole. Und das Wesen der Apartheid wird so deutlich enthüllt wie in keinem europäischen Film zuvor (von Hollywood ganz zu schweigen). (Diese Qualitäten - Stärken im Dokumentarischen und gewisse Schwächen in der Spielhandlung - wurden übrigens auch Rogosins COME BACK, AFRICA zugeschrieben.)


DILEMMA verfügt noch über eine andere Stärke, nämlich den Soundtrack. Dieser stammt zum überwiegenden Teil von Gideon Nxumalo, dem Darsteller von Sam (das "Nx" im Namen ist übrigens ein Schnalzlaut). Er spielte nicht nur einen Komponisten und Musiker, er war tatsächlich einer. Und zwar, bis zu seinem frühen Tod 1970, einer der vielseitigsten in Südafrika. Von europäischer Klassik über verschiedene Jazzrichtungen bis zu traditionellen einheimischen Musikstilen war er auf einem weiten Feld bewandert, aber sein Schwerpunkt lag im Jazz. Ein bekannter Radio-DJ war er auch. Seine Vielseitigkeit bewies Nxumalo auch in DILEMMA. Einerseits gibt es mehrere Szenen, in denen eine Band mit Sängern und Sängerinnen einen "Marabi" genannten eingängigen Jazz mit einem Einschlag von Rhythm and Blues spielt. Andererseits werden einige der Szenen in der schönen, strahlend hellen Wohngegend der weißen Oberschicht mit bewusst süßlicher Klaviermusik unterlegt und so ironisch kommentiert. An einigen markanten Stellen des Films stammt die Musik nicht von Nxumalo, sondern aus "We Insist! Freedom Now Suite", einem wegweisenden Konzeptalbum, das der Schlagzeuger Max Roach mit einer Handvoll Musiker 1960 in New York aufnahm. Die Sängerin und Gelegenheitsschauspielerin Abbey Lincoln, die später auch mit Roach verheiratet war, übernahm den Gesang. Formaler Höhepunkt von DILEMMA ist eine grandiose Montage, die eine Gewalttat mit der Geburt von Sams Kind verknüpft, und über die Lincolns expressiver Vocalpart aus dem Stück "Triptych" gelegt ist. Allein dieser Geniestreich macht schon sämtliche Schwächen des Films wett.


Zakes Mokae begann seine Laufbahn in den 50er Jahren in einer Theatertruppe, die er mit dem weißen südafrikanischen Schriftsteller Athol Fugard gegründet hatte. Nach DILEMMA fühlte er sich in Südafrika nicht mehr sicher, er verließ fluchtartig das Land und ging zunächst nach England, 1969 dann in die USA. Dort war er ein vielbeschäftiger Schauspieler, vor allem am Theater. 1982 gewann er für eine Rolle in einem Stück von Fugard einen "Tony", den Broadway-Oscar. Evelyn Frank war keinen direkten Schikanen ausgesetzt, aber das allgemeine Klima der Repression veranlasste auch sie 1965, mit ihrer Familie in die USA zu emigrieren. 1996 trafen sich Carlsen, Mokae, Evelyn Frank und Nadine Gordimer in Johannesburg wieder, was von dem dänischen Regisseur Anders Høgsbro Østergaard in der 53-minütigen Doku GENSYN MED JOHANNESBURG (JOHANNESBURG REVISITED) festgehalten wurde.


DILEMMA lief 1962 auf der Internationalen Filmwoche Mannheim und gewann dort drei Preise, darunter den Hauptpreis für den besten Spielfilm. Henning Carlsen stieg im Verlauf der 60er Jahre in die Oberliga der dänischen Regisseure auf, insbesondere durch die grandiose Hamsun-Verfilmung HUNGER (1966). Carlsens Website liegt zum größten Teil auch auf Englisch vor. Dort kann man auch seine Spielfilme auf DVD bestellen (jedoch nicht alle mit Untertiteln). Die DVD von DILEMMA bietet GENSYN MED JOHANNESBURG sowie ein 25-minütiges Video-Statement von Carlsen, in dem er die Entstehung von DILEMMA rekapituliert, als Bonus; die dänischen Teile des Bonusmaterials haben engl. Untertitel. UPDATE: Nach Carlsens Tod im Jahr 2014 ist die Website nicht mehr online.

Trailer:

Donnerstag, 29. September 2011

Ein Künstler in Auflösung: RYAN

RYAN
Kanada 2004
Regie: Chris Landreth
Sprecher: Ryan Larkin, Chris Landreth, Felicity Fanjoy, Derek Lamb


Der Kanadier Ryan Larkin (1943-2007) war vor über 40 Jahren ein Shooting Star, um nicht zu sagen ein Wunderkind, des Animationsfilms. Unter der Ägide des National Film Board of Canada (NFB) schuf er von 1966 bis 1972 vier Kurzfilme, außerdem ein paar kurze Clips, z.B. einen für die kanadische Forstverwaltung, in dem vor Waldbränden gewarnt wird. Norman McLaren, die geniale und über Jahrzehnte produktive Galionsfigur des NFB, nahm ihn unter seine persönlichen Fittiche. Nach der eineinhalbminütigen Talentprobe CITYSCAPES erregte schon sein zweiter Film SYRINX, der in impressionistischer Manier, mit Holzkohle gezeichnet, die griechische Sage von der Nymphe Syrinx interpretiert, Aufsehen. Der nächste Film, WALKING (franz. EN MARCHANT), der den menschlichen Gang zum Thema hat, wurde für einen Oscar nominiert und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, ebenso wie der darauf folgende STREET MUSIQUE, der Figuren in unablässiger surrealer Metamorphose zeigt. Mit WALKING und STREET MUSIQUE beeinflusste Larkin eine ganze Generation junger Animationsfilmer. Doch STREET MUSIQUE war für mehr als 30 Jahre sein letzter Film. Larkin, der schon seit seiner Kindheit psychische Probleme mit sich herumschleppte, wurde in den 70er Jahren alkohol- und kokainsüchtig. Er war nicht mehr zu kreativer Arbeit fähig, und schließlich ging sein Leben ganz in die Binsen - er landete als Bettler auf der Straße. In den letzten Jahren vor RYAN hatte Larkin immerhin einen ständigen Wohnplatz in einem Asyl in Montreal, aber er lebte weiterhin von der staatlichen Wohlfahrt und vom Betteln. Die Kokainsucht hatte er inzwischen überwunden, aber er trank immer noch zuviel.


