Von nun an kennen beide Seiten keine Gnade mehr. Die Burgunder suhlen
sich im Schwarzmarkt, und Whitehall stellt ihnen im Gegenzug Wasser und
Elektrizität ab. Gegnerische Autos streiten sich via Lautsprecher, während Pimlico vom Wunsch nach einer „politischen“ Ordnung in
seinem Burgund ergriffen wird. Doch die
Frage, wer denn eigentlich das Sagen haben solle, führt zu einem weiteren
Chaos. Am Ende wird der Geschäftsführer und Entdecker des Dokuments Arthur Pemberton zum „Prime Minister“ nach
britischem Vorbild ernannt. Denn im Grunde genommen möchte man, wie es
Pemberton’s Frau sehr britisch auf den Punkt bringt, Engländer und Burgunder
zugleich sein, die Vorteile beider „Nationalitäten“ geniessen: „We always were
English, and we'll always be English, and it's just because we are English that
we're sticking up for our rights to be Burgundians!“ – Und alle sich
überschlagenden Geschehnisse werden von Journalisten verfolgt, teilweise sogar
angeheizt. Die immer wieder eingeblendeten Schlagzeilen diverser Zeitungen zeigen, dass die Presse
Grossbritanniens schon vor Rupert Murdoch Einfluss zu nehmen verstand.
Höhepunkt des Films ist eine Wochenschau, die sich ein paar Jungs aus Pimlico
in einem Kino anschauen und die dem Motto „The Siege of Burgundy“ folgend nicht
nur die heldenhaften Bewohner Pimlicos sondern auch reale Gestalten wie Winston
Churchill (dessen Reden für diverse harmlose Gags herhalten mussten) vorstellt
und mit britischem Understatement wie „Water is cut up, but liquor makes, too“
glänzt.

"Passport to Pimlico" lebt vor allem vom Spiel einst in ganz
England bekannter Komiker wie Stanley Holloway, John Slater und Philip
Stainton, die als stereotype Figuren für Humor sorgen. Und allein schon die in
einer Nebenrolle auftretende Margaret Rutherford als ebenso neugierige wie
taktlose Professorin (die Rolle sollte ursprünglich von einem Mann gespielt
werden), die den Herzog von Burgund fragt, ob er Bluter sei, lohnt eine
Sichtung. Ansonsten vermag die Geschichte mit ihren kleinen Anspielungen auf
die Blockade Berlins heute nur noch stellenweise zu begeistern. Sie folgt
vielleicht zu sehr Michael Balcon’s Philosophie einer „mild revolution“ – und legt
die Betonung auf „mild“. Das scheinbar in Anarchie mündende Aufbegehren der
Möchtegern-Burgunder ist von einer Nostalgie durchzogen, die nicht nur einem
England gilt, sondern sogar einem England während des Kriegs, als
Zusammengehörigkeit noch gelebt wurde. Diese Zusammengehörigkeit wird gegen
Ende des Films gefeiert, als die eingeschlossenen Burgunder mit Unmengen von
Lebensmittel-Paketen beliefert werden. Ein von einem Hubschrauber herabgelassenes
Schwein, das in der Luft fliegt, deutet aber zugleich das rein Illusorische der heraufbeschworenen Stimmung
an, verweist es doch auf das Idiom „when pigs fly“ (das geschieht, wenn
Schweine fliegen, also nie). – Balcon liebte diese „Was wäre wenn?“-Geschichten,
die gelegentlich für harmlose Lacher sorgten, aber
nicht immer ihre Zeit zu überdauern vermochten - weil sie dem "Was wäre wenn" gar nicht ernsthat nachgingen, es nicht ausloteten. – Ich hatte neulich
Gelegenheit, mich mit einem Filmfreund über ein Phänomen zu
unterhalten, das wir alle kennen: Wir schauen uns einen Film an, der weitum als
Klassiker gefeiert wird – und sind leicht von ihm enttäuscht. „Passport to
Pimlico“ gilt zumindest in England als kleiner Klassiker; mir bereitete er
längst nicht das erwartete Vergnügen. Ich verstehe, dass er mehr an seine Zeit
gebunden ist als zum Beispiel die grossen Ealing Studio Comedies mit Alec
Guinness. Aber daran allein kann es nicht liegen. Hat es vielleicht mit der
verpassten Chance zu tun, einem anarchischen Aufbegehren sein Anarchisches
wenigstens teilweise zu lassen? Verliess man sich zu sehr auf die schrulligen Typen und
machte aus der Idee mit Potential das,
was oft mit dem Beiwort „charming“ versehen wurde? --- Und doch kommt man nicht umhin, an die witzelnden Filme zu denken, die England in der zweiten Hälfte der 50er heimzusuchen begannen und muss zugeben: Man hat es mit einer schätzenswerten, wenn auch zu harmlosen kleinen Komödie zu tun.
Ich dachte schon, dass da ein Schwein mit dem Fallschirm abspringt. Aber nein, nur vom Hubschrauber herabgelassen ...
AntwortenLöschenDen Film kenne ich nicht, und der Name von Cornelius war mir auch nicht geläufig. Natürlich habe ich nachgesehen, ob ich nicht doch etwas von ihm kenne, und da findet sich HERZLICH WILLKOMMEN IM KITTCHEN. Aber der läuft unter Charles Crichton, weil Cornelius während der Dreharbeiten starb.
Ein Mann statt Margaret Rutherford, sowas gab es später tatsächlich. In DIE MAUS, DIE BRÜLLTE spielte Peter Sellers die Herzogin Gloriana (und weitere Rollen), in der Fortsetzung AUCH DIE KLEINEN WOLLEN NACH OBEN dann Rutherford.
Du weckst mal wieder Erinnerungen, die ich dankbar entgegennehme: "Herzlich willkommen im Kittchen" sah ich vor langer Zeit auch mehr als ein Mal im Fernsehen und genoss ihn von Herzen. Da muss ich mir mal eine DVD besorgen. Maragaret Rutherford als Peter Sellers-"Ersatz"! ;) Die Frau hatte natürlich schon etwas geradezu maskulin anmutendes Rabiates an sich (meine Mutter behauptete immer, sie erinnere sie an ihre Schwiegermutter). Schade, dass sie ihren Oscar für ein unwürdiges Star-Vehikel bezog.
AntwortenLöschenGute Ergänzung als Info. Ich befürchte nur, daß das nicht mein Stoff werden wird. Jedenfalls nicht allzubald. Auch wenn ich harmlose Komödien als solches immer mal ansehe. Aber wo kommt der schon Sonntag morgens in englischer Sprachfassung im Fernsehen, wo ich dann dranbleiben könnte. :D
AntwortenLöschenEr kam vor langer Zeit zu einer braven Zeit und erst noch mit Untertiteln im Schweizer Fernsehen. Damals verstand ich ihn nicht, auch nicht, weshalb er eine Komödie sein sollte. Jetzt klappte es mehr oder weniger. Ich würde aber noch immer einer Ealing-Komödie mit Guiness, vor allem natürlich "Kind Hearts and Coronets", den Vorzug geben. :)
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