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Freitag, 15. April 2022

Diese zwei obskuren Objekte der Begierde

Viele Freunde von Luis Buñuel kennen wahrscheinlich seinen letzten Film DIESES OBSKURE OBJEKT DER BEGIERDE, und wer sich für Josef von Sternberg und/oder Marlene Dietrich interessiert, hat vielleicht auch THE DEVIL IS A WOMAN gesehen, den letzten der gemeinsamen Spielfilme der beiden. Beide Werke beruhen auf derselben Vorlage, dem 1898 erschienenen Roman La Femme et le pantin von Pierre Louÿs (1870-1925), einem Schriftsteller, der auf erotische Literatur spezialisiert war (David Hamiltons BILITIS wurde von seiner Gedichtsammlung Die Lieder der Bilitis lose inspiriert). La Femme et le pantin wurde von 1920 bis 2007 noch mehrfach verfilmt. Hier geht es nun um zwei französische Fassungen, die erste davon ein Stummfilm, die beide den Titel des Romans tragen. Pantin bedeutet Marionette, Hampelmann - auch im übertragenen Sinn. Es geht also um einen Mann an den Fäden einer Frau.

Der Mann, ein Spielball der Frauen (Francisco de Goya: El Pelele. 1791/92, Museo del Prado)
LA FEMME ET LE PANTIN (dt. DAS SPIELZEUG EINER FRAU, auch WENN DU ZUM WEIBE GEHST...)
Frankreich 1929
Regie: Jacques de Baroncelli
Darsteller: Conchita Montenegro (Conchita), Raymond Destac (= Tristan Sévère, Don Mateo), Henri Lévêque (André Stévenol), Jean Dalbe (als Jean d'Albe, Morenito), Andrée Canti (Conchitas Mutter)

Spanien um die vorletzte Jahrhundertwende. Der reiche, nicht mehr ganz junge Aristokrat und Lebemann Don Mateo lernt in einem Zug die temperamentvolle junge Tänzerin Conchita kennen, und zwischen den beiden funkt es. Zwar verlieren sie sich zunächst aus den Augen, aber nach einiger Zeit treffen sie sich zufällig in Sevilla wieder, wo beide leben. Don Mateo besucht Conchita regelmäßig in ihrer Wohnung, doch sie lässt ihn zappeln. Mal sagt sie, dass sie ihn liebt, mal liebt sie ihn wieder nicht, mal wirft sie ihm vor, dass er sie nicht oder nicht genug liebe. Das Wechselbad der Gefühle beginnt, an Mateos Nervenkostüm zu zehren. Und dann ist da auch noch der schnieke junge Habenichts Morenito, angeblich der Bruder einer Freundin von Conchita. Ob er etwas von Conchita will (und sie von ihm), bleibt vorerst offen, aber schon seine gelegentliche Anwesenheit in ihrer Nähe macht Mateo eifersüchtig. Und zweimal verlässt sie Mateo und Sevilla "endgültig", und stürzt ihn damit immer tiefer in die Krise. Beim ersten Mal kehrt sie nach einiger Zeit in die Stadt zurück und setzt ihr Katz-und-Maus-Spiel fort, beim zweiten Mal findet sie Don Mateo zufällig in einer Spelunke in Cádiz, wo sie vor Einheimischen und Touristen tanzt.

Conchita und Éva, Mateo und Matteo
Als sie einen Nackttanz hinlegt, rastet er vor Eifersucht aus und will sie fast umbringen, aber sie besänftigt ihn und wickelt ihn nun endgültig um den Finger. Er will sie heiraten, und sie stimmt zu - unter der Bedingung, dass er ihr ein Haus und allerhand Reichtümer schenkt, und zwar vor der Hochzeit - damit niemand sagen könne, sie hätte ihn nur wegen des Geldes geheiratet. Mateo hält das für eine gute Idee und stellt ihr eine Villa hin, fast schon einen Palast im maurischen Stil, und überhäuft sie mit Geschmeide und Juwelen. Und dann, man hat es schon geahnt, lässt sie ihn wieder zappeln. Mehr noch, sie verlacht und demütigt ihn. Und siehe da, Morenito entpuppt sich tatsächlich als ihr Liebhaber. Sie küsst ihn im Hof der Villa, und Mateo steht draußen vor dem verschlossenen Eisengitter und muss zusehen. Der Film könnte hier zu Ende sein (es sind auch schon 90 Minuten rum), aber er nimmt noch eine unerwartete Wendung. Mateo bekommt zufällig mit, wie Morenito eine andere Frau küsst, mit Geldscheinen wedelt und der Frau erzählt, dass er das Geld von Conchita bekommen hat. Mateo meint nun, dass Conchita ihrerseits auf einen Betrüger hereingefallen ist. Er stürzt sich auf Morenito und kann nur mit großer Mühe davon abgehalten werden, ihn zu erwürgen. Doch dann wird ihm glaubhaft versichert, dass die andere Frau Morenitos Verlobte ist, und dass er von Conchita nur für etwas Geld engagiert wurde, um Mateo in der Villa eine Komödie vorzuspielen - eine Komödie, über die schon ganz Sevilla lacht.

Wenn Don Mateo ein Fest feiert, dann richtig
Um die erneute Demütigung auszukosten, besucht Conchita Mateo in seinem eigenen Palast. Doch jetzt hat sie scheinbar das Blatt überreizt. Er sperrt sie ein und man fürchtet schon, dass er sie umbringt, aber es setzt "nur" eine Tracht Prügel. Und seltsamerweise hat sie nun zum ersten Mal Respekt für ihn und kann ihm das auch glaubhaft machen. Die beiden raufen sich zusammen und versuchen es nochmal miteinander. Doch kann das wirklich gutgehen? - Epilog: Ein Jahr später in Paris. Um es gleich zu verraten, es ist nicht gutgegangen. Sie ist ihm nach nur zwei Wochen wieder auf der Nase herumgetanzt, und nach einigen Monaten hat sich Mateo von ihr getrennt, und diesmal endgültig mit ihr abgeschlossen, wie er einem französischen Freund versichert. Um ihm das zu beweisen, nimmt er den Freund mit in ein Varieté, wo Conchita jetzt wieder als Tänzerin arbeitet. Er werde ihr dabei ganz kühl und unbeteiligt zusehen können, meint Mateo zu dem Freund. Doch als er sie tanzen sieht und sie einem Verehrer im Publikum aufmunternde Blicke zuwirft, spricht sein eifersüchtiger Blick eine andere Sprache. Und dann lässt er ihr einen Zettel zustecken mit der Botschaft, dass er ihr verzeiht, und dass er ihr die Füße küsst. Er wird nie von ihr loskommen, so wie eine Marionette nie vom Puppenspieler loskommt.

Conchita will auch zu den Reichen ... mit Erfolg
LA FEMME ET LE PANTIN, ital. FEMMINA, dt. EIN WEIB WIE DER SATAN, auch DIE FRAU UND DER HAMPELMANN
Frankreich / Italien 1959
Regie: Julien Duvivier
Darsteller: Brigitte Bardot (Éva Marchand), António Vilar (Don Matteo Diaz), Michel Roux (Albert), Jacques Mauclair (Stanislas Marchand), Lila Kedrova (Manuela), Espanita Cortez (Maria Teresa), Dario Moreno (Arabadjian)

Duvivier und seine Co-Autoren beim Drehbuch verlegten die Handlung in die Gegenwart der 1950er Jahre. Das kann man ohne weiteres machen, ohne großen Schaden oder Nutzen. Und aus Conchita wird Éva, eine Französin in Sevilla - als Spanierin wäre Brigitte Bardot nicht besonders glaubwürdig gewesen. Problematischer sind für mich zwei (miteinander korrespondierende) andere Änderungen: Während Don Mateo bei Baroncelli abgesehen davon, dass er ein paar Freunde hat, ein Mann ohne Bindungen ist, ist Don Matteo verheiratet. (In den Quellen findet man sowohl "Mateo" als auch "Matteo", und der Film selbst gibt keinen Aufschluss. Zur besseren Unterscheidbarkeit bleibe ich bei der zweiten Inkarnation bei "Matteo".) Seine Frau Maria Teresa, wie er selbst wohl in den 40ern, sieht eigentlich gut aus, aber sie ist gehbehindert, und das rechtfertigt es in Matteos Augen offenbar, sie nicht als vollwertige Partnerin zu sehen, und immer eine bis zwei Geliebte nebenher zu haben. Maria Teresa weiß über seine Eskapaden Bescheid, und sie leidet darunter, aber sie nimmt sie zähneknirschend hin, um ihn nicht ganz zu verlieren. Und Matteo findet nichts dabei, sie dreist anzulügen, obwohl er weiß, dass sie ihn durchschaut. Baroncellis Mateo mag ein reicher Schnösel sein, aber er tut im Film eigentlich nichts, was ihn unsympathisch macht. Soll man ihm vorwerfen, dass er ein Opfer seiner Triebe wird? Das, was ihm mit Conchita widerfährt, hat er so eigentlich nicht verdient. Duviviers Matteo dagegen ist ein selbstsüchtiger und arroganter Unsympath, der mehr Strafe verdient hätte, als er am Ende empfängt. Und sozusagen komplementär dazu ist Conchita eine Femme fatale von den Haar- bis zu den Zehenspitzen, Éva dagegen ist eine Moralistin. Sie benimmt sich oft kokett, manchmal fast wie eine Hure, doch in Wirklichkeit ist sie noch Jungfrau. Und diese ganz andere Figurenkonstellation nimmt Duviviers Film den Biss. Er ist eine moralische Erzählung, eine schaumgebremste Version der Geschichte.

Éva lebt also (als angehende Tänzerin) in Sevilla, zusammen mit ihrem Vater Stanislas und dessen neuer Partnerin, der egozentrischen und etwas vulgären Spanierin Manuela. Stanislas war einst in Frankreich ein bekannter Schriftsteller, doch aus Gründen, die zunächst obskur bleiben, ist er in der Heimat nicht mehr wohlgelitten und weitgehend vergessen, und deshalb im spanischen Exil. Éva hat einen Verehrer, den eloquenten, aber letztlich etwas biederen Fremdenführer Albert, ebenfalls ein Franzose. Es ist ziemlich klar, dass Évas Freundschaft mit ihm platonisch bleibt, und nachdem sie einen Heiratsantrag von ihm ablehnt, verschwindet er (nach einer guten Stunde im Film) nach Paris, und damit aus der Handlung. Schon ganz am Anfang hat Éva bei einem Fest in den Straßen von Sevilla Matteo kennengelernt und mit ihm kokettiert, und er sucht sie in ihrer Wohnung auf, wo er zwar von Stanislas' und Manuelas aufdringlichem Verhalten in die Flucht geschlagen wird, aber später Éva und ihren Vater zu sich einlädt. Auch Matteo ist ein reicher Aristokrat in einem maurischen Palast, und obendrein züchtet er Kampfstiere und setzt sich gelegentlich selbst aufs Pferd, um in der Arena Stiere anzustechen. Éva weiß von Anfang an über seine Geliebten und nach der Einladung auch über Maria Teresa Bescheid, und sie ist gleichzeitig angezogen und abgestoßen von ihm. Auch sie spielt jetzt etwas Katz und Maus, aber aus etwas anderen Gründen als Conchita - solange sich Matteo benimmt wie jetzt, kann sie keine Beziehung mit ihm eingehen.

Cádiz
Éva hat erst kürzlich ihre Ausbildung als Tänzerin beendet, und nun nimmt sie ein erstes Engagement an, und zwar bei dem schmierigen Wirt Arabadjian (in Wikipedia und Lexikon des Internationalen Films findet man gleich drei andere Schreibweisen des Namens, aber er heißt wirklich Arabadjian), gegen den ausdrücklichen Rat ihres seriösen alten Tanzlehrers. (Kleine Randnotiz: Arabadjians Darsteller Dario Moreno war auch Sänger, und er veröffentlichte 1961 eine recht erfolgreiche Single über Brigitte Bardot.) Während im Hof des Lokals Flamenco-artige Tänze aufgeführt werden, absolviert Éva im Obergeschoß eine "zweite Schicht", indem sie sich vor zahlungskräftigen Touristen entblättert. Matteo "überrascht" sie dort und macht eine Szene, doch er wurde von Éva selbst durch eine gezielte Indiskretion hingelockt, um ihm eine Lektion zu erteilen. Ähnlich wie bei Baroncelli in der Szene in Cádiz wickelt sie ihn um den Finger, und er verspricht ihr nun ein Haus und Reichtümer. Doch dann nimmt sie einen von ihm ad hoc ausgestellten Scheck über 100.000 Peseten und zerreißt ihn demonstrativ in kleine Fetzen. Conchita hat zwar ihren Stolz, aber letztlich ist sie käuflich (auch wenn sie selbst dann nicht liefert), Éva nicht. Wie gesagt, eine Moralistin. Kurz darauf geht sie mit Arabadjian und seiner ganzen Tanz- und Musiktruppe in einem klapprigen Bus auf Tournee durch Andalusien, und der nun schon nervlich angeschlagene und äußerlich etwas derangierte Matteo fährt einfach mit.

Nackttanz
Zuvor gab es aber noch eine Enthüllung: Stanislas ist deshalb aus Frankreich verduftet, weil er ein Anhänger des Vichy-Regimes (wenn nicht gleich der Nazis) war und mindestens einen Mann denunziert hat, der dann in Auschwitz ermordet wurde. Diese Episode ist ein ziemlicher Fremdkörper im Film, und ich fragte mich, was das eigentlich soll. Vielleicht sollte es nur rechtfertigen, dass Éva ihren bisher geschätzten Vater nun verlässt, um sich dem öligen und moralisch durchaus fragwürdigen Arabadjian anzuschließen. Aber genausogut hätte man Stanislas (und Manuela gleich dazu) auch ganz aus dem Film weglassen können. Und letztlich dient ohnehin alles, was man an Évas Verhalten fragwürdig finden könnte, nur Matteos "Läuterung" und ist damit im nachhinein gerechtfertigt - so soll man es zumindest sehen.

