"Where's Brummel? Dish'd. Where's Long Pole Wellesley? Diddled.
Where's Whitbread? Romilly? Where's George the Third?
Where is his will? (That's not so soon unriddled.)
And where is 'Fum' the Fourth, our 'royal bird'?
Gone down, it seems, to Scotland to be fiddled..."
(Don Juan, Canto XI, 78)
Zu den Figuren, deren "Verlust" Lord Byron in seinem "Don Juan" gelegentlich auch ironisch in mehreren Strophen beklagt, gehört unter anderem ein gewisser George Bryan Brummell (1778 - 1840), von dem man sagt, er habe ein ganzes Zeitalter geprägt und der unter dem Namen 'Beau' Brummell in die Geschichtsbücher einging. - Brummell war der Sohn eines Privatsekretärs und machte in der englischen Armee als Husarenoffizier Karriere. Dort freundete er sich bald mit dem Prince of Wales, dem späteren Prinzregenten und König George IV., bekannt für seinen ausschweifenden Lebensstil und seine Fresssucht (er wog 1797 bereits 111 Kilo!), an, auf den er eine Zeitlang grossen Einfluss ausübte. Nach einem Zerwürfnis - seine Hoheit ertrug die spitzen Entgegnungen des Freundes nicht mehr - kannten Brummell's Gläubiger keine Gnade, und er musste England wegen seiner Spielschulden verlassen. - Sein eigenwilliger Modestil (er forderte nicht zu auffällige, aber genau angepasste Kleidung, sorgfältig ausgesuchte Halstücher und das Reinigen der Stiefel in Champagner) setzte sich zum Teil durch und wurde unter dem Begriff "Dandyism" bekannt. Brummell behauptete, ein anständiger Mann brauche mindestens fünf Stunden, um sich anzuziehen und müsse sich auch mehrmals am Tag umziehen. Er war zudem dafür verantwortlich, dass sich die Männer der "guten Gesellschaft" täglich rasierten. Byron, der zu seinen eifrigen Nachahmern zählte, meinte, es sei an sich nichts Aussergewöhnliches an Brummell's Kleidung festzustellen ausser "a certain exquisite propriety". - Das Leben des ersten Dandys wurde mehrmals verfilmt.
Beau Brummell - Rebell und Verführer
(Beau Brummell, USA/Grossbritannien 1954)
Regie: Curtis Bernhardt
Darsteller: Stewart Granger, Elizabeth Taylor, Peter Ustinov, Robert Morley, James Donald, Rosemary Harris, Paul Rogers, Noel Willman u.a.
Ich habe es an sich nicht so mit den Historienschinken, die das Hollywood der 50er Jahre als Waffe gegen das aufkommende Fernsehen einzusetzen versuchte. Besonders grosse Mühe bereiten sie mir, wenn sich Robert Taylor als römischer Kommandant (1951), Ivanhoe (1952) oder Lancelot (1953) schwerfällig durch pompöse Kulissen bewegen und Langeweile verbreiten muss. - Dass “Beau Brummell” in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildet, mich sogar ausserordentlich begeistert, hat verschiedene Gründe: Zum einen wurde der farbenprächtige Film an Originalschauplätzen gedreht, was die herrliche Landschaft Englands etwa in einer Jagdszene zur Geltung bringt und dem Zuschauer durch die in einem Landsitz in der Nähe von Windsor Castle entstandenen Innenaufnahmen eine Vorstellung von der Pracht des frühen 19. Jahrhunderts zu vermitteln vermag; zum anderen liegt es natürlich an der über weite Strecken leicht und flüssig daherkommenden Geschichte, die zwar ohne einige historische “Klitterungen” und erfundenen Liebesschmalz nicht auskommt, diese aber dank des an sich faszinierenden Lebens des “interessantesten Mannes Europas” auf ein Minimum zu beschränken vermag. Und es hat nicht zuletzt mit dem spielfreudigen Ensemble zu tun, das den “Helden” umgibt und ihm - obwohl Stewart Granger, damals ein veritabler Star, eine gute Figur abgibt - gelegentlich sogar die Show stiehlt. (Vielleicht, dies aber mehr privat, finde ich mich auch in den schönen und weniger schönen Seiten des Phänomens Brummell ein wenig wieder.)