Vor gut zehn Jahren lernte Chris Landreth, seinerseits ein Shooting Star des (computergenerierten) Animationsfilms, Larkin kennen und befreundete sich mit ihm. Mit Larkins Einverständnis beschloss er, eine animierte Dokumentation über dessen Karriere und Abstieg zu drehen. Akustische Grundlage des 14-minütigen RYAN bilden aufgezeichnete Gespräche zwischen Larkin und Landreth, zu denen Landreth mit seinem Team dann die Bilder schuf. Und was für Bilder! Ausgangspunkt sind realistische 3D-Animationen, die aber bei Chris - im Film werden die Figuren nur beim Vornamen genannt - von farbigen Strähnen und Fasern, die etwas an Arnulf Rainers Übermalungen erinnern, überlagert werden, und die die Brüche und Verletzungen der Person symbolisieren. Noch krasser ist die Darstellung von Ryan. Die jahrelange Sucht hatte ihre Spuren hinterlassen: Zwar sah er noch ganz gut aus, aber die Bewegungen waren fahrig, die Sprechweise oft stockend. Landreth visualisiert Ryans schlechten Zustand durch die Weglassung ganzer Körperteile und findet dabei schrecklich schöne Bilder, die etwas an David Cronenberg, an Salvador Dali und an Gunther von Hagens' "Körperwelten" erinnern. Landreth nennt den sich aus solchen Mitteln ergebenden Stil "Psycho-Realismus".


Die Figuren des Films werden komplettiert durch den langjährigen NFB-Produzenten Derek Lamb und Ryans frühere Lebensgefährtin Felicity, die ihre Sicht auf Ryans Weg beisteuern. Beim Gespräch mit Felicity kommt es zu einem gleichermaßen bewegenden wie befremdlichen Moment: Ryan sagt zu Felicity, dass er sie immer noch liebt, und dass sie hätten Kinder haben sollen. Hätte das seinen Abstieg verhindert? Das weiß natürlich niemand, aber Ryan glaubte es offenbar in diesem Moment. Im nächsten Abschnitt spricht Chris Ryans Alkoholismus an und will ihn überreden, auf den Alkohol zu verzichten, um wieder kreativ tätig werden zu können - was mit einem Wutausbruch Ryans endet. Weil sich Landreth in dieser Szene nachträglich wie ein Prediger vorkam, visualisiert er das mit grandioser Selbstironie, indem er Chris eine als Heiligenschein gestaltete Neonröhre aufsetzt und im passenden Moment anknipst. Der Heiligenschein brennt durch und fällt ab, als Chris auch in Bezug auf sich selbst persönlich wird: Indem er nämlich seine an den Folgen ihres Alkoholismus verstorbene Mutter Barbara (der der Film gewidmet ist) in die Erzählung einbezieht. Den Schluss des Films bildet eine Szene, die Ryan beim Betteln in seinem Viertel in Montreal zeigt.


RYAN gewann den Oscar für den besten animierten Kurzfilm, drei Preise in Cannes und diverse weitere Auszeichnungen. Parallel zur Entstehung des Films und darüber hinaus drehte der Dokumentarist Laurence Green die 52-minütige Doku ALTER EGOS, die das Verhältnis von Landreth und Larkin beleuchtet, weiteren Aufschluss über Larkins Vergangenheit bietet und dabei Aspekte anschneidet, die im kurzen RYAN fehlen mussten. Emotionaler Höhepunkt von ALTER EGOS ist die Szene, in der Larkin zusammen mit Landreth zum ersten Mal RYAN gesehen hat. Er ringt sich ein "I'm not very fond of my skeleton image!" ab und ist ansonsten ziemlich sprachlos - er muss erst verdauen, was er da gesehen hat. (Später soll er sich beschwert haben, dass er von Landreth zu grotesk dargestellt wurde.) Obwohl RYAN fast komplett in ALTER EGOS enthalten ist, ist Greens Film alles andere als ein übliches Making Of. Tatsächlich lässt Green kritische Distanz zu Landreth erkennen: Sowohl im Film selbst als auch in seinem Audiokommentar dazu lässt er durchblicken, dass er das, was Landreth mit Larkin gemacht hat, für eine Art von Ausbeutung hält. Landreth selbst sagt auch in ALTER EGOS, dass er das Projekt als Künstler und nicht als Sozialarbeiter anging. Doch da trifft er sich mit Larkin, für den ebenfalls die Kunst die einzige Motivation für seine Filme war.


Für Ryan Larkin schien es nach RYAN ein Happy End zu geben. Er bekämpfte seinen Alkoholismus, wurde wieder kreativ tätig und begann die Arbeit an einem neuen Film mit dem Titel SPARE CHANGE. Landreth, Green und das durch RYAN erzeugte neue Interesse mögen zu dieser Wende beigetragen haben, aber die wichtigste Motivation bestand in dem Ehepaar Laurie Gordon und Krassy Halatchev, die zusammen das Elektropop-Duo Chiwawa bilden. Tatsächlich begann Larkins Freundschaft und Zusammenarbeit mit Chiwawa schon 2002. Aus Skizzen für ein Albumcover entstand der Plan zu SPARE CHANGE, Larkin übernahm auch andere kleine Aufträge, z.B. gestaltete er Bumpers für MTV Canada, und er hatte wieder ein eigenes Einkommen und ein Bankkonto. Als er wegen schlechten Betragens aus dem Asyl flog, zog er bei Gordon und Halatchev ein. SPARE CHANGE behandelt zunächst selbstironisch Larkins bisherige Existenz als Straßenbettler und bricht von diesem Ausgangspunkt zu einem Trip in den Himmel und die Hölle auf. Der Soundtrack wird von Chiwawa beigesteuert. Larkin war also auf einem guten Weg, doch im Februar 2007 starb er an Krebs. Die einzelnen Szenen von SPARE CHANGE waren schon weitgehend animiert. Der Film wurde von Laurie Gordon als Produzentin und Co-Regisseurin gemäß Larkins Anweisungen fertiggestellt und 2008 herausgebracht.