Conchita in ihrem neuen Palast
Éva führt Matteo weiter an der Nase herum, es gibt nun auch hier einen Morenito (einer aus der Tanztruppe), es ist aber von vornherein klar, dass das nur ein von Éva aufgestellter Köder ist, um Matteo noch mehr eifersüchtig und zum Hanswurst zu machen. Und das gelingt. Am Ende will er Éva in einem proppenvollen Lokal in rasender Eifersucht verprügeln, wird aber selbst vermöbelt, und er verbringt eine Nacht in einer Zelle im Polizeirevier. Doch als er am nächsten Morgen als gedemütigtes Häufchen Elend davonschleichen will, wartet schon Éva auf ihn. Jetzt ist er da, wo sie ihn schon immer haben wollte - zurechtgestutzt auf Normalgröße, auf menschliches Maß. Jetzt können die beiden ein Paar werden, und sie werden auch eines. Happy End. Und einen Epilog gibt es hier nicht. Oder etwa doch? In der Wikipedia steht nämlich Folgendes:
Als Matéo am nächsten Morgen entlassen wird, wirkt er wie ein anderer Mensch; seine Kleidung ist zerrissen, sein Gesicht von Wunden entstellt. Auf so etwas scheint Eva nur gewartet zu haben. Sie begegnet ihm jetzt mit überströmender Zärtlichkeit und versichert ihm ihre Liebe.

„… und seit einem Jahr ist sie meine Frau“, erzählt Matéo in einem Pariser Restaurant seinem Zuhörer Albert, dem früheren Fremdenführer, der in die französische Hauptstadt gekommen ist, um Eva wiederzusehen. Diese hat gerade ihren Tanz beendet und wendet sich nun einem athletischen jungen Mann zu. „Mit Morenito hat es angefangen. Jetzt ist es der dort, bis sie auch ihm wieder überdrüssig wird. Trotzdem bleibe ich bei ihr, weil ich sie liebe.“ Mit diesen Worten beendet Matéo seine Erzählung.
Ob hier nur ein Wikipedia-Autor seiner Fantasie freien Lauf ließ, oder ob es dieses alternative Ende tatsächlich gibt, weiß ich nicht, aber ich glaube eher Ersteres. Abgesehen von diesem Wikipedia-Artikel habe ich jedenfalls keinerlei Hinweise darauf gefunden.

Draußen vor der Tür
Es überrascht wohl nicht mehr, dass mir Baroncellis Film besser gefällt als der von Duvivier. Letzterer erfreut das Auge mit Breitbild (das verwendete Verfahren heißt DyaliScope), üppigen Farben und wunderbaren Schauplätzen, und es gibt ganze Breitseiten an andalusischer Folklore (oder was man dafür halten soll). Kameramann Roger Hubert macht seine Sache gut, etwa in dem erwähnten Massentumult im Lokal, wo die Kamera sozusagen mit der Menge mitwogt. Einen großen Anteil an den Schauwerten hat Set-Designer Georges Wakhévitch, ein Meister seines Fachs in der Tradition eines Lazare Meerson und eines Alexandre Trauner, mit denen er in seiner Karriere auch zusammengearbeitet hatte (aber auch Baroncellis Fassung hat eine sehr gediegene Ausstattung). Und natürlich hat auch Brigitte Bardot ihre Reize - sie zeigt viel Bein, Dekolleté und auch mal ihren nackten Hintern.

Don Matteo mit seinen beiden aktuellen Geliebten, mit Éva und mit Maria Teresa
Und doch ist die Version von 1929 die visuell einfallsreichere. Das beginnt schon beim Einstieg: Von Goyas Gemälde El Pelele wird auf eine Live-Darstellung der Szene überblendet - vier Frauen werfen eine männliche Strohpuppe durch die Luft, und weisen damit auf das voraus, was kommt (pelele bedeutet nicht nur "Strohpuppe", sondern auch "Hampelmann" und "Trottel"). Auch Conchitas Nackttanz ist einfallsreicher in Szene gesetzt als der von Éva. Und Baroncelli und sein Kameramann Louis Chaix liefern noch mehr solche Proben ihres Könnens. Übrigens drehten auch sie ihren Film in Farbe, in dem eher ephemeren Keller-Dorian-Verfahren, doch anscheined wurde er nach enttäuschenden Testprojektionen nie in Farbe aufgeführt. Auch auf der Blu-ray (siehe unten) liegt er in Schwarzweiß vor. Conchita Montenegro war erst 16 oder 17, als sie den Film drehte, und sie erwies sich als schauspielerisches Naturtalent.

Folklore und Flamenco
Das größere Problem bei Duviviers Film ist für mich, wie oben schon ausgeführt, die Charakterisierung der Figuren. Vielleicht hätte ich den Film mehr gemocht, wenn ich nicht direkt davor den von Baroncelli gesehen hätte. Aber das habe ich nun mal, und das spätere Werk wollte dann für mich einfach nicht funktionieren, und das blöde Happy End hat noch eins draufgesetzt. Trotzdem will ich niemanden davon abhalten, den Film anzusehen. Erstens muss natürlich niemand meine Einschätzung bezüglich "Moral" teilen. Ich finde Baroncellis amoralische Fabel erfrischend, aber man könnte sie schon auch etwas zynisch finden - dann ist man vielleicht bei Duvivier besser aufgehoben. Und wie erwähnt, sind die optischen Schauwerte durchaus prächtig. Das gilt übrigens auch für die Musik, oder zumindest die Hälfte davon. Denn es gibt einerseits jede Menge mitreißenden Flamenco und dergleichen, wie es zum Schauplatz passt, aber auch "normale" (und teilweise arg sentimentale) Filmmusik. Es sind zwei Komponisten angeführt, und ich nehme doch stark an, dass José Roca (laut Credits) bzw. Rocca (laut der üblichen Quellen), der ansonsten filmisch nicht weiter in Erscheinung getreten ist, für den "spanischen" Teil verantwortlich war, und der umso bekanntere Jean Wiener für den konventionellen.

Sevilla
Marie Joseph Henri Jacques de Baroncelli, 9e marquis de Baroncelli-Javon (und seit 1927 Ritter der Ehrenlegion), oder etwas handlicher Jacques de Baroncelli (1881-1951), kannte ich bisher nur durch seinen prächtigen L'AMI FRITZ von 1933, der den Wert von Freundschaft, Solidarität und Toleranz ebenso feiert wie den Wert von gutem und reichlichem Essen und Trinken (ohne dabei irgendwie dekadent zu sein). Baroncelli stammte aus provenzalischem Adel mit ursprünglich italienischen Wurzeln. Er drehte über 80 Filme, doch in den üblichen Quellen wird ihm bescheinigt, dass es überwiegend künstlerisch mittelmäßige Gebrauchsware gewesen sei. Doch LA FEMME ET LE PANTIN und L'AMI FRITZ sprechen eine andere Sprache, und vielleicht gibt es da ja noch mehr Schätze zu heben. Baroncellis Sohn, der Kritiker und Schriftsteller Jean de Baroncelli (er war dann auch der 10. Marquis), schrieb übrigens eine durchwachsene Besprechung von Duviviers Film in Le Monde, in der er die visuellen Meriten hervorhebt, aber die Handlung altmodisch nennt und Matteos Metamorphose als unglaubwürdig kritisiert. Das Thema "Frau treibt Mann in den Untergang" (egal ob mit oder ohne "Wiederauferstehung") konnte Duvivier tatsächlich besser, nicht nur in seinem vielleicht bekanntesten Film PÉPÉ LE MOKO, sondern etwa auch in seinem ersten Nachkriegsfilm PANIQUE, einer Verfilmung von Georges Simenons Die Verlobung des Monsieur Hire mit einem gewohnt souveränen Michel Simon in der Titelrolle. Aber natürlich hat Duvivier so viele interessante Filme hinterlassen, dass man ihm einen weniger gelungenen jederzeit nachsehen kann.

Beide Filme wurden in den letzten Jahren restauriert und sind in Frankreich bei Pathé jeweils in einer Blu-ray/DVD-Combo erschienen. Es gibt in beiden Fällen optionale englische Untertitel, aber nur für die Filme selbst, nicht für das Bonusmaterial. Für die Stummfilmfassung gab es laut Credits eine Originalmusik, aber die findet sich nicht auf der aktuellen Veröffentlichung - vielleicht ist die Partitur verschollen. Stattdessen gibt es eine sehr gute neue Musik von Günter A. Buchwald, die von dem Ensemble L'Octuor de France eingespielt wurde.
Arabadjian (oben links, rechts Évas Tanzlehrer)
Matteo reist nicht mehr ganz standesgemäß mit Arabadjians Truppe

Mittwoch, 9. Juni 2021

Der merkwürdige Monsieur Victor

L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR (DER MERKWÜRDIGE MONSIEUR VICTOR)
Frankreich / Deutschland 1938
Regie: Jean Grémillon
Darsteller: Raimu (Victor Agardanne), Pierre Blanchar (Bastien Robineau), Madeleine Renaud (Madeleine Agardanne), Viviane Romance (Adrienne Robineau), Andrex (Robert Cerani), Georges Flamant (Amédée), Édouard Delmont (Kommissar Paroli), Charles Blavette und Armand Larcher (Inspektoren), Marcel Maupi (Rémi), Marcelle Géniat (Victors Mutter)

Im Hafen von Toulon
Toulon um 1930. Die südfranzösische Hafenstadt mit ihren verwinkelten alten Vierteln wird von braven Händlern und Handwerkern, Mitgliedern der Halbwelt und dem einen oder anderen Schurken bewohnt. Da ist zum Beispiel der integre, aber leicht aufbrausende Schuster Bastien, der mit der etwas leichtlebigen Adrienne in einer nicht spannungsfreien Ehe lebt. Zusammen haben sie einen kleinen Sohn. Gleich nebenan hat der gutbürgerliche Victor Agardanne sein Geschäft für Bekleidung und diesen und jenen Krimskrams. Er ist schon im fortgeschrittenen Alter, aber seine deutlich jüngere Frau Madeleine hat gerade ihr erstes Kind zur Welt gebracht, auch einen Sohn. Darüber ist Victor völlig aus dem Häuschen. Ohnehin in seinem Verhalten etwas fahrig und exaltiert, mit ausgeprägter Körpersprache, steigert er sich in einen nervösen Rausch der Fürsorglichkeit, und nebenbei schenkt er aus lauter Freude Bastiens Sohn Spielzeug aus seinem Laden. Wer so um den Nachwuchs besorgt ist, kann nur durch und durch ein Gutmensch sein - denkt man als Zuseher in den ersten Minuten. Doch weit gefehlt. Denn nebenbei ist Victor auch der Hehler und Vordenker einer Diebesbande, die aus den Ganoven Amédée, Robert und Rémi besteht. Die Bande hat gerade ein Schloss und eine Kapelle ausgeraubt, und so trifft man sich bei Victor im Hinterzimmer zur Übergabe der Beute. Im Umgang mit seinen Komplizen ist Victor überhaupt nicht nervös, sondern kalt und kontrolliert.

Zwei sehr unterschiedliche Paare - Bastien und Adrienne (oben), Victor und Madeleine
Aber diesmal läuft alles schief. Amédée hat genug davon, dass Victor den Großteil des Reibachs behält, ohne ein eigenes Risiko zu tragen. Diesmal will er ihm wesentlich mehr abpressen, und er droht, Victor in anonymen Briefen als Hehler zu denunzieren. Als er ihm ins Gesicht sagt, dass damit auch seine Frau und sein Kind hineingezogen werden und ihr Ruf ruiniert wird, verliert Victor die Kontrolle, und er ersticht Amédée in einer dunklen Seitengasse - und zwar unglücklicherweise mit einer Schusterahle von Bastien, die er zufällig gerade bei sich hatte, und die er in der Leiche zurücklässt. Noch dümmer für Bastien ist, dass Amédée Stunden zuvor mit Adrienne angebandelt hatte und Bastien deshalb eine heftige Auseinandersetzung mit ihm führte, die das ganze Viertel mitbekommen hat. So ist die Sache klar - Bastien hat Amédée aus Eifersucht erstochen! Der Film hält sich nicht mit Ermittlungen oder einem Gerichtsverfahren auf - in der nächsten Szene nach Untersuchung und Abtransport der Leiche ist Bastien schon zu zehn Jahren Straflager auf den Îles du Salut in Französisch-Guayana verurteilt, zu denen auch die berüchtigte "Teufelsinsel" gehört. Dort erfährt Bastien schon nach kurzer Zeit durch ein amtliches Schreiben, dass sich Adrienne in seiner Abwesenheit von ihm scheiden ließ. Es interessiert ihn kaum - wichtiger ist, wie er hier wegkommt.

Victor in seinem Laden mit einer Kundin, und die Ganoven
Sieben Jahre später - wir sind jetzt in der Gegenwart von 1938. Die Tat von damals und die unbeabsichtigten Folgen für Bastien ließen Victor nicht unberührt. Natürlich hat er sich nicht selbst belastet, aber er hatte schon beim Prozess (unvorsichtigerweise, und ohne jeden Erfolg) behauptet, dass Bastien unschuldig sei. Seitdem arbeitet es in ihm, und er ist oft griesgrämig, ohne ersichtlichen Grund für sein Umfeld, worunter seine Ehe mit Madeleine etwas leidet. Und er hat seitdem Adrienne heimlich finanziell unterstützt, um die Ausbildung ihres Sohns an einer guten Schule zu sichern. Adrienne wiederum hat schon lange ein Verhältnis mit Amédées früherem Komplizen Robert, und nun haben die beiden auch geheiratet - wobei der immer noch halbseidene Robert vielleicht mehr an Victors Zahlungen als an Adrienne selbst interessiert ist. Und just zu dieser Hochzeit platzt die Nachricht herein, dass Bastien von der Strafinsel geflohen ist und in der Nähe von Toulon gesehen wurde. Bastien geht es nicht um Adrienne, die er längst abgehakt hat, sondern darum, seinen mittlerweile jugendlichen Sohn Maurice wiederzusehen. Die Polizei in Person des alten Kommissar Paroli (der auch ein Freund von Victor ist) ist alarmiert. Es wird eine Belohnung in Höhe von 20.000 Francs auf Bastien ausgesetzt, und Maurice soll zusätzlich als Köder für Bastien dienen. Das geht schief, weil sich Maurice strikt weigert, dabei mitzuspielen. Doch Robert kommt auf dieselbe Idee, und er hat mehr Erfolg, weil er ja schon seit Jahren ein Ersatzvater (wenn auch vielleicht kein besonders guter) für Maurice ist.