Der Film beginnt mit einer Veranstaltung der Husaren, an der der Prince of Wales mehr hungrig als interessiert teilnimmt und die Beau Brummell, der sich gleich in die schöne Lady Patricia verliebt, zum ersten Mal Gelegenheit bietet, sein Missfallen zu erregen. Denn Brummell sagt grundsätzlich, was er für richtig hält - und er kleidet seine Meinung in elegante Spitzen, die ein zukünftiger König nur als frech empfinden kann. Nach Brummell’s Rauswurf aus der Armee sorgt er als politischer Redner, der die höfische Unsitte, sich die Perücken mit Mehl zu pudern, anprangert, für Furore (er zählt genau auf, wie viele Brote für hungrige Mäuler man stattdessen backen könnte). Als ihn Prince George deswegen zu sich rufen lässt, entdeckt er rasch, dass er in Brummell eigentlich keinen Gegner hat, sondern einen Menschen, der es gut mit ihm, dem kindischen und entscheidungsunfähigen Fettwanst, meint. Er folgt deshalb nicht nur seinen - auch modischen - Ratschlägen, sondern macht ihn zu seinem engsten Vertrauten und Freund. Schon bald treten die beiden in der Öffentlichkeit immer gemeinsam auf, eine Entwicklung, die der Adel - insbesondere der konservative Premierminister William Pitt - mit Misstrauen verfolgt.
Von nun an wird der Abenteurer Beau Brummell, der sich für seine elegante Kleidung und die prächtig ausgestattete Wohnung, in der der Prince of Wales ein- und ausgeht, in Unkosten stürzte, von seinen Gläubigern in Ruhe gelassen. Auch Lady Patricia, die eigentlich mit einem Mann von Adel, Lord Edwin, verlobt ist, vermag sich seinem Charme (er nimmt ihr die Ohrringe ab, weil ein vollkommenes Gesicht solchen Schmuck nicht nötig habe) nicht mehr zu entziehen. - Und Lord Byron, der im Film als Brummell’s Freund auftaucht, sieht im Dandy, der in “Ofenröhren” am Geburtstagsfest des Prinzen auftaucht, sogar die Zukunft heraufkommen. Er erkennt aber auch: “The trouble with most men of superior intellect is their pride. And a proud man can be just as foolish as a fool.”
Als Premierminister Pitt den Prinzen, der seit längerer Zeit offen mit seiner Geliebten Maria Fitzherbert zusammenlebt, aus politischen und finanziellen Gründen mit einer deutschen Prinzessin verehelichen will, rät ihm Brummell, seinen Vater, den auf Schloss Windsor zurückgezogen lebenden und zunehmend in geistiger Umnachtung versinkenden König George III. (eine kleine Glanzrolle für Robert Morley), entmündigen zu lassen und die Regentschaft zu übernehmen, womit er Pitt’s Pläne durchkreuzen könnte. Tatsächlich willigt das Parlament nur einer Regentschaft mit stark eingeschränkten Befugnissen zu, was Brummell wiederum nicht akzeptieren will. Er weckt dadurch das Misstrauen seines Freundes, der plötzlich denkt, der “Emporkömmling” habe lediglich auf einen Peer-Titel spekuliert. Es kommt zum Zerwürfnis, das seinen Höhepunkt anlässlich eines Balls findet: Brummell weigert sich, dem Prinzen seine Aufwartung zu machen, und nachdem sich Lord Byron pflichtgemäss mit diesem unterhalten hat, fragt er ihn laut vernehmlich: “Gordie, who is your fat friend?” (Die vorlaute Frage ist meines Wissens historisch beglaubigt, war aber nicht an Byron, sondern an Lord Alvanley gerichtet.)
Beau Brummell’s Schicksal ist damit besiegelt. Die Gläubiger stürzen sich auf ihn, und Lady Patricia zieht die ruhige Bucht an der Seite eines Adligen dem Orkan mit dem Abenteurer vor. Brummell verlässt das Land und geht zusammen mit seinem treuen Diener nach Frankreich, wo er verarmt. - Am Ende des Films kommt es zu einer berührenden Szene: Der ehemalige Freund, jetzt König George IV., sucht während eines Europabesuchs die Bleibe des Mannes auf, der ihm einst eine Schnupftabakdose schenkte, die beim Öffnen ein “He’s a jolly good fellow” spielt - und die ihn immer an ihn erinnert hat. Er findet Brummell auf dem Sterbebett, und es kommt zur späten Aussöhnung.