RYAN ist in den USA auf einer Special Edition DVD erschienen, die auch ALTER EGOS, Larkins SYRINX, WALKING und STREET MUSIQUE sowie THE END und BINGO, die ersten beiden Filme von Landreth, enthält. Alle sieben Filme sind auch mit einem Audiokommentar des jeweiligen Regisseurs versehen.

RYAN:


ALTER EGOS:


Filme von Ryan Larkin:










Die Filme von Ryan Larkin und Chris Landreth und weiteres Material wie Interviews gibt es auch bei YouTube.

Samstag, 24. September 2011

Cole Porter in den Mühlen einer verlogenen Traumfabrik

De-Lovely - Die Cole Porter Story
(De-Lovely, USA/Grossbritannien 2004)

Regie: Irwin Winkler
Darsteller: Kevin Kline, Ashley Judd, Jonathan Price, Kevin McNally, Sandra Nelson, Allan Corduner, Keith Allen, James Wilby u.a.

Kevin Kline ist zweifellos ein mehr als beachtlicher Schauspieler, der sowohl im dramatischen Fach (“Sophie’s Choice”, 1982) als auch in Komödien (“A Fish Called Wanda”, 1988) Ausserordentliches vorzuweisen hat. Zu Beginn des Jahrtausends liess er sich jedoch zu zwei Filmen unter der Regie von Irwin Winkler hinreissen, die ich nicht nur als enttäuschend, sondern - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - als regelrechte Ärgernisse empfand. Dass ihm die angebotenen Projekte verlockend, weil prestigeträchtig und wie für ein amerikanisches Publikum gemacht, vorkommen mussten, ist nachvollziehbar. Irwin Winkler war allerdings als Regisseur nicht annähernd so gut wie als Produzent von Filmen wie “Music Box” (1989) oder “Goodfellas” (1990); dies hatte schon sein Erstling “Guilty by Suspicion” (1991) gezeigt. Was die beiden Filme mit Kevin Kline jedoch so bedenklich erscheinen lässt, ist nicht bloss ihre konventionelle, uninspirierte Machart. Eine ausführlichere Besprechung der Krebs-Schmonzette mit reaktionärer Botschaft "Life as a House" (2001), einer Zumutung für jeden Schwerstkranken, der kurz vor seinem Tod nicht mehr auf Dachbalken herumjonglieren kann, erspare ich mir hier  und beschränke mich auf das Machwerk, das sich offenbar als zeitgemässe Darstellung des Lebens eines der grossen Musical-Komponisten der Vereinigten Staaten versteht.


Zuerst ein Outing: Ich bin ein grosser Fan älterer Musicals im Film und auf der Bühne, und ich schätze Cole Porter nicht zuletzt deshalb, weil er seiner Musik einzigarte, oft rotzfreche, aber auch zärtliche Liedtexte zu unterlegen vermochte. Diese Möglichkeit verdankte er einer Zeit, in der das Motto “Anything Goes” mit einer Bedeutung erfüllt war, die in einer Musical-Verfilmung oder gar in einem Biopic deutlich zum Ausdruck kommen müsste... - Leider erwies sich das moralinsaure Hollywood stets als unfähig, diese Aufgabe auch nur annähernd zu bewältigen: Filme wie “Kiss Me, Kate” (1948) oder “High Society” (1955) kommen viel zu bieder daher; das von Michael Curtiz gedrehte Biopic “Night and Day” (1946) mit Cary Grant muss sogar eine derart überzuckerte und verlogene Schnulze sein, dass mir ein paar Ausschnitte reichten. - Im Jahre 2004 hätte man eine dem Leben des Komponisten angemessene Verfilmung, die das Schrille, Abgründige jener Zeit, in der der von inneren Dämonen gequälte Cole Porter seine grossen Erfolge feierte, nicht bloss andeutungsweise (Dekor und Kostüme) vermittelt wird, erwarten dürfen - freilich nicht unter der Regie von Irwin Winkler!

“De-Lovely” bettet die Geschichte von Cole Porter in eine bereits vielsagende Rahmenhandlung ein: Der dem Tode nahe Komponist darf seine wichtigsten Stationen (Paris, Venedig, New York, Hollywood) noch einmal in Form einer Nummernrevue an sich vorüberziehen lassen - Regisseur ist Gabe (der Erzengel!). Und wir erleben mit ihm noch einmal in schwelgerisch-farbenfroh arrangierte Bilder (das himmlische Personal hat weder Kosten noch Mühen gescheut!) eingebettete Höhepunkte aus dem wiederum zurechtgerückten Leben eines Genies, die mit den wunderschönen, leider oft von bedeutungslosen Dialogen begleiteten Songs (sie werden z.T. von zeitgenössischen Künstlern wie Robbie Williams, Alanis Morissette, Sheryl Crowe und Natalie Cole interpretiert) der Musical-Legende angereichert sind - und ohne jeglichen Tiefgang geradezu langweilig-uninspiriert abgespult werden (selbst das berühmte Duett “Well Did You Evah!” wirkte 1955 von Bing Crosby und Frank Sinatra dargeboten wesentlich frecher, dem Geist von Cole Porter entsprechender, als hier), was den Eindruck erweckt, Winkler habe lediglich eine - allerdings kostspielige - Pflichtübung in Sachen Kitsch absolviert.