Ein Mord bahnt sich an
Bastien ist unterdessen ausgerechnet bei Victor aufgekreuzt. Nicht etwa, weil er ihm irgendwie auf die Schliche gekommen wäre und sich rächen will, sondern weil Victor damals für ihn ausgesagt hatte und Bastien nun ihn um Hilfe dabei bittet, an Maurice heranzukommen. Victor wird nun regelrecht von seinem Schuldkomplex überwältigt. Er nötigt Bastien, der eigentlich erst mal wieder verschwinden wollte, geradezu, bei ihm in der Wohnung unterzutauchen. Madeleine macht er weis, dass es sich um einen alten Freund handle (den er merkwürdigerweise bisher nie erwähnt hatte), der von der Fremdenlegion entwichen sei und jetzt untertauchen müsse. Madeleine riecht den Braten schnell und erkennt Bastien, aber sie hält dicht. Nach einigen Tagen im Haus der Agardannes hat sich Bastien in Madeleine verliebt, aber andererseits ist da sein Dank und seine Bewunderung für seinen vermeintlichen Vorzeigefreund Victor. Und auch Madeleine ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrem oft unleidlichen Mann und dem jüngeren leidenschaftlichen Gast, der (vielleicht) ein Mörder ist. Am Ende hat Robert mit Hilfe von Maurice herausgefunden, was er wissen wollte. Er schickt, um die Belohnung zu kassieren, Victor die Polizei ins Haus. Der mutiert noch einmal kurz zum kühl überlegenden Verbrecher, der alles auf eine Karte setzt, aber es nützt nichts mehr. In einem finalen Tumult wird Victor als der wahre Mörder enttarnt, überwältigt und vor einer gaffenden Menge ins Gefängnis gefahren. Fin. Vielleicht wird es eine gemeinsame Zukunft für Bastien und Madeleine geben, aber das lässt der Film offen.

Bastien kehrt nach Toulon zurück ...
L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR ist eine deutsch-französische Coproduktion, aber gefühlt ist es ein rein französischer Film, weil er in Toulon spielt und alle Darsteller sowie der Regisseur Franzosen waren. Es gibt genug Aufnahmen, die erkennbar in und um Toulon gedreht wurden, aber die Einstellungen in Studio-Sets entstanden in den Berliner UFA-Ateliers. Einer der beiden Set-Designer des Films war Otto Hunte, der in den 20er Jahren an einigen der Hauptwerke von Fritz Lang maßgeblich beteiligt war. Insbesondere mit METROPOLIS hat er sich in die Geschichtsbücher der Filmarchitektur eingetragen, aber auch JUD SÜSS muss er sich ankreiden lassen. Einen wichtigen deutschen Beitrag zu L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR lieferte auch Kameramann Werner Krien. Stilistisch ist der Film eine Art von Bindeglied zwischen dem Poetischen Realismus Carné'scher Prägung und dem südfranzösischen Kino eines Marcel Pagnol - wobei letzteres doch etwas die Oberhand behält. Vor allem gibt es deutliche Parallelen zwischen Jean Grémillons Toulon und Pagnols Marseille-Trilogie (MARIUS, FANNY und CÉSAR, 1931-36): Ein malerisches Hafenviertel am Mittelmeer, das von allerlei illustren Kleinbürgern bewohnt wird, und auch in der Trilogie spielt Raimu mit César eine der Hauptrollen. Hätte Marcel Carné Regie geführt (oder Jacques Prévert das Drehbuch geschrieben), dann hätte Victor am Ende wohl der verdiente Tod ereilt, und vielleicht wäre auch Bastien als tragischer Held gestorben (wie Jean Gabin gleich zweimal bei Carné, während er in Grémillons GUEULE D'AMOUR diesem Schicksal entgeht). Doch so gilt hier eher die Devise "leben und leben lassen", auch wenn dann doch mal jemand stirbt, wie Amédée. Am Ende löst sich zwar nicht alles in Wohlgefallen auf, vor allem natürlich nicht für Victor, aber dräuende Schicksalsschwere und Fatalismus gibt es hier nicht. Die Anklänge an den Poetischen Realismus liegen mehr im Visuellen. Zwar gibt es reichlich südfranzösische Sonne, aber Grémillon und Werner Krien gelingen auch sehr atmosphärische Nachtaufnahmen. In seinem nächsten Film, REMORQUES von 1941, bei dem Jacques Prévert tatsächlich einer der Autoren war, kam Grémillon der fatalistischen Stimmung des Poetisches Realismus deutlich näher.

... und taucht bei strömendem Regen bei Victor auf
Der in der Normandie geborene Jean Grémillon (1901-1959, manche Quellen nennen 1898 als Geburtsjahr) war außerhalb Frankreichs lange Zeit mehr oder weniger vergessen, auch wenn etwa Jonathan Rosenbaum nicht müde wurde, den Regisseur und seine Filme zu preisen. Das änderte sich spätestens 2012, als Criterion in den USA ein DVD-Set mit drei Filmen herausbrachte, nämlich REMORQUES, LUMIÈRE D'ÉTÉ und LE CIEL EST À VOUS (1941/43/44). Diese Veröffentlichung fand viel positive Resonanz und machte Grémillons Namen zumindest in Cineastenkreisen wieder bekannter. Nachdem er in den 20er Jahren etliche Dokumentarfilme gedreht und daraus auch einen Avantgardefilm montiert hatte, folgten am Ende der Stummfilmzeit zwei beachtliche Spielfilme, aber mit dem Misserfolg seines ersten Tonfilms 1930 begann eine lange Durststrecke, in der er auch einige erfolglose Filme in Spanien drehte (deren einer immerhin von Luis Buñuel coproduziert wurde). Erst mit dem schon erwähnten GUEULE D'AMOUR von 1937 kam er daraus wieder hervor. Die drei Filme der Criterion-Box gelten als die Höhepunkte in Grémillons Schaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er wegen notorischer Finanzierungsschwierigkeiten nur noch drei Spielfilme vollenden, danach drehte er wie am Beginn seiner Laufbahn wieder einige Dokumentarfilme. In seinen späten Jahren hatte Grémillon auch eine führende Position in der Cinémathèque Française. In seiner Hochphase arbeitete er zweimal mit Jean Gabin und mehrfach mit Madeleine Renaud als Hauptdarsteller, auch Nebendarsteller wie Charles Blavette beschäftigte er mehrfach.

Adrienne zwischen zwei Männern
Das südfranzösische Moment in L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR kommt nicht nur durch den Schauplatz zum Tragen, sondern auch durch die Darsteller, von denen mehrere aus der Region stammten und in vielen dort spielenden Filmen mitgewirkt hatten, insbesondere (aber nicht nur) in solchen von Pagnol. Einigen der Schauspieler sind wir in diesem Blog schon begegnet - Édouard Delmont (Kommissar Paroli) in Renoirs TONI und LA MARSEILLAISE sowie im weiter nördlich angesiedelten JE T'ATTENDRAI, Charles Blavette (der einen von Parolis Inspektoren spielt) gab den Titelpart in TONI, war beim Wahlkampffilm LA VIE EST À NOUS dabei und ebenfalls bei LA MARSEILLAISE, und Andrex (Ganove Robert) wiederum bei TONI und LA MARSEILLAISE. Marcel Maupi (Rémi) sind wir hier noch nicht begegnet, aber auch er stammte aus Marseille und spielte öfters für Pagnol. Pierre Blanchar dagegen kam aus noch südlicheren Gefilden, nämlich aus dem damaligen Übersee-Département Algerien. Nur die beiden weiblichen Hauptdarsteller stammten aus dem nördlichen Frankreich. Das schauspielerische Epizentrum von L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR bildet aber zweifellos Raimu (bürgerlich Jules Muraire, 1883-1946). Er hatte ein Heimspiel, denn er wurde in Toulon geboren. Wie schon erwähnt, spielte er auch eine Hauptrolle in der Marseille-Trilogie, und LA FEMME DU BOULANGER (DIE FRAU DES BÄCKERS, 1938) und LA FILLE DU PUISATIER (DIE TOCHTER DES BRUNNENBAUERS, 1940) inszenierte Pagnol nicht nur mit ihm, sondern geradezu für ihn als Hauptdarsteller. Beide Filme wurden in den letzten Jahren restauriert und liefen in diesen Fassungen auch schon auf arte - gute Gelegenheiten, Raimus Schauspielkunst, die viel Humanismus ausstrahlt, zu würdigen. In L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR weicht er in den Szenen, in denen er den Hehler gibt, signifikant von diesem Image ab. Das ist ein Ausweis seiner Fertigkeiten als Schauspieler, wirft aber ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem der Rolle auf. Man hat nie den Eindruck, dass er den fahrig-nervösen bürgerlichen Victor seiner Umgebung nur vorspielt, sondern er ist halt so - und dann ist er plötzlich der abgebrühte Verbrecher. Wie ist er denn nun wirklich? Anscheinend beides zugleich, und das will nicht recht zusammenpassen. Aber das ist nur ein marginaler Kritikpunkt am Film, Jammern auf hohem Niveau. Denn es macht einfach Freude, Raimu bei der Arbeit zuzusehen.

Atmosphärische Nachtaufnahmen
L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR ist in Frankreich in einer ebenfalls restaurierten Fassung auf einer Blu-ray/DVD-Combo erschienen. Der Film hat darauf optionale englische Untertitel, beim Bonusmaterial (u.a. ein Audiokommentar und eine neue einstündige Doku) hielt man das aber leider für verzichtbar.

Dienstag, 21. April 2020

Deutschland im Würgegriff des Virus ... oder?

DIE HAMBURGER KRANKHEIT
Deutschland (BRD)/Frankreich 1979
Regie: Peter Fleischmann
Darsteller: Helmut Griem (Sebastian), Carline Seiser (Ulrike), Ulrich Wildgruber (Heribert), Fernando Arrabal (Ottokar), Rainer Langhans (Alexander), Tilo Prückner (Fritz), Romy Haag (Carola), Peter von Zahn (Senator), Rosel Zech (Dr. Ursula Hamm), Leopold Hainisch (Prof. Placek), Evelyn Künneke (Wirtin), viele Laiendarsteller
"Um wieviele Todesfälle handelt es sich?"
"Vor drei Tagen waren es zwölf. Vorgestern 57. Und heute haben wir schon keinen Platz mehr."
Es beginnt alles scheinbar ganz harmlos. In einem Hamburger Kongresszentrum findet eine Tagung einer gerontologischen Vereinigung statt, in der es darum geht, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, also das menschliche Leben möglichst lange, womöglich unbegrenzt, zu verlängern. Das erweist sich als vorweggenommene bös-ironische Pointe, denn statt ewig zu leben, fallen zur selben Zeit auf Hamburgs Straßen gerade die Leute reihenweise tot um. Unter den Vortragenden auf dem Kongress befindet sich der Arzt und Gerontologe Professor Sebastian Ellerwein. Als ein älterer Kollege kollabiert und in einer Klinik stirbt, erfährt Sebastian von der mit ihm befreundeten Ärztin Dr. Hamm, was bisher der Öffentlichkeit verschwiegen wurde, um eine Panik zu vermeiden: Seit ein oder zwei Wochen kippen Leute regelrecht aus den Latschen und sterben innerhalb von Minuten oder nur Sekunden, und unmittelbar vor ihrem Tod nehmen sie eine verkrümmte Embryo-Haltung ein. Den genauen Beginn der Epidemie kennt man nicht, weil die ersten sporadischen Fälle nicht miteinander in Verbindung gebracht wurden, aber jetzt ist die Malaise unübersehbar geworden. Wenn man exponentielles Wachstum unterstellt, dann bedeuten die Zahlen aus dem obigen Zitat, dass es jetzt, nach Ablauf der drei Tage, schon fast 1300 Tote gibt.

Ulrike und Sebastian, Ottokar und Heribert
Professor Strasser vom Tropeninstitut, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, vermutet ein hochansteckendes Virus als Ursache, das vermutlich über den Hafen eingeschleppt wurde. Doch Razzien der Gesundheitspolizei im Hafenviertel, bei denen ausländische Seeleute reihenweise zwangsvorgeführt und medizinisch untersucht werden, bleiben ohne konkrete Ergebnisse. Sebastian steht der Virentheorie ohnehin skeptisch gegenüber. Er vermutet eher, dass ein sich selbst verstärkender Teufelskreis aus Stress, Lärm, allen möglichen Umweltgiften und Angst vor der Krankheit ebendiese Krankheit auslöst und zu den Todesfällen führt. Was ihn auch stutzig macht: Bei seinen eigenen früheren molekularbiologischen Forschungen im Labor seines Mentors Prof. Hammerschmidt sind als Versuchstiere verwendete Schimpansen reihenweise verendet - und haben dabei Embryo-Haltung angenommen. Doch Sebastian findet kein Gehör, und nachdem die Politik nun handeln muss, setzt sich Prof. Strasser mit seinen Vorschlägen durch, alle Kontaktpersonen der Verstorbenen zwangsweise in strenge Quarantäne zu nehmen, und der Bevölkerung flächendeckend Breitband-Virostatika zu verabreichen (was im weiteren Verlauf des Films und jetzt auch von mir vereinfachend als "Impfung" bezeichnet wird - wie wir alle wissen, lässt ein echter Impfstoff für eine neue Krankheit erst mal auf sich warten).