Curtis Bernhardt, der als Kurt Bernhardt bereits zu den gefragten Stummfilmregisseuren Deutschlands gehörte ("Schinderhannes", 1928, "Das letzte Fort", 1929), inszeniert die verschwenderisch ausgestattete Geschichte mit grossem Können, die geschliffenen Dialoge und die dem ersten Dandy angemessene fürstliche Musik von Richard Addinsell machen den Film zu einem mehr als beachtlichen unterhaltsamen Erlebnis. Peter Ustinov darf in seiner zweiten Arbeit für MGM nach “Quo Vadis” (1951) als fetter Prince of Wales wieder einen unwiderstehlichen, das Spektakel dominierenden Charaktertypen hinlegen; aber auch Elizabeth Taylor, deren Rolle sicher nicht sonderlich ausgearbeitet ist, und Stewart Granger, in Deutschland noch als “Old Surehand” in diversen Winnetou-Filmen in Erinnerung, überzeugen.
Ein Jammer, dass ausgerechnet dieser unterschätzte Historienfilm nicht endlich aufgefrischt und den Zuschauern im deutschsprachigen Raum auf DVD zugänglich gemacht wird!
Deinen kurzen vorbereitenden Byron-Essay empfand ich als deutlich spannender und eloquenter formuliert, auch wenn ich ein Herz für anspruchsvollere Historienschinken habe (Ich 12 Jahre alt - ein verregneter Nachmittag - 4 Stunden Ben Hur im TV). Eine deutsche DVD wäre in diesem Fall, allein wegen Peter Ustinov, auch für mich interessant.
AntwortenLöschenAch, weisst du: Vielleicht brauche ich mal wieder zwei, drei Wochen Ferien vom Blog. Möglicherweise hatte ich auch den Eindruck, ich müsse eine Geschichtslektion erteilen - und brachte es bloss zu einer Zusammenfassung des Films. Auf jeden Fall stimme ich dir zu: Allein schon Peter Ustinov würde eine DVD rechtfertigen.
AntwortenLöschenNicht falsch verstehen. Ohne den voran stehenden Byron-Essay wäre diese eine gute DVD-Besprechung.
AntwortenLöschenAber wer derart hohe Standards setzt, muss sich an ihnen messen lassen. ;-)
Keine Bange! Ich verstehe schon, was du meinst. Das Gefälle hat mit meiner Bewunderung für Lord Byron zu tun, obwohl der Artikel lediglich als Einstieg zu "Beau Brummell" gedacht war. Auch die "Blogger-Ferien" sind seit einiger Zeit geplant. Wer meint, er müsse jede Woche mit mindestens einem längeren Eintrag aufwarten, brennt ohne gelegentliche Päuschen mit der Zeit aus. - Wird Zeit, dass ich mich nach einem Gastautor umsehe. ;)
AntwortenLöschenDen habe ich auch schon zweimal gesehen :)
AntwortenLöschenHmm, mir hat der Artikel sehr gut gefallen (schleim ;-) )
AntwortenLöschenMir fand den Byron-Artikel lang, aber das liegt vielleicht an meinem anders gelagerten Interesse.
"Beau Brummell" gibt's übrigens auch als Stummfilm, und da der von mir hoch geschätzte John Barrymore dort die Hauptrolle spielt, werde ich den Film in meinem Blog bestimmt dereinst besprechen (werb).
A propos Gastautor: Lust hätte ich schon, aber Zeit...?
@wortman
AntwortenLöschenDas Fernsehen bringt ihn gelegentlich. Umso erstaunlicher, dass es keine DVD (offenbar nicht einmal auf Englisch!) gibt.
@gabelingeber
Stimmt! Ein solches Leben musste mehrmals verfilmt werden (zuletzt als gähnende TV-Version im Jahre 2006). Danke für das "schleim", was auch immer es bedeuten mag :unschuldigpfeifen:
Ich habe übrigens bereits einen noch nicht bloggenden Gastautor im Auge, muss ihn aber noch sanft überreden respektive beim Konsum illegaler Drogen erwischen. ;)
Dann mal viel Glück...!
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