Kevin Kline und Ashley Judd spielen ihre Rollen als Ehepaar (genauer: Komponist und Muse) Cole und Linda Porter, der wohlhabenden Frau, die sich den Luxus leistete, täglich neue Handschuhe anzuziehen und ihrem Mann zu jeder Premiere ein teures Zigarettenetui zu schenken, hervorragend, überzeugen als jugendliche “Let’s Misbehave”- Europäer ebenso wie als langsam alternde und leidend-gehässige Figuren (Cole Porter war nach einem Reitunfall schwer verletzt und musste sich gegen Ende seines Lebens beide Beine amputieren lassen, die Kettenraucherin Linda starb an einer kaputten Lunge); sie wurden entsprechend auch für den Golden Globe nominiert. Die sie umgebenden Figuren, die - wie Monty Woolley, Irving Berlin oder Louis B. Mayer - für Leben und Karriere des Komponisten von grosser Bedeutung waren, wirken hingegen so blass und bedeutungslos wie die vielen Männer, mit denen Cole Porter Sex hatte (Cole war schwul, wenn er hier auch als bisexuell gezeichnet und bloss beim Sich-Anziehen nach einer Nacht mit einem russischen Balletttänzer oder beim Kuss im Halbdunkel gezeigt wird - was der reaktionären Tendenz des Films entspricht). - Das Ehepaar scheint sich jedoch nicht viel zu sagen zu haben: Cole betont höchstens alle drei Minuten, er habe den eben gehörten Song bloss für Linda geschrieben. Wie unsagbar billig, einfallslos und verlogen!


Einige Szenen deuten an, was aus “De-Lovely” hätte werden können: Ich denke etwa an die Reaktion Porter’s auf das Aufbegehren eines Schauspielers, er könne das (einen grossen Stimmumfang benötigende) Lied “Night And Day” nicht singen. Der Komponist begibt sich auf die Bühne, zeigt dem sich Beklagenden, wie man sich einfühlt - und dann performt der Junge, der nach der Premiere seinem Lehrer zur "Verfügung” steht, den Song perfekt vor Publikum. Besonders hübsch wirkt auch Cole’s Reaktion auf die Bitte von Louis B. Mayer, für den Film einfache Songs zu schreiben: Er macht ihn zum Song “Be A Clown” zum - Clown! - Andererseits verzichtet Winkler auf eine lineare Abfolge der Songs, was wenigstens die Chronologie der Erfolgsmusicals von “Paris” über “Anything Goes” bis zum nach einem langen Tief unerwarteten Comeback mit “Kiss Me Kate” rekonstruieren liesse. Stattdessen werden - und das empfand ich als grösstes, weil richtig peinlich wirkendes Ärgernis - die Songs so eingebaut, dass sie der Handlung gerade entgegenkommen: Wenn Cole mit Linda im Park spaziert, stösst man "zufällig" auf ein Klavier und trällert “Easy to Love”, wenn er eine Bar mit schwulen Strichern betritt, erklingt passend “Love For Sale” - und kurz vor seinem Tod tröstet ihn der Chor mit “Blow, Gabriel, Blow”(keine Hintergedanken, bitte!). Dass man zum Song "De-Lovely"  auch noch laute Streitereien zwischen Linda und ihrem Ex-Mann aufgetischt bekommt oder den Small Talk zum untypischen Duett "True Love" geniessen darf, macht den Film zum denkbar fragwürdigsten "Erlebnis".  - Dies sind die Momente, in denen man bereut, dass man sich anstelle der DVD nicht eine CD mit Cole Porter-Songs gekauft hat. Denn die jugendliche "Ausgelassenheit" in Europa, der dekadente Lebensstil, dem man sich an einem Swimming Pool in Hollywood hingibt und die diversen Trennungen und Erpressungen wegen der Männergeschichten füllen beim besten Willen kein offensichtlich hoffnungslos überteuertes Biopic, das zwar nicht gar so langatmig sein mag wie Taylor Hackford's "Ray" (2004) oder "Walk the Line" (2005)  von James Mangold, jedoch noch eine Spur banaler.

Die “Komische Oper Berlin” inszenierte 2008 “Kiss Me Kate” auf eine Weise, die dem Perfektionisten Cole Porter vielleicht nicht gefallen hätte, jedoch zeigte, dass man den der Musik zugrunde liegenden Geist heute sehr wohl zu erfassen und dem Publikum zu vermitteln vermag: schrill, ausgelassen, wild, bewusst dekadent eben. Die Bianca umschwärmenden Männer (“Any Dick, Tom, Or Harry”) werden zu glitzernden Cowboys, einer von ihnen zieht sich hinter der Bühne gelegentlich eine Prise Koks rein und der Beginn des zweiten Akts (“Too Darn Hot”) präsentiert herrlich gelangweilt-besoffene Gestalten usw. usw. - Leider war es mir nicht möglich, mir diese heute eines Cole Porters würdige Inszenierung in Berlin anzusehen, und ich musste mich auf eine Aufzeichnung von 3sat verlassen. Sollte sich der Sender gelegentlich zu einer erneuten Ausstrahlung aufraffen: dort kann man sehen, was gezeigt werden müsste, man von einem Vertreter des neuen reaktionären Kinos wie Irwin Winkler jedoch nicht im Traum erwarten darf.

***

Eigentlich wollte ich mich mit einem fulminanten, beinahe schon dekadenten Musical in den Urlaub verabschieden. Fehlende Zeit und Energie machten es jedoch nötig, den schon an anderer Stelle veröffentlichten Verriss leicht zu modifizieren und als Ersatz anzubieten. Dies möge der Leser bitte entschuldigen!

Ich muss aus privaten Gründen leider auch auf das übliche Versprechen verzichten, mich prompt nach sechs Wochen Absenz wieder hier einzufinden und meinen Mist im gewohnten Rhythmus zu liefern. Es wird sicher wieder "Whoknows" geben, möglicherweise aber nicht mehr gar so oft und häufiger mit Kurzbesprechungen. - Aus diesem Grund möchte ich meinem Co-Admin Manfred Polak auch noch öffentlich das gestatten, was er eigentlich schon längst dürfte: grundsätzliche Änderungen am Layout nach Absprache, die Aufnahme neuer spannender Blogger in die Blogroll - und sollte er auf einen würdigen und interessierten (Teilzeit-)Mitautor (alle drei bis vier Wochen ein Beitrag) stossen, wäre dies nur in meinem Interesse. --- Mag  all das jetzt auch ein wenig  gedämpft wirken: Geniesst die Zeit ohne mich! Wir lesen uns!