Prof. Strasser, rechts unten mit dem Senator
Parallel zur Etablierung der Epidemie und von Sebastian als (vermeintlicher) Hauptfigur lernen wir drei weitere Protagonisten kennen. Da ist der tatkräftige und etwas schmierige Heribert, der in seiner Imbissbude in St. Pauli Würstchen feilbietet. Er sieht die Epidemie darwinistisch - die Natur greift zur Selbsthilfe und sortiert die Schwachen aus, und am Ende wird es für die Übriggebliebenen besser sein als zuvor. Da ist der ihm in einer Art Hassliebe verbundene Rollstuhlfahrer Ottokar - ein zynischer Giftzwerg, der schnell ausfallend bis hysterisch wird, wenn es nicht nach seiner Pfeife geht. Und da ist die junge Ulrike, die unbedarft und seltsam distanziert durchs Leben geht, als würde sie die Seuche um sie herum nichts angehen. Sie übernimmt im Film die Rolle des "reinen Tors", Peter Fleischmann verglich sie in einem Interview mit einem Simplicissimus, der allen Gefahren entgeht. - Als Sebastian ein Opfer der Krankheit auf der Straße untersucht, ohne Handschuhe, Maske oder sonstige Schutzmaßnahmen, wird er prompt von der Polizei in eine der überfüllten Quarantänestationen verfrachtet und trifft dort auf Heribert und Ulrike. Doch der umtriebige Heribert gedenkt nicht, dort lange zu bleiben. Als unter den Insassen ein Tumult ausbricht, benutzt er die Gelegenheit zur Flucht, die er mit Ottokars Hilfe bereits vorbereitet hat, und in seinem Schlepptau entkommen auch Sebastian und Ulrike. Zusammen fliehen die vier in Heriberts Lieferwagen, und mit Glück und Chuzpe lavieren sie sich durch die inzwischen allgegenwärtigen Polizeikontrollen und verlassen die Stadt.

Fritz (noch auf dem Dach) und Alexander; Heriberts Wagen geht in Flammen auf
Aber die Hoffnung, dass die Seuche auf Hamburg beschränkt ist, zerschlägt sich schnell. Bereits im ersten Bauerndorf, durch das die Flüchtlinge kommen, liegen die Toten auf der Straße und in den Höfen. Als Ottokar, Sebastian und Ulrike in einer gemeinsamen Anstrengung eine Leiche, die gerade von Schweinen angefressen wird, aus dem Stall bergen, ist Heribert über die daraus erwachsende Ansteckungsgefahr so verärgert und angewidert, dass er im Streit alleine weiterfährt. Für die anderen ist trotzdem für das Fortkommen gesorgt, denn im Dorf finden sich doch noch zwei Überlebende. Da ist der zappelige Fritz, der sich vor der im Dorf stattgefundenen Impfaktion auf das Dach eines Bauernhauses gerettet hat, und der meint, dass er nur deshalb überlebt hat, weil er eben nicht geimpft wurde. Nun legt er zunächst mal geradezu panisch Wert auf räumlichen Abstand zu seinen neuen Bekannten - social distancing im Jahr 1979. Der zweite Überlebende ist der leicht esoterisch angehauchte Alexander, der eine nicht so recht zu ihm passende Tätigkeit ausübt - er überführt Wohnwagen an die Käufer, und daran hält er auch jetzt fest, als würde um ihn herum nichts Besonderes geschehen. Seine Abgeklärtheit ist aber nicht naiv wie bei Ulrike, sondern entspringt sozusagen der höheren Warte fernöstlicher Weisheiten. Mit seinem Geländewagen und dem daran hängenden Wohnwagen setzen die nunmehr fünf Reisegenossen die Fahrt fort.

Ausnahmezustand in Hamburg und Lüneburg
Zunächst soll es nach Lüneburg gehen, wo Sebastian mit seinem früheren Chef Prof. Hammerschmidt die Lage erörtern will. Doch die Stadt ist bereits von der Polizei und einer regelrechten Zivilschutzmiliz abgeriegelt - die zahlreichen Flüchtlinge aus Hamburg werden nicht hineingelassen. Auch telefonisch gelingt es nicht, Kontakt mit Hammerschmidt aufzunehmen - diese Spur (wenn es überhaupt eine war) verläuft endgültig im Sand. Und dann kommt es zu einer dramatischen Wende. Sebastian und Ulrike, die von den anderen getrennt wurden, logieren in der von der Polizei versiegelten Wohnung von Sebastians Schwester (deren Schicksal im Dunkeln bleibt). Sebastian bekommt glasige Augen, fällt vom Sessel, rollt sich zur Embryo-Haltung zusammen und stirbt. Von den knapp zwei Stunden des Films ist gerade mal eine gute Stunde vergangen. Das ist für den unvorbereiteten Zuschauer ein Schlag in die Magengrube. Gewiss, Fleischmann war nicht der erste, der sowas gemacht hat. Erst wenige Monate vor der Premiere von DIE HAMBURGER KRANKHEIT hat in ALIEN gegen die üblichen Genre-Konventionen der Captain frühzeitig den Löffel abgegeben. Doch hier ist es noch eine Spur heftiger, denn eigentlich war von Anfang an klar, dass der Vernunftmensch und Wissenschaftler Sebastian die Ursache der Epidemie aufklären wird - und nun das. Wobei das mit dem "Vernunftmenschen" bei näherer Betrachtung allerdings Risse bekommt. Denn Sebastian hat bei seinem Umgang mit den Leichen auf jeden Schutz verzichtet und damit höchst fahrlässig, ja ausgesprochen dämlich gehandelt, während Heribert und Fritz in ihrem Bemühen um Distanz instinktiv alles richtig gemacht haben - eigentlich hat Heribert viel vernünftiger gehandelt als Sebastian. Diese Sichtweise ist aber sicher nicht die von Fleischmann intendierte - der Film ist redlich bemüht, Sebastian als den Rationalisten und Heribert als den impulsiven und teilweise skrupellosen Tatmenschen hinzustellen. Es liegt an uns, ob wir das mit unserem heutigen Wissen so schlucken wollen.

Neue Reisegenossen kommen und gehen
Mit Sebastians Abgang hat sich auch seine Theorie über die Seuche verflüchtigt. War überhaupt etwas daran, oder war er von Anfang an auf dem Holzweg? Wir erfahren es nicht mehr. Und mit seinem Abgang wechselt der Fokus des Films zu Ulrike als neuer Identifikationsfigur. Wir werden sie von jetzt an, also in der zweiten Hälfte des Films, permanent im Blick haben, während die anderen Protagonisten immer wieder mal für kurze Zeit verschwinden, um dann wieder aufzutauchen (oder auch nicht). - DIE HAMBURGER KRANKHEIT ist zwar nicht komplett an einer realistischen Szenerie vorbei inszeniert, weist aber immer wieder Sequenzen mit einem leicht surrealen Touch auf. So gibt es Bilder von Landstraßen, die von endlosen Autokolonnen verstopft sind, und an denen sich bizarre Szenen abspielen. Schon in der Nähe von Lüneburg gibt es fliegende Händler, die am Straßenrand Gesichtsmasken verkaufen (was Sebastian als Geschäftemacherei mit wirkungslosem Firlefanz bezeichnet - auch das aus heutiger Sicht kein Ausweis seiner Kompetenz), und der Lieferwagen von Heribert, der jetzt seine Würstchen an die im Stau Gestrandeten verkauft, wird ohne ersichtlichen Grund abgefackelt. Noch bizarrer eine spätere Szene: Im Stau gab es einen leichten Auffahrunfall mit geringfügigem Blechschaden, über den sich die beiden Autobesitzer in die Wolle geraten, als gäbe es gerade nichts Wichtigeres ("Mutti, hol die Polizei! Das lassen wir uns nicht bieten!"). Und während noch gestritten wird, bricht ein schwerer Kampfpanzer in voller Fahrt aus dem Unterholz hervor und macht eines der im Stau stehenden Autos platt. Nein, die Bundeswehr hat noch nicht die Kontrolle im Land übernommen. Es handelt sich nur um einen britischen Panzerführer, der angesichts der unklaren Bedrohungslage die Nerven verloren hat. Die Polizei kann den Panzer nur hilflos umkreisen, aber ein ebenfalls auftauchender Militärhubschrauber bringt ihn mit einem gezielten Schuss vor den Bug zum Stehen. (Dass es ein britischer Panzer ist, hat keine tiefere Bedeutung. Die zunächst angefragte Bundeswehr wollte von solchem Kram nichts wissen, weil ein deutscher Panzerfahrer nicht Amok läuft, wie Fleischmann in einem Interview erzählt. Die danach kontaktierten Briten waren dagegen begeistert von der Gelegenheit, sich mal richtig auszutoben.) Diese Sequenzen erinnern atmosphärisch etwas an Godards WEEKEND von 1967, in dem sich in einem Mega-Stau surreale und apokalyptische Szenen abspielen.

Kleiner Blechschaden ... und dann ein etwas größerer Blechschaden
Sozusagen das Gegenstück dazu ist eine andere Sequenz, in der die Flüchtigen eine Barriere durchbrechen und dann auf einer, abgesehen von einem Konvoi von Einsatzfahrzeugen, völlig leeren Autobahn dahinbrausen. Fleischmann hat hier Bilder nachgestellt, die man aus der Realität von den autofreien Sonntagen im Gefolge der Ölkrise von 1973 kannte (und die derzeit in abgeschwächter Form wieder aktuell sind). Bizarre Szenen gibt es auch, als Alexander den Wohnwagen bei den neuen Besitzern abliefert (einem Dialog nach in Gießen, aber gedreht wurde das in Fulda). Diese haben nichts Besseres zu tun, als leichte Bagatellschäden zu monieren und nachdrücklich nach dem Verbleib einer mitbestellten Decke zu fragen (mit der Fritz seine Blößen bedeckte, nachdem er nackt vom Dach des Bauernhauses in Niedersachsen herabstieg). Surreal gestaltet sich auch eine Szene in einem Landgasthaus, irgendwo auf dem Weg von Hessen nach Bayern (jetzt in Alexanders Geländewagen ohne Wohnwagen). Dort wird eine frenetische Party gefeiert. Das ist nicht das Gegenstück heutiger Corona-Parties, sondern sowas wie der Tanz auf dem Vulkan angesichts einer drohenden Katastrophe, die schon im nächsten Augenblick jeden der Teilnehmer ereilen kann. Einer der Feiernden ist als Gevatter Tod maskiert und erinnert damit frappant an eine Gestalt in Jean Renoirs LA RÈGLE DU JEU - wo ebenfalls auf dem Vulkan getanzt wird (dort freilich angesichts des bevorstehenden Zweiten Weltkriegs). Die Party ist aber auch ein Stelldichein reicher Krisengewinnler, die sich angesichts der neu auftuenden Geschäftsfelder gegenseitig auf die Schulter klopfen und zynisch frohlocken, weil sie solchen Kokolores wie Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte bald in die Tonne treten können. "Grenzenloses Wachstum! Wir gehen rosigen Zeiten entgegen!" Evelyn Künneke hat einen kurzen Gastauftritt in dieser Sequenz, und Deutschlands damals bekannteste Transsexuelle Romy Haag spielt die schöne Carola, die sich nach der Party den Flüchtlingen für eine Weile anschließt. (Man bekommt auch kurz ihr "bestes Stück" zu sehen, das erst Jahre später operativ entfernt wurde, aber im Vergleich zu den Derbheiten, die man in Fleischmanns DOROTHEAS RACHE zu sehen bekommt, ist das alles sehr dezent.)

In Fulda
Noch jemanden treffen wir und unsere Protagonisten auf dieser Party, nämlich völlig unerwartet Heribert. Er hat inzwischen das Geschäftsmodell gewechselt. Statt weiterhin Würstchen zu verkaufen, hat er sich darauf verlegt, mit einer Pistole bewaffnet und mit einer kleinen Bande von maskierten Helfern versehen, die Partygäste auszurauben. "Wenn man in ein Chaos schießt, stellt sich zwangsläufig eine Ordnung ein", sagt er treffend, nachdem er einen Warnschuss abgegeben hat. - Gegen Ende des Films ist man in Bayern am Fuß der Alpen angekommen - und wird von einer Standschützenkompanie im Trachtenanzug empfangen, die per Walkie-Talkie mit den Behörden kooperiert (laut Credits und Presseheft handelte es sich realiter um die Schützenkompanie Kochel). Unvermutet für den Zuschauer und die Protagonisten wird plötzlich über den Rundfunk das Ende der Epidemie verkündet. Aber stimmt das auch? Jedenfalls werden alle noch ungeimpften Personen weiterhin der zwangsweisen Immunisierung zugeführt, und zu denen gehört auch Ulrike. Vorsichtshalber flüchtet sie weiter, auf eine Alm zu ihrem Opa, aber ist sie da oben wirklich sicher?


In zeitgenössischen Kritiken von DIE HAMBURGER KRANKHEIT wird häufig auf Parallelen zum Hamburger Giftmüllskandal von 1979 hingewiesen. Da waren nicht nur "normale" Giftstoffe illegal und ohne jede Aufsicht notdürftig verbuddelt oder lagen einfach so herum, sondern auch chemische Kampfstoffe wie Phosgen, Lost und Tabun in größeren Mengen. Gerade mal etwas mehr als drei Jahre nach Seveso sorgte das nicht nur für bundesweites, sondern sogar internationales Aufsehen. Als dann zweieinhalb Monate später in DIE HAMBURGER KRANKHEIT Männer in Ganzkörper-Schutzanzügen zu sehen waren, sorgte das für ein Déjà-vu - sowas hatte man doch gerade erst neulich in den Fernsehnachrichten gesehen. Und unter den exotischeren Theorien, die zu den Ursachen der "Hamburger Krankheit" vorgebracht werden, finden sich auch kürzlich abhanden gekommene chemische Kampfmittel der Bundeswehr. Freilich war DIE HAMBURGER KRANKHEIT längst abgedreht, als der Skandal publik wurde, und heute, viele Giftskandale später, spielt dieser Aspekt zur Beurteilung des Films keine große Rolle mehr.

