(Passport to Pimlico, Grossbritannien 1949)
Regie: Henry Cornelius
Darsteller: Stanley Holloway, Betty Warren, Barbara Murray, Paul Dupuis, John Slater, Jane Hylton, Raymond Huntley, Philip Stainton, Margaret Rutherford u.a.
Michael Balcon, durchaus ein komplexer Produzent, war vor allem daran interessiert, der Wirklichkeitsflucht Hollywoods Filme entgegenzusetzen, die sich auf subversive Weise, wenn auch nicht aufdringlich, mit einem Stück Wirklichkeit auseinandersetzten, einen politischen Subtext einbrachten. Er sprach in diesem Zusammenhang gern von einer "mild revolution", die seine Produktionen auszeichnen sollte. Was er damit meinte, erklärte er einmal in einem Interview: "By and large we were a group of liberal-minded, like-minded people... we were middle-class people brought up with middle-class backgrounds and rather conventional educations...we voted Labour for the first time after the war: that was our mild revolution." - Man kann von einer leichten politischen Dimension reden, die sich in den Ealing Comedies Raum verschafft, manchmal beängstigende Vorstellungen entwickelnd (etwa in "The Man In the White Suit", 1951), oft einfach die sture Torheit der (Nachkriegs-)Regierung, der so leicht beizukommen war, auf die Schippe nehmend - aber nie auch nur annähernd so anarchisch wirkend wie Monty Python, die in den 70ern mit einer zeitgemässen Kombination von Humor mit politischem Subtext antraten. - Die Ealing-Komödien mögen dem heutigen Zuschauer wie auch die angeblich in ihrer Tradition stehenden Filme oft etwas harmlos und veraltet vorkommen. Wer sich aber die vielen "Doctor"- und "Carry On"-Filme vor Augen hält, die die britischen Zuschauer nach dem Verkauf der Ealing Studios in der zweiten Hälfte der 50er Jahre "erfreuen" sollten, wird sie zu schätzen wissen. Und er erkennt vor allem auch: Sie stecken voller Humor, der auf eigenartige Weise nur wirkt, weil er von sich scheinbar ernst nehmenden Briten dargeboten wird.
T.E.B. Clarke widmete sich im ersten und angeblich besten seiner sechs Drehbücher für Ealing Comedies der Sehnsucht, an einem anderen Ort als England zu sein, zeigte aber auf lustige und deshalb nicht übermässig konservativ wirkende Weise auf, wohin die damit verbundene Freiheit ohne Verantwortung seiner Meinung nach führe: zum Bedürfnis, doch wieder Teil dieses geordneten Englands zu werden. Die ersehnte Ferne wird schon in den einleitenden Bildern auf raffinierte Weise heraufbeschworen: Ein weiss gekleideter Mann tritt zu mediterraner Musik an sein Fenster und blickt auf einen Sonnenschirm, unter dem jemand ruht, während sich eine Frau im Badekleid in der Sonne räkelt. Erst das Heraufziehen des Sonnenschutzes über einem Geschäft zeigt, dass sich der Zuschauer nicht am Mittelmeer befindet, sondern mitten im alltäglichen London, das, man glaubt es kaum, einer Hitzewelle ausgesetzt ist. Es mag auch an dieser Hitze liegen, dass sich sowohl die zukünftigen Burgunder auf Zeit als auch Whitehall („Technically, these Burgundians are aliens.“) unfähig zeigen, mit der Entdeckung des Dokuments umzugehen oder zu vernünftigen Lösungen zu gelangen. – Der Übermut bricht in einem neo-burgundischen Pub aus, wo man plötzlich auf die Idee kommt, man müsse sich nicht an die von der Regierung verordneten Öffnungszeiten halten. Als Polizist P.C. Spiller, der bald in einer eleganten weissen Uniform für „burgundische“ Bobbies herumlaufen wird, für Ordnung sorgen will, fordert man ihn auf, sich doch auch noch ein Bierchen zu genehmigen. Und um den Abend mit einem Höhepunkt abzuschliessen, verbrennt und zerreisst man die 1938 eingeführten, unbeliebten Identitätskarten (ähnlich verhielt sich 1950 ein Mann namens Clarence Henry Willcock, der sich mit der frechen Ausrede „I am a Liberal, and I am against this sort of thing“ weigerte, seine Karte zu zeigen und als letzter zu einer Strafe von zehn Schilling verdonnert wurde).
Ich dachte schon, dass da ein Schwein mit dem Fallschirm abspringt. Aber nein, nur vom Hubschrauber herabgelassen ...
AntwortenLöschenDen Film kenne ich nicht, und der Name von Cornelius war mir auch nicht geläufig. Natürlich habe ich nachgesehen, ob ich nicht doch etwas von ihm kenne, und da findet sich HERZLICH WILLKOMMEN IM KITTCHEN. Aber der läuft unter Charles Crichton, weil Cornelius während der Dreharbeiten starb.
Ein Mann statt Margaret Rutherford, sowas gab es später tatsächlich. In DIE MAUS, DIE BRÜLLTE spielte Peter Sellers die Herzogin Gloriana (und weitere Rollen), in der Fortsetzung AUCH DIE KLEINEN WOLLEN NACH OBEN dann Rutherford.
Du weckst mal wieder Erinnerungen, die ich dankbar entgegennehme: "Herzlich willkommen im Kittchen" sah ich vor langer Zeit auch mehr als ein Mal im Fernsehen und genoss ihn von Herzen. Da muss ich mir mal eine DVD besorgen. Maragaret Rutherford als Peter Sellers-"Ersatz"! ;) Die Frau hatte natürlich schon etwas geradezu maskulin anmutendes Rabiates an sich (meine Mutter behauptete immer, sie erinnere sie an ihre Schwiegermutter). Schade, dass sie ihren Oscar für ein unwürdiges Star-Vehikel bezog.
AntwortenLöschenGute Ergänzung als Info. Ich befürchte nur, daß das nicht mein Stoff werden wird. Jedenfalls nicht allzubald. Auch wenn ich harmlose Komödien als solches immer mal ansehe. Aber wo kommt der schon Sonntag morgens in englischer Sprachfassung im Fernsehen, wo ich dann dranbleiben könnte. :D
AntwortenLöschenEr kam vor langer Zeit zu einer braven Zeit und erst noch mit Untertiteln im Schweizer Fernsehen. Damals verstand ich ihn nicht, auch nicht, weshalb er eine Komödie sein sollte. Jetzt klappte es mehr oder weniger. Ich würde aber noch immer einer Ealing-Komödie mit Guiness, vor allem natürlich "Kind Hearts and Coronets", den Vorzug geben. :)
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