Montag, 19. September 2011

Aktion Splatter-Mutti

Schon oft war, liebe Leserin, lieber Leser, in Kommentaren von ihr die Rede. Auf sie wurde dies und jenes abgewälzt, manchmal erhielt schon die blosse Nennung ihres furchterregenden Namens etwas Drohendes, erinnerte - vor allem, wenn sich mein Co-Admin seiner bemächtige - an Kannibalen. - Ist es nicht an der Zeit, diesem bislang gesichtslosen Wesen einen eigenen Blog-Eintrag zu widmen, einen Eintrag, der erst noch die zahlreichen Aktionen der übrigen Blogger überbietet und mit Gewinnen lockt, für die selbst ein Guido Westerwelle der 'anderen Fraktion' beitreten würde? --- Hier ist sie: Splatter-Mutti!


Splatter-Mutti schätzt es, dies muss vielleicht betont werden, nicht besonders, in der weiten Welt des Internets mit all ihren Lastern geoutet zu werden, weshalb ich allfällige Betrachter des Bildes bitten möchte, mit dem beigefügten Balken Augen oder die riesige Nase, die ihr Gesicht ziert, abzudecken (ein Tipp: Entscheidet euch für Letzteres!).

Das rüstige Mädchen giert, wie ihr vielleicht schon wisst, nach Horror! Diesen Pfad der Sünde betrat sie in den 60er Jahren, als sie sich vom Titel "Erbschaft um Mitternacht" verführen liess und sich nicht darum kümmerte, dass es sich beim vermeintlichen Gruselfilm um eine der vielen Verfilmungen des Bühnenstücks "The Cat and the Canary" mit dem Komiker Bob Hope in der Hauptrolle (!) handelte. - Und bald sollte Schlimmeres folgen: Auf die pastorale Begleitung ihres frommen Sohnes zählend, zog sie sich Tod Browning's "Dracula" (1931) und James Whale's "Bride of Frankenstein" (1935) rein, ging dann rasch zu den blutigen Schockern über, die ihr die Hammer-Studios boten. In den frühen 80ern musste der sich eigentlich der Seele zuträglicheren Dingen widmen wollende Whoknows sogar "The Omen" (1976) und "Freitag der 13." (1980) für sie aus dem Französischen übersetzen, weil lediglich der französischsprachige Sender der Schweiz den Mut aufbrachte, solchen Schrott ungeschnitten zu zeigen (wie nutzlos ihre "Was sagen sie jetzt?"-Fragen, ging es doch lediglich um die Hautbrösel, die der sich durch Kevin Bacon's Hals arbeitende Bohrer hinterlassen würde!).

Nun, das Genre hat sich weiterentwickelt, und Splatter-Mutti ist noch immer seine gewinnbringendste Anhängerin. Sohnemann, eher für andere Filme gemacht, beobachtet das Geschehen aus der Ferne, gesteht sogar beschämt ein, manche Horror-Filme mittlerweile zu schätzen (die Folgen der sozialen Verlotterung!). Dass sich unsere Vorlieben nur in seltenen Fällen decken, versteht sich wohl von alleine. Es kommt deshalb, mag ich das weitsichtige Kind auch vom Kauf der traurigsten Erzeugnisse abhalten, immer wieder zu Auseinandersetzungen. - Und hier beginnt mein Problem:  Wir benötigen mehr Horrorfilme, von denen wir am Ende unisono sagen können: Doch, der war gut!

Hier eine Liste, die zeigt, wie schwer die gestellte Aufgabe ist:

Splatter-Mutti-Favoriten

The Ring Two (2005)
Sie behauptet, der langweilige zweite Teil habe es in sich. Ich hingegen bemerkte sehr wohl, mit welch furchteinflössendem Blick sie mich anstarrte, als Naomi Watts (sonst eine von mir geschätzte Darstellerin) ihren Sohn in der Badewanne ertränkte. Mittlerweile dusche ich nur noch und hoffe, sie sehe in mir nicht plötzlich einen Marion Crane-Ersatz.

 


Hostel (2005)
Nach einer halben Stunde ertönte ihre röchelnde Stimme: "Die machen ja nur Sex!". Eine halbe Stunde später liess sie verlauten: "Jetzt muss er ihr das Auge rausschneiden!" - Ich vermag nicht zu sagen, welche Bemerkung mir lüsterner vorkam...


The Ruins (2008)
Während Sohnemann in der Küche den sonntäglichen Stufato zubereitete, klang es andauernd begeistert aus dem  Wohnzimmer: "Jetzt fressen sich die Dinger in sie rein. Sie müssen sich die Beine selber abschneiden!". Mittlerweile bin ich über den Inhalt des "Films" so gut informiert, dass ich mich einer Sichtung schlicht verweigere (mein Stufato war dennoch wie üblich ein Gedicht).




Whoknows-Favoriten

Stir of Echoes (1999)
Obwohl Kevin Bacon meine Splatter-Mutti in Wallungen versetzt, seit er Meryl Streep in "The River Wild" (1994) als Bösewicht in ebensolche versetzen durfte, vermag sie ausgerechnet diesen feinen kleinen Thriller, der, wie Sohnemann, der sich selber mal von einer Fachperson in Hypnose versetzen liess, ihr versicherte, durchaus realistische Momente aufweist, nicht zu schätzen. Wie geschmacklos, drängte sie mich doch sonst zum Kauf aller Filme, in denen Bacon mitspielte - inklusive "Footloose" (1984)!

The Skeleton Key (2005)
Voodoo at its best! Ein okkulter Thriller ohne billiges Blutvergiessen und sogar mit der einzigartigen Gena Rowlands in der Hauptrolle. Der spannende Film lässt den Liebhaber gepflegten Grusels vergessen, dass eine gewisse Kate Hudson mit von der Partie ist. - Und Splatter-Mutti findet ihn unverständlich!


Hard Candy (2005)
Splatter-Mutti kann es nicht ertragen, dass sich ihr Sohn zum erwachsenen Mann gemausert hat. Vielleicht bereitet ihr ein Film, in dem sich ein pubertäres Gör zum Racheengel entwickelt, deshalb solche Schwierigkeiten. Vielleicht vermisst sie aber auch das gewohnte "Zürcher Geschnetzelte", das sie von ihren Lieblingsfilmen her gewohnt ist.