DIE HAMBURGER KRANKHEIT ist auch ein Roadmovie
Was ist nun DIE HAMBURGER KRANKHEIT für ein Film? Man könnte ihn als dystopisches Endzeit- oder Katastrophendrama mit leichtem Science-Fiction-Einschlag bezeichnen. Wobei sich der SciFi-Einschlag weniger aus der Handlung ergibt - es gibt da eigentlich nichts, was aus damaliger Sicht erst in der Zukunft möglich gewesen wäre, wenn man mal von den Spekulationen der Gerontologen über die Verlängerung des Lebens absieht, aber die besitzen für die eigentliche Handlung keine Relevanz. Eher liegt es am Atmosphärischen, und dazu leistet die Musik von Jean-Michel Jarre einen wesentlichen Beitrag. Der französische Musiker und Elektronik-Tüftler, der mit seinem Hit Oxygène (Part IV) auch hierzulande bekannt wurde, hat für DIE HAMBURGER KRANKHEIT keine neue Musik komponiert, sondern in Absprache mit Fleischmann passende Stücke aus seinen Alben Oxygène und Equinoxe ausgewählt. Dabei hatte er ein gutes Händchen. Die damals futuristisch klingende Musik wirkt heute nicht veraltet, sondern zeitlos, und sie versieht viele Szenen mit einem leicht abstrakt wirkenden und latent bedrohlichen Touch. Noch etwas ist DIE HAMBURGER KRANKHEIT, nämlich ein Roadmovie. Zwar dauert es etwas, bis die Protagonisten Hamburg hinter sich lassen, aber dann sind sie fast ständig unterwegs, von Nord nach Süd durch die ganze Republik. Meistens per Auto, auch mal mit einer Fähre auf der Elbe und später auf einem rostigen Hausboot, und zwischendurch und ganz am Schluss zu Fuß. Von den verschiedenen Etappen sind jeweils nur kleine Ausschnitte durch große geografische Sprünge miteinander verbunden, aber wer mit älteren deutschen Roadmovies wie etwa Wim Wenders' Trilogie (ALICE IN DEN STÄDTEN, FALSCHE BEWEGUNG und IM LAUF DER ZEIT, 1974-76) etwas anfangen kann, der wird auch Fleischmanns Film in dieser Hinsicht etwas abgewinnen können.

Carola schließt sich an
Was die surrealen Elemente betrifft, so blieb Peter Fleischmann seiner bisherigen Linie treu. Sein erster Spielfilm, JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN (1969) nach dem gleichnamigen Stück von Martin Sperr (der auch die Hauptrolle spielte), war noch dem Realismus verpflichtet, ein typischer (und vielleicht der bekannteste) Vertreter des "Neuen Heimatfilms" innerhalb des Neuen Deutschen Films. Aber in der wüsten Kleinstadt-Groteske DAS UNHEIL (1972) und in der grellen Sex-Farce DOROTHEAS RACHE (1974) ließ es Fleischmann schon richtig krachen (den darauffolgenden Film LA FAILLE von 1975 habe ich noch nicht gesehen). Der 1937 geborene Fleischmann besitzt eine frankophile Ader, er hat einen Teil seiner Ausbildung an der Pariser Filmhochschule IDHEC absolviert (den anderen Teil am Vorläufer-Institut der HFF in München). Für DOROTHEAS RACHE gewann Fleischmann Jean-Claude Carrière als Co-Autor des Drehbuchs. Carrière hat, neben vielen anderen Filmen, auch an sechs Spätwerken von Luis Buñuel mitgearbeitet, von TAGEBUCH EINER KAMMERZOFE über BELLE DE JOUR und DER DISKRETE CHARME DER BOURGOISIE bis zu DIESES OBSKURE OBJEKT DER BEGIERDE, er besaß also ausgewiesene Expertise in Sachen Surrealismus. Während dieser Zusammenarbeit, also Mitte der 70er Jahre, entstanden bereits die ersten Ideen zu DIE HAMBURGER KRANKHEIT, und Carrière fertigte später eine Reihe von Konzeptzeichnungen dazu an, war dann aber an der Entstehung des Films nicht mehr beteiligt. Diese Rolle übernahm Roland Topor, der auf Fleischmanns Wunsch das offizielle Filmplakat für DOROTHEAS RACHE entworfen hatte. Der Pariser Zeichner und Schriftsteller Topor (er schrieb u.a. die Romanvorlage für Polanskis DER MIETER) hatte schon um 1960 herum Freundschaft mit dem Dichter, Dramatiker und späteren Regisseur Fernando Arrabal geschlossen, der aus Chile nach Paris zugewanderte Alejandro Jodorowsky gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe. Fleischmann, der Arrabal von einer früheren Begegnung in Cannes kannte, engagierte nun diesen als Darsteller des Ottokar und Topor als Co-Autor des Drehbuchs. Auf Topors Vorschlag wurde der Schriftsteller Otto Jägersberg als weiterer Autor hinzugezogen. Weil auch eine französische Firma an der Finanzierung von DIE HAMBURGER KRANKHEIT beteiligt war, ist es offiziell eine deutsch-französische Coproduktion (französischer Titel LA MALADIE DE HAMBOURG).

Schützenkompanie
Ein weiteres Charakteristikum zieht sich durch Fleischmanns Spielfilme von JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN bis (mindestens) DIE HAMBURGER KRANKHEIT (aber wiederum weiß ich in dieser Hinsicht nichts über LA FAILLE), nämlich seine Vorliebe, professionelle Theater- und Filmschauspieler mit vielen Laiendarstellern zu mischen und Letztere oft auch mit tragenden Rollen zu betrauen. Vielen der Laiendarsteller in DIE HAMBURGER KRANKHEIT sieht man ihren Status an, denn solche Charakterfressen bekommt man in den Katalogen der Schauspieleragenturen überhaupt nicht zu sehen, und alle sprechen ihren jeweiligen lokalen Dialekt, von einer Hamburger Hafenkneipe über das Hessische in Fulda bis zum Bairisch der Schützenkompanie. Was die Profis betrifft, so meistert Helmut Griem, der spätestens seit seinen Auftritten in CABARET und Viscontis LUDWIG auch international gefragt war, seinen Part souverän. Carline Seiser hatte zuvor nur zwei Filmauftritte vorzuweisen und hätte vielleicht Karriere gemacht, aber 1980 heiratete sie Konstantin Wecker (die Ehe hielt bis 1988) und beendete ihre Filmlaufbahn, auch wenn sie 1991 nochmals in einem TV-Film auftauchte. Sie wurde dann Malerin und Bildhauerin und entwarf gelegentlich auch Bühnenbilder und Kostüme. Das schauspielerische Highlight in DIE HAMBURGER KRANKHEIT ist für mich aber Ulrich Wildgruber, der eine faszinierend dynamische Performance hinlegt. Damals schon ein arrivierter Theaterstar, der vor allem mit dem Namen Zadek verbunden war, hatte er zwar schon 1975 auch in einem Film von Peter Zadek mitgespielt, aber erst mit DIE HAMBURGER KRANKHEIT begann seine Zweitkarriere als Film- und Fernsehdarsteller so richtig. Sie währte 20 Jahre lang, bis er sich 1999 das Leben nahm.

In Bayern hat Heribert abermals die Profession gewechselt - er verkauft jetzt Schutzanzüge
DIE HAMBURGER KRANKHEIT ist 2018 auf einer DVD der Zweitausendeins Edition erschienen. Als Bonus gibt es u.a. das damalige Presseheft (als PDF im ROM-Bereich), die Zeichnungen von Carrière, das oben schon erwähnte Interview mit Fleischmann, und als Höhepunkt seinen grandiosen Dokumentarfilm HERBST DER GAMMLER von 1967. Eine ältere DVD von 2010 gibt es auch, aber die ist offenbar vergriffen. 2019 wurde DIE HAMBURGER KRANKHEIT digital restauriert, dabei aber leider auch gekürzt (auch Romy Haags Schniedel wurde weggeschnibbelt). Diese Version gibt es gegen Bezahlung bei Vimeo als Stream (dort auch ein Trailer in guter Bildqualität).

Freitag, 2. November 2018

Ein Film aus der Bretagne und ein toter Regisseur

Vor knapp 60 Jahren ertrank Alain Kaminker

LA MER ET LES JOURS (VERBÜNDETE DES MEERS)
Frankreich 1958
Regie: Alain Kaminker und Raymond Vogel
Darsteller: Bewohner der Île de Sein

Wer war Alain Kaminker? Er war zunächst einmal, um einen bekannteren Namen in die Runde zu werfen, der jüngere Bruder von Simone Signoret, die eigentlich Simone Henriette Charlotte Kaminker (oder auch Henriette Charlotte Simone Kaminker, je nach Quelle) hieß, Signoret war der Mädchenname ihrer Mutter. Aber natürlich ist das nicht der Grund, warum hier an Alain Kaminker erinnert werden soll.


1958 machten sich drei Männer auf zur kleinen bretonischen Île de Sein, die 8 km von einem der westlichsten Zipfel der Bretagne entfernt im Meer liegt, um im Herbst und Winter dieses Jahres über und mit den Fischern und ihren Familien einen Dokumentarfilm zu drehen. Der 1930 geborene Alain Kaminker und Raymond Vogel waren die Regisseure, André Dumaître (1920-1997) ihr Kameramann. Die heute bekanntesten Mitwirkenden an LA MER ET LES JOURS kamen erst nach dem Dreh zum Einsatz: Henri Colpi besorgte den Schnitt, Georges Delerue schrieb die Musik und Chris Marker den Kommentartext. André Dumaître hatte schon Erfahrung in seinem Metier, für Kaminker dagegen war es anscheinend der erste Film. Und Raymond Vogel? Laut IMDb soll er 1915-1988 gelebt haben und außer LA MER ET LES JOURS nur einen anderen Film inszeniert haben, nämlich (zusammen mit einem anderen Regisseur) DES HOMMES COMME LES AUTRES (1954). Doch nach dieser Seite, die einen gut informierten Eindruck macht, ergibt sich ein anderes Bild. Danach wurde Vogel 1927 in Basel geboren, und er starb 1995. Und er hat etliche Filme mehr gedreht. Vogel war längere Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF). 1949 drehte er zusammen mit René Vautier in der Elfenbeinküste den antikolonialistischen AFRIQUE 50 (der in Frankreich Jahrzehnte verboten war, und für den Vautier für ein Jahr ins Gefängnis ging), und danach, meist in Zusammenarbeit mit anderen Regisseuren, weitere engagierte bis radikale Filme. Nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 trat Vogel aus der PCF aus. In den 60er Jahren war er an Spielfilmen beteiligt, u.a. mit Alain Robbe-Grillet, aber was er da genau gemacht hat, weiß ich nicht. Noch später betätigte er sich als Schriftsteller. In der IMDb wird Vogel ein Auftritt in einem TATORT von 1979 nachgesagt, aber ich nehme mal an, dass da ein anderer Raymond Vogel am Werk war (vielleicht einer, der 1915-1988 gelebt hat).


Doch zurück zu LA MER ET LES JOURS. Der Film ist derzeit noch bei arte zu betrachten.


Nach anfänglicher Skepsis seitens der Inselbewohner wurden Kaminker, Vogel und André Dumaître herzlich aufgenommen, und sie haben gute Arbeit geleistet. Spektakuläre Bilder wie die geradezu abenteuerliche Auswechslung der Leuchtturmwärter, nüchterne Betrachtungen des Alltags und poetische Impressionen wechseln sich in einer ausgewogenen Mischung ab. Die Bilder erinnern teilweise an andere Filme aus ähnlichem Milieu, von Robert Flahertys MAN OF ARAN bis zu NAZARÉ von Manuel Guimarães, und natürlich an ältere Filme aus der Bretagne, etwa die von Jean Epstein wie FINIS TERRÆ. Wie sich der Neuling Kaminker und der schon erfahrenere Vogel die Regie aufteilten, ist mir nicht bekannt, ebensowenig, ob sie im Geist des Cinéma vérité nur weitgehend das Vorgefundene abfilmen ließen, oder ob sie selbst in stärkerem Maße inszenierend eingriffen (so wie das Flaherty immer gemacht hatte). Das Schiffsunglück im Film ist jedenfalls nicht inszeniert. Der Trawler Anne-Gaston lief am 15. November 1958 auf einen Felsen auf und sank. Drei Seeleute ertranken, die restlichen Besatzungsmitglieder wurden von den Bewohnern von Sein in einer nächtlichen Rettungsaktion geborgen. Der damalige Schiffsjunge der Anne-Gaston, der gerettet wurde (während sein Vater unter den Opfern war), erinnert sich hier an das Unglück.


Am 11. Dezember 1958, als die Dreharbeiten schon weit fortgeschritten waren und ein Sturm tobte, fiel der seekranke Kaminker ausgerechnet vom Rettungsboot der Île de Sein in das aufgewühlte Meer und ertrank. Eine stundenlange Suchaktion blieb zunächst erfolglos, erst einen Tag später wurde seine Leiche an einem Strand der Insel aufgefunden. Alain Kaminker wurde auf Wunsch seiner Familie auf dem Dorffriedhof von Sein bestattet, als erster nicht Ortsansässiger, wie es heißt. - René Vautier (1928-2015), Raymond Vogels oben schon erwähnter Mitstreiter bei AFRIQUE 50, der selbst aus der Bretagne stammte, drehte 1971 (laut IMDb 1973, aber 1971 ist richtig) zusammen mit einer Nicole Le Garrec die 45-minütige Doku MOURIR POUR DES IMAGES über die Dreharbeiten zu LA MER ET LES JOURS und den Tod von Kaminker. Neben Bewohnern der Île de Sein tritt auch Kameramann André Dumaître darin auf. - Die Bretagne besitzt eine eigene Cinémathèque, die 1986 gegründet wurde. Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums wurden 2016 einige alte Filme mit Bezug zur Bretagne restauriert und, wo sinnvoll, mit englischen Untertiteln versehen und in dieser Form wieder veröffentlicht, darunter auch bei arte - neben LA MER ET LES JOURS beispielsweise auch der (vermutlich per Pathécolor) colorierte kurze IM LAND DER FISCHER von 1910. Das oben eingebettete Video von LA MER ET LES JOURS soll aber nur noch bis zum 18.12.2018 verfügbar sein (und das ist der Grund, warum ich diesen Artikel etwas vorgezogen habe).

