Mittwoch, 13. Oktober 2010

Wie viele Oscars darf Arthur Cohn sein Eigen nennen?

Arthur Cohn ist ein Schweizer Film-Produzent, der nicht nur für das Zustandekommen äusserst erfolgreicher Filme aus verschiedenen Ländern (mit-)verantwortlich war, sondern sogar auf dem Walk of Fame mit einem Stern geehrt wurde - und dessen Namen in Hollywood jede - pardon! - Sau kennt. Da er gleichzeitig der nicht übermässig grossen Schweizer VIP-Szene angehört und an diversen Anlässen zu treffen ist, feierte ihn unsere Presse stets als sechsfachen Oscar-Preisträger. Vielleicht feierte er sich auch selber ein wenig und liess sich gern mit den sechs Statuen ablichten. Das sind allerdings die Dinge, in die der harmlose Zeitungsleser nicht so leicht Einblick erhält...

Auf jeden Fall ist unser Bundesrat (entspricht der Bundeskanzlerin mal sieben) wieder komplett, und das oft auch nur herbeigeredete Parteiengezänke dürfte die Spalten der Blätter nicht bis zur nächsten nationalen Wahl im Jahr 2011 füllen. Dieser Mangel an politischen Sensatiönchen brachte das Erzeugnis "Sonntag" mutmasslich auf den Gedanken, aus dem ehemaligen Darling Arthur Cohn einen Buhmann zu machen, der mehr für sich beanspruche als ihm tatsächlich zustehe. - Denn man entdeckte: Laut Wikipedia darf sich der plötzlich zum Aufschneider "avancierte" Cohn nur dreier Oscars rühmen, da der Oscar für den besten fremdsprachigen Film an das jeweilige Land, nicht an den Produzenten geht. Auch IMDb spricht dem Produzenten nur Academy Awards für die Dokumentarfilme "Le ciel et la boue" (1961), "American Dream" (1990) und "One Day in September" (1999) zu, während er auf diverse Nominierungen und Oscars (für "Il Giardino dei Finzi Contini", 1970, "Noirs et blancs en couleur", 1976, und "La diagonale du fou", 1984) verzichten müsste.

Nun bin ich der Meinung, jeder Produzent sei mit drei Oscars mehr als ausreichend bedient (manche Gewinner sollen den Staubfänger bekanntlich in einer Kiste im Keller lagern) und schätze es grundsätzlich, mit seinem Geld  Filme ermöglicht zu haben, die nicht so rasch in Vergessenheit geraten (u.a. auch "Les Choristes", 2004). Gerade Arthur Cohn weckte in mir immer den Eindruck, er lebe intensiv für den Film und werde lediglich von der VIP-geilen Presse ständig zum "sechsfachen Gewinner" hochstilisiert ("Lieber Herr Cohn! Dürfen wir Sie zusammen mit Ihren Oscars ablichten, bitte, bitte?"). - Jetzt aber ortet "Sonntag" Enthüllungen über einen möglichen Hochstapler, der sich stets ins Rampenlicht drängte, nicht ohne seine sechs Statuen leben kann und dessen Mitarbeiter abklären  lassen muss, ob Wikipedia die Vergangenheit falsch interpretiere, weil zur Zeit, als Cohn die ihm streitig gemachten Oscars in Empfang nahm, der Produzent tatsächlich noch der "richtige Adressat" war (Regeln ändern sich bekanntlich). 

Vielleicht ist Arthur Cohn ja tatsächlich der Gierschlund, den "Sonntag" mangels anderer Schlagzeilen aus ihm machen will; das kann, wie schon erwähnt, der harmlose Zeitungsleser - ein Umstand, der von  den Erzeugern des täglich Gepressten schamlos ausgenutzt wird - nicht nachprüfen. Vielleicht kann er auch nur über den Wirbel lachen, der um seine Person und seine ihm abgesprochenen Oscars gemacht wird. Oder er könnte darüber lachen, wäre da nicht noch ein Aspekt mit einzubeziehen, der ihn und andere Zeitgenossen mit Sorge erfüllen sollte: Cohn ist Jude! Und da man in der Schweiz unverhohlener mit verstecktem Antisemitismus arbeitet, könnte "Sonntag" auf den Gedanken gekommen sei, es sei  Zeit für eine Wiederbelebung des Bildes vom raffgierigen Juden. - Ich mute es der Zeitung, die  gelegentlich einem mir alles andere als sympathischen Teil ihrer Leserschaft entgegenkommen will, zu...

Wie dem auch sei: Ich lege als Blogger jetzt eine Pause ein - und ich bin froh, dass ich nicht so berühmt wie Arthur Cohn bin. Denn sonst könnte eine Zeitung wie "Sonntag" aus den geplanten vier bis sechs Wochen Urlaub eine Schlagzeile zimmern: "Whoknows pausiert! Tut er es für immer, weil sein Bluff aufgeflogen ist?". - Wäre dem so, böte es mir vielleicht Gelegenheit, mich  mit dem  geschundenen Produzenten in Verbindung  zu setzen, und er würde einen Film mit dem Titel "Verlogene Druckerschwärze" produzieren, für den ich das Drehbuch schreiben dürfte. Ein Regisseur vom Kaliber eines George Clooney liesse sich finden - und der Oscar ginge an das Fürstentum Liechtenstein.