Ausnahmen, die wir beide mochten (auch Halleluja-Filme genannt)

Frailty (2001)
Splatter-Mutti schlief während der ersten abendlichen Sichtung ein und erklärte den Film zu - nun, ich will mich hier nicht über ihren gelegentlich ungepflegten Wortschatz auslassen. Ich tat, was ich in solchen Fällen tue: An einem friedlichen Sonntag wurde sie an den Sessel gefesselt und musst sich "Frailty" noch einmal anschauen. Sie bereute den hinterhältigen Film, dem man sogar sein "reaktionäres" Ende verzeiht, nicht.

The Others (2001)
Sohnemann erzählte der Tom Cruise-Hasserin, der Star habe Amenábar gebeten, nach Hollywood zu kommen und mit ihm in der Hauptrolle ein Remake von "Abre los ojos" zu drehen, worauf der Regisseur gesagt habe, er käme gern, würde aber einen genialen Film mit der Ex von Cruise drehen. Ein überzeugenderes Argument konnte es gar nicht geben.


 

May (2002)
Splatti, schon immer eine liederliche Hausfrau, überlässt Näharbeiten gerne ihrem Sohn und hoffte, der Film würde ihn motivieren. Stimmt! Ich, an sich ein scheues Reh, bastle jetzt gerade an einer süssen kleinen Puppe...






Unser beider No-Go

 [●REC]
Nach einer halben Stunde flehte mich Splatter-Mutti an: Stell dieses sinnlose Geflacker aus. Ich glaube, dies war einer jener seltenen Augenblicke, in denen ich sie liebte - oder zumindest mochte.






Man sieht: Es ist nicht leicht, Horror-Filme zu finden, mit denen wir beide leben können. Splatter-Mutti zieht Blut und andere Scheusslichkeiten vor, während ich mich gern gepflegtem Grusel hingebe. Und wer nun glaubt, hier mit Filmen wie "Wishmaster" (1997), "The Gathering" (2002), "Dead End" (2003), "House of Wax" (2005), "The Legend of Lucy Keys" (2005), "Das Waisenhaus" (2007) oder "Drag me to Hell" (2009) anrücken zu können, sollte mal den riesigen Schrank sehen, in dem ich unsere Splatter-Mutti-Abteilung vor Besuchern zu verstecken pflege. Da ist schon der Kenner gefragt, der uns das ganz Spezielle, bietet, mit dem Geheimtipp des Jahrhunderts aufwartet. Und wer denkt, insbesondere mich mit diversen "Saw"-Fortsetzungen oder "Hatchet" beeindrucken zu können: Forget it!

Den Lieferanten von brauchbaren Tipps winken jedoch zwei sensationelle Preise:
1. Preis: Der Gewinner darf ein Jahr lang jeden Monat auf eigene Kosten in die Schweiz reisen und Splatter-Mutti die Zehennägel schneiden. Handschuhe sind noch immer empfohlen, obwohl sich ihr Fusspilz merklich zurückgebildet hat (er reicht jetzt nur noch bis zu den Knien).
2. Preis: Der Gewinner darf zusammen mit mir ein feines Diner in einem Basler Luxusrestaurant geniessen und erst noch für beide bezahlen.

(Den Trostpreis, eine Nacht mit unserer Nachbarin aus dem Emmental, hat sich schon mein geschätzter Co-Admin für "Screamplay" geholt. Niemand von uns konnte ahnen, auf was wir den armen Kerl angesetzt hatten. Dank tatkräftiger Unterstützung durch Polizei und Feuerwehr gelang es uns jedoch, Manfred aus den Klauen der Bestie zu befreien. Über den "Nutzen" des beigezogenen Exorzisten wird noch vor Gericht verhandelt.)

Wenn sich das mal nicht lohnt! - Überbietet doch alle anderen Aktionen im Reiche der Blogger.

Man könnte vielleicht irrtümlich annehmen, ich hätte diesen Eintrag ohne Bewilligung von Splatter-Mutti geschrieben, weshalb ich hier noch ihre ausdrückliche Einverständniserklärung nachliefere:
"Ich, Splatter-Mutti, erlaube hiermit meinem geliebten Sohn Whoknows, die gewohnt mit Weisheit gewählten Worte in sein Blog aufzunehmen. Meine Splatter-Mutti."

***

So! Leute, die mich halbwegs kennen, wissen mittlerweile, dass ich mehr als reif für den Urlaub bin, wenn mir nur noch solcher Unsinn durch den Sinn geht. Ein untrügliches Zeichen, das auch hier seine Gültigkeit bewahrt. Es gibt nach diesen tiefgründigen Ausführungen zu Splatter-Mutti noch eine Filmbesprechung; dann habt ihr mal wieder ein paar Wochen Ruhe vor mir. Schätzt euch glücklich, dass sogar Whoknows gelegentlich sein kreatives Päuschen benötigt und das Blog seinem wesentlich seriöseren Co-Admin Manfred Polak überlassen muss!

Mittwoch, 14. September 2011

Kriegsfilm ohne Schauspieler: WESTERN APPROACHES

WESTERN APPROACHES
Großbritannien 1944
Regie: Pat Jackson
Darsteller: Mitglieder der britischen Handelsmarine


Vor einigen Wochen las ich einen Nachruf auf Pat Jackson, der mit 95 Jahren gestorben war - ein Regisseur, von dem ich bis dahin noch nichts gehört hatte. Als sein Hauptwerk wird darin WESTERN APPROACHES (der Titel bezieht sich auf einen westlich der britischen Inseln gelegenen Abschnitt des Atlantik) gerühmt, ein unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen entstandener Kriegsfilm im semidokumentarischen Stil, der den Beitrag der Handelsmarine zum Erfolg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg feiert. Der Film wurde seinerzeit als Meisterwerk gerühmt, geriet aber etwas in Vergessenheit, bis er vom britischen Imperial War Museum zuerst auf Video und dann auf DVD veröffentlicht wurde. Da die DVD nicht viel kostet, habe ich sie bestellt, und es hat sich gelohnt.