Sonntag, 8. Juli 2018

1968 in einem kleinen Dorf

ALEXANDRE LE BIENHEUREUX ("Alexander, der Lebenskünstler" / "Alexander, der glückselige Träumer")
Frankreich 1968
Regie: Yves Robert
Darsteller: Philippe Noiret (Alexandre Gartempe), Marlène Jobert (Agathe), Françoise Brion ("La Grande", Alexandres Ehefrau), Paul Le Person (Sanguin), Pierre Richard (Colibert), Jean Carmet (La Fringale), Kaly (der Hund), Tsilla Chelton (Madame Bouillot)



Jean Renoirs Komödie BOUDU SAUVÉ DES EAUX zog zwei offizielle Remakes nach sich: 1986 DOWN AND OUT IN BEVERLY HILLS von Paul Mazursky mit Nick Nolte in der Rolle Michel Simons und 2005 BOUDU von und mit Gérard Jugnot als Oberhaupt der bürgerlichen Familie und mit Gérard Depardieu als Boudu. Wer sich vielleicht schon einmal die Frage gestellt hat, was Boudu eigentlich gemacht hat, bevor er zum Tramp wurde, könnte in Yves Roberts ALEXANDRE LE BIENHEUREUX möglicherweise eine Antwort finden...
Natürlich ist ALEXANDRE LE BIENHEUREUX viel mehr als "nur" ein potentielles Prequel zu BOUDU SAUVÉ DES EAUX. Er ist auch eine wunderschöne Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einem Hund. Eine Utopie von einem besseren, entspannteren und richtigeren Leben in einer kapitalistisch korrumpierten Zeit. Eine Feier des Innehaltens für die kleinen Dinge des Lebens. Eine Ode an den nonkonformistischen Widerstand – der, ohne wirklich explizite Verbindungen zu knüpfen, den Geist der 68er-Bewegung in sich trägt.


Die Passion des Alexandre

Auf einer unterschwelligen Ebene beginnt ALEXANDRE LE BIENHEUREUX zunächst allerdings als kapitalistische Dystopie und beinharte Bestandsaufnahme einer eiskalten und lieblosen Ehe.
Wir befinden uns in einem (scheinbar) idyllischen Dorf irgendwo in der französischen Provinz. Die größten Grundbesitzer der Region sind die Gartempes. Na ja: eigentlich Frau Gartempe. Sie ist die Besitzerin des Landguts, und Alexandre, ihr Ehemann, war ehemals ein einfacher, aber besonders kräftiger Landarbeiter. Sie brachte Besitz in die Ehe, er Muskelkraft – und profitiert hat letztendlich sie. Von früh bis spät lässt sie ihn wie ein Maultier schuften. Maschinen und Gerätschaften warten, Kühe melken, Feldarbeiten erledigen, Zäune bauen – das gesamte Landgut, das sie besitzt, lässt "La Grande" von ihrem Ehemann bewirtschaften. Sie hingegen nimmt sich der leichteren Aufgaben an, etwa das erwirtschaftete Geld zusammen zählen (und dann auch für sich ausgeben), Alexandres Arbeitsplan an einer Schiefertafel im Esszimmer entwerfen und ihn ansonsten herumkommandieren. Da Herr Gartempe zu spontanen Siestas, kleinen Umwegen bei der Billardkneipe oder zu ausgedehnten ornithologischen Beobachtungs-Sessions neigt, muss sie ihn besonders gut überwachen und immer wieder an die Arbeit erinnern: mit Fingerschnippen, Rufen, Glockenläuten (und später noch ausgetüftelteren Mitteln). Es scheint kein Zufall zu sein, dass man SIE fast niemals richtig arbeiten sieht. Eine treffende Bebilderung kapitalistischer (Ausbeutungs)verhältnisse? Wer in dem Gartempe-Betrieb der wahre "Leistungsträger" ist, sei dem Urteil eines jeden einzelnen überlassen. "Ich bräuchte vier kräftige Männer, um ihn zu ersetzen", erklärt "La Grande" zwischendrin einigen von Alexandres Kumpeln – ein Ehemann ist aber doch viel günstiger als vier Arbeiter, und kann auch nach Feierabend von Nutzen sein. Wenn Alexandre völlig ermattet im gemeinsamen Bett liegt und kurz davor ist, in den Schlaf der Gerechten zu gleiten, erinnert sie ihn noch mit einem Fingerschnippen an die Erfüllung seiner ehelichen Pflichten, was er dann nolens volens auch ausführen muss. Kurz: dieser Mann wird bis zum letzten Tropfen ausgepresst.
Es ist eine wirklich unschöne Ehe, die die beiden da führen. Die erste halbe Stunde von ALEXANDRE LE BIENHEUREUX nimmt sich ausführlich Zeit, um diesen Zustand von Ausbeutung und latenter, wachsender Abneigung zu zeichnen. Da der Film eine Komödie ist, wird das alles mit den Mitteln des Slapsticks als eine Abfolge kleiner, ziemlich präzise, ja fast mechanisch getimter Gag-Vignetten verhandelt. Aufgelockert wird dies von Alexandres "Pausen", seinen Dialogen mit den Kumpeln im Dorf oder den Vögeln im Wald.

Wenn ein Hochzeitsbild so aussieht, kann das keine glückliche Ehe werden...

...tatsächlich besteht die Ehe hauptsächlich aus Arbeit (vor allem für ihn).
Selbst bei Feiertagen fängt sie ihn in der Kneipe ab, um ihn auf's Feld zu schicken.

Zwei Neuerungen bringen die Situation an den Rand der Eskalation. Nachdem sie bei einer Verkehrskontrolle Bekanntschaft mit einem Walkie-Talkie gemacht hat, besorgt sich "La Grande" ein Paar davon, um damit Alexandre noch besser kontrollieren und ihn gar ganz bequem aus der Ferne dirigieren zu können. Während einer Dorffeier kann sie ihn bequem von der Kneipe auf's Feld zum Kürbisernten schicken, während sie selbst bei der Feier bleibt. Aufgrund einer Unachtsamkeit schaltet Alexandre auf dem Feld das Gerät auf den Sprechmodus, so dass sie seine ganze wutentbrannte Schimpftirade gegen ihre Person mithört – und natürlich schnurstracks zu ihm fährt. Die letzten Zeilen seiner Schimpftirade bekommt sie schließlich live mit, und als er sein Walkie-Talkie zertrümmert und durch das Rückkopplungsgeräusch merkt, dass sie schon einige Schritte hinter ihm ist, steht er ganz schön blöd da. Wieder ein perfekt getimter Gag, der aber auch eine offen bittere Note hat: eine Versöhnung scheint hier ausgeschlossen. Beide teilen sich ein Bett, aber sie leben doch in verschiedenen, unvereinbaren Welten.
Doch dann besorgt sich Alexandre einen Hund. Nun – eigentlich "besitzt" er den Hund schon relativ früh im Film. Sanguin, ein kinderreicher Bauer im Dorf, schenkt ihm einen Welpen, den Alexandre akzeptiert, aber erst einmal nicht zu sich nimmt, weil "La Grande" das natürlich nicht zulassen würde. Einige Zeit vergeht: der Hund ist schon ausgewachsen, als er schließlich ausbricht und zu Alexandre eilt. Der schmuggelt ihn ins Haus, hält ihn beim Abendessen unter dem Jackett versteckt. Für kurze Zeit kann er das Gejaule und Knurren noch als sein Magenknurren tarnen, aber natürlich fliegt der Hund auf. Der Landwirt erwirkt (nachdem er einen erstaunlich heftigen Wutanfall gehabt hat), dass der Vierbeiner im Haus bleiben darf, doch das ist dem natürlich nicht genug: er will einen festen Schlafplatz im ehelichen Bett haben! Nach einigen Turbulenzen stellt "La Grande" ein Ultimatum: "er oder ich". Alexandre nimmt das nur zu gerne an, und verbringt schließlich die Nacht in einem Feldbett auf dem Dachboden – kuschelnd mit dem Hund.

Ein Walkie-Talkie und ein Hund bringen eine zusätzliche Schärfe in den Ehekonflikt.

Nun hat Alexandre tagsüber einen Kumpanen für seine kleine "Auszeiten". Ein Wesen, das ihm beim Rumliegen auf dem Feld Gesellschaft leistet, seinen Lebensweisheiten zuhört ("Faut prendre le temps de prendre son temps!" – Man muss sich die Zeit nehmen, sich die Zeit zu nehmen), seinen Klagen ein Ohr leiht ("Travaux forcés, je connais. Pourtant, je n'ai rien fait." – Zwangsarbeit, das kenne ich. Dabei habe ich nichts verbrochen). Der ihn nicht hetzt, wenn er sich eine gemütliche Zigarettenpause gönnt. Und zudem ein Genosse in den kleinen Kämpfen gegen "La Grande" ist: ein Klemmstein weggeschnappt, und schon rollt ihr Auto den Hang runter in den Fluss...
Es ist bezeichnend, dass für sie der Verlust des 2CV nicht so schwer ist: wenige Bilder danach sieht man, dass sie sich ein DS gekauft hat. Vom Arbeiter-Auto zur Präsidenten-Limousine – ein sichtbarer symbolischer Aufstieg, doch "La Grandes" fälschlich selbstsichere Fahrkünste sind dem nicht gewachsen und sie erleidet einen tödlichen Unfall...


Heute, morgen und alle weiteren Tage: schlafen, schlafen, SCHLAFEN!

Die Trauer Alexandres über den Tod seiner Ehefrau hält sich sichtlich in Grenzen. Beim Trauerumzug lächelt er sogar zwischendrin – nun, nicht aus Bosheit, sondern weil er einen Marienkäfer über die Banderole eines Trauerkranzes krabbeln sieht. Die Kondolenzbekundungen am Friedhofstor nimmt er würdig entgegen, und bei jeder Frage danach, was er jetzt nun machen wird, antwortet er mit "Nichts!". Nun, das Betreiben des Hofs wäre an sich kein Problem: er ist ja derjenige, der bisher sowieso den Großteil der Arbeiten erledigt hat. Bloß: er hat keine Lust mehr!
Nach der Beerdigung kehrt er zum Hof zurück. Er öffnet die Türen der Ställe und entlässt nach und nach sämtliche Tiere in die Freiheit: zuerst die Gänse und Truthähne, dann die Kaninchen, schließlich die Kühe. Es ist ein ungeheuer kraftvolles Bild. Ist es die ultimative Geste der Verweigerung? Ein Symbol von Alexandres eigener Befreiung? Ist es die Rebellion, die symbolische Gewalt gegen eine Status-Quo-Ordnung – zu sehen, dass hier etwas getan wird, was eigentlich nicht getan werden sollte? Ist Alexandres Ausdruck ermüdet, resigniert oder im Gegenteil eisern entschlossen? Einerlei: es ist ein unglaublich emotionaler und kathartischer Moment. Nachlässig zieht Alexandre dann im Esszimmer Jackett und Schuhe aus, und mit seiner Weste (!) wischt er die Schiefertafel ab, auf der seine Ehefrau seine Tagesaufgaben notiert hat. Ab nach oben, ins Bett, schlafen, schlafen, schlafen...

Die Befreiung der Tiere unter dem wachsamen Auge des Hundes – dann ab ins Bett

Hier kommt jetzt ein Akteur ins Spiel, der vorher nur peripher und implizit zu sehen war: die Dorfgemeinschaft. Und das Bild, das ALEXANDRE LE BIENHEUREUX von ihr zeichnet, ist alles andere als schmeichelhaft! Drei Tage nach der Beerdigung hat sich Alexandre nicht wieder blicken lassen, und schon stehen die ersten bei ihm vor der Haustür, die wildesten Gerüchte und Vermutungen im Schlepptau: hat er sich erhängt? Oder hat er sich so gnadenlos betrunken, dass er erst einmal den Rausch ausschlafen muss? Was der Bauer Sanguin, die Dorfkneipen-Kumpanen Colibert und La Fringale und andere Dorfbewohner vorfinden, übersteigt ihre wildesten Befürchtungen: Alexandre ist quicklebendig, stocknüchtern, er schläft und will auch noch weiter schlafen. Nachdem er sich auf die andere Seite umgedreht hat, diskutieren die lieben Dorfnachbarn erst einmal eine Runde darüber, was mit ihm zu tun ist – wohlgemerkt sprechen sie über Alexandre in der dritten Person (meiner Meinung nach eine der schlimmsten indirekten Verachtungsbekundungen, die es gibt). Trotz der Mahnung Alexandres, endlich ruhig zu sein, diskutieren sie weiter und beschließen dann, Alexandre mit Gewalt aus dem Bett zu zerren, doch der ist kräftiger als die Bande, schmeißt sie hochkant raus und als sie vor seinem Fenster weiter debattieren, verscheucht er sie einem Gewehrschuss gen Himmel.

Die Intervention der "besorgten Bürger" aus dem Dorf wehrt Alexandre mit Karacho ab...

...nach einigen Wochen hat er es sich in seinem Zimmer sehr gemütlich eingerichtet.
(Die Apparaturen, mit denen Alexandre alles mittels Zugschnuren in Griffweite hält, erinnerte mich an
ähnliche Einrichtungen in klassischen Slapstickfilmen, z. B. Keatons THE SCARECROW.)