Wir lesen uns!

6 Kommentare:

  1. Zu Arthur Cohn... Wusste gar nicht, dass er jüdischen Glaubens ist. So etwas sollte eigentlich bei der Beurteilung einer Person, ob im Positiven oder Negativen, für einen aufgeklärten Mitteleuropäer keine Rolle spielen. Aber der faulige Sumpf aus dem diese debile Denke kriecht, scheint auch im 21. Jahrhundert noch lange nicht trocken gelegt.

    Die deutsche Springer-Maf... ähhh, meine Presse, hat sich ja offiziell jede Form des Antisemitismus verboten. Es gibt ja momentan genügend andere Feindbilder die bedient werden wollen. Antislamische Hetze liegt etwa gerade voll im Trend. Motto: "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!"

    Na dann, ich wünsche dir eine erholsame blogfreie Zeit! Sammle fleißig kreative Energie, auf dass du uns auch zukünftig mit deinem raffinierten Bluff hinters Licht führen kannst.

    Viele Grüße

    Marald

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  2. Es war natürlich nur eine Vermutung, die augenblicklich in mir auftauchte. Alles passt so unschön zusammen, was mir gar nicht zusagt. Ich war offen gestanden völlig verblüfft, als ich diese plötzliche subtile "Hetze" entdeckte.

    Danke für die guten Wünsche! Ich werde nach dem Urlaub weiterhin heimlich die Einträge eines altpersischen Blogs ins Deutsche übertragen. Möge man es nicht bemerken. ;)

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  3. Ich denke, Du triffst den Nagel auf den Kopf, wenn Du die Verbindung zum für die Presse momentan uninteressanten Bundesrat zu diesem SENSATIONELLEN Wiki-Eintrag ziehst.
    Die Zeitung lese ich sowieso nur noch mit Skepsis.
    Ich wünsche Dir eine erholsame Zeit ohne Blog mit vielen guten und anregenden Filmen und bin gespannt,. wie lange Du's aushältst..;-)

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  4. Ich kann deine Skepsis gegenüber "Sonntag" sehr gut nachvollziehen (bemerkenswerterweise scheint kein anderes Blatt aus den "Enthüllungen über Cohn" Profit geschlagen zu haben).

    Auch dir möchte ich für die guten Wünsche danken. Vier bis fünf Wochen solltens schon sein; denn neben dem Reinziehen von Filmen gilt es natürlich auch drei, vier Einträge vorzubereiten - und meine Kommentare werdet ihr seltsames Blogger-Volk ohnehin nicht los. ;)

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  5. In diesem Zusammenhang würde mich mal interessieren, was man in der Schweiz so von Godard hält, der ja demnächst einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk bekommt (den er nicht selbst in Empfang nimmt, sondern dafür irgendeinen Avatar hinschickt). Zählt Godard in der Schweiz überhaupt als richtiger Schweizer? Oder nur, wenn er einen Preis bekommt, und in seiner Eigenschaft als Bürgerschreck ist er Franzose? Hierzulande wird er in der öffentlichen Wahrnehmung eher als Franzose gesehen.

    Aus Anlass der Ehrung wird wieder sein anscheinend vorhandener Antisemitismus diskutiert. Schadet oder nützt ihm das bei euch? Deine obigen Ausführungen lassen ja fast letzteres befürchten. Oder wird das gar nicht diskutiert oder zur Kenntnis genommen? Auch sonst scheint Godard gelegentlich recht befremdliche bis abstoßende Äußerungen zu machen.

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  6. Man muss vielleicht vorausschicken, dass selbst die Regisseure aus der Romandie, die immer wieder im Land drehten und um 1970 wesentlich zur Befreiung des Schweizer Films aus der kleinbürgerlichen Enge beitrugen, in der deutschsprachigen Schweiz weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Sowohl Alain Tanner als auch Claude Goretta feierten letztes Jahr ihren 80. Geburtstag und wurden vom Fernsehen nicht einmal gewürdigt. Wenigstens beruft sich jetzt Jungregisseur Lionel Baier (“Garçon stupide”) auf Tanner als sein Vorbild. --- Entsprechend wird Godard gar nicht als Schweizer wahrgenommen. Er gilt einfach als wichtiger und wegen seines eigenwilligen Stils umstrittener Hauptvertreter der “Nouvelle Vague”, die wiederum ganz Frankreich zugeordnet wird. Der Ehrenoscar schlug bis jetzt keine hohen Wellen, was sich noch ändern mag. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass unsere politische Rechte, die im Zusammenhang mit der Nazi-Gold-Affäre in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ihrem Antisemitismus zum Teil freien Lauf liess, sich jetzt aber Muslime und grundsätzlich kriminalisierte Ausländer als Feindbild ausgesucht hat, Entsetzen heuchelt, wenn Godards antisemitische Äusserungen zum Thema werden.

    Die Sache mit Arthur Cohn erwies sich übrigens als Rohrkrepierer, da jetzt in sämtlichen Zeitungen die möglicherweise völkerrechtswidrige "Ausschaffungs-Initiative", über die wir im November abstimmen, diskutiert wird.

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