Bekanntlich haben Konvois aus Frachtschiffen, die von Kriegsschiffen begleitet wurden, durch die Lieferung von Kriegsmaterial und sonstigen Gütern aus Nordamerika nach Großbritannien dazu beigetragen, dass die Briten den Zweiten Weltkrieg siegreich überstanden. Gefahr drohte von deutschen U-Booten - es starben im Weltkrieg mehr Mitglieder der britischen Handelsmarine als Angehörige der Royal Navy oder der anderen Teilstreitkräfte. WESTERN APPROACHES verfolgt zunächst parallel zwei unabhängige Handlungsstränge: Während sich ein Konvoi von New York aus auf den Weg über den Atlantik macht, kämpft die Besatzung der versenkten Jason in einem Rettungsboot ums Überleben. Da ein Funkgerät intakt und die eigene Position bekannt ist, besteht Hoffnung auf Rettung, aber die Vorräte sind knapp. Unterdessen verliert ein Frachtschiff im Konvoi, die Leander, den Anschluss und damit den militärischen Schutz. Die Handlungsstränge kreuzen sich, als die Leander, allein unterwegs, einen Funkspruch mit Positionsmeldung aus dem Rettungsboot empfängt. Doch in unmittelbarer Nähe des Rettungsbootes taucht ein deutsches U-Boot, das den Funkspruch ebenfalls aufgefangen hat. Das Rettungsboot wird als zu mickrige Beute ignoriert, dafür legt sich das U-Boot auf die Lauer, um das zur Rettung herannahende Schiff zu torpedieren. Doch einer der Männer der Jason entdeckt das Periskop des U-Boots, und es gelingt, die Leander noch zu warnen. Das U-Boot hat nur noch zwei Torpedos an Bord, von denen einer danebengeht und der andere zwar trifft, aber die Leander nur beschädigt, so dass sie manövrierfähig bleibt. Der Kapitän des U-Boots will der Leander mit seiner Bordkanone den Rest geben, aber auch die Leander hat eine Kanone an Bord. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...


Pat Jackson entstammt der britischen Dokumentarfilmbewegung der 30er Jahre. Keimzelle der Bewegung war die von John Grierson geleitete Filmabteilung des General Post Office (GPO), in der Regisseure wie Grierson, Humphrey Jennings, Harry Watt und Alberto Cavalcanti den Dokumentarfilm als eigenständiges künstlerisches Genre etablierten. Jackson stieß noch als Jugendlicher zu dieser Truppe und war z.B. an der Entstehung von NIGHT MAIL (1936), einem der erfolgreichsten dieser Filme, beteiligt, und ab 1938 inszenierte er selbst kurze Dokumentarfilme. WESTERN APPROACHES war sein erster Spielfilm. Als der Kriegsausbruch zunehmend Dokumentarfilme mit kriegsbezogenem oder propagandistischem Inhalt hervorbrachte, wurde GPO Films dem Informationsministerium eingegliedert und in Crown Film Unit umbenannt, und die Crown Film Unit war es, die WESTERN APPROACHES produzierte, mit Unterstützung der Handels- und der Kriegsmarine. Zunächst war ein reiner Dokumentarfilm geplant, und die Marine wünschte Harry Watt (der mit TARGET FOR TONIGHT (1941) schon eine die Royal Air Force feiernde Dokumentation gedreht hatte) als Regisseur, aber Produzent Ian Dalrymple setzte Pat Jackson durch.


Der dokumentaristische Hintergrund von Jackson und der Crown Film Unit manifestierte sich vor allem in zwei Aspekten. Erstens wurden alle auf See spielenden Szenen - und das ist bis auf drei oder vier Szenen in einem Besprechungsraum und in der Einsatzzentrale der Konvois der gesamte Film - auch tatsächlich in der irischen See gedreht - wie eingangs schon erwähnt, unter gefährlichen und sehr schwierigen logistischen Bedingungen. (Die in Jacksons IMDb-Biographie erwähnten Aufnahmen mit Modellen im Studio sind nichts als Unsinn.) Und zweitens wurde der Film gänzlich ohne professionelle Schauspieler gedreht. Vielmehr besteht die Besetzung aus echten Matrosen, Unteroffizieren und Offizieren der Marine, die sich - innerhalb einer fiktionalen Handlung - mehr oder weniger selbst spielen (einzige Ausnahme ist Pat Jackson, der selbst eine Rolle in seinem Film übernahm). Die unverbrauchten Gesichter, die authentische Sprache (die Seeleute durften ihre Dialoge innerhalb eines gewissen Rahmens improvisieren) und die automatisch sitzenden Bewegungsabläufe sorgen für eine ungemeine Authentizität des Films. (Was die Sprache betrifft, so erhob das British Board of Film Censors an mehreren Stellen Einwände wegen zu drastischer Ausdrücke. Die Authentizität wird etwas getrübt dadurch, dass die Besatzung des deutschen U-Boots, die im Film nur Deutsch spricht, von Holländern gespielt wird, was unsereins am Akzent leicht bemerkt. Da das dem britischen Publikum kaum auffallen konnte, sollte man dem Film diesen kleinen Schönheitsfehler nachsehen.) Und es ergeben sich atmosphärisch äußerst dichte Momente, die das Zusammengehörigkeitsgefühl und den schwierigen Alltag der Seeleute wiedergeben, wie das ein mit Stars besetzter Film eines großen Studios kaum könnte.


Zwei andere Aspekte des Films verweisen jedoch darauf, dass WESTERN APPROACHES auch ein spannender Spielfilm ist: Zum einen die symphonische Musik von Clifton Parker, die dramatische Akzente an den richtigen Stellen zu setzen weiß (wie in so vielen britischen Filmen wurde sie vom Routinier Muir Mathieson eingespielt). Vor allem aber beeindruckt die grandiose Kameraarbeit. WESTERN APPROACHES wurde in Technicolor gedreht - bei britischen Filmen der Kriegsjahre ein seltenes Privileg (einziges anderes mir bekanntes Beispiel ist Laurence Oliviers HENRY V). Die Kamera führt kein Geringerer als Jack Cardiff, und ihm gelingen eindrückliche und stimmungsvolle Aufnahmen, die sowohl dokumentarische als auch dramatische Qualitäten aufweisen. Die gelungene Kombination dieser beiden Aspekte insgesamt ist es, was WESTERN APPROACHES zu einer sehenswerten Ausgrabung macht.