Diese Schlacht hat Alexandre gewonnen (den Krieg wird er aber letztlich verlieren), doch damit wird die Gerüchteküche erst recht angeheizt. Zudem nunmehr zwei Monate vergangen sind. Tratsch und Klatsch im Dorf drehen sich nur noch um Alexandre, der von einigen der "besorgten Bürger" fast wie eine Art öffentlicher Feind Nummer 1 behandelt wird. Für die Dorfkinder ist es die ultimative Mutprobe, sich auf Alexandres Hof zu schleichen, da er ja angeblich jeden erschießt, der in die Nähe kommt. Madame Bouillot, die Lebensmittelverkäuferin im Dorf, wenn sie nicht gerade ihre etwas tollpatschige und nicht sonderlich arbeitsame neue Gehilfin Agathe anschnauzt, zerreisst sich geradezu das Maul über Alexandre: ein Gutsbesitzer, der sich so verhält, würde ja irgendwann als Vagabund auf der Straße enden (was sich leider als selbsterfüllende Prophezeiung erweist). Die Speerspitze im Kampf gegen Alexandres schlafende Rebellion bildet allerdings ausgerechnet der Mann, der Alexandre mit seinem treuesten "comrade in arms" zusammen geführt hat: Sanguin. Nachdem er die erste Intervention in Alexandres Haus bereits geleitet hat, wird er mit dem Aktionismus eines echten Fanatikers sämtliche weitere Schläge gegen den schlafenden Gutsbesitzer initiieren und durchführen, mit dem Ziel, ihn zum Aufstehen zu bringen – ein Gutsbesitzer, der die ganze Zeit schläft, sei schließlich unmoralisch. Er schreibt einen wütenden Brief. Er organisiert eine Belagerung des Hauses mit einem "Selbstmordkommando": der tapfere Angreifer, Colibert, dringt zwar, ohne erschossen zu werden (natürlich – ist ja Quatsch, dass Alexandre Leute erschießen würde!), bis Alexandre vor, wird im Gespräch mit ihm allerdings "bekehrt" zur Idee des süßen Nichtstuns. Sanguin trommelt danach eine Fanfare zusammen, die Alexandre den Schlaf rauben soll (der packt sich allerdings einfach Watte in die Ohren). Eine Blockade gegen die Lebensmittelversorgung Alexandres scheitert auch: seitdem er sich hingelegt hat, schickt der Witwer seinen Hund auf Einkaufsrundgänge, und nachdem diesem die Läden die Türen verschließen, klaut das Tier eben Kartoffeln vom Feld und Eier aus dem Stall. Einer Vorladung zum Stadtrat kommt Alexandre nicht nach, sondern schickt den Hund als Stellvertreter. Der letzte Schlag gelingt schließlich: Sanguin lässt den Hund entführen.
Ohne einmal sein Schlafzimmer verlassen zu haben bzw. genau deswegen hat Alexandre einen Riesentumult im Dorf verursacht. Gerade bei den Dorfnotabeln hat er sich große Feinde gemacht, findet aber bei sozialen Außenseitern und Personen ohne großes eigenes Stimmrecht einigen Anklang.
Die erste Sympathisantin ist Agathe, die etwas faule Gehilfin im Lebensmittelladen, die zudem auch noch eine Fremde ist (sie ist während des Begräbnisses mit dem Bus im Dorf angekommen). Eine Schwester im Geist gewissermaßen, die ein analoges Ausbeutungsverhältnis wie einst Alexandre erlebt: für einen (wie man vermuten muss) Hungerlohn wird sie die ganze Zeit von der griesgrämigen Lebensmittelhändlerin angeschnauzt, und mit großer Bewunderung hört sie von dem Mann, der den ganzen Tag schläft. Sie bringt ihm schließlich, vor wie während der Blockade, Lebensmittelpakete vorbei und trifft sich schließlich mit ihm zu koketten "Blind Dates" an seiner Zimmertür (da er nur im Nachthemd ist, öffnet er ihr nicht).
(Hier gibt es übrigens einen sehr bemerkenswerten Augenblick, der mir bei der Erstsichtung gar nicht in dieser Klarheit aufgefallen ist. Die beiden tauschen Fotos von sich unter der Zimmertür aus. Alexandre zerreisst dafür sein Hochzeitsfoto in zwei Hälften und übergibt seine Hälfte an Agathe. Als sich Agathe verabschiedet, bittet er sie zu warten, erblickt beim Hochhalten seiner Hand das Portrait seiner Frau, hält inne, verabschiedet Agathe und bleibt sichtlich nachdenklich, vielleicht gerührt, mit dem Bild seiner toten Ehefrau in der Hand stehen. Hat er in diesem Moment einen verspäteten Schub an Trauer erfahren? Oder vermutet er intuitiv, dass sich hinter der sympathischen Agathe vielleicht eine Frau wie "La Grande" verstecken könnte?)

Alexandre hat im Dorf einige mächtige Gegner – keiner so militant und fanatisch wie Sanguin...
...aber auch Sympathisanten: Schulkinder, der "bekehrte" Colibert
und die Ladengehilfin Agathe.

"Tu fais tache d'huile!" – schreibt Sanguin an Alexandre. Wie ein Ölfleck breitet sich die schlafende Rebellion im Dorf aus. Eine Gruppe zeigt sich irgendwann sehr begeistert von Alexandre: die Kinder! Irgendwie scheint sich ja das Gerücht, dass Alexandre Leute vor seiner Haustür tötet, nicht zu bewahrheiten. Die langen, langen Schultage, die vielen lästigen Hausaufgaben: darauf haben die Schüler keine Lust. Sie wollen es wie Alexandre machen und zu Hause bleiben. Eine mysteriöse Epidemie von Mandelentzündungen erfasst am nächsten Tag sämtliche Schulkinder... (Dass kleine Kinder eine subversive Kraft gegen den Status Quo der Erwachsenen sein können, das hatte Yves Robert schon in seinem Film LA GUERRE DES BOUTONS sechs Jahre zuvor gezeigt).
Schließlich stellen sich noch einige weitere Bewohner des Dorfes auf Alexandres Seite: Colibert etwa, der nach dem "Sturm" von Alexandres Haus "bekehrt" wird. Oder La Fringale, der vor allem aus persönlicher Abneigung gegen die selbstgefällig-moralisierenden Tiraden Sanguins beschließt, Alexandre moralisch beizustehen. Ein älterer Herr, der jahrzehntelang schwer gearbeitet hat und davon sichtlich nicht reich geworden ist.
Der treueste Geselle Alexandres ist aber natürlich sein Hund. Er geht einkaufen, merkt sofort, wenn ein Händler den Betrag aufrundet, bestellt bei Agathe durch Bellen die richtige Anzahl an Schinkenscheiben, korrigiert Alexandre, wenn dieser sich auf dem Horn verspielt, bewacht den Eingang des Hauses.
(Wenn man sehr weit ausholen will, könnte man sagen, dass Alexandre seinen Hund ansatzweise behandelt wie einst "La Grande" ihn behandelt hat – natürlich ist eine kurze Einkaufstour im Dorf am Morgen allerdings bestimmt weniger anstrengend als einst die schweren, stundenlangen Feldarbeiten, und Alexandre spielt ihm ja auch auf dem Horn Lieder vor).
Der Hund ist während großer Teile des Films auch ein aufmerksamer Beobachter und ein stummer Kommentator des Geschehens. Einige Szenen sind aufgebaut nach dem Kuleschow-Effekt, bloß mit einem Hund statt mit einem menschlichen Schauspieler, und immer wieder meint man Verwunderung, Erstaunen, Traurigkeit, Zustimmung oder Freude auf dem Gesicht des Hundes zu erkennen.


Die Utopie des schöneren Lebens (und ihr Ende)

Alexandre hat sein Leben nach zwei Dingen ausgerichtet: seinem Bett und seinem Hund – aber nicht in dieser Reihenfolge. Sanguins Idee, den Hund zu entführen, trägt in einem perfiden Sinne Früchte, denn als sein treuester Freund nicht wieder zurückkehrt, steht Alexandre tatsächlich auf, um nach ihm zu suchen. Der Plan ist vorerst aufgegangen (der Hund wurde tatsächlich nur kurz festgehalten). Heuchlerisch und hinterhältig redet Sanguin Alexandre ein, dass es ja kein Leben für ein Hund sei, so den ganzen Tag in einem Zimmer zu verbringen: ein Hund brauche schließlich frische Luft. Dem stimmt Alexandre umgehend zu und er verspricht, ab jetzt früh immer aufzustehen... und dann mit dem Hund lange Spaziergänge zu machen und fischen zu gehen (aber abends dann auch früh ins Bett zu gehen).
Der Schuss ist nach hinten losgegangen, denn damit hat nun weder Sanguin, noch irgendjemand sonst gerechnet. Nun trägt Alexandre seine passive Rebellion voll in die Öffentlichkeit, da er sich nicht mehr nur in seinen eigenen vier Wänden eine schöne Zeit macht: mit dem Hund spazieren gehen oder Fahrradtouren machen, lange fischen, gemütlich bei einem schönen Drink auf dem Innenhof des Guts entspannen, erfrischende Plantschereien im Bach, Champagner-getränkte Billardpartien mit seinen Kumpels in der Dorfkneipe, Fußballpartien mit den Dorfkindern... Sein Gang an die Öffentlichkeit hat außerdem zur Folge, dass er nun sein "Blind Date", Agathe, auch von Angesicht zu Angesicht kennenlernt. Zwischen den beiden funkt es dann rasch, und sie werden ein Liebespaar.

Alexandre geht wieder in die Öffentlichkeit und lebt sein entspanntes Leben nun für alle sichtbar...

...zum großen Missfallen Sanguins.

Alexandre wird bei gewissen Dorfbewohnern zu einer regelrechten gegenkulturellen Ikone, zu einem (passend bärtigen) Prophet eines besseren und entspannteren Lebensstils – und gewissermaßen zum hippen Trendsetter. Als er mit einer kurzen Sommerhose, die ihm Agathe geschenkt hat ("die neueste Mode in Paris"), durch die Dorfstraße stolziert, glotzen ihn die Passanten milde amüsiert an. Colibert und zwei weiteren Bekehrten, die auf der Kneipenterrasse sitzen, kippt die Kinnlade bei diesem Anblick herunter, doch ersterer fängt sich rasch und ordert sogleich statt eines neuen Apéritifs eine Schere. Kurz darauf sieht man sie im Wald mit gekürzten Hosen Pilze sammeln.
Ein Mann, der mit den Kindern des Dorfes auf dem Innenhof seines Guts Fußball spielt... Nach heutigen Begriffen wäre das vielleicht "ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit" (zumal er ein Privatgrundstück kostenlos dafür zur Verfügung stellt); für die "besorgten Bürger" des Dorfes, und vor allem für Sanguin und Madame Bouillot, ist das allerdings eine Schande – so ein Gutsbesitzer, der Fußball spielt, statt seine Besitzungen gewinnbringend zu bewirtschaften.

Alexandre wird im Dorf zum Trendsetter – und mit der Liebe klappt es auch. 

Im Grunde sind die Vertreter von Ordnung, Moral und Arbeitseifer fast geschlagen, als sie von unerwarteter Seite Unterstützung erhalten. Agathe, die etwas faule Gehilfin im Lebensmittelladen, hatte als zugezogene Außenseiterin mitbekommen, dass Alexandre den ganzen Tag schläft und das mit Bewunderung quittiert. Dass er gleichwohl nolens volens der größte Großgrundbesitzer des Dorfes ist, das war ihr nicht bewußt. Als Sanguin und Madame Bouillot gemeinsam aufgrund des aktuellen Bodenpreises errechnen, wie "schwer" Alexandre eigentlich ist, bekommt Agathe einen seltsamen und kalten Ausdruck in den Augen.
Die darauffolgenden Pärchentreffen verlaufen weniger romantisch und gemütlich als sonst, weil sie ihn ständig nach der Ausdehnung seiner Ländereien und dem Zustand seiner landwirtschaftlichen Geräte ausfragt und sehr auffällig seine Muskeln betastet. Zwischendurch schnippt sie mit den Fingern, als sie plötzlich das Gesichtete mit inneren Berechnungen in Einklang bringt. Dem aufmerksamen Zuschauer ist diese Geste und das begleitende Geräusch unangenehm vertraut, und eigentlich sollte Alexandre auch wissen oder spüren, dass da etwas sehr, sehr Ungutes auf ihn zukommt. Mit einer unerbittlichen Tragik geht er, ohne sich dessen bewußt zu sein, auf sein eigenes Verderben zu. Denn plötzlich ist es geschehen: der wilde Prophetenbart ist abrasiert, die legere Kleidung gegen einen Bräutigamanzug ausgetauscht. Was Alexandre, als er sich im schicken Kostüm im Spiegel betrachtet, natürlich nicht sieht, ist, wie Agathe sich fernab bereits auf den Reichtum freut und ihre ehemalige Arbeitgeberin demütigt.

Mit einer völlig verwandelten Agathe begibt sich Alexandre zum Traualtar,
doch in letzter Minute besinnt er sich, büxt mit dem Hund aus...

...und bereitet sich auf ein Leben als Landstreicher vor.

Vor dem Altar stellt sich Alexandre, offenbar unbewusst, etwas quer und unwillig. Aufmerksame Zuschauer werden gesehen haben, dass er die gleiche Pose und den gleichen etwas unerfreuten Gesichtsausdruck hat wie auf seinem Hochzeitsfoto von vor zehn Jahren. Die ganze Gemeinde ist offenbar in der Kirche, um der Eheschließung zuzuschauen und ihr ihre Zustimmung zu geben. Na ja, die Billard-Kumpels Alexandres schauen nicht so ernst und erhaben rein wie die anderen Zuschauer, sondern eher juxend und amüsiert. Nur einer betritt die Kirche nicht und weigert sich vollkommen der Zeremonie: der Hund, der vor den Toren des Gotteshauses steht und durch Bellen seinen Missmut ausdrückt. Alexandre rennt während der Trauung raus, um den Hund zu beruhigen, aber der lässt sich nicht ruhig stellen. Plötzlich sieht Alexandre in aller Klarheit, dass er eine Dummheit begehen wird und dass derjenige, der ihn aus der Situation rettet, sein vielleicht einziger, jedenfalls sein treuester und intimster Begleiter ist. Die Frage des Priesters, ob er Agathe zu seiner Ehefrau nehmen möchte, antwortet er zum Entsetzen der Anwesenden mit "Nein", lächelt, rennt hinaus und davon. Wie ein entfesselter Mob verfolgt ihn die Gemeinde. In einem seiner Weizenfelder versteckt sich Alexandre, tauscht seinen feinen Anzug gegen das abgeranzte Kostüm einer Vogelscheuche. Nur seine drei Kumpels finden ihn, verstehen seine Flucht, verabschieden ihn herzlich. Ohne jeglichen Besitz, aber mit seinem Hund, wird Alexandre fortan als Vagabund leben...


Stadtluft wird freier machen?

