Samstag, 9. Oktober 2010

Kurzbesprechung: El crimen del padre Amaro


Die Versuchung des Padre Amaro
(El crimen del padre Amaro, Mexiko 2002)

Regie: Carlos Carrera

Die Überarbeitung eines Romans aus dem Jahre 1875 (!) für die Leinwand rief heftige Proteste aus klerikalen Kreisen hervor und avancierte wohl nicht zuletzt deshalb zum erfolgreichsten einheimischen Film aller Zeiten. Dies dürften auch die Gründe für eine Oscar-Nominierung als "bester fremdsprachiger Film"  2003 gewesen sein.  Denn die edel bebilderte und eigentlich hervorragend gespielte  Geschichte eines jungen idealistischen, aber auch karrieresüchtigen Priesters ist zwar nicht die Soap Opera, mit der uns der verfälschte deutsche Titel droht, aber ein sich endlos dahinziehendes, letztlich oberflächliches Melodram - obwohl sie genug Stoff für spannende 114 Minuten böte:

Der frisch ordinierte Padre Amaro wird von seinem Bischof in ein abgelegenes Dorf in den Bergen geschickt, wo er den älteren Padre Benito als Assistent unterstützen und gleichzeitig einen anderen Priester, der sich auf die Seite der Guerilla geschlagen hat, im Auge behalten soll. Bald entdeckt er, dass er in einen Strudel aus Doppelmoral und Korruption geraten ist, da Padre Benito nicht nur ein Verhältnis mit einer Dorfwirtin hat, sondern auch als Geldwäscher für einen Drogenbaron fungiert. - Aber auch er  kann seinen "sündhaften" Wünschen nicht  widerstehen, und er lässt sich auf eine Beziehung mit der jungen  Amelia ein. Als diese von ihm schwanger wird, begeht er das im Originaltitel erwähnte "Verbrechen" mit unabsehbaren Folgen: Er fordert sie auf, das Kind abzutreiben...

Es geht in dem für mexikanische Verhältnisse sicher mutigen Film also letztlich nicht um die oft durchgekaute Zölibatkritik, sondern um eine der katholischen Kirche inhärente Skrupellosigkeit, die auch im jungen Padre - von Gael Garcia Bernal, dem Octavio aus Iñárritus Meisterwerk "Amores Perros" (2000) überzeugend dargestellt - Wurzeln gefasst hat. Bernal war für mich denn auch der Anlass, mir diesen etwa gegenüber Buñuels antiklerikalen Werken stark abfallenden Film anzuschauen. Eine zweite Sichtung im Hinblick auf die Kurzbesprechung dürfte sich als die letzte erwiesen haben - obwohl man im Europa oder in den USA der Gegenwart vergeblich nach einer derart deutlichen Kritik an der katholischen Kirche Ausschau halten wird. - "El crimen del Padre Amaro" vermag die beinahe zwei Stunden Dauer einfach nicht auszufüllen, auch wenn der Priester im unbestechlichen Journalisten Ruben, der den Verwicklungen der Kirche in Drogengeschichten nachgeht, einen an sich interessanten Gegenpol erhält. Fehlender Tiefgang und inszenatorische Schwächen machten ihn zu einem Langweiler der Sonderklasse!


8 Kommentare:

  1. Hmpf, den habe ich auch noch auf meiner Sichtungsliste, vor allem, da mich des Regisseurs Backyard tief beeindruckt hat. So sehr ich dein Urteil schätze, werde ich wohl doch noch mal den Selbstversuch unternehmen. Und was Katholen-Kritik aus USA und Europa betrifft, da passiert schon was, wenn auch außerhalb der großen Lichtspielhäuser im Independent-Bereich, wie z.B. der vor kurzem von mir gesichtete Camp Hope, der zwar kein besonders guter Film ist, die Katholiken aber schon hinreichend kritisiert...

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  2. So solls auch sein. ;) Ich las nämlich diverse Reviews, die von meiner "Kritik" abwichen. - Es schien mir, in den USA und Europa habe man die vielen Aspekte, die die katholische kirche so problematisch machen (u.a. auch den der Pädophilie) in den 80ern und 90ern durchexerziert und die Hoffnung aufgegeben, weil man nur auf eine Mauer des Schweigens stiess. Auch hier kann ich mich irren, da ich mich in letzter Zeit eher auf die Fundamentalisten aus der evangelikalen Ecke konzentrierte. - Leider habe ich "Backyard" nie gesehen, fürchte aber, es könnten Welten zwischen ihm und "Padre Amaro" liegen.

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  3. So sehen also Deine "Ferien" aus... ;-)

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  4. Wie heisst es doch so schön in Gottfried August Bürgers "Lenore"? - Geduld! Geduld! Wenns Herz auch bricht! Noch ein Eintrag; dann kriegst du die auch von mir ersehnten Ferien (sonst schreibe ich überhaupt nur noch Verrisse). ;)

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  5. Das ist ja mal eine Kurzrezension, die den Namen verdient.
    Scheint ein ziemlich lauer Film zu sein, mir wäre da eigentlich jedes Wort zu schade. Viel interessanter fände ich (wie von dir angekündigt) einen deftigen Verriss, wo du rhetorisch einmal so richtig die Sau raus lassen kannst.
    Mit der Rezension eines wirklich guten antiklerikalen Film wäre ich aber zur Not auch zufrieden. ;-)

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  6. Ich bin mir nach dem Kommentar von Alex nicht mehr so sicher... - Weisst du, warum ich "Padre Amaro" überhaupt ein paar Sätze gewidmet habe? Es ist meine Schwäche für Bernal, der ein wirklich famoser Schauspieler ist.

    Einen richtigen Verriss wie bei "Portrait of Jennie" wird es bei Gelegenheit sicher wieder geben. Aber dafür braucht es schon den entsprechend interessanten Kontext. "American Pie" schaue ich mir nämlich nicht einmal an - oder würde es zumindest nie zugeben. ;)

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  7. Habe ihn mittlerweile gesehen und muß dir beipflichten, der zog sich arg melodramatisch hin. Mein Hauptproblem hatte ich mit der Titelfigur, dessen Entscheidungen ich einfach nicht nachvollziehen konnte und die mir dadurch hochgradig unsympathisch wurde...aber ich bin ja auch ein Ketzer. :D
    BACKYARD sowie das mexikanische Kino im Allgemeinen kann ich aber weiterhin empfehlen...

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  8. Es ging mir mit der Titelfigur ähnlich, und ich bedauerte Bernal regelrecht in der Rolle (obwohl er sich als Nackedei zeigen darf). Der Film repräsentiert natürlich auch für mich nicht das mexikanische Kino; er ist eines jener Melodramen, die man dem Publikum gelegentlich hinwerfen muss. Und wenn ich mal an "Backyard" komme, wird der natürlich reingezogen.

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