Wie oben schon erwähnt, ist WESTERN APPROACHES in einer DVD-Reihe des Imperial War Museum erschienen. Die Scheibe enthält einen Audiokommentar, der von Pat Jackson und Toby Haggith, einem Historiker aus dem Filmarchiv des Imperial War Museum, gemeinsam bestritten wird, sowie einen Bonusfilm.

Sonntag, 11. September 2011

Loblied auf drei Blogs (inklusive Tipps für Blogger)

Ich nehme mir gelegentlich die Freiheit, auf Blogs hinzuweisen, die ich zwar meistens nicht selber entdeckt habe, die sich aber neu oder schon während längerer Zeit in unserer Blogroll befinden - und mehr Beachtung verdienen. Heute gibts zusätzlich ein paar gruftige Hinweise, wie man sich diese Beachtung selber erarbeiten und Leser respektive Freunde finden kann.

Kintopp gehört schon beinahe zu meinen Oldies, und man muss unoculus auch zugestehen, dass er alles unternimmt, um sich zu präsentieren. Er ist Mitglied der Aktion DÖS, glänzt mittlerweile in diversen Blogrolls - und erhält trotzdem noch nicht die zahlreichen Kommentare, die seine ausserordentlich spannenden Besprechungen verdienen. - Auch Leons Filmreviews und Buchrezensionen schuftet sich seit 2009 ab und muss hier endlich lobend erwähnt werden. Ich entdeckte ihn zufällig dank der gegenwärtig grassierenden Filmstöckchen-Seuche und bemerkte, dass er das Blog nachtsichtgeräte meines Spezis mono.micha in seiner bislang kleinen Blogroll besonders empfahl - was mich ausserordentlich freute und zu seinem Leser machte. - Das dritte Blog, das ich euch heute ans Herz legen möchte, wird von einem viel versprechenden Neuling (für den ich ihn allerdings nicht halte) betrieben, dessen Schwerpunkt mich besonders begeistert: humphreyboagart von Opas Filmkiste beschäftigt sich nämlich kenntnisreich mit Hollywood-Oldies, stellt zudem auch spannende Neuveröffentlichungen älterer Filme auf DVD vor. Hoffentlich lässt er uns nicht nach den ersten Einträgen bereits sitzen...

Diese drei Blogs verlangen Aufmerksamkeit, Leute! Sie wollen gelesen, kommentiert und verlinkt werden. Tut es!

***

Und da wir schon mal dabei sind: Neulinge und Blogger, die sich bereits seit geraumer Zeit etwas einsam in unserer virtuellen Welt tummeln, können natürlich auch selber aktiv werden und etwas für sich tun. Ich möchte hier wenigstens auf die wichtigsten und aussichtsreichsten Möglichkeiten der Präsentation seiner eigenen Arbeit hinweisen:

- Kommentare in anderen Blogs sind noch immer die beste Methode, wenn man auf sich aufmerksam machen will. Sie bringen nicht einfach nur Klicks, sondern bald auch interessierte Leser, die sich gerne revanchieren. Ich bezeichnete das Kommentieren gegenüber einem Stummfilm-Spezialisten  mal als “Sich-Einschleimen”, was es natürlich nicht ist. Jeder Blogger, der sich nicht bereits in einer höheren Sphäre wähnt, ist dankbar, wenn er sieht, dass er wahrgenommen wird. Und kein Kommentierender wird je auf die Idee kommen, sämtliche Postings mit einem billigen “Hey, ist das geil!” zu quittieren. Ergänzungen, freundlich-spassige Bestätigungen oder höflich formulierte und begründete Ablehnungen einer Meinung sind der Anfang einer guten Beziehung. Die Frage nach einer gegenseitigen Verlinkung mag - falls überhaupt nötig - der nächste Schritt sein.

- Blogverzeichnisse wie bloggerei, Blogscene etc. bringen kaum Besucher, könnten aber für Anfänger, die sich ein wenig über andere Filmblogs informieren möchten, von Interesse sein. Nicht jedes dieser Verzeichnisse fordert Backlinks; de facto wird man jedoch meistens erst nach einer Verlinkung freigeschaltet. Ob ihr euch Blog-Rankings wie “Wikio” aussetzen wollt, müsst ihr selber entscheiden. - Was ich - und diesen Hinweis verdanke ich meinem Co-Admin Manfred Polak - hingegen empfehlen möchte: Tragt eure Filmreviews bei der OFDb ein! Während (gelegentlich schweinische) Google-Sucher in eurem Blog oft gar nicht das finden, was sie sich erhoffen, will jemand, der euch von dort aus anklickt, genau das lesen, was ihr geschrieben habt. Und je einzigartiger eine Besprechung im deutschsprachigen Raum ist, desto glücklicher wird der Leser eurer Review sein (er könnte leicht zu einem bleibenden Gast werden).

- Werft - es sei denn, ihr vermögt wie etwa ChristiansFoyer immer mit verschiedenen News zu glänzen - nicht mehrere Postings am gleichen Tag in euer Blog! Man wird euch ohnehin nur einmal anklicken, sich vielleicht sogar rasch überfordert fühlen. Und eines Tages werdet ihr froh sein, wenn ihr auf Besprechungen zurückgreifen könnt, die sich noch in eurer Pipeline befinden (es gibt sie, diese Phasen, in denen man sich schlicht ausgelaugt fühlt). - Ich könnte hinzufügen: Schreibt im Gegensatz zu mir keine halben Bücher! Tue ich aber nicht.

- Dass ein ansprechendes Layout das Tüpfelchen auf dem "i" ist, muss man niemandem sagen: Ihr erweist euch ja oft schon als wahre Profis, wenn ihr “auf Sendung" geht.

So, das wars mal wieder an Nötigem und Unnötigem für Blogger, die wohl oder übel ein wenig Zeit aufwenden müssen, wenn sie sich nicht “lost in space” fühlen und mit der Zeit ihre spannende Tätigkeit aufgeben wollen. Vieles dürfte bekannt sein; es schien mir dennoch an der Zeit, mal wieder daran zu erinnern.