... sein Bart wird nachwachsen, seine bürgerlichen Gewohnheiten werden sich verlieren. Nach seinen fürchterlichen Erfahrungen im Dorf wird er es vielleicht gemäß dem Motto "Stadtluft macht frei" in einer größeren Ortschaft probieren. Ja, warum denn nicht Paris...

Dort könnte man sich zwei Szenarien vorstellen:
Alexandre, nunmehr eine stattliche Erscheinung von einem Vagabunden, wird auf eine Ablehnung treffen, die punktuell vielleicht nicht weniger stark ist als auf dem Dorf. Durch die Dichte der Metropole wird sein Hund sich allerdings vielleicht verlieren und Alexandre wird dann keinen Grund mehr sehen, am Leben zu bleiben und sich in die Seine stürzen. Mit ein bisschen Glück wird ein Anwohner (vielleicht ein Buchhändler?) ihn retten, ihn in seine bürgerliche Existenz aufnehmen und... Aber das ist natürlich eine andere Geschichte, die einige Cinephile natürlich kennen.
Wenn ich ALEXANDRE LE BIENHEUREUX eingangs als eine Art Prequel von Renoirs BOUDU SAUVÉ DES EAUX bezeichnete, dann ist das nicht in einem engen Sinne zu verstehen, es geht eher um eine assoziative Querverbindung. Beide Filme enden damit, dass ein Bräutigam sich von einer Hochzeitsgesellschaft entfernt, seinen eleganten Anzug gegen die Kleidung einer Vogelscheuche austauscht und zum Vagabunden wird (im Falle von Boudu allerdings: wieder).
Jean Renoir war bekanntermaßen einer der großen Heiligen Schutzpatrone der cahiers du cinéma-Redakteure, die später die nouvelle vague starteten, aber selbstverständlich heißt das nicht, dass sie die Exklusivität über ihn hatten. Wie stark oder nicht Regisseur-Autor-Produzent Yves Robert den Altmeister Renoir verehrte, habe ich auf die Schnelle nicht herausgefunden (in diesem Interview nennt Robert nebst René Clair und Claude Sautet auch Renoir als lobenswertes Beispiel für einen extrem persönlichen Filmemacher). Eine direkte Verbindung gab es zumindest im Sommer 1954, als Robert den Cassius in Renoirs einmalig vorgeführter Theateradaption von Shakespeares Julius Caesar spielte.
Der Inszenierungsstil von Robert ist zumindest in ALEXANDRE LE BIENHEUREUX ganz anders als Renoirs. Roberts Film ist über weite Strecken sehr straff inszeniert. Die Dreiteilung, die ich mit meinen drei obigen Kapiteln angedeutet habe, ist tatsächlich recht präzise zu ziehen: es gibt drei klare Abschnitte von je einer halben Stunde, die alle mit einem hohen Tempo inszeniert sind. Robert arbeitet viel mit Zeitverdichtung, mit Montage, mit kurzen Episoden – im Gegensatz zu Renoir, der eher mit der Ausdehnung von Zeit, mit mise en scène, "epischer" und "loser" inszeniert. Die Mischung aus Humanismus und Pessimismus ähnelt sich aber: einzelne Figuren werden nicht als Menschen verdammt, aber gesellschaftliche Kräfte und Regeln durchaus scharf kritisiert. Sanguin ist zweifelsohne der große "Bösewicht" des Films, aber gerade die ersten Szenen, in denen man ihn sieht, zeigen, dass er nicht ausschließlich bösartig ist – und in einem recht bewegenden Moment erlebt er fast einen Nervenzusammenbruch, spricht frei von der Leber und gibt zu, dass er am liebsten selbst alles hinschmeißen möchte, um einfach mal angeln zu gehen. Mit Madame Bouillot hingegen kann man am Ende, als sie von Agathe herumkommandiert und beschimpft wird und dabei wirklich ziemlich mitgenommen aussieht, durchaus Mitleid haben.
(Hier wiederum würde ich gleich ein offensichtliches Gegenargument dazu bringen: "La Grande" erfährt zu keinem Zeitpunkt eine solche Vermenschlichung und bleibt von Anfang bis Ende eine absolut eiskalte Negativfigur. Eine leichte Humanisierung erfährt sie nur posthum, im nachdenklichen, möglicherweise traurigen Blick Alexandres, als er auf ihre Fotohälfte blickt. – Und hier würde ich gleich noch einen weiteren Punkt ansprechen: ALEXANDRE LE BIENHEUREUX ist ein sehr, sehr, sehr, sehr männlicher Film. Wenn neben Alexandre durchaus sympathische Herren auftauchen, etwa die Figuren Pierre Richards und Jean Carmets, so ist es auf der weiblichen Seite dünner gesät. Agathe ist – zunächst – eine herzallerliebste Person und zeitweilig die größte Sympathieträgerin neben Alexandre und dem Hund, wird aber schlussendlich zur Verräterin, zu einer geradezu machiavellistischen Intrigantin. Man könnte einwenden, dass ihre Wandlung am Ende wenig überzeugend ist, etwas "drehbuchraschelnd" wirkt, dass sie nicht als Frau, sondern als durch Gier korrumpierte Person antipathisch sein soll, dass nicht böse Frauen, sondern persönliche Freiheit und sozialer Druck  auf dem Dorf die Themen des Films sind – ein ungutes Gefühl bleibt mir dabei dennoch im Hinterkopf.)

Ich sprach ja von zwei Szenarien... also:
Alexandre, nunmehr eine stattliche Erscheinung von einem Vagabunden, wird durch die Straßen von Paris laufen und dort eine Stadt in Aufruhr erleben mit demonstrierenden Studenten und streikenden Arbeitern, die für bessere Lebens-, Studien- und Arbeitbedingungen einsetzen, gegen Krieg, für Solidarität und Liebe. Kurz: Leute, die in einer Gemeinschaft den Aufstand proben, den er in seinem Dorf ganz alleine (bzw. nur mit seinem Hund und einigen passiven Sympathisanten) geprobt hat.
ALEXANDRE LE BIENHEUREUX wäre in diesem Sinne, obwohl er in Frankreich bereits im Februar in die Kinos kam, mit seinem antiautoritären, nonkonformistischen und rebellischen Geist der passende Film zu Mai 1968. Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, wäre er aber auch ein Film über das Scheitern von 68. Bei aller Leichtigkeit und aller Huldigung der einfachen Lebensfreuden ist ALEXANDRE LE BIENHEUREUX schlussendlich auch ein ungeheuer pessimistischer Film, mit einem bitteren Ende, einem eigentlich erschütternden unhappy happy ending. Am Ende kann niemand der Logik kapitalistischer Verwertung entkommen – es sei denn, jemand gibt alles auf. Alexandre konnte weder die Mauer der Intoleranz durchbrechen, noch die Logik eskalierender kapitalistischer Gewinnmaximierung. Ihm bleibt nur noch, aus der Gesellschaft auszutreten und außerhalb von ihr ein Leben zu probieren: wer hier "faul" ist, wird irgendwann zum Penner (oder alternativ: zum kapitalistischen Tyrannen).


Antiautoritär & populär

Der antiautoritäre und nonkonformistische Wind, der durch ALEXANDRE LE BIENHEUREUX weht, die Sympathie für Underdogs (wie auch für echte Hunde), für soziale Außenseiter und für realitätsferne (sind sie das wirklich?), aber durchaus moralische Träumer – der ist auch in anderen Filmen Yves Roberts zu spüren.
In seinem zweitem abendfüllenden Film, NI VU, NI CONNU von 1958, liefert sich ein Wilddieb (zusammen mit seinem Hund) ein Katz- und Mausspiel mit den örtlichen Autoritäten. Die Notabeln des Dorfes stehen irgendwann in einer unbequemen Position, als der Wilddieb für längere Zeit verhaftet wird: sie haben schließlich von den Früchten seiner illegalen Arbeit profitiert. Der Film war der erste von mehreren "Star-Entdecker-Filmen", die Robert im Laufe seiner Karriere drehte: die Hauptrolle des Wilderers wurde von einem ehemaligen Barpianisten, Sproß verarmter spanischer Adeliger dargestellt – einem damals noch unbekannten Louis de Funès, der hier seine erste bedeutende Hauptrolle spielte (wenngleich er erst einige Jahre später zum Superstar avancieren würde). Der Stoff war adaptiert nach einer Novelle des humoristisch-satirischen und antiautoritären Schriftstellers Alphonse Allais.
Einen anderen großen Satiriker der französischen Literatur, nämlich Jules Romains (bekannt für "Knock"), adaptierte Robert 1965 mit LES COPAINS: hier veranstaltet eine Gruppe von Freunden eine Serie von Streichen gegen die drei großen Institutionen Verwaltung, Armee und Kirche. Mit von der Partie waren hier illustre und damals noch nicht so bekannte Darsteller wie Philippe Noiret, Guy Bedos, Michael Lonsdale.
Bereits vorher wurde Yves Robert selbst zu einem Star im französischen Kino, mit seinem LA GUERRE DES BOUTONS, der 1962 passenderweise den Prix Jean Vigo erhielt: Wie einst in ZÉRO DE CONDUITE des Namenspaten Jean Vigo handelt LA GUERRE DES BOUTONS ebenfalls von rebellischen Kindern. In diesem Meta-Kriegsfilm liefern sich zwei Kinder-"Gangs" aus benachbarten Dörfern "Schlachten", in denen die Knöpfe der anderen als Trophäen gesammelt werden. Der Film wurde in Frankreich ein großer Erfolg bei der Kritik, und nach erheblichen Startschwierigkeiten auch beim Publikum.
Yves Robert schrieb seine Filme selbst und produzierte sie auch selbst zusammen mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Danièle Delorme bzw. der gemeinsam betriebenen Produktionsfirma "La Guéville" (benannt nach einem Fluss). Die Firma produzierte nicht nur Roberts Filme, sondern auch Filme von Martin Karmitz (selbst bekannt für die Produktions- und Vertriebsfirma mk2), Jean-Paul Rappeneau, Bertrand Tavernier, André Delvaux sowie die ersten Regiearbeiten von Pierre Richard. "La Guéville" gehört auch zu den Firmen, die Jean-Luc Godards LA CHINOISE koproduzierten. Robert äußerte in einem Interview einmal seine Bewunderung für die nouvelle vague (ob die Bewunderung beidseitig war, weiß ich nicht), und LA GUERRE DES BOUTONS wird wegen thematischen Ähnlichkeiten und dem Fokus auf Kindheitserfahrungen gerne in einem Atemzug mit LES 400 COUPS genannt.
Neben LA GUERRE DES BOUTONS wurde Robert vor allem für zwei Filmreihen (bzw. eigentlich: -duos) berühmt. Die slapstickhafte Agentenkomödie LE GRAND BLOND AVEC UNE CHAUSSURE NOIRE machte Pierre Richard zum Star und zu einem der führenden Komödiendarsteller in Frankreich. Die Abenteuer des François Perrin (der erste von vielen folgenden François Perrins aus der Feder des Autoren Francis Veber) waren so erfolgreich, dass der große Blonde in LE RETOUR DU GRAND BLOND 1974 zurückkehrte.
Sehr erfolgreich lief auch Roberts Komödie UN ÉLÉPHANT ÇA TROMPE ÉNORMÉMENT von 1976, der als Ensemblefilm mit Jean Rochefort, Claude Brasseur, Victor Lanoux und Guy Bedos konzipiert war: ein Film über ein paar Freunde, gedreht von einer Gruppe von Freunden (mit Rochefort drehte Robert acht Filme). Dieses lose Konzept wurde zu einem solch großen Erfolg, dass ein Jahr später das Sequel NOUS IRONS TOUS AU PARADIS folgte (und in den USA das Remake THE WOMAN IN RED von und mit Gene Wilder).
Roberts Interesse für das provinzielle, dörfliche Frankreich findet man wieder in der Dilogie LA GLOIRE DE MON PÈRE und LE CHÂTEAU DE MA MÈRE – eine Teilverfilmung von Marcel Pagnols Autobiografie.
Um noch mal zu ALEXANDRE LE BIENHEUREUX zurück zu kehren: auch dieser war ein "Star-Macher", denn es war die erste große Hauptrolle Philippe Noirets, der mit diesem Film in die Riege der großen französischen Kinostars aufstieg. Tatsächlich ist es sehr schwer, sich jemand anderen als Alexandre vorzustellen. Noiret beherrscht absolut perfekt dieses Zusammenspiel aus leiser Würde, sanfter Melancholie und zugleich kernig-burschikoser Jovialität (seine Dicklichkeit war hier ein echter Trumpf), die für diese Rolle notwendig ist. Seine besten Rollen waren stets jene, die diese Mischung erforderten (ich denke da ganz besonders an seine Interpretation des ökonomisch zutiefst korrupten, aber moralisch integren Polizisten René Boisrond in LES RIPOUX).



ALEXANDRE LE BIENHEUREUX ist in Deutschland seit 2017 unter dem Titel "Alexander der Lebenskünstler" erhältlich. Der Film ist darauf ungekürzt*** und mit verfügbarer O-Ton-Version zu sehen. Da die DVD von Pidax ist (ja, ein "Film-Klassiker"), darf man allerdings weder nennenswerte Extras, noch Untertitel erwarten.
Wer den Film im Originalton sehen möchte, aber nicht gut genug Französisch versteht, um dem Film untertitelfrei zu folgen, der sollte sich... nun ja... in Frankreich umschauen! Da gibt es den Film in mehreren Editionen, und die neueren (darunter eine blu-ray-Edition) haben auch englische Untertitel anzubieten.


*** Mehreren Quellen zufolge dauert der Film 100 Minuten. Die DVD läuft allerdings nur 92 Minuten. Abzüglich des PAL-Speedups müssten es eigentlich 95 Minuten sein. Dass auf dem DVD-Cover "Ungekürzte Fassung!" (das Aufrufezeichen steht tatsächlich da) zu lesen ist, würde ich bei dem Label nicht zu hoch bewerten. Der Film dauert allerdings auch in französischen Editionen 92 (DVD) bzw. 95 (blu-ray) Minuten. Vielleicht also wieder eine falsche Zahl, die sich durch hartnäckiges Weiterkopieren im Internet einfach verbreitet hat?